Die nächste Frage bezieht sich auf die Investitionen. Ich weiß es noch nicht genau, das wird noch in dem Ausschuss herauskommen, inwieweit diese Mittel eigentlich gebunden sind. In welcher Höhe bis 2020? Der Bindungsgrad ist erheblich. Ich frage mich, ob 360 Millionen Euro ausreichen, um Bremen instand zu halten. Es gibt eine bestimmte Quote, die man an Instandhaltungsmitteln einhalten muss. Wenn man das nicht tut, dann verfällt etwas. Ich bezweifle, dass diese 360 Millionen Euro ausreichen, insbesondere weil ein großer Teil davon noch gebunden ist, um Bremen instand zu halten. Um die öffentlichen Aufgaben zu finanzieren, reicht es allemal nicht! Wir haben große Aufgaben in Richtung des ökologischen Umbaus, der Armutsbekämpfung und der Erneuerung. All das wird nicht mehr funktionieren. 360 Millionen Euro reichen meines Erachtens dafür nicht aus.
Es gibt einen Punkt, bei dem Sie einigermaßen Realismus walten lassen, das sind die Sozialausgaben. Sie wollen die Steigung auf 1,7 Prozent begrenz
en. Sie konstatieren etwas vollständig Richtiges. Auf diese Form von Sozialausgaben müssen wir uns auf Dauer einstellen, da es auf Dauer keine wirtschaftliche Entwicklung geben wird, die viele Menschen, die jetzt von Sozialleistungen leben, wieder in Arbeit bringen wird, und da die gesellschaftlichen Probleme, mit denen wir es zu tun haben, nicht kleiner werden. 1,7 Prozent ist ein ehrgeiziges Ziel! Wenn dann die zweiprozentige Inflation dazu kommt, ist es unter dem Strich auch bis 2020 wieder eine Senkung. Ich möchte gern sehen, wie Sie mit Synergieeffekten oder mit ähnlichen Dingen diese Form von Begrenzung hinbekommen wollen.
Last, not least zu den Einnahmesteigerungen! Wir haben von Illusionen gesprochen. Es gibt seit 1992 eine Abkopplung der bremischen Einnahmen von der Wirtschaftsentwicklung. Sie können es im Finanzbericht 2009 nachlesen, die Einnahmen sind nahezu gleich geblieben. Das heißt, die Annahme, dass, selbst wenn die Wirtschaft um vier Prozent wächst, was unwahrscheinlich ist, dann automatisch die Einnahmen Bremens jedes Jahr in den nächsten 20 Jahren um vier Prozent wachsen, ist eine komplette Illusion. Diese Illusion, auf die meinetwegen auch die Bundesregierung oder sonst jemand setzt, aber zur Grundlage eines Vertrages hier in Bremen zu machen, halte ich für ausgesprochen gefährlich. Eine solche Entwicklung wird nicht eintreten, es sei denn, es gibt die Einsicht, dass man die Form von Einnahmeerhöhungen mittlerweile nur noch finanzieren kann, indem man nicht mehr das tut, was früher die anderen Bundesregierungen gemacht haben, nämlich Steuererleichterungen, sondern indem endlich gerechte Steuern eingeführt werden. Dass das Bedingung dafür ist, habe ich aber bisher noch in keinem einzigen Beitrag gehört.
Ich höre das immer wieder gern und mit großer Genugtuung, dass wir die Gewoba nicht verkaufen. Sie haben aber in Ihrem Plan als einziges Kriterium für den Verkauf öffentlichen Eigentums Folgendes: Es muss wirtschaftlich sein! Es gibt andere Kriterien als Wirtschaftlichkeit, die einem verbieten, so etwas wie die Gewoba zu verkaufen. Nicht nur allein die Zinsgewinne gegen die Gewinne der Gewoba gerechnet, sondern auch die sozialen Ausgaben und der Zustand, den Sie anrichten, wenn Sie die Gewoba verkaufen! Schauen Sie sich die anderen Wohnungsbaugesellschaften an! Dann muss man andere Kriterien für den Verkauf einsetzen und nicht sagen,
(Beifall bei der LINKEN – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hat ja keiner gesagt!)
