Denn die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Die Kulturwirtschaft erreicht eine Bruttowertschöpfung, die sich in der Größenordnung der deutschen Energiewirtschaft bewegt. Wenn man dazu noch die Kreativwirtschaft, also die Werbe- und Softwareindustrie, hinzuzählt, übertrifft dies sogar die deutsche Chemiebranche. Dies ist umso eindrucksvoller, wenn man bedenkt, dass die öffentlich geförderten Betriebe hier noch gar nicht berücksichtigt sind. International und auch zwischen den Bundesländern ist immer noch nicht genau geklärt, wie man denn Kulturwirtschaft genau definieren solle.
Dennoch herrscht auch über Parteigrenzen hinweg Einigkeit darüber, dass dieser Bereich zukünftig stärkerer politischer Begleitung bedarf. Hier handelt es sich nun einmal nicht um einen einfach einzugrenzenden Sektor wie zum Beispiel die Automobilbranche mit einigen wenigen großen Unternehmen, Fabriken und großzügigen Vorstandsetagen und -bezügen. Hier gibt es oft kein greif- und sichtbares Endprodukt, das sich statistisch erfassen oder exportieren lässt. Wenn wir von der Kulturwirtschaft sprechen, meinen wir im Durchschnitt zumeist sehr kleinteilige Unternehmen mit vier, fünf Mitarbeitern und einer großen Zahl von Freiberuflern und Selbstständigen.
Darüber hinaus vermischt sich hier oft teilweise privates und öffentliches Interesse. Das heißt, die Unternehmen haben unterschiedliche Grade der Selbsterwirtschaftung und bestreiten einen Teil ihrer Einnahmen durch öffentliche Zuschüsse. Das heißt auch, dass herkömmliche Wirtschaftsförderung hier oft fehl am Platze ist. Ein kleines Unternehmen der Kulturbranche braucht keine millionenschweren Kredite, keine großen Fertigungszahlen oder Infrastrukturmaßnahmen. Hier sind kleine aber gezielte Förderinstrumente und Hilfen gefragt, die für sich genommen kein großes Volumen haben müssen, aber in der Summe sehr viel bewirken können.
Häufig ist es auch nicht Geld, das benötigt wird, sondern Hilfestellung und Beratung, etwa bei der Existenzgründung oder Betriebsführung. Die gewohnte Form der sozialen Absicherung muss auch angepasst werden, denn hier haben wir es oft mit schwankenden oder gar ausbleibenden Einkommen zu tun.
Man könnte nun die Frage stellen: Was bringt das alles, warum sollte man gerade hier stärker aktiv werden? Die Ersten, die darauf eine Antwort geben könnten, sind die Arbeitsmarktpolitiker. Hier lässt sich nämlich mit wenig Förderung viel bewirken. Zudem sind die Unternehmen und ihre Arbeitsplätze in hohem Maße standortgebunden. Die Produktionen des Bremer Theaters lassen sich aus Kostengründen nicht auslagern. Genauso würden die Musikfreunde protestieren, wenn das Konzert ihrer Lieblingsband in China statt im Kulturzentrum Schlachthof stattfinden würde.
Zudem handelt es sich um einen Sektor mit einem sehr hohen Anteil an gut qualifizierten Menschen. Ungefähr 40 Prozent der Erwerbstätigen hat hier einen Hochschulabschluss und das nicht nur aus den sogenannten weichen Fächern wie den Geistes- und Sozialwissenschaften, sondern es sind eben auch Betriebswirte und Juristen. Gern wird die Kulturwirtschaft auch als weicher Standortfaktor bezeichnet. Es wird argumentiert, dass sich Unternehmen und gut qualifiziertes Personal auch mit einem guten kulturellen Angebot anwerben lassen. Dies ist konkret bisher kaum untersucht worden, zu Unrecht, wie ich finde. Wie viele Touristen würden sich noch nach Bremen verirren, wenn wir hier nicht ein reichhaltiges kulturelles Angebot hätten?
Bei allem Respekt vor den Leistungen der Wirtschaftsförderer, aber die Menschen kommen nicht aus ganz Europa hierher wegen einer starken Logistikbranche oder einem ausgeprägten Profil bei der Umwelttechnologie.
Was einen Touristen und die Menschen, die hier leben, bei einer Stadt konkret anzieht, lässt sich oft nur schwer in Worte fassen, womit wir wieder beim Kern des Problems wären. Kultur bringt Farbe in eine Stadt, macht sie überhaupt lebenswert und sexy, wie es ein Parteigenosse aus einer bekannten Großstadt formulierte. Dies kann man in keiner offiziellen Statistik abbilden, ist aber trotzdem unbezahlbar.
Viele Städte und Länder haben bereits erkannt, dass die Kulturwirtschaft eine Antwort auf den Strukturwandel sein kann, aber zugleich ebenso von ihm betroffen ist. Insbesondere die Musik- und Filmwirtschaft, aber auch die Verlage mussten in den vergangenen Jahren Umsatzeinbußen hinnehmen. Das Internet und die immer größer und billiger werdenden Speicherkapazitäten haben das Konsumverhalten stark verändert, leider auch in den Bereich der Illegalität hinein.
Das herkömmliche Urheberrecht ist hier in vielen Fällen wirkungslos. Für die Zukunft muss man sich Gedanken machen, ob es dies in der heutigen Form überhaupt noch geben wird. Hier sind neue Modelle der Verwertung notwendig, denn auch in Zukunft
müssen Kulturschaffende von ihrer Arbeit leben können. Auch hier gilt: Diejenigen, die kreativ handeln und auch einmal einen mutigen Schritt wagen, werden sich am wenigsten Sorgen machen müssen.
Hier in Bremen haben wir sehr gute Voraussetzungen, das Potenzial der Kulturwirtschaft optimal zu nutzen. Wir verfügen über viele Einrichtungen, die über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind. Die Hochschule für Künste zieht viele junge kreative Menschen in unsere Stadt.
Ich komme zum Schluss. Der Kulturwirtschaftsbericht soll nur der erste Schritt sein, um die besonderen Anforderungen dieser Branche besser zu verstehen und auch Möglichkeiten der Unterstützung zu verdeutlichen. Letztlich wird sich dies für uns alle auszahlen, und zwar nicht nur im finanziellen Sinne. – Vielen Dank!
Angesichts vielversprechender Zahlen und Erfahrungen aus anderen Bundesländern soll die Kulturwirtschaft nun auch im Land Bremen ernst genommen und durch einen Bericht aufgearbeitet werden. Ich möchte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen, zugutehalten, dass Sie wenigstens so ehrlich sind und zugeben, dass Sie ansonsten einen erheblichen Beitrag zur Wertschöpfung unseres Landes vernachlässigen würden, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, die die Potenziale der Kulturwirtschaft bereits vor Jahren erkannt haben.
Aber eben besser spät als nie! Deshalb begrüßen wir als FDP-Fraktion den Antrag. Wir hoffen, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft dann nicht mehr nur unter dem Aspekt der weichen Standortfaktoren, sondern endlich als eigener Wirtschaftsfaktor und Innovationsmotor auch für andere Branchen betrachtet und ernst genommen wird.
erhebliches Innovations- und Entwicklungspotenzial. Kultur treibt die Wirtschaft an. So lautet auch die Hauptaussage der Studie zur Kulturwirtschaft in Europa, die die EU-Kommission schon im November 2006 vorgestellt hat. Professor Timm bestätigte die Einschätzungen in der letzten Woche. Für manche mögen Kultur und Wirtschaft zunächst nicht zusammenpassen, für die FDP-Fraktion schon!
Liberale Kulturpolitik hat Ausgaben für Kultur noch nie als Subventionen verstanden, sondern als Investition in unsere Zukunft. Mit diversen Kampagnen hat sich die FDP dafür eingesetzt, dass Kultur als Bestandteil der Wirtschaft von allen Beteiligten der Politik, der Wirtschaft und der Bevölkerung als innovativer und kreativer Wachstumsmotor ernst genommen wird.
