Protokoll der Sitzung vom 27.01.2010

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Wenn wir diese Tendenz gemeinsam so sehen! Mich hat auch gerade in den letzten Tagen wieder eine, wie ich fand, sehr erschütternde E-Mail eines Lehrers erreicht, in der es dann um körperliche Gewalt und viele Dinge im Unterricht ging, der, nachdem dieses Thema öffentlich bekannt wurde, noch einmal sagte: Wir brauchen dringend Hilfe, um unserer Pflicht, wie Sie sie beschrieben haben, die Schüler dann auch tatsächlich wieder in den Unterricht zurückzuholen, auch Genüge tun zu können. Wie kann die Hilfe für solche Lehrerinnen und Lehrer aussehen, die aus Verzweiflung die Abwesenheit der Schüler hinnehmen? Wie kann man ihnen helfen, damit der Unterricht wieder mit allen Schülerinnen und Schüler in diesen Klassen stattfinden kann?

Bitte, Frau Senatorin!

Ursprünglich war bei diesem Konzept von 2002 vorgesehen, dass eine Klassenlehrerstunde eingerichtet wird. Die ist dann nach zwei Jahren, ich will nicht begründen warum, gestrichen worden. Von daher entfällt dieser spezielle Blick in die Klasse hinein. Wir können nur raten, und so haben wir das auch für das Konzept Oberschule getan: Es gibt das Jahrgangsteammodell, ein intensiverer Austausch der Lehrerinnen und Lehrer, bedingt über einen Jahrgang hinweg, sodass leichter festgestellt wird, wo der Schüler eigentlich überall fehlt, weil es Schüler gibt, die da sehr gezielt vorgehen, was Fachunterricht und Klassenunterricht angeht, also, eine bessere Kooperation auch unter den Lehrern und damit verbunden ein Informationsaustausch.

Die Frage, ob wir mehr Personal einsetzen können, ist eine schwierige, das wissen Sie, muss aber sicherlich mit erörtert werden. Es gibt in anderen Ländern Schulen, die haben ein Empfangssystem, so eine Art Sicherheitsdienst oder Portier, der sich um die Frage von Anwesenheit aller Personen in der Schule – wir haben das unter dem Thema Sicherheit schon einmal diskutiert – kümmert und dann auch hinterhertelefoniert. Das schaffen Lehrer nicht, wenn sie unterrichten müssen und dann nur einen kurzen Pausenwechsel haben. Das kann man ihnen nicht aufdrücken, weil es einfach zeitlich nicht geht.

Deshalb überlegen wir – und Sie wissen, wir haben das Schulgesetz auch so gestaltet –, ein Unterstützungssystem durch regionale Beratungszentren einzurichten, die schülerbezogene Beratung, die jetzt zentral ist, wieder zu dezentralisieren, regional, sodass Schulen dort auch Hilfe über die Schulpsychologen, über die Kompetenzen, die dort vorhanden sind, bekommen. Das ist eines, mit dem Lehrer nicht alles auf sich allein laden müssen, sondern auch eine Unterstützung bekommen. Das alles wird ineinandergreifen, aber wir sind noch nicht so weit, wir sind noch beim Aufbau.

Frau Senatorin, eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schmidtke.

Frau Senatorin, beim Lesen dieser Studie ist mir aufgefallen, dass die Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule nicht so funktioniert, wie wir uns das eigentlich wünschen. Können Sie sich vorstellen, dass eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule hier diesem Problem Abhilfe schaffen könnte?

Bitte, Frau Senatorin!

Zunächst einmal müssen wir Lehrerinnen und Lehrer dazu bringen, dem überhaupt nachzugehen. Das scheint ein Ergebnis dieser Studie zu sein, sich also auch an das Elternhaus zu wenden, auch mit Verabredungen zwischen Schule und Elternhaus zu arbeiten, was einige Schulen tun. Ich denke, dass es ganz wichtig ist, dass die Eltern auch Rückmeldung bekommen, da haben Sie völlig recht. Es gibt allerdings auch Eltern, die für Lehrerinnen und Lehrer kaum erreichbar sind, bei denen es sehr schwierig ist, auch mit einem Telefonat überhaupt hinterherzukommen. Deswegen brauchen wir auch zusätzliche Möglichkeiten, Schülerinnen und Schüler auch einmal einer anderen Stelle zu übergeben, so einem regionalen Zentrum für schülerbezogene Beratung, sodass dort auch mit dem Schüler entsprechende Verabredungen getroffen und auch eingeübt werden können. Es geht auch häufig um frühes Aufstehen, pünktliches Kommen und andere Fragen, die leider mit den Kindern auch trainiert werden müssen, weil das Elternhaus dies nicht tut.

