Protokoll der Sitzung vom 20.09.2007

Ich sage Ihnen einmal etwas, lieber Thomas Röwekamp! Ein Antrag „Zweitkräftefinanzierung Kindergärten“, abgelehnt von der CDU! Wo waren Sie denn da als großer Verteidiger der Rechte der Kinder? Wo waren Sie denn, als wir über Qualitätsdebatten gesprochen haben?

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Und wie war Ihr Finanzierungsvorschlag?)

Ich kann mich noch ganz genau an die Debatten erinnern, die ich mit Frank Pietrzok und mit Ihren Vertretern auf Podiumsdiskussionen geführt habe. Sie sind dafür eiskalt eingetreten, dass im Sozialressort weiter gekürzt wird, und haben vorgegaukelt, dass dort noch sehr viel Geld herumliegt und in Schattenhaushalten versteckt wird!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es regt mich einfach auf, weil ich mit Ihnen als CDU nicht nur im Parlament zu tun hatte, sondern auch als Bildungsreferentin eines Jugendverbandes, und ich kann mich noch genau an die ganzen Diskussionen erinnern. Sie haben überhaupt nicht dafür gestanden, etwas für Kinder und Jugendliche zu tun. Sie haben seit 1992 in Bremen hemmungslos im Kinder- und Jugendbereich gekürzt. Wo waren denn die Schwerpunkte bei den Haushaltsberatungen? Sie haben gekürzt! Schauen Sie sich einmal an, wie die Eckwerte im Jugendbereich gesunken sind, und das müssen Sie hier zur Kenntnis nehmen!

(Unruhe – Zurufe von der CDU)

Ja, natürlich, auch die Ampel hat an der Stelle gekürzt! Diesen Kurs haben Sie aber fortgesetzt, und da können Sie als CDU sich hier nicht einen weißen Fuß machen und sich hinstellen und sagen, Sie seien hier die großen Kämpfer für Kinder und Jugendliche. Das ist geschummelt, das ist gelogen, und das ist auch nicht richtig, sondern das ist eine ganz feige Nummer hier!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der Linken) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Ich möchte noch einmal sagen, ich finde, als Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses, lieber Thomas Röwekamp, sind Sie auch dafür verantwortlich, dass die CDU-Fraktion hier Anträge vorlegt, die Hand und Fuß haben (Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Machen wir jetzt Haushaltsberatungen, oder wie?)

und die auch gegenfinanziert sind. Das haben die Grünen bei den Haushaltsberatungen immer gemacht!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Null Finanzierung haben Sie!)

Karoline Linnert hat als Fraktionsvorsitzende und als Sprecherin im Haushalts- und Finanzausschuss immer darauf geachtet, dass die Bürgerschaftsfraktion der Grünen auch Gegenfinanzierungen vorlegt. Sie sagen: Wir sind ja jetzt Opposition, wir müssen das nicht mehr machen. Die Grünen waren eine seriöse Opposition,

(Lachen bei der CDU)

und deshalb sind wir jetzt auch in der Regierung und Sie jetzt in der Opposition.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Sie haben die Probleme nämlich nicht angepackt und sind mit Scheuklappen durch die Stadt gelaufen. Dass so viele Kinder in Bremen in Kinderarmut leben, daran ist nicht Rot-Grün schuld, sondern dafür tragen auch Sie einen großen Teil an Verantwortung,

(Zurufe von der CDU)

und den müssen Sie auch tragen, auch wenn Sie hier jetzt andauernd dazwischenrufen. Claas Rohmeyer, Sie wissen ganz genau, dass Sie dafür Verantwortung tragen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Eine letzte Bemerkung zu den Linken: Es ist auch nicht richtig zu sagen oder hier so zu tun, als ob es noch kein Mittagessen in den Schulen gäbe. Ich könnte jetzt 20, 30 Schulen aufzählen – auch in sozialen Brennpunkten –, in denen es bereits Mittagessen gibt, wo es Sponsoren gibt, wo Eltern für andere Kinder das Mittagessen mitbezahlen, wo Schulen wie die Heinrich-Heine-Schule Lösungen gefunden haben, ohne Kinder und Familien zu beschämen, damit keine hohen – –.

(Abg. B e i l k e n [Die Linke]: Notlösun- gen!)

