Protokoll der Sitzung vom 18.03.2010

Ein wichtiger Punkt, den es auch zu fördern gilt, ist das Thema der Gründung von Unternehmen von Bürgerinnen und Bürgern mit Migrationshintergrund. Ich teile, Herr Willmann, Ihre Auffassung nicht, dass es allein damit getan ist, dass wir einen Internetauftritt in russischer und türkischer Sprache präsentieren. Das ist viel zu wenig,

(Beifall bei der CDU)

insbesondere, wenn sie hier nicht von außerhalb nach Bremen kommen, sondern hier schon lange im Land leben.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hat doch auch keiner gesagt!)

Wie sollen die denn im Wirtschaftsleben in Deutschland klarkommen, wenn sie einen türkischen Internetauftritt benötigen, um sich zu orientieren? Da müssen andere Programme herangezogen und entwickelt werden, wie wir es Menschen mit Migrationshintergrund ermöglichen, die Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache haben – und das ist unerlässlich, um erfolgreich zu sein –, klarzukommen. Mit einem Internetauftritt in türkischer und russischer Sprache ist es nicht getan.

(Beifall bei der CDU)

Ein letzter Punkt – und da hoffe ich, dass diese Notwendigkeit und dieser Bedarf von der Länge her nicht so sehr ausgeprägt ist – ist die Finanzierung und die Versorgung mittelständischer Unternehmen mit Krediten. Da gibt es den Mediator, der auf Bundesebene dafür sorgen soll, diese Themen entsprechend zu behandeln. Herr Ella, ich bin mir nicht so ganz sicher, ob die Ausstattung des Mediators, gerade was das Backoffice angeht, ausreichend vom Wirtschaftsminister gesehen wird. Gerade im Vergleich zu anderen Ländern glaube ich, dass es dort noch ein bisschen Nachholbedarf gibt. Ich könnte mir aber sehr gut vorstellen, mit entsprechenden Hinweisen an Ihren Parteifreund, dass vielleicht an der einen oder anderen Stelle noch einmal nachgedacht wird.

Ich sehe auch die Bankenwelt hier in der Pflicht. Wer einen Rettungsschirm in Anspruch nimmt, muss

sich natürlich auch der gesellschaftlichen Verantwortung stellen, hier mit Ansätzen heranzugehen, die letztendlich der Verantwortung, auch den Anforderungen einer erfolgreichen prosperierenden Wirtschaft gerecht werden.

Natürlich auch das Thema BAB! In dem Sinne, denke ich, gibt es eine Menge zu tun. Die Ansätze, die hier in dem Mittelstandsbericht angegeben werden – da teile ich Ihre Einschätzung –, sind hilfreiche Hinweise, hilfreiche Instrumente. Von daher glaube ich, dass wir hier eine gute Grundlage für eine konstruktive Mittelstandspolitik und die Diskussion hierüber in diesem Haus haben. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Möhle.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich mache in der Wirtschaftsdeputation schon länger Wirtschaftspolitik. Ich bin erstaunt, gleichzeitig auch erfreut, Herr Kastendiek, wie engagiert Sie sich dafür einsetzen, dass man Unternehmen mit Migrationshintergrund in den Fokus nehmen muss. Ich weiß, dass ich vor zehn Jahren mit dieser Idee hier angetreten bin, und es hat niemanden interessiert. So gesehen hat sich im Laufe der letzten zehn Jahre doch eine Menge geändert. Man begreift mittlerweile, dass 3 000 Unternehmen – geschätzt, ganz genau weiß es keiner – mit Migrationshintergrund eben nicht nur eine soziale Komponente, sondern auch eine ganz deutlich ökonomische haben. Das finde ich zunächst einmal bemerkenswert. Das hat übrigens auch etwas mit der rotgrünen Regierung zu tun, für die ich hier in diesem Fall als Einzelabgeordneter überhaupt nicht mehr spreche, für die ich aber lange Zeit mitgestaltet habe, gerade auch die Wirtschaftspolitik, das hat sehr viel damit zu tun umzudenken.

Wir haben damals eine Wirtschaftspolitik geerbt, die im Wesentlichen ganz banal gesagt hat, Straßen bauen, Infrastrukturen, und dann ist gut! Das war vielleicht im alten klassischen Bereich auch richtig und nachvollziehbar, nur, die Welt hat sich dramatisch verändert. Heute, in der Zeit der Globalisierung, auch in der Zeit des Internets, ist es eben mit einfacher Verkehrserschließung als Wirtschaftspolitik beileibe nicht getan. Mittlerweile diskutiert man über Kreativwirtschaft, wie kann Kreativwirtschaft gefördert werden – das ist auch nicht so einfach –, aber der Senat hat sich des Themas angenommen und bemüht sich redlich, auch an dieser Stelle, was gerade auch Existenzgründungen in dem Bereich betrifft, meiner Auffassung nach relativ erfolgreich. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Die größte, aus meiner Sicht erfolgreichste politische Maßnahme war in der Tat die Umstellung der Wirtschaftsförderung von Zuschüssen auf Darlehen. Das war im Übrigen auch die schwierigste, denn Geld zu vergeben und dass die Unternehmen eher Zuschüsse haben möchten, die sie nicht als Kredite zurückzahlen müssen, finde ich, ist banal und nachvollziehbar, nur – und das weiß auch jeder hier im Haus – sind die Mittel des Staates nicht mehr unerschöpflich, und die damaligen neun Milliarden Euro Fördermittel sind von der Großen Koalition auch recht zügig ausgegeben worden. Darüber, wie sie ausgegeben worden sind, ist hier im Haus an vielen Stellen häufig und heftig kritisiert worden, das will ich an dieser Stelle nicht noch einmal tun.

Was mir aber außerordentlich gut gefällt, ist auch eine gewisse rationale neue Bescheidenheit in der Wirtschaftsförderung. Ich habe es nicht mehr ertragen, dass die BIG damals angetreten ist mit dem Argument, sie sei ein Global Player und dass sie gerade aus der Sicht des Global Players natürlich die Kleinst- und Kleinbetriebe nicht ausreichend gewürdigt und berücksichtigt hat. Das ist ein, man könnte schon fast sagen, wirtschaftstheoretisches Umdenken in der Bremer Wirtschaftspolitik, das ich außerordentlich begrüße. Ich höre aus Ihren Reden, Herr Kastendiek, dass Sie sich dem eigentlich auch angeschlossen habe, was ich für außerordentlich richtig halte.

Wir haben einen sehr gut ausgearbeiteten Wirtschaftsbericht, der hilfreich ist, viele Dinge zu verstehen und klarer zu sehen, aber niemand muss glauben – und so habe ich auch den Kollegen Liess nicht verstanden –, dass man die Hausarbeiten gemacht hat, und dann sei es gut. Nein, natürlich nicht! Die Wirtschaft verändert sich dramatisch, im Übrigen für viele Experten auch unübersehbar schnell und undurchsichtig, und da soll mir auch niemand sagen, dass er ganz genau weiß, wie die nächste Zeit ausgehen wird. Es gibt aus meiner Sicht niemanden, der sagen kann, wohin die Reise tatsächlich geht. Man kann es versuchen einzuschätzen, kann versuchen, bei bestimmten Tendenzen gegenzusteuern und sein Möglichstes tun, aber die Kirche soll einmal ein bisschen im Dorf gelassen werden, und es soll nicht so getan werden, als wüsste hier irgendwer ganz genau, wie die Wirtschaft denn in einem Jahr aussieht. Ich behaupte, diejenigen, die so etwas behaupten, haben in Wahrheit sehr wenig Ahnung von den wirklichen Verläufen in der Ökonomie.

Wir haben in Bremen großes Glück, dass wir ein paar Industrien haben, die sich außerordentlich gut entwickeln. Dazu ist sicherlich auch die Windenergie zu zählen und meiner Meinung auch nicht zu vernachlässigen die Automobilindustrie. Ich glaube im Übrigen, dass Mittelstandsdiskussionen immer deswegen so außerordentlich schwierig sind, weil sie gerade im Bereich der Großindustrie sehr häufig als Dienstleister eine Rolle spielen. Der Mittelstand lei

det natürlich dann, wenn die Großindustrie erfolglos bleibt, auch entsprechend. So gesehen kann man das gar nicht ausblenden und kann nicht nur den Mittelstand in den Fokus nehmen und den Rest der Ökonomie beiseite schieben. Nein, man muss da meiner Meinung nach ein Stück weit mehr zusammendenken. Gleichwohl denke ich auch, dass es richtig ist, das Mittelstandsgesetz zu verlängern und in die Richtung weiterzuschauen.

Ich freue mich jedenfalls auf die kommenden Auseinandersetzungen in der Wirtschaftsdeputation, und ich hoffe, dass mit der Umstellung der Bremer Wirtschaftsförderung tatsächlich ein gelungener Schritt in die richtige Richtung passiert ist. Das, was noch aussteht, die BAB vernünftig auf die Spur zu stellen, haben wir in der letzten Wirtschaftsdeputation aus meiner Sicht hinreichend diskutiert, die Aufgabe ist auch jedem bekannt. Ich glaube, die Aufgabe wird auch vom Senator angegangen werden, das kann er aber gleich selbst noch einmal sagen. Wenn es gelingt, die BAB tatsächlich zu einem guten Instrument der Wirtschaftsförderung zu machen, sind wir in Bremen mit Sicherheit auch einen riesengroßen Schritt weiter.

Lassen Sie mich als Letztes noch sagen, dass ich glaube, die Frage der Ausbildung ist auch nicht so einfach. Ich finde es erstaunlich, dass immer dann, wenn irgendetwas wirtschaftspolitisch erfolgreich ist, es die Unternehmen selbst waren, und wenn irgendetwas klemmt, war es die Wirtschaftspolitik. Das ist eine Trennung, die passt mir schon lange nicht. Ich glaube, dass die Unternehmen selbst auch in der Verantwortung stehen, sich um entsprechende Ausbildungsplätze zu kümmern, ich glaube nicht, dass es ausschließlich staatliche Aufgabe ist. Ansonsten sind sie auch immer sehr stark dabei, die Unternehmen in ihrer eigenen Aktivität zu fordern. Ich fordere die Wirtschaft an dieser Stelle auf, sich mehr um Ausbildung zu kümmern, und hoffe, dass der Staat das dann auch vernünftig begleitet. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Müller.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kastendiek, Sie haben erklärt, der Senatsbericht würde nicht aussagekräftig sein. Dem kann ich nicht zustimmen, denn der Bericht ist von der Arbeitsgemeinschaft von der Rambøll Management Consulting und dem Institut für Mittelstandsförderung Bonn erstellt worden. Meines Erachtens zeigt der ganz genau die aktuelle Situation der kleinen und mittleren Unternehmen vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise. Den Hinweis, den Sie geführt haben, kann ich absolut nicht nachvollziehen.

Auch zeigt der Bericht ganz genau auf, dass der Bereich Migration doch schon sehr gut angegangen

wurde. Im Bereich Fördermaßnahmen weist er darauf hin, dass an die 60 Prozent der Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber mit Migrationshintergrund von den jeweiligen Förderprogrammen Kenntnis haben. Ich denke, da kann ich ein Lob weitergeben. Glückwunsch, das hat schon ganz gut geklappt.

Herr Willmann, was ich aber nicht verstehen kann, ist, dass wir in dieser Bürgerschaft immer wieder hören: Wir arbeiten schon an der Lösung, oder das haben wir schon umgesetzt. Meine Damen und Herren, wenn das wirklich so wäre: Wo sind dann bitte schön die positiven Ergebnisse für die Betroffenen? Diese können wir für die Betroffenen nicht erkennen. Darauf können wir aber noch eingehen, wenn unser Antrag behandelt wird. Im Augenblick reden wir ja über den Bericht der Mittelstandsförderung.

Die Aussage von Herrn Ella kann ich nicht nachvollziehen, wenn er zu erklären versucht, wir können uns den Rettungsschirm für kleine und mittlere Unternehmen in unserem Land nicht leisten, da muss der Bund her. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Ella, wenn wir es nicht machen, dann wird der Bund es vielleicht ansatzweise versuchen, aber er wird uns keine Lösung bringen. Wir, die Abgeordneten dieses Hauses, sind dafür verantwortlich, dass die derzeitig geschaffenen Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze erhalten bleiben und neue dazukommen. Wir sind angehalten, die kleinen und mittleren Unternehmen, die das Rückgrat unseres Landes darstellen, zu verstärken und über die Krisenzeit zu begleiten.

Wir haben eine Wirtschafts- und Finanzkrise, die noch lange nicht vorbei ist. Alle wissenschaftlichen Abhandlungen, die sich mit dieser Krise beschäftigen, weisen immer wieder aufs Gleiche hin: Wenn wir jetzt nicht handeln, sacken wir in ein noch tieferes Loch, und um aus diesem Loch herauszukommen, bedarf es weitaus höherer Mittel, wie wir sie heute einsetzen müssten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Liess.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir bitte noch ein paar Anmerkungen für diese Debatte! Ich will mit Herrn Müller anfangen. In der Tat haben wir noch einen gesonderten Tagesordnungspunkt, bei dem wir über Ihren Antrag zu Bürgschaften und so weiter reden werden, ich will mich damit deshalb im Augenblick auch nicht befassen in dieser Debatte. Ich möchte aber eines sagen: Ich glaube, man darf nicht einem Missverständnis aufsitzen. Die Politik ist ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

nicht für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Ausbildungsplätzen verantwortlich. Sie ist dafür verantwortlich, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Insofern haben wir dort im Augenblick, oder ich habe Sie missverstanden, eine andere Auffassung.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Er ist vor 20 Jahren stehengeblieben! Da war das anders!)

Ich möchte dann etwas zu dem sagen, das wird Herrn Kastendiek nun wiederum nicht wundern, was Herr Kastendiek ausgeführt hat, ist ja völlig klar! Ich finde das gut, wenn Sie sagen, wir könnten auf die Gebetsmühle verzichten, dass die Umstellung von Darlehen auf Zuschüsse richtig gewesen ist. Ich entnehme Ihren Worten, Sie haben das jetzt akzeptiert und anerkannt, dass dies ein taugliches Mittel ist. Wenn das denn so ist, dann können wir die Gebetsmühle auch abstellen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich möchte eines ausdrücklich noch einmal sagen, da das in der Debatte hinsichtlich der gesellschaftlichen Verantwortung der Banken ausgeführt worden ist, dass es eine gesellschaftliche Verantwortung für die Wirtschaft gibt. Das war übrigens der Grund, weshalb wir in der Großen Koalition mit der CDU darüber gestritten haben, ob ein Mittelstandsgesetz dies auch zum Ausdruck bringen soll. Deshalb hat der Prozess bis zur Formulierung des Mittelstandsgesetzes auch eine lange Zeit gedauert. Darin stand zunächst nichts über die Ausbildungsplätze. Es war im ersten Entwurf enthalten, dass auch die Wirtschaft eine gesellschaftliche Verantwortung hat. Nun ist es darin, und deshalb ist das Gesetz gut.

Ich möchte dann ein Wort aufgreifen, weil mir das die Möglichkeit bietet, auf Herrn Ella noch kurz einzugehen. Herr Kastendiek hat ausgeführt, man soll sich nicht von Zahlen blenden lassen, man darf sie nicht überinterpretieren. Herr Ella, wenn Sie davon reden, dass der Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen hinsichtlich des Umsatzes in Bremen geringer ist als im Bundesdurchschnitt, dann müssen Sie natürlich auf der anderen Seite auch zur Kenntnis nehmen, dass wir in Bremen immer noch der sechsgrößte Industriestandort Deutschlands sind und dies natürlich seine Auswirkungen hat. Insofern muss man sich nicht allzu sehr wundern, dass sich das in den Zahlen dann auch niederschlägt. Ich unterstelle Ihnen auch nicht, dass Sie nun gegen die Großindustrie wären, aber ich finde, Sie sollten es in Ihrer Argumentation mit berücksichtigen.

Der nächste Punkt: Ich glaube, den Fachkräftemangel in Deutschland oder in Bremen darauf zurückzuführen, wie die Güte des Bildungssystems ist, kennzeichnet nicht die Ursache des Fachkräftemangels. Die Ursache des Fachkräftemangels ist die demografische Entwicklung, und ich finde, da muss man auch ein bisschen vorsichtiger in der Argumentation sein. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Abschluss eines noch einmal sagen, und ich will noch einmal aus den Bericht zitieren. Auf Seite 65 finden Sie in dem Bericht als eine Beurteilung der Maßnahmen in den letzten vier Jahren, ich zitiere: „Hinsichtlich der Schärfung der Förderinstrumente kann grundsätzlich festgestellt werden, dass das Land Bremen aktuell über einen bedarfsgerechten und zielgerichteten Instrumentenkasten zur Unterstützung der kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen verfügt.“ Das ist das Urteil, wie Sie das in dem Gutachten finden. Das heißt für uns nicht, dass wir uns ausruhen. Das heißt nicht, dass wir die Instrumente nicht ständig wieder überprüfen müssen, aber es heißt für uns, wir haben die Weichen richtig gestellt. Wir haben es richtig angesetzt, und wir werden diesen Weg jetzt konsequent weitergehen. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Günthner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Debatten um 10 Uhr morgens im Parlament sind sozusagen die parlamentarische Primetime, wenn sie hier gesetzt sind. Insofern möchte ich mich auch bei diesem Haus dafür bedanken, dass dem Mittelstandsbericht diese Bedeutung auch entgegengebracht wird, die er hat. 99,3 Prozent der rund 22 600 Unternehmen sind dem Mittelstand zugeordnet. Das macht deutlich, welche Bedeutung der Mittelstand hat. Ich will aber gleich am Anfang dem Eindruck entgegentreten, der hier von einem Redner, der links von mir sitzt, erweckt worden ist, dass man nämlich die Frage Mittelstand gegen die Frage Industrie diskutieren müsse. Ich glaube, dass man beides eng beieinander halten muss, denn eines ist klar, auf beiden Beinen steht Bremen. Das ist in Bremen, glaube ich, sehr deutlich zu sehen, dass wir nur mit einem gut aufgestellten Mittelstand und mit einer gut aufgestellten Industrie dann die Wirtschaft hier in der entsprechenden Balance halten können. Wenn wir über die Bedeutung des Mittelstands für Bremen, Bremerhaven und Bremen-Nord sprechen, dann bedeutet das bei der auch bereits genannten Zahl natürlich, dass wir auch eine Debatte über die Grundzüge der Wirtschaftspolitik führen, die hier auch in Teilen schon stattgefunden hat, und dass wir natürlich auch über die wirtschaftliche Lage in Bremen,

Bremerhaven und Bremen-Nord insgesamt sprechen. In diesem Zusammenhang ist ein Satz aus dem Bericht von besonderer Bedeutung, dort nämlich steht: „Entgegen den Erwartungen stehen die Unternehmen in der Wirtschafts- und Finanzkrise relativ stark da.“ Das, finde ich, muss man deutlich hervorheben. Obwohl Bremen wegen der Exportorientierung der bremischen Schlüsselbranchen bekanntermaßen – und wir haben es gestern auch in der Fragestunde zum Teil auch andiskutiert – einem besonderen Risiko ausgesetzt ist, kann sich die Wirtschaftsbilanz „Bremen 2010“ sehen lassen.

Wir haben in Bremen eine Wirtschaftsstruktur, die sich in der Krise als robust erwiesen hat, und das kann nicht jeder Standort in Deutschland von sich behaupten. Wenn Sie sich beispielsweise die Zahl der Arbeitslosen anschauen, dann haben wir eine vergleichsweise geringe Anzahl zu verzeichnen. Der Arbeitsmarkt im Land Bremen hat sich im Jahr 2009 deutlich besser entwickelt als im Durchschnitt der westdeutschen Bundesländer. Die durchschnittliche Zahl der Arbeitslosen im Jahr 2009 stieg im Land Bremen gegenüber dem Vorjahr um 3,8 Prozent auf durchschnittlich 38 247. In den westdeutschen Bundesländern gab es im selben Zeitraum einen Anstieg um 8,2 Prozent. Allein diese Zahl 3,8 zu 8,2 muss man sich anschauen, und dann kann man feststellen, dass wir stark aufgestellt sind.

Da trifft natürlich das zu, was der Kollege Kastendiek hier auch angesprochen hat, dass man sich die einzelnen Branchen anschauen muss und dass wir dabei auch einzelne Bereiche wie beispielsweise die Nahrungsmittelindustrie, wie aber auch den boomenden Bereich der Windenergie nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Wenn man dann noch weiter heruntergeht und sich anschaut, dass die Arbeitslosenzahl in Bremerhaven im Jahr 2009 gesunken ist, bedeutet das deutlich, dass Bremerhaven sich von der wirtschaftlichen Entwicklung abkoppelt. Das ist ja ein Satz, der häufig in den vergangenen Jahren gesagt worden ist. In den vergangenen Jahren ist er aber vor allem negativ gesagt worden. An dieser Stelle muss man sagen, Bremerhaven koppelt sich inzwischen positiv von der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Insbesondere die Schwerpunktsetzung unserer Wirtschaftspolitik im Bereich der Windenergie und des Tourismus hat sich bewährt. Das, finde ich, muss man an dieser Stelle ebenfalls deutlich hervorheben.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Über die Soforthilfe-Programme der Bremer Aufbaubank haben wir in der Deputation entsprechend umfangreich auch gesprochen. Sie haben sich nach meiner Auffassung bewährt und sind insbesondere auf die Erfordernisse mittelständischer Betriebe in der Krise ausgelegt. Wir haben schnell reagiert. Mein Vorgänger hat die Einrichtung einer Taskforce ab

November 2008 auch noch entsprechend begleitet. Im Jahresverlauf 2009 registrierte diese Taskforce insgesamt 235 Anfragen von Unternehmerinnen und Unternehmern. Bei den Anfragen handelte es sich durchweg um kleine und mittlere Betriebe aus unterschiedlichen Branchen, Dienstleistung, Handel, Fertigung, mit einem Gesamtumsatzvolumen von rund 794 Millionen Euro und rund 8 100 Beschäftigten, und da ist entsprechend geholfen worden. Insofern kann man an dieser Stelle bei allen Debatten über die zukünftige Ausrichtung der BAB feststellen, dass dieser Weg richtig war und wir diesen Weg auch weitergehen werden und auch weiterhin flexibel versuchen, auf die Anforderungen zu reagieren, die aus dem Mittelstand gestellt werden.

Wirtschaftspolitik insgesamt braucht verlässliche Rahmenbedingungen und klare Zielsetzungen. Auf beides können sich die bremische Wirtschaft und damit auch der bremische Mittelstand verlassen, und auch selbst tut die Wirtschaft das Ihre für ein gut funktionierendes Geschäftsumfeld.

Gerade letzte Woche war ich bei einer Veranstaltung der Handelskammer zum Thema „Beruf und Familie“. Das ist ein Thema, das lange Zeit eher spöttisch betrachtet worden ist und eher an den Rand gerückt worden ist und bei dem gesagt worden ist, Beruf und Familie spielt nicht die herausragende Rolle. Inzwischen ist es so, das hat der Versuch, ein Führungskräftenetzwerk, initiiert von der Handelskammer und auch der Landesfrauenbeauftragten, aufzubauen, auch gezeigt, dass es einen hohen Antrieb gibt, sich mit diesem Thema beschäftigen. Denn eines ist klar, gute Arbeitskräfte bekommen sie an den Standort auch, wenn sie Vereinbarkeit von Beruf und Familie entsprechend organisieren. Die Unternehmen sind dabei sehr aktiv, insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen.