Protokoll der Sitzung vom 21.02.2008

auch wissen, was man gegen rechtsextreme Aktivitäten tun kann und was man braunen Kampfparolen entgegenhalten kann. In der Jugendarbeit, in Schulen, bei Polizei, Staatsanwaltschaften, Verwaltungen und Gerichten muss es entsprechende Aus- und Fortbildungsangebote geben.

Schon jetzt leisten viele Initiativen einen unverzichtbaren Beitrag im Kampf gegen den Rechtsextremismus, aber sie benötigen auch eine angemessene und dauerhafte Finanzierung. Hier ist zu hoffen, dass die unter der Bundesregierung angeschobenen Projekte zur Bekämpfung des Rechtsextremismus auch von der Großen Koalition in Berlin fortgesetzt werden und nicht – wie es momentan den Anschein hat –, dass die Koalition plant, diese Bundesprogramme entschieden einzudämpfen.

Bundes- aber auch landespolitisch wird auch immer wieder die Debatte um ein Verbot rechtsextremer Parteien ins Spiel gebracht. Die grüne Bürgerschaftsfraktion hat sich gerade jüngst intensiv mit der Thematik auf ihrer Klausurtagung befasst und bleibt bei ihrem derzeitigen Nein zu einem möglichen Verbotsantrag der NPD. Ja, wir wollen Rechtsextremismus in allen seinen Erscheinungsformen bekämpfen, und das schließt ein Verbotsverfahren auch nicht grundsätzlich aus,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

aber dieses Verbotsverfahren muss auch die Aussicht auf Erfolg haben, und das ist zurzeit gleich aus mehreren Gründen nicht sichergestellt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Viel entscheidender für langfristigen Erfolg ist es aber, dass Zivilcourage gelebt und demokratische Grundwerte offensiv vertreten werden!

Warum nun gerade jetzt dieser Antrag? Die Bürgerschaftswahlen haben gezeigt, dass Bremen kein gutes Pflaster für rechtsextreme Parteien ist. Die Menschen wissen und bekommen es auch immer wieder bestätigt, dass die Vertreter der rechten Parteien mehr durch Abwesenheit und Nichtstun glänzen, als ihrer Aufgabe als Volksvertreter gerecht zu werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dazu empfehle ich übrigens einen Besuch in der Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven!

Der Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2006 weist aus, dass die Anzahl der Rechtsextremisten in Bremen stabil geblieben ist, die Gewaltdelikte Rechtsextremer sogar rückgängig sind, aber bei den sonstigen Delikten ist eine deutliche Steigerung zu sehen. Das ist jetzt alles nicht schön, aber eigentlich auch

nicht so richtig bedrohlich, könnte man meinen. Gerade deswegen stellen wir heute diesen Antrag. Für Grüne und Sozialdemokraten geht es hier nicht um Aktionismus, wenn einmal wieder irgendwo irgendetwas vorgefallen ist. Für uns ist die politische Bekämpfung des Rechtsextremismus und von Fremdenfeindlichkeit eine fortwährende Aufgabe!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Aber wir sollten auch nicht so tun, als ob hier alles in Butter wäre! Wenn der ehemalige Leiter unseres Landesamts für Verfassungsschutz Hakenkreuzschmierereien als Dummejungenstreich nach dem Motto „Das haben wir ja alle schon einmal gemacht!“ darstellt, die NPD auf Schulhöfen fleißig Musik-CDs verteilt oder, noch schlimmer, unsere Stadt als Demonstrationsplattform für ihre braune Propaganda missbraucht, dann sind das Dinge, die für uns einfach unerträglich sind!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei den Linken)

Die letzten Sätze meiner Rede muss ich leider der CDU und der FDP widmen! Sie haben diesen Antrag nicht mitunterschrieben, und ich bedauere das außerordentlich. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass diese Berichtsanträge in der Vergangenheit immer, ich betone immer, gemeinsam von den demokratischen Fraktionen getragen wurden, bin ich gespannt, wie Sie dies hier und heute begründen wollen! Die grüne Bürgerschaftsfraktion, aber auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD sind fest entschlossen, die politische Auseinandersetzung mit den rechtsextremen und fremdenfeindlichen Kräften aufzunehmen. Wir setzen uns für ein demokratisches, weltoffenes und tolerantes Bremen ein, und ich hoffe sehr stark, dass wir auch die Opposition an unserer Seite haben! – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich auf der Besuchertribüne recht herzlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Firma Hella Fahrzeugkomponenten GmbH begrüßen!

(Beifall)

Das Wort hat der Abgeordnete Ehmke.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum heute vorliegen––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

den Antrag hat der Kollege Fecker einiges ausgeführt. Ich möchte noch ein paar Sätze zur Entwicklung der Fremdenfeindlichkeit, des Rassismus und neonazistischer Bestrebungen in unserem Land, in Deutschland insgesamt, ergänzen! Wir haben in Deutschland in den letzten Jahren eine Entwicklung – und Herr Fecker hat darauf hingewiesen, nicht in dieser Intensität in Bremen, aber doch bundesweit – zu beobachten, dass die Zahl rechtsextremer Übergriffe, rechtsextremer Gewalttaten ansteigt. In Deutschland finden derzeit pro Tag etwa drei gewalttätige Übergriffe auf Minderheiten, auf Fremde, auf Menschen in diesem Land durch Neonazis und durch den rechten Mob statt.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Über tausend Gewalttaten jedes Jahr! Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein Grund, besorgt zu sein!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei den Linken)

Auch die Strukturen des Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus in Deutschland haben sich bedauerlicherweise verändert. Während in der Vergangenheit häufig rechte Parteien im Wesentlichen Altherrenvereinigungen waren, die sich gegenseitig beim Wahlantritt in der Öffentlichkeit marginalisiert haben, haben wir in Deutschland durch die Öffnung der NPD zur gewaltbereiten, rechtsextremistischen Szene, zu den Kameradschaften, eine neue Qualität der politischen Auseinandersetzung. Ergänzt durch den sogenannten Deutschlandpakt zwischen NPD und DVU ist derweil auch ausgeschlossen, dass die rechten Kräfte sich gegenseitig Konkurrenz machen. Auch das ist eine neue und bedrohliche Entwicklung, die wir hier zur Kenntnis nehmen müssen.

Wir müssen des Weiteren zur Kenntnis nehmen, dass sich rechte Strukturen professionalisiert haben und dass vor allen Dingen viel Geld im System ist, viel Geld, das wir erleben, wenn es um rechte Immobilienankäufe geht, viel Geld, das wir erleben, wenn rechte Veranstaltungen und rechte Propaganda gemacht werden. Das Ganze ist insgesamt professioneller geworden. Auch das muss uns in besonderer Art und Weise besorgt stimmen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Deshalb ist im Kampf gegen Rechtsextremismus, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen jede Form von Ausgrenzung und Benachteiligung entschlossenes staatliches Handeln erforderlich.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Aber vor allen Dingen ist das zivilgesellschaftliche Engagement, das gemeinschaftliche Einstehen aller demokratischen Kräfte, aller gesellschaftlichen Verantwortungsträger in unserem Land erforderlich.

Für dieses entschiedene Eintreten – von dem wir in Bremen eine Menge haben und auf das wir in der Politik sehr stolz sein können –, für dieses gesellschaftliche Engagement müssen wir als Politiker immer wieder den Rahmen bieten, müssen die Rahmenbedingungen schaffen. Wir tun gut daran, auch Aufmerksamkeit auf diese Aktivitäten zu lenken, wie wir das mit diesem Bericht tun wollen, und hier und heute in diesem Hause auch Danke an all diejenigen Menschen zu sagen, die das Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung in dieser Stadt mit Leben füllen!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei den Linken)

Vor diesem Hintergrund – der Kollege Fecker hat es angesprochen – würde ich doch gern noch einmal an die Oppositionsfraktionen appellieren, sich unserem Antrag hier anzuschließen! Es hat nämlich nichts damit zu tun, auf dem linken Auge blind zu sein oder möglicherweise keine klare Position zu beziehen. Es geht auch nicht um Verharmlosung, wenn man hier an einer Stelle sagt, die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist von besonderer Bedeutung und darf auch isoliert genannt werden!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Das ist auch kein Novum. Sie fordern ja in Anlehnung an unseren Antrag auch eine Berichterstattung in der Kontinuität der letzten drei Berichte, aber in der Kontinuität der letzten drei Berichte ist der Fokus auf die Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus – ich füge hinzu, beim letzten Mal auf Initiative der CDU-Bürgerschaftsfraktion unter Jens Eckhoff eingebracht –, und was an der Stelle möglich war, hätte ich begrüßt und würde es nach wie vor begrüßen, wenn es auch heute möglich wäre wie in der Vergangenheit: Ein breiter Schulterschluss der Demokraten gegen Faschismus, Neofaschismus, Antisemitismus und all diese braunen Umtriebe in unserem Land!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Ich will abschließend sagen: Ich glaube, dass dies auch zu rechtfertigen ist in der historischen Dimension. Schon die Präambel unserer Landesverfassung nimmt die erschütternden Erfahrungen von 12 Jahren Vernichtung, die über Deutschland und Europa ausgehend von den Nationalsozialisten hinweggebrochen sind, zum Anlass, all unser Bestreben in den

Kampf für die Menschenwürde und für die Gleichwertigkeit menschlichen Lebens zu stellen. Das ist das, was den Nationalsozialismus und die Fremdenfeindlichkeit in besonderer Weise von vielen anderen ebenfalls zu bekämpfenden und besorgniserregenden Extremismusformen unterscheidet, eben dass in Deutschland 12 Jahre blutige Geschichte auf die ideologischen Vorkämpfer derjenigen zurückgehen, die zum Teil hier heute noch ihr Unwesen treiben und zurückwollen nach 1933.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Vor diesem Hintergrund will ich damit abschließen: Der Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus braucht entschlossenes Handeln, ein klares Bekenntnis und die Einheit der demokratischen Kräfte in unserem Land. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/ Die Grünen und bei der Linken)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich setzt sich auch die CDU für ein demokratisches, weltoffenes und tolerantes Bremen ein, das ist doch überhaupt keine Frage,

(Beifall bei der CDU)

aber der Antrag von Rot-Grün setzt sich leider ausschließlich mit dem Rechtsextremismus und der zugegebenermaßen dazu gehörenden Fremdenfeindlichkeit auseinander.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Warum leider, Herr Hinners? Warum leider?)

Weil es weitere extremistische Formen gibt, auf die ich jetzt noch eingehen werde!

(Beifall bei der CDU – Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Lassen Sie mich doch weiterreden! Wenn Sie den Antrag gelesen hätten, dann wüssten Sie, worum es geht. Ich denke auch nicht, dass dieses Thema dazu geeignet ist, dass wir uns hier jetzt in die Haare bekommen,

denn ich unterstütze ja zu 100 Prozent, und die CDUFraktion auch, das, was Herr Fecker und Herr Ehmke hier eben schon gesagt haben zum Rechtsradikalismus, zum Rechtsextremismus, zu den Gefahren, die davon drohen, zu den 1000 Taten. Ich weiß nicht ganz, ob es stimmt, aber es ist egal, es kommt gar nicht auf 100 mehr oder weniger an. Es kommt schon darauf an, aber jetzt nicht in der Diskussion. Natürlich kommt es darauf an, keine Frage, aber worauf es mir ankommt, ist: Es ist doch nicht in Ordnung, wenn wir uns nur einseitig mit dem Rechtsextremismus beschäftigen und andere Formen des Extremismus außer Acht lassen. Deswegen geht uns dieser Antrag nicht weit genug, das ist der Grund.