Protokoll der Sitzung vom 22.03.2007

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

und eine Eintrittskarte 2,30 Euro beziehungsweise 2,50 Euro kostet? Wie soll das eigentlich funktionieren? Das geht doch nicht! Also, sagen wir, müssen wir schauen: Was kostet es eigentlich zusätzlich für die Gesellschaft für öffentliche Bäder, wenn Kinder, die heute diese Bäder nicht benutzen, weil sie das Geld nicht haben, diese Bäder benutzen dürfen mit geringem oder mit gar keinem Eintritt? Ich finde, darüber muss man reden, man muss darüber reden, wie man das organisieren kann. Es soll nicht die Einnahmen der Gesellschaft für öffentliche Bäder schmälern, sondern es soll so organisiert werden, dass diese Leistungen auch bei den Kindern tatsächlich ankommen.

Das Gleiche betrifft Museen, andere Kultureinrichtungen, auch dort ist die Frage zu stellen: Was kostet es die Stadtgemeinde, was kostet es das Land, wenn dort Besucher hingehen, die jetzt nicht gesehen werden, weil sie den Eintritt nicht bezahlen können? Wir wollen, dass das alles Stück für Stück überprüft wird, und wir wollen hier zu Veränderungen kommen. Es wird nicht alles ohne Geld gehen, aber es wird nicht sehr viel Geld kosten, in diesen Bereichen zu Verbesserungen zu kommen.

Wir wollen außerdem deutlich machen, dass die Bekämpfung von Armut in der Stadtgemeinde und im Land Bremen nicht ausschließlich Sache des Sozialressorts ist. Das Sozialressort ist natürlich zuständig dafür, aber die anderen Senatsressorts sind genauso zuständig. Wir möchten gern, dass eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt wird, die überlegt, prüft und plant, wie – über das Ganze gesehen, mit Bau, mit Wirtschaft, Kultur, Bildung und Sozia

les natürlich selbstverständlich dabei – Konzepte auf den Weg gebracht werden können, die hier eine Verbesserung bringen. Das wollen wir alles politisch.

Wir werden Ihrem Antrag, Herr Schmidtmann, heute nicht zustimmen können, aus einem ganz banalen Grund. Das ist nicht besonders aufregend, finde ich, muss man aber deutlich benennen! Wir haben einmal einen Antrag formuliert, der in der Sache ähnlich ist wie Ihrer, der aber die Rolle der damaligen Regierungsparteien in Berlin mit würdigt, und unser Koalitionspartner hat dazu schlank gesagt: Das machen wir nicht mit, wir stimmen dem nicht zu! Also sind wir auch nicht in der Lage, hier politisch besonders beweglich zu sein, wir haben einen Koalitionsvertrag, der uns zunächst bis zum Schluss der Legislaturperiode bindet. Wir sehen keinen Sinn darin, 4 Wochen vor dem Wahltermin mit einer Abstimmung gegen die Verfahrensregelung des Koalitionsvertrags hier quasi den Koalitionsvertrag aufzukündigen. Das werden wir nicht machen, aber ich denke, ich habe in der Sache deutlich gemacht, wo unsere Prioritäten liegen.

Wir werden mit dem Wahltag nicht aufhören, an diesem Thema zu arbeiten, sondern wir haben uns als Fraktion und als Partei vorgenommen, dass wir dieses Thema weiter bearbeiten. Das, was wir heute hier nicht im Wege der Beschlussfassung durchsetzen können, werden wir selbstverständlich in die Koalitionsverhandlungen mit wem auch immer einbringen,

(Abg. Frau W i n d l e r [CDU]: Mit wem auch immer! So, so!)

und wir werden darum kämpfen, dass für Projekte, die sinnvoll sind, die den armen Leuten in Bremen helfen, die insbesondere den Kindern helfen, Geld zur Verfügung steht, damit es dort zur Verbesserungen kommt. In diesem Sinne bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit und denke, dass wir noch weitere spannende Beiträge zu diesem Thema jetzt hier hören werden. Ich bin gespannt, was unser Koalitionspartner uns jetzt erklären wird!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Bartels.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion ist eines völlig klar: Gegen Armut vorzugehen heißt nicht allein, mehr Geld auszugeben. In Wahrheit, Herr Kollege Schmidtmann, geht es Ihnen in Ihrem Antrag leider nicht um die Sache, sondern lediglich um Aufmerksamkeit, passend vor dem Wahltag, jedem ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

einfach alles zu bieten, ohne zu sagen, wie Sie es denn vernünftig gegenfinanzieren wollen,

(Beifall bei der CDU)

Hoffnungen zu wecken, die Sie nicht befriedigen können. Ich warne alle hier vor einer Neiddebatte, verbunden mit der Forderung nach zusätzlichen staatlichen Leistungen. Das hat nämlich mit einer nachhaltigen Strategie nicht das Geringste zu tun.

Das hat auch im Übrigen nichts mit seriöser Politik zu tun, sondern es hat etwas damit zu tun, dass Sie die Hartz-Gesetzgebung mit den Stimmen der Grünen damals verabschiedet haben, zusammen mit Ihrem damaligen Koalitionspartner, der SPD. Die Unionsländer haben dem im Bundesrat zugestimmt. Sie selbst wollen sich heute einen weißen Fuß machen, wie wir in Norddeutschland sagen: Sie machen sich hier vom Acker. Das wird immer dann besonders deutlich, wenn es auf den Wahltag zugeht und Sie den Menschen Versprechungen machen, die Sie am Ende nicht einhalten.

Sie lassen sich in Ihrem Antrag aber auch mit keiner Silbe darüber aus, wie Sie das finanzieren können, und das vor dem Hintergrund der bremischen Haushaltslage. Gerade gestern haben wir darüber in der Regierungserklärung von Herrn Bürgermeister Böhrnsen debattiert. Wie Sie wissen, klagt das Land Bremen vor dem Bundesverfassungsgericht, und wir haben hier bei uns die Möglichkeiten des Sparens ausgeschöpft. Weitere Ausweitungen unserer Sozialleistungen können wir aber in keiner Weise darstellen. Wir müssen zwar nicht weniger Geld im Sozialbereich ausgeben, aber wir müssen es effizienter ausgeben. Sie schielen da auf eine Finanzierung des Bundes, frei nach dem Motto: Die Zeche zahlt jemand anders.

Die Ausgaben für Hartz IV entwickeln sich im Bund auf einem hohen Niveau weiter. Zur Einführung von Hartz IV am 1. Januar 2005 waren es 2,25 Milliarden Euro pro Monat, nun sind es Ende des letzten Jahres bereits 3 Milliarden Euro an monatlichen Ausgaben, und das bei steigender Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland! Die Tendenz ist durch den Aufschwung, den wir in Deutschland haben, dass immer mehr Menschen in Arbeit kommen. In einer Großstadt mit einer sehr großen Dichte an Arbeitslosengeld-II-Beziehern ist es doch die Aufgabe, an erster Stelle den Menschen eine Perspektive zu geben. Das ist die Anhebung der Regelsätze nun wirklich nicht. Ihr Vorschlag, die Regelsätze zu erhöhen, zeigt, wie wenig kompetent es ist, was Sie vorhaben, und von Nachhaltigkeit ist hier auch nicht die Rede. Das bedeutet, dass Bündnis 90/Die Grünen hier nicht die Antwort auf die Probleme in unserem Land hat. Deshalb ist es doch auch so, dass Rot-Grün im Bund abgewählt wurde und dieses Bündnis in keiner deutschen Landesregierung mehr zu finden ist. Sie wollen also die Regelsätze erhöhen, die das höchste deut

sche Sozialgericht, das Bundessozialgericht, gerade im November des letzten Jahres bestätigt hat, und auch Bundesarbeitsminister Müntefering hat sie so bestätigt.

Ich will Ihnen sagen, was wir brauchen: Wir brauchen existenzsichernde Arbeitsplätze. Das ist es, was die Koalition in Bremen sich hier auf die Fahnen geschrieben hat, und das ist es auch, was die CDU-Fraktion zusammen mit den Unternehmen hier weiter in diesem Land fortführen wird.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden auch weiter eine Wirtschaftspolitik machen, die zum einen Arbeitsplätze am Standort sichert und zum anderen neue zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft. Die CDU-Fraktion setzt also demgegenüber unter anderem auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze, um möglichst vielen Menschen eine Beschäftigung zu ermöglichen, die ihnen den Lebensunterhalt sichert.