Frau Kollegin Schmidtke, möchten Sie noch eine weitere Zusatzfrage stellen? – Bitte sehr!

Frau Senatorin, ich fasse das jetzt einmal zusammen und frage Sie, ob ich es jetzt richtig verstanden habe, dass eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule hier auch in diesem Bereich für die Kinder sicherlich hilfreich wäre, sodass die Verantwortung für das Gelingen im Grunde genommen an zwei Stellen zu liegen scheint, und zwar gleichermaßen: zum einen Lehrerinnen und Lehrer, das heißt Schule, aber auch Mütter, Väter, Elternhaus. Darüber hinaus haben wir in unserem Konzept „Stopp der Jugendgewalt“ auch deutlich darauf hingewiesen, dass eine Verknüpfung der Ressorts Soziales, Inneres und Bildung zum Beispiel hilfreich ist. Decken sich da Ihre Erfahrungen mit diesen Thesen?

Bitte, Frau Senatorin!

Zu dem ersten Teil der Frage: Das kann ich nur bejahen. Selbstverständlich ist es wesentlich besser, wenn die Zusammenarbeit funktioniert. Die Schulpflichterfüllung selbst richtet sich zunächst einmal ans Elternhaus und an die Eltern, die haben die Bringeschuld. Aber wie gesagt, es gibt eben viele Faktoren, durch die es leider schwierig ist, das einzufordern, und nur Bußgeldverfahren allein werden da nicht reichen, denke ich.

Zur zweiten Frage noch einmal ein Stichwort bitte!

(Abg. Frau S c h m i d t k e [SPD]: Die Vernetzung)

Danke! Die Vernetzung der Ressorts haben wir ja im letzten Jahr nach dem Konzept, denke ich, auf dem Weg. Fallkonferenzen müssen nach meinem Dafürhalten noch mehr stattfinden, und ich glaube, dass wir mit diesem Konzept jetzt den richtigen Weg haben, ohne dass Schülerinnen und Schüler und Eltern sich umzingelt fühlen müssen, sondern wir wollen ihnen ja helfen.

Frau Senatorin, eine Zusatzfrage des Abgeordneten Öztürk.

Frau Senatorin, Sie haben eben das Stichwort Fallkonferenzen genannt. Mich würde interessieren, aus welchen Gründen das eben nicht in der Häufigkeit zustande gekommen ist, wie im Handlungskonzept „Stopp der Jugendgewalt“ gewünscht.

Bitte, Frau Senatorin!

Ich habe ehrlich gesagt im Augenblick keine Zahlen, insofern kann ich nichts Konkretes sagen. Ich weiß nur, dass zunächst einmal das Prozedere etwas schwierig war, und das hängt damit zusammen, dass man unterschiedliche Sichtweisen auf das Kind hat. Wir müssen da auch unterschiedliche Mentalitäten, die Sozialpädagogen, die Lehrer, die wieder eine andere Sicht haben, Polizei und Justiz zusammenbringen, und, ich finde, das ist ein wichtiger Prozess, der gerade zwischen den Ressorts und durch diese Lenkungsgruppe geschieht.

Herr Kollege Öztürk, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Nicht, dass ich da missverstanden werde! Ich hatte bewusst nicht nach Zahlen gefragt, sondern nach Gründen, woran das eventuell scheitert: am Kollegium oder an der Unbekanntheit des Konzepts an einer Schule? Daran würde ich gern meine zweite Frage anknüpfen: Aus welchen Gründen ist das Konzept an einzelnen Schulen, die gerade in einem sehr problematischem Bereich sind, weil dort Jugendgewalt ein herrschendes Thema ist, unbekannt?

Bitte, Frau Senatorin!