Es ist kein Popanz! Unglücklicherweise ist es kein Popanz! Dort steht geschrieben, dass der Verkauf öffentlichen Eigentums vorkommen kann, wenn es wirtschaftlich ist. Schauen Sie in dem Papier nach! Ich kann Ihnen die Stelle zitieren, und wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen die Seite und den Absatz, wo es steht. Sie sagen nicht, soziale Verantwortung verbietet das, sondern ausschließlich wirtschaftliche Kriterien werden zugrunde gelegt. Deswegen kommt das auf die Tagesordnung wie das Amen in der Kirche.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Hundertmal haben wir das gesagt! – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen] meldet sich zu einer Zwischenfrage. – Glocke)
Würden Sie zur Kenntnis nehmen, dass der Text, den Sie eben wiedergegeben haben, in Wirklichkeit folgendermaßen heißt: „Vermögensveräußerungen können grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, sollten nur dort realisiert werden, wo sie auch längerfristig wirtschaftlich und vertretbar sind“. Das Wort vertretbar wird in den nachfolgenden Sätzen erläutert, dass es dort um die strukturellen Eigenschaften geht, die dafür sprechen, ob Bremen das im öffentlichen Eigentum behält, um damit Politik machen zu können. Es steht beides darin. Sie können einfach nicht behaupten, dass die Wirtschaftlichkeit als einziges Kriterium darin steht! Das ist nicht die Wahrheit!
Ich erlaube mir einmal, Ihnen zu glauben, und hoffe, dass die Interpretation dieses Wortes dem entspricht, was Sie sagen. Ich
gehe davon aus, dass wir diese Debatte fortführen werden, und ich befürchte, dass die Orientierung auf wirtschaftliche Interessen wie anderswo auch groß ist.
Ich möchte gern noch zwei bis drei Dinge ansprechen. Ich würde gern eine Situation haben, in der wir aufhören, Mythen in einer Weise zu verbreiten, die uns selbst auf lange Sicht gefährlich wird.
Ja, ich fange damit an! Ich fange einmal an mit dem Mythos der Pro-Kopf-Verschuldung. Es wird so getan, als hätten einzelne bremische Menschen durch Ausgaben, durch zu viel Bildung, durch zu viel Wahrnehmung an Bildung oder zu viele Sozialleistungen, die sie in Anspruch genommen haben, mittlerweile ungefähr 25 000 Euro Schulden pro Kopf. Das ist einfach nicht wahr! Das ist eine Rechengröße. Diese Menschen sind für die Schulden nicht verantwortlich! Verantwortlich sind diejenigen, die in den letzten 20 Jahren dafür gesorgt haben, dass die öffentlichen Haushalte durch Steuererleichterungen in großem Stil, durch Kohl, durch Schröder und jetzt durch „Westermerkel“
konsequent kleingespart worden sind, während die Einnahmen einfach nicht steigen, egal wie die wirtschaftlichen Entwicklungen sind.
Deswegen und weil die Ausgaben der öffentlichen Hand in erster Linie notwendig sind, um den Bestand zu erhalten und die Aufträge des Grundgesetzes zu erfüllen, gibt es eine Diskrepanz zwischen Einnahmen und Ausgaben. Die Verschuldung ist nicht entstanden, weil die Menschen über ihre Verhältnisse gelebt haben, das ist der zweite Mythos.
Herr Dr. Kuhn hat gerade eben noch einmal gesagt, wir haben eine Situation, in der wir über die Verhältnisse gelebt haben.
Erst einmal ist die Frage: Haben wir eigentlich in fetten Jahren gelebt? Ich sage, die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bremen haben nicht in fetten Jahren gelebt. Sie haben über zehn Jahre so gut wie keine Lohnerhöhung gehabt, sie haben unter Leistungsverdichtung, unter permanenten Stellenkürzungen und Ähnlichem gelebt. Das ist weit davon entfernt, fette Jahre zu haben! Die Menschen, die in Bremen Hartz IV beziehen, und das ist eine große Zahl, haben keine fetten Jahre gehabt.
Die Lehrerinnen und Lehrer in Bremen haben keine fetten Jahre gehabt! Bremen hat keine fetten Jahre gehabt! Die Ausgaben sind in einer Höhe, zumindest heute, die weit davon entfernt ist, überhöht zu sein. Deswegen darf man diese Ausgaben nicht weiter kürzen!
Die Lösung ist, daran kommen Sie nicht vorbei, es wird bundesweit und mit anderen Bundesländern keine andere Lösung geben, als gerechte Steuern in diesem Land, auf Bundesebene einzuführen.
Sonst lösen Sie den einen Fehler, dass man eben Schulden ohne Ende macht und in eine Schuldenfalle geht, durch den zweiten Fehler ab, indem Sie dieses Gemeinwesen in der Tat kaputtkürzen und es seiner Zukunft berauben. – Soweit erst einmal vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will erst einmal das Positive vorwegnehmen: Wir haben – und da treten wir immer in der Debatte auf der Stelle – es schon begrüßt, dass wir uns als Bundesland zur Schuldenbremse bekennen. Wir haben es begrüßt, dass wir diesen Konsolidierungspfad gehen wollen, dass Bremen mutmaßlich 300 Millionen Euro daraus erhält. Diese Debatte haben wir schon geführt, und wer es gern möchte, dem könnte ich auch theoretisch meine Rede aus der letzten Debatte vorlesen, denn wir haben uns nicht wesentlich von diesem Punkt entfernt. Ich bin auch dagegen – und da bin ich ganz dicht beim Bürgermeister und auch bei der Finanzsenatorin –, uns in Illusionen zu ergehen. Wir haben den Kanzlerbrief kritisiert, und wir haben die gesamte Finanzpolitik, die auf diesem Kanzlerbrief aufbaute, nachhaltig kritisiert.
Weil der Kollege Dr. Kuhn auch mit einem Bekenntnis geendet hat, will ich einmal damit beginnen: Ich bin überzeugter Bremer, und die Bremer FDP ist eine überzeugte Bremer Partei, die zur Erhaltung der Selbstständigkeit, der Selbstständigkeit des Bundeslandes angetreten ist, und da gehen wir alle Wege mit, die diesem Selbstständigkeitserhalt dienen.
Da gehen wir alle Wege mit! Das habe ich ganz deutlich gesagt, das habe ich auch schon beim letzten Mal gesagt. Da möchte ich gleich einmal bei Frau Kummer mit der Grunderwerbssteuer anfangen, das war jetzt ein lächerlicher Einwand. Über der Erklärung der FDP stand: Wir sind gegen eine Erhöhung der Grunderwerbssteuer, das wird man in einer Debatte noch erklären dürfen!
Wir haben es deshalb gesagt, weil Bremen wesentlich enger als die beiden anderen Stadtstaaten Hamburg und Berlin ins niedersächsische Umland eingebunden ist, und wenn wir Attraktivität schaffen wollen, dann dürfen wir Kosten in Bremen nicht erhöhen. Wir wollen mehr Einwohner, mehr Gewerbe, wir wollen Wirtschaftskraft, und wir wollen Steuerkraft erzeugen.
Da müssen wir sehr genau überlegen, ob wir diesen Weg gehen wollen. Ich verschließe mich nicht der Debatte, was auch angeklungen ist, dass man sich eventuell nicht daraus bewegen kann, weil die beiden anderen Stadtstaaten das gemacht haben. Dieser Debatte verschließe ich mich nicht, aber dann hätte man auch 4 Prozent sagen können, man muss nicht 4,5 Prozent nehmen. Man kann auch 4 Prozent nehmen, man kann es aber auch lassen, und das haben wir gefordert.
Ich sage ganz deutlich: Ich bin froh, dass wir auch auf Initiative der Opposition und insbesondere auch der FDP diesen nichtständigen Ausschuss eingerichtet haben, in dem wir über Strukturen debattieren wollen,