(Beifall bei der CDU)

Auch die SPD hat uns Anfang letzter Woche so einen Antrag übermittelt, der etwas, ich will einmal sagen, gewöhnungsbedürftig ist, geht er doch in dieselbe Richtung wie der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Ich vermute einmal, da war die Motivation unseres Koalitionspartners zu diesem Antrag groß, beim Populismus der Linkspartei mitzuhalten, die ja hier auch Klientelpolitik ohne jeden Sinn und Verstand im Wahlprogramm mit übrigens ganzen 11 Punkten propagiert. Respekt vor dieser Schlichtheit, die Chancen und Probleme Bremens zu definieren!

Wir haben ernsthaft versucht, uns in der Koalition über diesen SPD-Antrag zu einigen, mussten dann aber in der Verhandlung dazu erkennen, dass die Latte dazu immer höher gehängt wurde. Die Tageszeitung „taz“ steht ja nicht gerade im Verdacht, CDU-nah zu sein. Sie hat berichtet am 14. März und zitiert dort Herrn Muras, er ist Geschäftsführer des Diakonischen Werkes in Bremerhaven. Er spricht dort für die Wohlfahrtsverbände in Bremerhaven und fordert unter anderem einen Ausbau von Ganztagsschulen und Schuldnerberatung sowie eine systematischere Betreuung von Alleinerziehenden und Familien mit Migrationshintergrund.

Er sagt weiter, und ich darf mit Ihrer Genehmigung aus dem Artikel zitieren, Frau Präsidentin, da heißt es: „Muras setzt unter anderem auf eine verbesserte Sprachförderung bei Kleinkindern. Außerdem muss gerade unter den Migrantinnen und Migranten gezielt für den Besuch von Kindertagesstätten geworben werden. Wir müssen Netzwerke schaffen, sagt Muras, diese müssten von Familienhebammen und KiTas über Schulen bis hin in Freizeitheime reichen und von den Menschen vor Ort mitgestaltet werden

können. Auf keinen Fall aber, sagt Muras, dürfte die Kinderarmut zum Wahlkampfthema verkommen.“ Recht hat der Mann, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen die Menschen mit vielen kleinen konkreten Maßnahmen unterstützen, das ist sinnvoll. Sie wollen Sportangebote von Vereinen und Kulturangebote kostenlos nutzen für Kinder mit Sozialgeldbezug. Was wollen Sie eigentlich den Menschen im Land sagen, die weniger zur Verfügung haben als Wohngeld und Arbeitslosengeld II und dennoch arbeiten gehen? Was wollen Sie den Rentnern sagen, die weniger als Arbeitslosengeld II und Wohngeld zur Verfügung haben?

Die Gewerkschaften ziehen dann immer den alten Hut mit der Aufschrift „gesetzlicher Mindestlohn“. Die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn, das kann ich Ihnen hier sagen, ist der erneute Versuch, für ein gewaltiges Arbeitsplatzvernichtungsprogramm zu werben. Für meine Fraktion sage ich klar und deutlich: Einen flächendeckenden Mindestlohn wird es mit der CDU nicht geben, er kostet uns Beschäftigungsverhältnisse und sichert keine.

(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)

Ich möchte bitte fortfahren!

Sie möchten keine Zwischenfrage gestatten?

Meine Damen und Herren, es ist doch so, der Aufschwung in Deutschland hat den Arbeitsmarkt erfasst. Das Gute daran: Nicht nur die Zahl der Mini- und Ein-Euro-Jobs wächst, sondern vor allem die Vollzeitbeschäftigung. Das müssen auch Sie vom Bündnis 90/ Die Grünen zur Kenntnis nehmen. Durch Ihren Wortbeitrag, Herr Schmidtmann, kann man den Eindruck allerdings gewinnen, Ihnen geht es bei Hartz IV um eine Einstiegsförderung in die Hilfebedürftigkeit statt um die Ausstiegsförderung in Beschäftigung.

(Beifall bei der CDU)

Leistung muss sich lohnen, und wir müssen die Familien entlasten, das ist das Gebot der Stunde. Das Elterngeld, das die Bundesregierung jetzt eingeführt hat, ist so ein Beitrag, qualitativ hochwertige Kinderbetreuung und Versorgung mit Krippenplätzen für unter Dreijährige ebenso, das verpflichtende kostenlose dritte Kindergartenjahr ist auch ein Beitrag.

