Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie Frau Böschen eben schon ausgeführt hat, liegt dem Bericht des Senats ein Antrag der Koalitionsfraktionen zugrunde mit der Tendenz, die politische Bildung an Schulen zu stärken, und zwar nicht nur des Faches Politik, sondern insgesamt der politischen Bildung. In der Debatte damals hat meine – jetzt leider kranke – Kollegin Frau Stahmann betont, dass man mehr als nur Vorschläge braucht, die Stundentafeln zu erhöhen, sondern dass es darum gehen muss, wie man Politik und politische Prozesse in allen Fächern verankert. Ich glaube, da sind wir uns auch einig, dass das auch weiterhin die Zielsetzung sein muss.
Der Senat hat insgesamt eine gute Zusammenfassung geliefert und auch einen vernünftigen Ausblick gegeben. Spannend und interessant ist sicherlich der Bericht, den er auch über die didaktischen Diskussionen hineingeschrieben hat, nämlich wie im Fachbereich Politikwissenschaft das Ganze betrachtet wird, nicht nur Politik zu lehren, sondern auch Politik in andere Bereiche mit einfließen zu lassen. Der Bereich der Stundentafel ist sicherlich einer, in dem man immer einmal wieder fragt, wenn er da jetzt als Senat hineinschreibt, dass das Stundenkontingent im gesamten gesellschaftswissenschaftlichen Bereich erhöht
worden ist, dann auch herauszufinden, ob es dann auch direkt im Fach Politik ankommt oder in diesen Mischfächern wie Gemeinschaftskunde oder WeltUmweltkunde. Das ist, glaube ich, immer ganz schwierig als Ressort für jede Schule nachzuverfolgen, aber auf der anderen Seite fordern wir auch immer selbstständige und autonome Schulen, und ich glaube, da müssen wir mehr an das Bewusstsein der Schulen appellieren und nicht so sehr von oben dirigistisch eingreifen.
Ansonsten ist auch die Aufzählung positiv, was Bremen insgesamt im Bereich der politischen Bildung macht, Frau Böschen hat eben einige Beispiele aufgeführt. Ich finde aber auch bemerkenswert und erwähnenswert, dass der Senat nicht gesagt hat, eigentlich sei alles gut, sondern auch einen Ausblick auf das, was er zukünftig machen will, gegeben hat: Zum Ende 2009 schon angekündigt, der Bereich der Vernetzung, aber auch der Bereich der Partizipation.
Jugendliche mitzunehmen ist das eine, aber Jugendliche auch ernst zu nehmen, ist das andere. Es gibt ganz viele tolle Modelle dafür. Auf Beiratsebene in den verschiedenen Stadtteilen hat jeder Beirat für sich dafür sein eigenes Modell gefunden, ich glaube, das kann man auch nicht dirigistisch von oben verordnen. In einigen Bereichen ist es ein Jugendbeirat, in anderen Bereichen ist es ein Kinder- und Jugendforum, dann gibt es projektorientierte Programme. Ich glaube, dass wir da insgesamt mit vielen engagierten Beiräten ebenfalls auf dem richtigen Weg sind.
Ich finde, es ist auch positiv zu erwähnen, Frau Senatorin Jürgens-Pieper, dass Sie die Selbstvertretungsorgane der Schülerinnen und Schüler erwähnt haben, nämlich die Gesamtschülerinnen- und -schülervertretung, die ebenfalls in diesem politischen Prozess an Schulen eine wichtige Rolle spielt, ebenfalls natürlich die Schülerinnen- und Schülervertretungen direkt vor Ort. Natürlich würde man sich manches Mal als guter alter Schülervertreter noch mehr Engagement wünschen, aber ich finde, dass es auch zum politischen Geschäft und zur politischen Bildung gehört, wenn wir zum Beispiel wie im vergangenen Jahr eine Demonstration von Schülerinnen und Schülern hier vor der Tür haben. Auch das ist aktives Teilnehmen an der Demokratie, und ich glaube, auch darauf muss man entsprechend positiv reagieren.
Ganz angemessen: Der Bereich der Anerkennungskultur, den Sie auch schaffen wollen. Senator Lemke hat das ja damals auch schon angefangen, dass er gesagt hat, wir haben viele tolle Projekte an unseren Schulen, aber wir bringen sie eigentlich kaum in die Öffentlichkeit, und irgendwie entsteht immer der Eindruck, an Schulen wird eigentlich nur Wissen vermittelt, oder es fällt Unterricht aus. Wenn wir
das jetzt ändern und der Öffentlichkeit zeigen, was wir für tolle Projekte haben, was wir für engagierte Schülerinnen und Schüler haben, dann ist das der absolut richtige Weg. Aber die beste Form der Anerkennung ist es immer noch, Interessen von Jugendlichen ernst zu nehmen, meine Damen und Herren!
Mit Ernstnehmen meine ich nicht, dass man Forderungen immer zustimmen muss. Ich glaube, gerade dieses Parlament hat mit seiner Einrichtung, nämlich „Jugend im Parlament“ – etwas versteckt auf Seite 14 des Berichts des Senats zu finden – gezeigt, dass man sehr wohl die Interessen von Jugendlichen ernst nehmen kann, ohne unbedingt jeder Forderung zu folgen, sondern wir haben als Abgeordnete alle Resolutionen, alle Beschlüsse, die „Jugend im Parlament“ gefasst hat, in den Ausschüssen und Deputationen sehr intensiv beraten. Es war dann immer schön, wenn dann auch die Jugendlichen, die diese Beschlüsse mitgetragen haben, vor Ort waren, um das mit uns zu diskutieren. Da gibt es sicherlich auch für „Jugend im Parlament“ noch einen kleinen Verbesserungsbedarf, aber ich glaube, das Parlament macht an dieser Stelle deutlich, dass wir nicht nur vom Senat fordern, nein, wir gehen auch mit gutem Beispiel voran, meine Damen und Herren!
Fazit insgesamt: Ich glaube, wir sind sicherlich noch nicht am Ziel, das hat aber auch der Senat nicht in irgendeiner Form behauptet, das ist für mich auch ein Zwischenbericht, aber wir sind auf dem richtigen Weg, und ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Wir haben in der Antwort eine Betonung auf der Verbindung von politischer Bildung und praktischem Handeln, die wir richtig finden, die wir hier auch von Anfang an ins Gespräch gebracht haben. Wer nicht die Erfahrung macht, dass er im Rahmen von gemeinsamer Gestaltung Einfluss auf die Lebensumstände nehmen kann, der kann auch durch politische Lerninhalte keine Hinwendung zur Demokratie entwickeln. Das war übrigens auch schon in der Tradition der Arbeiterbewegung so, ich erinnere etwa an die Kinderrepubliken der Kinderfreunde in den Zwanzigerjahren.
Damals wie heute stoßen wir immer auf einen Widerspruch, an die Grenzen der politischen Bildung ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
in diesem Zusammenhang: Einerseits wollen wir die aktive Gestaltung von Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Bildungsarbeit stärken, andererseits ist die Lebenswirklichkeit von Kindern und Jugendlichen stark davon geprägt, dass sie eben diesen Einfluss auf ihre Lebensumstände in vielen Fällen nicht haben. Das ist ja auch bei den Demonstrationen hier im Wesentlichen beklagt worden, dass sich die Schülerinnen und Schüler nach wie vor gegängelt fühlen und gern in größerem Maß selbst bestimmen möchten, wie und was sie lernen. Dann wäre wahrscheinlich die Motivation besser, da lässt sich noch einiges machen, wenn wir auf die Forderungen, die uns im Rahmen eines demokratischen Prozesses, einer Demonstration entgegengebracht werden, auch entsprechend eingehen.
Gerade heute sind Jugendliche und Kinder oft konfrontiert mit Armut, mit fehlenden Ausbildungsplätzen, mit drohender Arbeitslosigkeit, mit dem Druck, ohne sehr gute Noten und Schulleistungen keine angemessene Partizipation in der Gesellschaft erreichen zu können. Sie machen in dem Zusammenhang die Erfahrung von Ohnmacht in Familie, Wohnumgebung, Betrieb, Schule, vor allen Dingen auch in dem Gefühl von Perspektivlosigkeit. Da ist natürlich eine Grenze der politischen Bildung, ein Widerspruch, an dem wir arbeiten müssen, mit dem wir ehrlich umgehen müssen und dem wir nicht ausweichen dürfen, sonst schaffen wir nur Spielwiesen, und die Jugendlichen merken das und lehnen es ab.
Es muss gerade darum gehen, dass wir sie an der Weiterentwicklung von Demokratie beteiligen, dass sie mitmachen können, da komme ich noch einmal auf die Meinungsäußerung zurück. Es gab hier in Bremen bereits Demonstrationen, und es werden noch einige folgen, dies ist für das nächste Halbjahr auch wieder angekündigt, diesmal zusammen mit Studierenden. Von Schulen und auch vonseiten der senatorischen Behörde ist auf die Demonstrationen tendenziell repressiv reagiert worden. Wir sehen dies als widersprüchlich an. Wenn die Jugendlichen sich auch einmal politisch äußern, dann müssen wir das integrieren und ernst nehmen. Sie haben auch vielfach recht mit ihren Forderungen zur Schulentwicklung. Wir begrüßen diese praktische Demokratie der Jugendlichen, und wir werden das in Zukunft auch entsprechend ernst nehmen.