Das ist nicht unbekannt. Die Fallkonferenzen finden auch zwischen den Ressorts statt und nicht an der Schule direkt. Da wird die Schule oder entsprechend Betroffene einbezogen. An den Schulen ist das alles sehr wohl bekannt, bloß es ist nicht so einfach umzusetzen. Ich muss hier auch ein Stück die Lehrerschaft in Schutz nehmen, denn – eben ist es schon gesagt worden – es ist ganz schwer, wenn ein Kind fehlt, das Ganze am Tag zu verfolgen. Der Lehrer hat Unterricht zu geben. Der Lehrer hat die nächste Unterrichtsstunde zu geben, er hat zwar Pausen, aber da fallen natürlich viele Dinge an.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Er hat aber eine Aufsichtspflicht!)

Daher müssen wir uns eigentlich, und dafür wollten wir uns in der Deputation Zeit nehmen, so ist das anhand der Dunkelfeldstudie besprochen worden, auch überlegen, was ein effektives System ist, dass man den Schülern, die fehlen, wirklich noch am Tag des Fehlens klar macht: Wir verfolgen das, wir geben eine Rückmeldung an die Eltern, und wir fordern auch ein, dass ihr die Schulpflicht erfüllt! Das muss aber, denke ich, durch ein Unterstützungssystem für Lehrer untermauert werden, sonst wird es nicht funktionieren.

(Beifall bei der SPD)

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hinners.

Frau Senatorin, alle kriminologischen Studien zur Jugendkriminalität zeigen auf, dass ganz häufig bei kriminell gewordenen Jugendlichen das Schulschwänzen als Vorstufe erkennbar gewesen ist. Wie reagiert nun der Senat gerade auf diese Tatsache? Es müsste aus meiner Sicht eigentlich ein sehr viel größeres Augenmerk auf diese Schulschwänzer gelegt werden, und auch eines, das über die Bildungsbehörde hinausgeht. Da scheinen ganz offensichtlich Schwächen zu liegen.

Bitte, Frau Senatorin!

Herr Professor Wetzels hat uns noch einmal eindringlich dargestellt, dass es keine unmittelbare Vorstufe ist. Es gibt keinen direkten Zusammenhang, aber es gibt eine auffällige Übereinstimmung in den Problembereichen, in denen diese Kinder leben, und wenn da mehrere Problembereiche zusammenkommen, kann man mit Sicherheit sagen, die haben auch Probleme, was Verstöße und unter Umständen kriminelle Handlungen angeht. Insofern ist es eigentlich richtig, dass wir uns um die Probleme, die die Kinder haben, kümmern. Dann beseitigen wir auch die Störung durch Schulvermeidung. Das ist eigentlich unser Problem, und das ist wirklich nicht trivial. Insofern ist es ein ganz dringendes Anliegen! Es war schon Ihr Anliegen, das habe ich auch im Vorfeld gesehen. Willi Lemke hat das wie gesagt, 2002 glaube ich, mit einer relativ großen Öffentlichkeitsarbeit auf den Weg gebracht. Es ist aber eben nicht einfach in der Umsetzung, wenn man keine Unterstützungssysteme anbietet. Da bin ich wieder bei meinen Ausführungen von vorhin.

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Buhlert.

Frau Senatorin, es ist eben deutlich geworden, dass es wichtig ist, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus gibt. Nun wissen wir alle, dass es nicht intakte Elternhäuser gibt. Können Sie sich dafür Lösungen vorstellen? Die andere Frage ist schlichtweg – Sie haben es erwähnt, die Bildungsdeputation hat sich damit befasst und gesagt, es braucht ein umfänglicheres, auch pädagogisches Konzept dafür, insbesondere für die Fälle, in denen es vielleicht kontraproduktiv wäre, wenn die Eltern informiert werden beispielsweise –: Welchen Zeitrahmen stellen Sie sich vor, bis dieses in der Tat vorhandene Problem gelöst ist? Denn dass da Verbesserungen nötig sind, ist, glaube ich, nicht nur durch diese Studie deutlich geworden.

Bitte, Frau Senatorin!

Vielen Dank, für diese Frage, denn Sie sprechen ein Thema an, das Profes

sor Wetzels uns gemeinsam in der Deputation ans Herz gelegt hat. Die alleinige Rückmeldung ohne Unterstützung kann natürlich auch zu Gewalthandlungen an den Kindern führen. Das heißt, die Kinder üben häufig nicht nur Gewalt aus, sondern es wird auch Gewalt gegen sie ausgeübt. Das kann man anhand der Dunkelfeldstudie auch aufzeigen. Das macht einem große Sorgen, wenn man das vorgetragen bekommt. Insofern haben wir uns in der Deputation ganz bewusst gesagt, wir werden uns noch einmal ausführlich mit dieser Studie beschäftigen, auch schon einige Vorschläge machen, aber eben auch die Lenkungsgruppe noch einmal mit den anderen Ressorts gemeinsam einsetzen, um weitere Vorschläge zu bekommen.