(Beifall bei der CDU)

Das Thema Armut ist doch gerade sehr vielschichtiger, als Sie uns hier weismachen wollen. Lesen Sie doch einmal die Studie der UNICEF, die gerade Professor Bertram vorgelegt hat! Da können Sie es genau nachlesen, denn die Form der relativen Armut gerade bei Kindern und Jugendlichen ist ein sehr komplexes gesellschaftliches Phänomen. Die aktuelle Armutsdebatte verschiebt sich eindeutig von der finanziellen Armut auf Themen wie Bildung, soziale Entwicklung, Partizipation und kulturelle Identifikation. Das ist doch der Kern, über den wir sprechen müssen. Die sogenannte Kinderarmut und ihre Bekämpfung, von der auch Sie hier sprechen, äußert sich auf vielfältige Weise, das haben wir im diesen Hause schon mehrfach erörtert. Deshalb ist es absolut falsch, dass wir hier so eindimensional eine Lösung anbieten, wie es Ihr Antrag scheinbar darstellt.

Vielmehr bedarf es einer gezielten Förderung eines gesunden sozialen Umfelds. Hierfür ist auch die Zusammenarbeit von ganz unterschiedlichen Einrichtungen und Trägern wie zum Beispiel unseren Kirchengemeinden, unseren Kindertagesstätten und Schulen, den Beratungsstellen, aber auch Arztpraxen und Kliniken von entscheidender Bedeutung. In einer so reichen Gesellschaft wie Deutschland, in einem Wohlfahrtsstaat geht es nicht um die existenzielle Armut, nicht um das reine Überleben, wenn wir über Armut sprechen, sondern um das soziokulturelle Existenzminimum. Es geht um Teilhabe am Leben, um gesellschaftliche Teilhabe, meine Damen und Herren.

Wir wissen, dass wir als städtische Ballungszentren mit Bremen und Bremerhaven einen erhöhten Sozialgeldbezug von unter Fünfzehnjährigen haben, nämlich über 28 Prozent, also jedes vierte Kind, in der Seestadt sind es sogar 38,4 Prozent. Deshalb müssen wir auch jetzt sehr sauber die Instrumente der Familienförderung ohne ideologische Präferenzen, sage ich, überprüfen und ein einheitliches, ineinandergreifendes System aufbauen. Die Vorstöße von Bundesministerin Ursula von der Leyen gehen hier genau in die richtige Richtung.

(Beifall bei der CDU)

Den Streit über die Finanzierung verstehe ich selbst nicht, und meine Fraktion versteht ihn auch nicht. Es geht um die Finanzierung der Krippenplätze. Da hat man ja im Blätterwald ein großes Rauschen vernommen, und die Sozialdemokraten wissen natürlich, dass ihr Vorschlag völlig abwegig ist. Es ist zunächst so, dass sich eine Arbeitsgruppe auf Bundesebene durch die beiden Bundestagsfraktionen, die übrigens heute tagt, über die Finanzierung der Krippenplätze ganz konkret unterhalten wird, und bis zum Herbst wird sie auch zu einem konkreten Ergebnis kommen. Ich finde, dass es genau richtig ist, das ist ein mutiger Schritt, und die Große Koalition in Berlin wird die

sen Schritt auch gehen. Das ist ebenfalls ein Punkt, gegen Kinderarmut vorzugehen.

(Beifall bei der CDU)

Aufgabe von uns als Politik und Gesellschaft muss es sein, den Kindern gerade aus einkommensarmen Familien eine Zukunftsperspektive zu vermitteln. Wir sind gemeinsam in der Verantwortung! Das Thema Bekämpfung der Kinderarmut ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der sich nicht nur Sozialpolitiker zu stellen haben. So ist die Arbeit in unseren WiNGebieten so wichtig, aber auch in unseren Häusern der Familie, den Mütterzentren, unseren Kindertagesheimen und Schulen sowie in den vielen anderen Institutionen der Wohlfahrtsverbände, dem Kinderschutzbund, in all jenen, die man hier gar nicht aufzählen kann. Was wir brauchen, ist Vernetzung untereinander und eine Kultur des Hinschauens und des Handelns.

(Glocke)

Ihre Redezeit ist zu Ende!

Dann komme ich gleich noch einmal!

(Beifall bei der CDU)

Dann erteile ich jetzt dem Abgeordneten Schmidtmann das Wort.