Protokoll der Sitzung vom 22.03.2007

Herr Abgeordneter, die Regeln des Parlaments – –.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Es ist so! – Glocke)

Herr Abgeordneter, ich entziehe Ihnen jetzt das Wort! Sie müssen die Regeln des Parlaments beachten!

(Starker Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. T i t t m a n n [DVU]: Ja, jetzt können Sie schreien!)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Ziegert.

(Zurufe des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Frau Präsidentin, bevor Sie das Präsidium verlassen, bedanke ich mich noch dafür, dass Sie uns dieses Schauspiel erspart haben!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen – Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich glaube, dass es sich nicht lohnt, auf das Gegeifere meines Vorredners einzugehen.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Das können Sie nicht!)

Aber ich möchte doch einiges zur Bremer Räterepublik sagen! Jene Personen, die mein Vorredner so benannt hat, die im November 1918 die Bremer Rä

terepublik ausgerufen haben, waren Soldaten, die vier Jahre im Krieg in Schlamm und Dreck gelegen haben, die Granatenfeuer und Gewehrsalven über sich ergehen lassen haben. Es waren vor allen Dingen die Arbeiter der AG „Weser“ und anderer Bremer Betriebe, die unter den härtesten Bedingungen der Kriegswirtschaft in Hunger, Elend und Not die Produktion aufrechterhalten haben und die nach diesem Ende des schrecklichen Krieges gesehen haben, die alte Ordnung zu stürzen, in der sie vier Jahre Krieg erlebt hatten und in der sie vorher Armut, Ausbeutung und Unterdrückung erlebt hatten. Sie wollten eine neue Gesellschaftsordnung schaffen, die die Aufhebung von Ausbeutung und Unterdrückung bedeutete, sich nicht gegen eine Klasse, eine Partei, eine Rasse oder ein Geschlecht richtete, so der Aufruf des Bremer Arbeits- und Soldatenrates im November 1918. Ich glaube, das sind Ziele, hinter die sich alle Demokraten auch heute noch gut und gern stellen können.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Diese Arbeiter und die Soldaten wollten sich selbst organisieren. Das ist auch kein Wunder, nachdem sie im Kaiserreich noch mit dem Bremer Mehrklassenwahlrecht eine besondere Art des Wahlrechts erfahren hatten, in dem die Stimme eines Kaufmanns ein Vielfaches mehr gewogen hat als die Stimme eines Arbeiters.

Ich glaube, diesen Menschen, die dafür ihr Leben riskiert haben, gebührt auch heute noch unsere Anerkennung und unser Respekt. Lassen Sie mich hinzufügen, das Denkmal, das den Gefallenen der Räterepublik 1922 erreichtet worden ist, wurde elf Jahre später von den Nazis vernichtet und geschleift, und das zeigt schon, in welcher Tradition sich mein Vorredner mit seinem Ansinnen befindet!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist allerdings, glaube ich, eine Tragik der Geburtsstunde der Weimarer Republik, dieser ersten Demokratie auf deutschem Boden, dass die Bremer Räterepublik durch die demokratische Regierung in Berlin blutig niedergeschlagen worden ist, und das in einer Situation, als es politisch eigentlich unnötig war, denn die Revolutionäre mussten im Laufe des Januars schon erkennen, dass sie verlassen waren, dass ihr Ziel nicht zu erreichen war, dass sie auf verlorenem Posten standen, nachdem im Reich die Räterepublik niedergeschlagen worden war und nachdem ihnen nicht zuletzt auch noch der Geldhahn zugedreht worden war, weil die Banken die Kredite verweigerten. Daran kann man übrigens sehen, wie es einer Regierung ergehen kann und wo die Macht im Kapitalismus immer noch sitzt.

Der Arbeiter- und Soldatenrat hatte am 1. Februar bereits zu allgemeinen Wahlen in Bremen aufgerufen. Damit wäre eigentlich der Weg für eine friedliche Lösung offen gewesen. Es ist deswegen, glaube ich, und ich sage das auch, ein Fehler gewesen, dass die Regierung Ebert oder der Rat der Volksbeauftragten dann doch noch die Truppen des Oberst Gerstenberg in Marsch gesetzt hat, die blutig die Arbeiter unterdrückt haben, die sich mit aller Kraft wehrten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Opfer und Verluste, die auch Unbeteiligte, auch Frauen und Kinder getroffen haben, hätten sich vermeiden lassen. Wie groß der Widerstand der Arbeiter übrigens insbesondere war, zeigt sich daran, dass die Truppen am nächsten Tag noch die AG „Weser“ besetzt haben. Die Arbeiter haben aber dann durch einen Streik erreicht, dass die Truppen wieder abziehen mussten und die rote Fahne auf der AG „Weser“ wieder aufgerichtet wurde.

Welche Geister die demokratischen Kräfte in Bremen durch diese blutigen Unterdrückungen herbeigerufen hatten, das hat sich auch in Gestalt des Oberst Caspari gezeigt, der sich mit einem sogenannten Freikorps, das ist eine Freischärlergruppe, ähnlich wie die freien Kameradschaften heute vielleicht, auf die Seite der Gerstenberger stellte und mitgeholfen hat, die Bremer Arbeiter niederzuschießen.