Ja, Notlösungen mögen es sein, aber es gibt Schulen, die bereits solche Lösungen vorgelegt haben. Die Heinrich-Heine-Schule hat ein vorbildliches Konzept, aber auch andere Schulen wie die Gesamtschule West, Gesamtschule Ost oder andere im Bremer Westen und Bremer Osten. Sie bieten Mittagessen an und versuchen, die Eltern zu unterstützen. Wir werden in einem Konzept darlegen, wie wir an den Ganztagsgrundschulen das Mittagessen für die Familien bezahlbar machen. Wir werden uns hier nicht hinstellen und behaupten, wir würden für ganz Bremen alle Probleme lösen und die Lösungen auch finanzieren können. Das werden wir nicht tun können, so viel Ehrlichkeit muss hier sein!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Sieling.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bild mit dem ganz großen Kino, das stimmt ja, was uns hier vorgeführt wird. Aber zum ganz großen Kino gehört dann auch, dass sich einige Darsteller vom Saulus zum Paulus wandeln.

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Zum Beispiel Sie!)

Ich finde, wenn ich die Debatte hier so interpretieren darf, will ich das an der Stelle, Herr Röwekamp, gar nicht vertiefen, sondern würde das gern aufnehmen, und das entspricht, glaube ich, der Notwendigkeit und der Ernsthaftigkeit, die wir in diesem Hause bei der Auseinandersetzung mit dem Thema haben sollen. Ich ärgere mich genauso wie die Kollegin Frau Stahmann und der Kollege Güldner, aber davon kann man sich ja einmal verabschieden und das einmal beiseite legen, weil ich mich darüber freue, wenn sich gewisse Sachen verändern.

Wir hatten vor Kurzem eine Regierungserklärung, am 11. Juli gab es eine große Debatte dazu. Bürgermeister Böhrnsen hat hier die Regierungserklärung vorgetragen und genau diese Punkte der Bekämpfung der Armut in den Mittelpunkt gestellt. Sie werden alsbald die jetzigen Senatsunterlagen sehen, die ja im Übrigen eigentlich Vertraulichkeit genießen, man ist da schon erstaunt, wie da alte Sitten einreißen –

(Lachen bei der CDU)

ja, Sie lachen da hinten irgendwie, ich weiß nicht, wahrscheinlich war es Herr Rohmeyer, der immer lacht –, wie an solchen Stellen offensichtlich Dinge passieren, die nicht passieren sollten. Aber in jedem Fall muss man festhalten, dass das in der Regierungserklärung sehr deutlich gemacht worden ist und dass

wir hier einen sehr soliden Vorschlag vorlegen werden. Der Senat arbeitet daran mit hoher Ernsthaftigkeit, und ich bin sehr froh, dass die Diskussionen im Senat auch so vertrauensvoll und auch so geschlossen verlaufen, wie sie verlaufen.

Ich will auf die Regierungserklärung kommen, und das ist mein Saulus-Paulus-Bild: Herr Röwekamp, Sie haben sich noch hingestellt und haben auf die Regierungserklärung von Herrn Böhrnsen genau zu diesen Punkten geantwortet, dass Sie das als ideologische Vorhaltung empfinden würden. Ferner haben Sie dem Bürgermeister und Präsidenten vorgeworfen, hier Parolen des Klassenkampfes in den Plenarsaal zu werfen, so ist das Zitat. Das war Ihre SaulusPosition. Herr Röwekamp, Ihre Rede würde ich gern so verstehen, auch die Signale und Initiativen, ich beziehe da übrigens auch den Vorschlag zur Bildungspolitik ein, den die CDU jetzt vorgelegt hat, und ich sage ganz offen, eine Enquetekommission finde ich an der Stelle nicht richtig, aber ich finde es wichtig, dass wir in diesen zentralen Punkten in der bremischen Gesellschaft zusammenkommen.

