Protokoll der Sitzung vom 19.05.2010

Bitte, Herr Senator!

Wenn es gewünscht wird, dann werden sie zur Verfügung gestellt. Wir haben ja bald Deputationssitzung. Ich glaube, am 3. Juni treffen wir uns wieder, dann sollten wir dazu einen Bericht geben.

Herr Kollege, Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Das heißt, Ihnen liegen die Gutachten bereits vor?

Bitte, Herr Senator!

Mir persönlich liegen sie nicht vor, aber meiner Fachabteilung liegen sie natürlich vor, sonst würde ja nicht die Aussage getroffen werden können.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Die vierte Anfrage steht unter dem Betreff „Nationales Stipendienprogramm“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Dr. Spieß, Strohmann, Röwekamp und Fraktion der CDU.

Bitte, Frau Dr. Spieß!

Wir fragen den Senat:

Wie bewertet der Senat das von der Bundesregierung beschlossene nationale Stipendienprogramm zur Förderung besonders begabter Studierender?

Welche Chancen sieht der Senat in der Gewährung von Leistungsstipendien, die einkommensunabhängig durch die Hochschulen vor Ort vergeben und nicht auf das BAföG angerechnet werden sollen?

Wie will der Senat das Programm im Land Bremen umsetzen, und welche Maßnahmen will der Senat ergreifen, um dem Vorhaben zum Erfolg zu verhelfen?

Diese Anfrage wird beantwortet von Frau Senatorin Jürgens-Pieper.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Das vorrangige Ziel, insgesamt mehr jungen Menschen ein Studium zu ermöglichen und damit auch dem drohenden Fachkräftemangel zu be

gegnen, wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für ein nationales Stipendienprogramm verfehlt.

(Beifall bei der SPD)

Nach der aktuellen 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes nehmen von 100 Akademikerkindern 71 ein Hochschulstudium auf, während von 100 Kindern aus Familien ohne akademische Tradition lediglich 23 studieren. Es ist ein Gebot der Chancengleichheit, mehr Kindern, deren Eltern keinen Hochschulabschluss haben, ein Studium zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Dem drohenden Fachkräftemangel kann darüber hinaus nur begegnet werden, wenn alle Begabungsreserven ausgeschöpft werden. Um die Anzahl der Studierenden nachhaltig zu erhöhen, bedarf es daher einer weiteren Verbesserung der einkommensabhängigen Breitenförderung. Das bedeutet einen Ausbau der Leistungen nach dem BAföG, und zwar insbesondere eine Erhöhung der Elternfreibeträge, um mehr Familien in die Förderung einbeziehen zu können.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Einführung der geplanten einkommensunabhängigen Stipendien kann das Ziel, die Studierendenzahl insgesamt zu erhöhen, nicht erreicht werden. Untersuchungen haben ergeben, dass Studierende aus wohlhabendem Elternhaus mit mehr als doppelt so hoher Wahrscheinlichkeit ein Stipendium erhalten wie jene, die nicht auf die Finanzkraft ihrer Eltern zählen können. Eine Kofinanzierung dieses Vorhabens aus Landesmitteln ist angesichts der gegebenen Situation des öffentlichen Haushalts schwer darstellbar.

Zu Frage 2: Mit der Gewährung von Leistungsstipendien, die einkommensunabhängig durch die Hochschulen vor Ort vergeben und nicht auf das BAföG angerechnet werden sollen, wird das Problem der sozialen Selektion im Bildungsbereich nicht gelöst, sondern eher verschärft. Den Hochschulen wird ein zusätzlicher hoher Verwaltungsaufwand aufgebürdet, ohne dass sie dadurch einen direkten Nutzen hätten.

Zu Frage 3: Da mittlerweile von verschiedenen Seiten erhebliche Bedenken gegen das nationale Stipendienprogramm geäußert worden sind, bleibt zunächst das weitere Gesetzgebungsverfahren abzuwarten. – Soweit die Antwort des Senats!

Haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Senatorin, Sie sagten, dass Leistung an die soziale Herkunft gekoppelt sei. Sehen Sie es wirklich so, dass man Leistung – hier sind ja Leistungsstipendien angesprochen worden – unabhängig von dem sozialen Einkommen nicht geben kann?

Bitte, Frau Senatorin!

Jetzt war die Frage so kompliziert, dass ich noch einmal darüber nachdenken muss. Ich sehe es zum einen so, dass die soziale Kopplung besteht, und nicht nur ich, sondern auch ganz viele wissenschaftliche Studien und auch Zahlen belegen das, und zum anderen halte ich dieses Programm für ungeeignet, diesen Missstand zu beseitigen.

(Beifall bei der SPD)

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Ich denke, wir werden hierüber auch noch einmal debattieren, deswegen werde ich jetzt politisch nicht nachfragen. Meine Frage geht dahin, BAföG wird ja nicht angerechnet: Wenn man sich um ein Stipendium bewirbt, wird BAföG nicht angerechnet, und viele BAföG-Empfänger können sich diesbezüglich bewerben. Das ist ja ein neuer Aspekt. Wie sehen Sie das?

Bitte, Frau Senatorin!

Dass es auf das BAföG nicht angerechnet wird, beseitigt ja auch nicht das Grundsatzproblem, das ich eben genannt habe. Womit ich ein riesiges Problem habe, ist, dass in dem Gesetzentwurf eine Vergabe zu zwei Jahren angegeben wird. Ich weiß gar nicht, was danach passieren soll. Da gibt es ganz viele Fragen: Die Einbeziehung der Wirtschaft, wie viele Unternehmen beteiligen sich in Bremen an solchen Stipendien? Wir haben schon eine Inanspruchnahme unserer Wirtschaftsunternehmen, was die Jacobs University angeht. Ich glaube nicht, dass wir hier noch ein großes Potenzial haben. Insgesamt stimmt es, dass die Wirtschaft sich relativ wenig im Verhältnis zu anderen europäischen Ländern oder dem Ausland an solchen Dingen beteiligt. Hier aber 50 Prozent zu erwarten – und eigentlich sind es nicht einmal 50 Prozent, weil noch eine Steuererleichterung hinzukommt, die wieder der Staat bezahlen muss –, ist schon eine merkwürdige Aufgabenverteilung, einmal abgesehen von dem Verwaltungsaufwand!

(Beifall bei der SPD)

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Frau Senatorin, es ist ja immer so: Wenn man persönlich zur Wirtschaft geht und hinter bestimmten Programmen steht und dann auch dafür wirbt, beteiligt sich die Wirtschaft. Sehen Sie eine Möglichkeit, dass, wenn Sie direkt zur Wirtschaft gehen und ein solches Programm unterstützen würden, die Wirtschaft dann auch vermehrt dazu beitragen würde, dass dieses Stipendienprogramm aufrechterhalten werden kann?

Bitte, Frau Senatorin!

Wenn ich wüsste, wie ich zur Wirtschaft gehen sollte! Ich kann zur Handelskammer gehen, die können mir da aber wenig weiterhelfen. Sie fragen eher, was ich finanzieren kann! Wenn ich zu Unternehmen gehe, dann hat das seine Grenzen. Ich werde auch für dieses Programm erst einmal politisch versuchen, dafür zu sorgen, dass es gar nicht in Kraft tritt. Das ist der eine Punkt!

(Beifall bei der SPD)

Zum anderen, wenn es denn tatsächlich mit anderen Mehrheiten in Kraft treten soll, werde ich für dieses Programm nicht werben.

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Vielleicht noch einmal eine Nachfrage! Habe ich es jetzt richtig verstanden, dass Sie sich nur für Stipendienprogramme einsetzen, die die soziale Benachteiligung beseitigen würden?

Bitte, Frau Senatorin!

Nein, so einfach können wir es uns doch nicht machen! Wir haben elf Begabtenförderungswerke. Es ist doch nicht so, dass so etwas nicht schon in der Bundesrepublik existiert. Dies ist doch ein FDP-Programm, womit sich Herr Pinkwart in Nordrhein-Westfalen profilieren wollte. Es ist ihm nicht gelungen! Die Argumentation ist jetzt: Da Nordrhein-Westfalen dies eingeführt hat, muss es überall in der Bundesrepublik eingeführt werden, damit es keine Verwerfungen gibt. Das ist doch kein Grund, ein solches Gesetz zu installieren!

(Beifall bei der SPD)

Eine weitere Zusatzfrage der Abgeordneten Frau Schön! – Bitte sehr!

Frau Senatorin, sind Sie auch mit mir der Meinung, dass

es Aufgabe von Politik ist, gerade die soziale Ungleichheit im Bildungssystem zu beseitigen und für einen Aufbau des BAföGs zu sorgen statt bei Kindern, die auch so gute Chancen hätten zu studieren, noch einmal für erhebliche Verbesserung zu sorgen?

Bitte, Frau Senatorin!