Dieser Major Caspari hatte dann die Aufgabe, die Bremer Sicherheitspolizei aufzubauen. Er hat es zugelassen, dass am 4. März 1933 SA, SS und Stahlhelm den Bremer Marktplatz und den Domshof besetzten. Alles Weitere, was folgte, wissen wir, die Besetzung des Gewerkschaftshauses, die Verhaftung der Oppositionellen. Sozialisten, Kommunisten und später auch andere Demokraten wurden in die Gefängnisse und die Konzentrationslager gebracht. Das ist die Tradition, in die sich mein Vorredner mit seiner Rede und mit seinem Antrag gestellt hat, und das ist die Tradition, in der wir als demokratisch gewähltes Parlament uns nicht stellen wollen und nicht stellen werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Doch!)

Nein, Herr Abgeordneter, Sie können sich nicht wieder zu Wort melden! Das gibt die Geschäftsordnung nicht her.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Entschließungsantrag des Abgeordneten Tittmann, DVU, mit der Drucksachen-Nummer 16/ 1292 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU und Bündnis 90/ Die Grünen)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Entschließungsantrag ab.

Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen

Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD vom 13. Februar 2007 (Drucksache 16/1301)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 13. März 2007

(Drucksache 16/1338)

Wir verbinden hiermit:

Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen bekämpfen – „Flatrate-Trinken“ verhindern

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 21. März 2007 (Drucksache 16/1352)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke.

Meine Damen und Herren, gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen. Darauf verzichtet der Senat, sodass wir gleich in die Aussprache eintreten können.

Als erste Rednerin erhält das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohr-Lüllmann.

Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen! Wir konnten am 13. März eine Headline in einem Wochenmagazin lesen, die lautete: „52 Tequila, 2 Wochen Koma! Der Fall entsetzt Ärzte, Politiker und Suchtexperten.“ Es geht um das Schicksal eines sechzehnjährigen Berliner Jungen, der sich ins Koma gesoffen hat. Er ringt mit dem Tod.

Flatrate-Trinken oder All-you-can-drink-Parties werden bei Jugendlichen immer beliebter. Für etwa 10 Euro bekommt man beispielsweise in einer Disco einen Plastikbecher in die Hand, den man dann den ganzen Abend über kostenlos auffüllen lassen kann. Trinken bis der Arzt kommt! Folgen: Schon Dreizehnjährige werden mit knapp 5 Promille in eine Notaufnahmestation eingeliefert oder wurden dort bereits aufgenommen. Immer früher, immer selbstverständlicher und immer häufiger trinken Jugendliche dramatisch zu viel Alkohol.

Zwar lesen wir immer, dass der Alkoholkonsum bei jungen Leuten zwischen 12 und 25 Jahren insgesamt rückläufig ist, wir müssen aber gleichzeitig zur Kenntnis nehmen, dass sich alle 5 Jahre die Zahl der Vierzehnjährigen, die regelmäßig trinken, verdoppelt. Jeder zweite Vierzehnjährige hat schon einmal einen Vollrausch erlebt. Das heißt, es wird insgesamt weniger getrunken, aber wenige konsumieren dafür umso mehr.

Alkoholkonsum, meine Damen und Herren, wird in unserer Gesellschaft toleriert, Alkohol ist salonfähig und gehört zu jedem Anlass. Werbung verklärt Alkohol als Genussmittel, und der Konsum ist geradezu als Tradition fest verwurzelt. Wein und Bier sind Kulturgut, Alkohol ist akzeptierter Bestandteil der Erwachsenenwelt. Wer als Jugendlicher mithalten will, muss mittrinken, denn es gilt als Zeichen der Reife, mithalten zu können, und Abstinenzler sind schnell Außenseiter.

Meine Damen und Herren, nicht nur der regelmäßige Alkoholkonsum bei Jugendlichen, den ich für sich genommen schon sehr bedenklich finde, sondern speziell die Rauscherfahrungen nehmen bei Jugendlichen deutlich zu. Das ist das Erschreckende! Ein Risikoverhalten, das sowohl kurz- als auch langfristig negative Auswirkungen auf die Gesundheit von Jugendlichen hat! Das Rauschtrinken zieht eine Reihe von negativen Konsequenzen nach sich: Neben allen gesundheitlichen Risiken beklagen wir alkoholbedingte Verkehrsunfälle, Verletzungen und Gewalt sind häufige Folgen. Wir beklagen Schulprobleme und Schwierigkeiten in der Ausbildung. Wir sehen das Problem, aber was können wir tun? Ob beim Alkoholkonsum Minderjähriger oder beim Rauchen, die Forderung nach Verboten nimmt derzeit Fahrt auf.

Um den Alkoholmissbrauch bei Jugendlichen zu senken, braucht es vermutlich mehr, als die Alkoholabgabe an Minderjährige zu verbieten. Das Beispiel Schweden zeigt jedenfalls, dass eine restriktive Alkoholpolitik allein jugendliche Besäufnisse nicht wirksam verhindern kann. Experten für Suchtfragen plädieren vor allem für mehr Aufklärung über die schädlichen Folgen des Alkoholkonsums an Schulen.