(Beifall bei der FDP – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Welche Kampagne? Meinen Sie die Achtzehnpro- zentkampagne?)
Die rot-grüne Koalition kann nun nicht mehr ignorieren, was die vorliegenden Kulturwirtschaftsberichte anderer Länder schwarz auf weiß belegen. Der kulturelle und kreative Sektor ist ein Wachstumssektor, der sich schneller entwickelt als die übrige Wirtschaft. In allen Kulturbranchen wächst besonders die Zahl der Kleinst-, Mikro- und Einpersonenunternehmen überproportional. Für unsere Städte muss man in diesem Bereich von noch unentdecktem Kapital sprechen. Ich bin mir sicher, dass gerade Wirtschaftspolitiker an einer solch ausgesprochenen Zukunftsbranche Gefallen finden werden.
Die rot-grüne Koalition steht mit einem Kulturwirtschaftsbericht für das Land Bremen vor einer interessanten Aufgabe. Angesichts der schwierigen Messbarkeit des wirtschaftlichen Wertes kultureller Leistungen bedarf es eigener Lösungen, um die Rolle der Kulturwirtschaft zur Entwicklung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung herauszuarbeiten. Eine einseitige Anwendung ökonomischer Kriterien – das möchte ich hier besonders betonen – wäre fatal und zum Schaden der Kultur- und Kreativbranche, deren Vielfalt unbedingt erhalten werden muss.
Das sage ich vor allem auch in die Richtung unseres Kultursenators und Bürgermeisters, der in letzter Zeit da etwas missverständliche Aussagen getätigt hat.
Die Erstellung eines aussagekräftigen Kulturwirtschaftsberichts für das Land Bremen ist eine besondere Herausforderung. Sich dieser Aufgabe zu stellen wird sich, da bin ich mir sicher, lohnen, schon um die notwendige Brücke zwischen Kultur und Wirtschaft zu bauen. Ein solcher Bericht verschafft zunächst einen Überblick und erhöht zugleich die Transparenz. Entscheidend ist jedoch, dass die im Kulturwirtschaftsbericht identifizierten Potenziale auch geborgen werden und es sich nicht nur um einen Alibibericht für die Schublade der Koalitionäre handeln wird. Herzlichen Dank für den Antrag! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ja, dass man es nicht nur ökonomisch sehen darf, ist mittlerweile hier im Haus fast gänzlich gemeinsame Sicht. Es kommt dann immer auf das Konkrete an, wie man es dann ausformt. Ich glaube, wir sind auf keinem schlechten Weg, mit solchen sich verbreitenden Einsichten hier im Parlament, in verschiedener Hinsicht.
In der Kulturwirtschaft ist natürlich am Anfang festzustellen, leider etwas ernüchternd, es handelt sich um das, was man in der Fachsprache, ohne die vereinfachte Sprachform hier allzu sehr zu vernachlässigen, als prozyklisches Verhalten bezeichnet. Das heißt, dort, wo es boomt, buttert man noch hinein. Das ist auch Politik, es ist aber nicht kreativ, da muss man vielleicht die Kreativen einmal heranlassen. Das hat man bei den Werften gemacht, dann hat man es bei IT versucht, jetzt springt man auf die Kultur. Ein Stück weit muss das sein. Es ist aber keine besondere Heldentat.
Wir sind aber auch in diesem Fall ein Stück weit dafür, wenn das Geld dafür nicht zu sehr bei der Armutsbekämpfung und der Bildung und so weiter abgezwackt wird. Man soll es also ruhig positiv begleiten. Das gilt besonders für den Kulturbereich, denn dort arbeiten Menschen, die sich mit menschlichen Bedürfnissen beschäftigen, die also auch gut zu Bremen passen, zum Teil, weil es sich um eine Tradition kultureller Vielfalt und Reichhaltigkeit handelt, wo dafür etwas getan wird, wo sich jemand – sei es auch über Werbung, Design oder Filmindustrie – Gedanken macht. Es kommen dabei auch immer wieder subversive Ansätze heraus. Deswegen finde ich es besonders sympathisch.
Extreme Beispiele sind Menschen wie Warren Beatty oder auch Michael Moore, der an Filmen teilnimmt wie „The coporation“, die dann in den Kinos trotzdem gezeigt werden. Er sagt selbst, sie werden des––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
wegen gezeigt, weil, ähnlich wie in alter Zeit, aber anscheinend noch gültiger Zeit, schon einmal jemand sagte, dass jemand noch den Strick verkauft, an dem er aufgehängt wird. So, sagt Michael Moore, würde also seine Kultur noch vermarktet.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Wie war das? Das Zitat habe ich nicht verstanden!)
Die Kultur kann also sehr subversiv sein, nach Darstellung ihrer eigenen Protagonisten. Wir stehen also nicht an, im Großen wie im Kleinen, das nicht unterstützen zu wollen. Das gilt erst recht für die freie Kunstszene, für die von Herrn Ella vorhin angesprochenen vielen Einzelpersonen, die dort auch am Rande des Existenzminimums arbeiten, für die wir die entsprechenden Haushaltsanträge eingebracht haben, die allerdings leider nicht angenommen worden sind. Finanzmittel müssen wir aufnehmen. Der Punkt sieben gefällt mir besonders gut. Im Bericht soll Auskunft darüber gegeben werden, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten, „in welcher Höhe derzeit öffentliche Mittel, getrennt nach Ressorts, in die Kulturwirtschaft fließen“. Diese Nachfrage finde ich sehr gut. Dann müssen wir eben auch gerade auf der Basis abwägen, wie weit nicht auch bei unseren knappen Mitteln die Armutsbekämpfung und die Bildung dort zum Teil dann leider den Vorrang haben müssen. Denn hierüber haben wir schon allesamt genug geredet, wie sehr dies Priorität vor den anderen auch sinnvollen Dingen haben muss. Im Übrigen ist dies volkswirtschaftlich auch sinnvoll: Wenn arme Leute Geld haben, geben sie es sofort aus. Das gibt Nachfrage, das ist das, wonach uns ökonomisch dürstet! Wir haben einen weiteren Punkt – und damit kommen wir dann zum Ende –, den wir gern dort untergebracht haben möchten, und zwar hätten wir gerade über die prekären Wirtschaftsverhältnisse, auf die leider bei diesem Kulturwirtschaftsberichtsantrag nicht eingegangen wird, auch gern einen Berichtsteil. Das heißt die Arbeit, die Lage der Menschen, die in dem Bereich arbeiten, ist – das klang schon bei den Vorrednern an – nicht immer sehr aushaltbar.
Es zeugt von Respekt gegenüber dem jeweiligen Redner, dass man die Gespräche draußen führen kann. Bitte, Herr Kollege Beilken, Sie haben das Wort!
wollen, nämlich die Frage: Wie hoch ist der Anteil befristeter und oder gering bezahlter Arbeitsplätze, und wie haben sich diese im Bereich der Kulturwirtschaft, je nach Datenlage, in den letzten fünf oder zehn Jahren entwickelt? Diesen auf die dort arbeitenden Menschen bezogenen Anteil hätten wir gern im Bericht. Das ist ein Beitrag zur sprachlichen Vereinfachung, denn ich habe die Formulierung „prekäre Arbeitsplätze“ hier einfacher ausgedrückt, und es ist auch ein Beitrag zum Bürokratieabbau, da ich dazu keinen Antrag stelle, sondern herzlich darum bitte, dies in den Bericht aufzunehmen. Wenn Sie das hier erklären, dann ersparen Sie uns eine Anfrage in der Richtung und einen Verwaltungsvorgang. – Vielen Dank!