Wir als rot-grüne Koalition wollen, dass das gemeinsam läuft, und wenn die CDU – ich habe gesagt, Sie sind in der Gefahr, dass Sie mit den Haltungen, die Sie hier in der Debatte zur Regierungserklärung vertreten haben, an den Rand der Stadtgesellschaft geraten – sich jetzt auf den Weg macht, um wieder ins Zentrum der Gesellschaft zu kommen, dann finde ich das positiv und begrüße das. Herr Röwekamp, machen Sie so weiter!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Sie werden dann allerdings in die Position kommen, dass Sie das, was der Senat, was wir als Koalition als Haushalt hier vorlegen, in der Breite unterstützen müssen. Verbesserungen sehen wir gern, aber bitte dann Verbesserungen für die Kinder und die Jugendlichen! Herzlich willkommen im Club, diese neue Politik, die wir als rot-grüne Koalition hier machen, dürfen alle mitmachen! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil die Debatte phasenweise, glaube ich, etwas von der Ernsthaftigkeit des Problems abgelenkt hat. In der Tat ist es wichtig, dass wir als Abgeordnete darum ringen, wie die Finanzierung für solch ein Konzept aussieht, um Bedürftigen zu helfen. Das ist doch keine Armutsbekämpfung, Herr Dr. Sieling, aber das meinen Sie, glaube ich, auch nicht, auch

wenn ich Sie eben so verstanden habe. Es ist ein Bekämpfen von Symptomen, die wir bekämpfen müssen, um die wir uns kümmern müssen, doch die Armutsbekämpfung muss anders erfolgen. Das soll aber jetzt gar nicht weiter von mir ausgeführt werden, denn es geht nicht darum, das jetzt zu debattieren, sondern es geht doch darum, dass wir ernsthaft – alle Fraktionen hier im Hause – den Willen haben, dieses Problem anzupacken.

Ich glaube, das sollten wir über diese Finanzierungsvorschläge nicht kleinreden, sondern uns an die Arbeit machen, gemeinsam die Vorschläge, die der Senat vorlegen wird, zu werten und insofern auch an der Finanzierung mitzuarbeiten, um dieses Ganze konstruktiv zu begleiten und nicht zu zerreden in der Frage, wer wann was gemacht hat, sondern darüber streiten, wie wir uns in Zukunft gemeinsam auf den Weg machen werden, dieses Problem zu lösen, denn dass Kinder aus verschiedenen Gründen kein Essen haben, ist ein ernsthaftes Problem, und das sollten wir hier nicht so zerreden! – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Abg. R u p p [Die Linke]: Herr Präsi- dent, das ist nicht richtig!)

Herr Abgeordneter Rupp, Sie haben das Wort.

(Zurufe von der SPD und der Linken)

Ich bitte Sie wirklich darum, Hand hoch!

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Hat er ge- macht!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich meine, mich verständlich gemacht zu haben, aber es ist ein hitziger Tag, und ich will Ihre Geduld auch nicht lange überstrapazieren. Es sind nur einige wenige Punkte: Erstens, die Forderung nach kostenlosen Mittagessen steht auch schon in unserem Wahlprogramm, wir müssen es nicht aus Koalitionsvereinbarungen abschreiben.

Zweitens, Elternsolidarität und Sponsoren sind sicherlich ehrenwert und notwendig, wenn die Not am größten ist, aber gerade hinter Sponsoring in dieser Frage setze ich einmal ein kleines Fragezeichen. In Amerika wird mittlerweile die Schulspeisung in vielen Orten von Fast-Food-Ketten übernommen, das kann auch nicht das Ziel der Übung sein.

(Abg. Frau S t a h m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das wollen wir auch nicht!) ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft. Ich weiß, dass Sie das nicht wollen, ich will es nur einmal anmerken, denn wenn man sich darauf verlässt, dass heute Solidarität und Sponsoring das Problem lösen, läuft man in die Irre. Ich glaube, an den Zuständen, die wir haben, sind viele beteiligt, und man kann lange darüber debattieren, wer es hauptsächlich verursacht hat, es ist eine hohe Form von monetären Schulden angehäuft in diesem Land, aber auch eine hohe Form von sozialen Schulden. Meine Werbung bei der Frage des Haushaltes ist, in diesem oder im nächsten, übernächsten Jahr zu schauen, ob man nicht die Steuermehreinnahmen, die man zur Schuldentilgung verwendet, auch zur Tilgung von sozialen Schulden verwendet. – Ich bedanke mich! (Beifall bei der Linken)

Ich frage noch einmal, ob weitere Wortmeldungen vorliegen. – Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Damit ist die Beratung geschlossen.