Wenn Sie positiv darauf hinweisen, dass der Anteil der geisteswissenschaftlichen Fächer in den Sekundarstufen nicht gesenkt worden ist: Das ist gut! Überhaupt ist natürlich vieles gut und richtig, und ich sehe einerseits viel Gemeinsamkeit, gemeinsames Bemühen in Richtung politischer Bildung. Wenn andererseits diese Kürzungen im Bereich der Hochschule, was die geisteswissenschaftlichen Fächer betrifft,
Weiterhin unterstreicht die Mitteilung die Bedeutung von Jugendprojekten für die politische Bildung. Auch das ist sicher grundsätzlich richtig, in diesem Bereich gibt es natürlich eklatante Missstände. Zum Beispiel werden in allen anderen EU-Ländern Mittel des Europäischen Sozialfonds zur erweiterten Beschäftigungsförderung und Sozialraumentwicklung so eingesetzt, dass auch Kinder- und Jugendprojekte damit gefördert werden können. Es wäre begrüßenswert, wenn sich in diesem Fall das Arbeitsressort auf Bundesebene auch stark machen würde, dass eine solche Förderung von Kinder- und Jugendprojekten durch ESF-Mittel auch in diesem Land möglich gemacht wird. Das hat dann alles auch mit politischer Bildung zu tun, wenn die Jugendlichen auch Räume haben, die sie gestalten können, denn wenn sie diese nicht haben, dann haben sie auch keine Lust, sich politisch zu bilden. Wenn wir politische Bildung als reale Einflussmöglichkeit, echte Gestaltungsräume, ernst nehmen, ist es unverständlich, dass der Senat die Mittel für stadtteilbezogene Kinder- und Jugendarbeit seit 2000 eingefroren hat. Wir haben hier die Situation, die ich eben beschrieben habe und die geändert werden muss.
Politik muss auch dahin gehen – das ist ein weiterer Vorschlag, der an das anknüpft, was Vorredner gesagt haben –, wo Kinder und Jugendliche sind.
Im Sinne des erweiterten Begriffs von politischer Bildung, den Sie in der Mitteilung vertreten, haben wir den Vorschlag, dass Deputationen und Ausschüsse auch einmal dort tagen, wo Kinder und Jugendliche sind. Wir können uns auf derem Terrain treffen. Wir können diese Treffen gemeinsam vorbereiten, dann ist eine noch bessere Verzahnung und ein besserer Kontakt zur tatsächlich stattfindenden Politik möglich, da lässt sich noch einiges weiterentwickeln.
Ganz allgemein muss ich sagen, Druck, Angst und fehlende Perspektive sind der schlimmste Feind der politischen Bildung. Armut, Arbeitslosigkeit und Ohnmachtserfahrungen dominieren alle Anstrengungen, Jugendliche zur demokratischen Mitgestaltung zu bewegen. Beteiligung muss Ergebnisse haben, Demokratie braucht Lebensverhältnisse, die sozial sicher und individuell gestaltet sind. Insofern ist Armut bekanntermaßen auch eine Art Demokratiegefährdung. Davon sind wir heute nämlich weit entfernt, dass diese Möglichkeit zur politischen Gestaltung dadurch gegeben ist, dass man eine gewisse Sicherheit hat und gewisse Spielräume überhaupt vorhanden sind. Wir wollen deswegen diese Spielräume auf die verschiedenen Arten erweitern, dass wir die Grundlagen für politische Bildung durch eine gesicherte Existenz und Perspektive schaffen.
Einen ganz konkreten Vorschlag möchte ich zum Schluss noch einmal anknüpfend an unsere Diskussion über Ökonomie im Unterricht heute Morgen machen. Die Senatorin hat ausgeführt, dass sie die ökonomische wie auch die politische Bildung als Querschnittsaufgabe sieht.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin! Wir schlagen vor, dass wir eine Kampagne an den Schulen durchführen, in der wir einen Wettbewerb „Wirtschaft verstehen – Ideen für die Zukunft“ veranstalten, für den wir mit den Kammern, mit Gewerkschaften und Arbeitgebern, mit der Universität, mit verschiedenen Fachbereichen dort zusammenarbeiten, um hier ähnlich wie bei Ihrem Engagement für die MINT-Fächer, Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technologie, oder wie bei „Jugend forscht“ einen Anstoß zu geben und unter der Überschrift „Wirtschaftswissen ist keine Geheimsache“ auch von dieser Seite einmal politische Bildung anzustoßen. – Danke!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Anfang Juni haben wir dieses Thema ausführlich debattiert. Ich verweise auf das Protokoll. Unsere grundlegende Kritik, die wir damals geäußert haben, halte ich auch heute aufrecht. Wir haben Ihren Antrag seinerzeit abgelehnt. In der Deputation haben wir diesen Bericht, der jetzt Mitteilung des Senats ist, mit einer Enthaltung zur Kenntnis genommen. Wir haben Ihnen seinerzeit konkrete Vorschläge gemacht. Sie haben jetzt alles aufgeschrieben, was Sie irgendwo an Schulen finden konnten, das ist auch nicht falsch, aber bestimmte Punkte stehen dann auch wieder im Widerspruch zueinander.
Ich will jetzt nicht die Geduld des Hohen Hauses überstrapazieren, wenn ich noch einmal auf den letzten Punkt eingehe, unter dem Sie schlicht sagen, Sie wollen eine Evaluation der Unterrichtsrealität im Fach Politik an Schulen im Rahmen der Schulbegleitforschung in Auftrag geben. Das öffnet schon wieder neuen Debatten Tür und Tor. Ich glaube, wir werden uns intensiv mit der Unterrichtsrealität an Schulen im Land Bremen auseinandersetzen. Herr Kollege Beilken hatte eben noch einen Geistesblitz zur Debatte von heute Morgen, weil dies im weiten Feld auch zur ökonomischen Bildung gehört, aber auch die Debatte von heute Morgen hat gezeigt, dass die Realität eben nicht so schön ist, wie Sie es in Ihrer Ant––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Wie gesagt, wir haben Kritikpunkte in diesem Themenfeld. Ich empfehle, das Protokoll der 24. Sitzung vom 5. Juni 2008 nachzulesen, wenn Sie es noch einmal detailliert wissen wollen. Ich erspare Ihnen, das noch einmal vorzutragen. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Schon als der Antrag debattiert wurde und auch an anderer Stelle habe ich darauf hingewiesen, dass niemand etwas gegen politische Bildung hat, dass niemand etwas gegen ökonomische Bildung hat, dass niemand etwas gegen musische Bildung hat, dass wir auch Religion entsprechend im Unterricht berücksichtigen müssen und dass es viele gute Anliegen gibt, die ihren Platz im Unterricht fordern, dass es aber natürlich gleichzeitig der Debatte bedarf, welche Priorität wir welchen Sachen bieten und dass die Summe dieser Forderungen das eine oder andere Kind vielleicht überfordern kann und dass natürlich als Erstes und als Wichtigstes die Kernkompetenzen kommen, denn wer nicht rechnen, nicht schreiben und lesen kann, der hat Probleme, all das andere zu verstehen und das Nachfolgende dann mitzunehmen.
Das Wichtige, was man dann noch weiter hierzu sagen muss: Wir begrüßen es als FDP ausdrücklich, dass in den Rahmenbildungsplänen Kompetenzen festgelegt werden, doch die Ausgestaltung des Ganzen soll dann in den Schulen vor Ort konkret passieren, denn die politische Bildung ist ein Thema, das so tagesaktuell wie kein anderes ist und das man auch sehr tagesaktuell gestalten kann. Da kann man gar keine Lehrpläne in dem Sinne machen, die die Aktualitäten, die sich dann ergeben, jeweils entsprechend aufzugreifen. Insofern begrüßen wir es ausdrücklich, dass die Ausgestaltung in den Schulen vor Ort vorgenommen werden soll, denn eines ist doch klar: Lehrerinnen und Lehrer haben das studiert, sie können das, und sie sollen das dann auch machen.
Das Nächste ist die Diskussion, die wir über die Frage haben, die sehr gut dargestellt ist: Wollen wir politische Bildung, oder wollen wir, dass Kinder und Jugendliche Demokratie lernen? Insofern ist das eine Debatte, die wir in der Tat führen müssen und die wir nicht mit einem Entweder-oder beantworten können, sondern nur mit einem entscheidenden Sowohl
als-auch. Natürlich müssen Kinder Fakten lernen, Institutionen kennenlernen, Abläufe kennenlernen. Wir alle wissen aber, es gibt zwar in der Politik Abläufe, aber Demokratie ist mehr als ein Verfahren.
Herr Kollege, was halten Sie davon, wenn wir Rechnen, Schreiben und Lesen nicht auf der einen Seite zuerst lernen und dann alles andere, sondern wenn wir das integrieren? Davon haben Sie sicher auch schon gehört, dass man in Projekten der politischen Bildung sehr wohl Rechnen, Lesen und Schreiben beherrschen muss und dass man das da auch lernen kann. Was halten Sie davon?