Ich sage noch einmal, ohne Ressourcen wird es wahrscheinlich nicht gehen, und da sind wir dann an einer ganz wichtigen Frage, die auch Haushalt und Lehrerstunden betrifft, das müssen wir dann gemeinsam diskutieren. Ich kann mir eine Menge vorstellen: Es gibt Konzepte, die auf eine stärkere Rückverfolgung dieses Fehlens abzielen. Ich habe eben schon einige genannt, wenn Sie sich in Amerika einige Schulen, die gut funktionieren – es gibt auch schlecht funktionierende – ansehen, dann gibt es dort ganz starke Systeme zum Teil mit Kärtchen, die ausgefüllt werden müssen und anderen Dingen. Alles aufwendig! Das kann man nicht anders sagen. Es ist verbunden mit einem Empfang, an dem auch Personen sitzen, die diese Sache bearbeiten. Wir haben die Schulsekretärinnen, im Prinzip stehen sie zur Verfügung, die sind aber nicht einmal den ganzen Tag da und haben vermutlich auch im Augenblick nicht die Ressourcen. Daher ist das kein einfaches Problem, das wir hier diskutieren.

Wir werden die Unterstützungssysteme jetzt demnächst haben, sodass vielleicht auch hier regional eine bessere Verzahnung zwischen Schule und der Unterstützung der schülerbezogenen Beratung sein wird. Ich denke, dass die Zentralisierung einerseits eine Zusammenführung gebracht hat andererseits aber auch eine Ferne von den Schulen, die wir jetzt wieder beseitigen werden. Ich glaube auch, dass Kinder durch unsere inneren Konzepte in der Oberschule andere Beziehungen zu den Lehrkräften bekommen, wenn sie dort ein Team von Klasse 5 bis 10 begleitet und dadurch auch ihre persönlichen Umstände eher kennenlernt und wenn es nicht dauernd Lehrerwechsel gibt, das natürlich auch zu einer anderen Bearbeitung und Erziehung und Bildung des Kindes führt.

Herr Dr. Buhlert, eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Senatorin, sind der Behörde oder Ihnen Schulen bekannt, die bessere Systeme als andere nutzen, von denen im Sinne von Best Practice heute schon gelernt werden könnte, und wird so etwas in der Behörde angegangen?

Bitte, Frau Senatorin!

Ich kann Ihnen die jetzt nicht auf Anhieb sagen, aber ich denke, wir haben hier auch Best-Practice-Systeme. Es gibt jedenfalls eine Reihe von Systemen inzwischen jetzt auch in Bremen. Wir sollten uns aber genau das natürlich in der Deputation vornehmen, dass wir einmal schauen: Wo gelingt das besonders gut und mit effektiv eingesetzten Mitteln natürlich?

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Garling!

Frau Senatorin, unabhängig davon, was man an den Schulen gezielt für Kinder oder Jugendliche, die die Schule schwänzen beziehungsweise Schulvermeider sind, machen könnte, haben wir in Bremen auch sehr erfolgreiche Projekte: die Schulvermeiderprogramme. Sind Sie der Auffassung, dass Sie in Verbindung mit dem Sozialressort möglicherweise darüber nachdenken sollten, diese Programme auszuweiten, weil die wirklich sehr erfolgreich sind? Ich denke da zum Beispiel an „Strickleiter Süd“.

Bitte, Frau Senatorin!

Die sind sehr personalintensiv und dadurch auch sehr erfolgreich, das kann ich unterstreichen. Daher reden wir, wenn wir das in die Fläche bringen wollten, eben tatsächlich auch über den Einsatz von Ressourcen.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die fünfte Anfrage bezieht sich auf die Ergebnisse der Amnestieregelung im Waffengesetz. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Hinners, Strohmann, Röwekamp und Fraktion der CDU.

Bitte, Herr Kollege Hinners!

Wir fragen den Senat: