Frau Stahmann, Herr Kollege Rohmeyer ist stehengeblieben. Gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Rohmeyer?
Wir erkennen das besondere pädagogische Konzept dieser Schule an. Ich habe auch gesagt, gleichwohl haben wir ganz kontrovers in der Fraktion über den Punkt diskutiert, den der Kollege Güngör angesprochen hat. Was ist eigentlich mit der sozialen Spaltung in der Stadt? Zerreißen zwei solche Schulen nicht das, was wir politisch miteinander diskutiert haben, die Schule für alle? Wir haben darüber abgestimmt, es hat auch mehrheitliche Entscheidungen in unserer Fraktion gegeben, und es war kein einheitliches Bild. Das habe ich hier in allen Debatten deutlich gemacht. Aus grüner Sicht ist es aber nicht erforderlich, in Berufung zu gehen. Wir begrüßen damals und heute die rechtliche Klarstellung des Gerichts zur Humanistischen Schule.
Das Argument der sozialen Entmischung ist aus unserer Sicht ein sehr ernst zu nehmendes Argument, aber ich finde, man darf das nicht nur auf den Grundschulbereich anwenden. Was im Kita-Bereich gut funktioniert und auch von der SPD, liebe Kolleginnen und Kollegen, mitgetragen wird, das produktive und innovative Miteinander von staatlichen und freien Trägern, zeigt doch eine gut gelebte Praxis in Bremen, und da fällt nicht das Gemeinwesen auseinander an dieser Stelle.
Ich finde, über diesen Punkt muss man reden. Wenn auf der einen Seite auch Oberstufen zugelassen werden, ich finde, die Frage der sozialen Entmischung kann man nicht allein der Grundschule überstülpen,
da müsste man es noch viel größer, gesellschaftlich breiter in Bremen diskutieren, und auch über Stadtentwicklungspolitik muss man in der Frage diskutieren. Das kann man nicht alles den Grundschulen überlassen, die Gesellschaft zusammenzuhalten.
Viele freie Träger engagieren sich explizit in sozial benachteiligten Stadtteilen, und der Vorwurf, wir Grüne würden hier in der Sache Klientelpolitik betreiben, ist schlichtweg absurd.
Wir Grüne haben uns bei der Novellierung des Schulgesetzes für Reformschulen im staatlichen Schulwesen starkgemacht. Mit der SPD setzen wir viele gute und wichtige Impulse um, und die CDU ist auch mit dabei. Es gibt einen Extra-Paragrafen im Schulgesetz, Kollege Güngör hat darauf hingewiesen. Staatliche Schulen sollen zu Reformschulen werden, sollen Experimente machen, ein Wort, bei dem sich sonst bei der CDU die Nackenhaare gesträubt haben. Wir haben ein sehr modernes, gutes Schulgesetz, mit dem wir Eltern ansprechen, und wir haben attraktive staatliche Schulen, und die müssen wir weiterentwickeln. Das steht für uns nicht im Kontrast zu diesen beiden Anträgen, die hier vorliegen.
In der Aktuellen Stunde im März zum gleichen Thema habe ich gesagt, die Humanistische Schule hat nach dem Grundgesetz einen Zulassungsanspruch. Das unterstreiche ich heute auch noch einmal!
Diese Schule hat einen Zulassungsanspruch, weil sie eine Weltanschauungsschule ist. In zwei Bundesländern, in Berlin und Bayern, ist das schon anerkannt, und Bremen verträgt auch die zweite, die Freie Schule, ohne dass die Stadtgesellschaft auseinanderfällt.
Privatschulen müssen sich allerdings, und da bin ich beim Kollegen Güngör, mehr mit der Frage auseinandersetzen, dass sie auch Kinder aus benachteiligten Familien aufnehmen. Sie müssen Kinder aus Migrationsfamilien aufnehmen und sich dieser Frage stellen. Davor dürfen sie auch nicht kneifen, und natürlich ist es ein Argument, wenn wir an den Waldorfschulen keine Kinder mit Migrationshintergrund haben.
Dann muss man das mit den Schulen in freier Trägerschaft diskutieren, aber ich sage einmal, man muss sich mit den Fragen schon befassen und darf da nicht,
wie es soeben bei Ihnen beiden passiert ist, mit Scheuklappen an dieses Thema, an die Sache herangehen, sondern das im Dialog mit den Schulen klären.
Wir kennen heute die schriftlichen Urteile zu den Verwaltungsgerichtsverfahren, und diese lassen aus unserer Sicht auch nichts an Eindeutigkeit vermissen. Zur Erinnerung für das Plenum: Es hat nicht ein einzelner Richter im Verwaltungsgerichtsverfahren Recht gesprochen, sondern das Richterkollegium hat gemeinsam beraten und sich die Köpfe zerbrochen, und das ist in die Urteilsbegründung eingeflossen. Das sollte aus unserer Sicht politisch respektiert werden. Die Urteile sind klar und prägnant. Das Gericht hat uns deutlich signalisiert, dass es der Argumentation des Bildungsressorts nicht folgt. Es hatte weder Zweifel daran, dass Humanismus eine Weltanschauung ist, noch dass die Weltanschauung nicht hinreichend im pädagogischen Konzept berücksichtigt sei. Bis in die höchste Rechtsprechung ist der Humanismus in der Bundesrepublik als Weltanschauung anerkannt. Für die Zulassung reicht es aus, dass die Weltanschauung die Schule prägt.
Ich komme zum Schluss. Ähnlich klar sind die Aussagen des Verwaltungsgerichts zur Klage der Freien Schule in Bremen. Das besondere pädagogische Interesse an der Gründung der Schule sei eindeutig gewesen, so die Richter. Unsere Haltung zu den vorliegenden Anträgen der beiden Schulen wird von unserem Koalitionspartner nicht geteilt, und das ist auch legitim. In Koalitionen ist man nicht immer einer Meinung, und das weiß die CDU auch ganz genau. Wir sind aber in dieser Frage auch an den Koalitionsvertrag gebunden, daran halten wir uns, der vorsieht, in Sachfragen nicht unterschiedlich abzustimmen. Wir können uns in der Sache nicht einigen, es gibt auch keine Lösung, die wir durch Überweisung dieses Antrags erreichen könnten. Die Rechtsmittel sind eingelegt, die Sache liegt jetzt wieder vor Gericht und wird dort entschieden werden. Wir sind da sozusagen heraus aus dem Spiel. Faktisch überweisen wir heute – im Sinne der Schulen, Herr Rohmeyer hat das gesagt, das hilft den Schulen jetzt nicht weiter, die wollen eine schnelle Entscheidung, das sehe ich auch so – die Anträge an die dritte Gewalt.
Das ist das, was ich jetzt in der ersten Runde sage, ich melde mich noch einmal zu Wort. – Danke für die Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren! Frau Stahmann hat wie ich das Urteil gelesen und kommt zu denselben Schlüssen. Ich finde es gut, dass sie zu denselben Schlüssen kommt, nur einen Schluss kann ich dann nicht
nachvollziehen, dass wir Dinge den Gerichten überlassen, die wir als Politiker selbst regeln können. Das führt zu Politikverdrossenheit und damit auch zu Unzufriedenheit der Menschen.
Wir möchten, dass die Sache auch politisch entschieden wird, denn das Argument, das vorgetragen worden ist, ist doch völlig klar. Wir haben bei den Kindergärten im Elementarbereich einen Anteil von circa 70 Prozent von freien Trägern, die eine gute Bildungsarbeit machen und nicht zur Spaltung dieser Stadt führen, sondern zum Zusammenhalt dieser Stadt beitragen. Warum sollte das bei Schulen in freier Trägerschaft anders sein? Wir haben einige Schulen, die konfessionell gebunden sind, und dann bilden sich dort auch Bevölkerungsgruppen ab, die diese Konfession tragen. Es ist doch völlig klar, dass zum Beispiel in der katholischen Schule ein Teil zugewandeter polnischer Menschen stark vertreten ist, das liegt doch auf der Hand. Insofern muss man doch einfach schauen, was da jeweils die Pädagogik ist, was die Geschichte ist und genauso können Sie das bei den Waldorfschulen sehen. Das liegt eben auch an der Pädagogik und deren Bekanntheit, und daran angelehnt wird dann die Anwahlentscheidung der Eltern getroffen.
Es gibt noch einen anderen Punkt, der dann immer wieder ins Feld geführt wird, nämlich die Aussage, das Schulgeld spaltet. Auch dazu muss ich sagen, da hat der Staat die Stellschraube in der Hand, nämlich die Frage, wie viel Geld er den Schulen in freier Trägerschaft gibt, und damit die Frage, wie notwendig es ist, Schulgeld zu erheben. Diese Frage muss auch erlaubt sein, und ich bin gespannt, wie da die weiteren Debatten geführt werden. Insofern muss ich dann sagen, Herr Güngör, wenn Sie dann hier vortragen, dass Sie Schulen in freier Trägerschaft so nicht wollen, sagen Sie das bitte den Eltern und Lehrern der Waldorfschule, sagen Sie das den Eltern der Freien Evangelischen Bekenntnisschule und der katholischen Schulen, das sind die Grundschulen! Es gibt auch noch Grundschulen bei den Waldorfschulen. Insofern sagen Sie das den Eltern, dass sie hier nicht von Ihnen in dieser Stadt erwünscht sind! Sie brauchen diese Klarheit, damit sie sich entscheiden können und wissen, welche Menschen hier hinter ihnen stehen.
Wenn Sie sagen, es droht ja noch etwas, sprechen wir es doch einmal an! Wir haben doch die Debatte um die Frage der Gründung türkischer Schulen, so wie es deutsche Auslandsschulen eben auch gibt, zwischen dem türkischen Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin gehabt. Ja, solche Fragen wer
den doch irgendwann gestellt werden, und es wird dann auch jemand auf die Idee kommen zu sagen, wir begründen das mit unserer islamischen Religion, dass wir hier eine eigene Schule gründen wollen. Ich habe, und das erkläre ich hier ganz frank und frei, kein Problem damit. Das Grundgesetz hat uns religiöse Neutralität auferlegt, und das ist gut so. Dann ist es eine Frage des Trägers, der hinter dieser Schule steht, den man sich dann anschauen kann, um zu sagen, ob das ein Träger ist, der diesen Rechtsstaat trägt oder nicht trägt. Das wird man dann prüfen können, aber dass wir uns gegen religiöse Grundschulen aussprechen, das wird es nicht geben.
Dann muss ich sagen, ist es natürlich auch so, die FDP setzt sich dafür ein, dass jede Schule besser wird. Da sind wir völlig klar und nicht so wie Herr – Eiermann, möchte ich jetzt eimal sagen – Beilken, der sagt, das ist ja alles ganz schön, aber alles soll im staatlichen Schulwesen stattfinden. Nein, wir haben keine Aversion, wie andere, gegen Schulen in freier Trägerschaft. Wir wollen Schulen in freier Trägerschaft. Sie leisten eine gute Arbeit, und wir müssen, genauso wie wir diese Schulen haben wollen, daran arbeiten, dass die städtischen Schulen in Bremen und Bremerhaven besser werden und eben nicht die Eltern in babylonische Gefangenschaft nehmen, auch damit die staatlichen Schulen besser werden. Daran wollen wir gern arbeiten, aber das ist noch lange kein Grund, dass wir Eltern zwingen, mit ihren Kindern in die staatlichen Schulen zu gehen. Das kann nicht die Lösung sein. Es geht, um es noch einmal zu verdeutlichen, um 50 Schüler bei einem Jahrgang, der eine Größenordnung von über 4 000 Schülern hat. Das muss man sich auch einmal vor Augen führen.
Insofern wird das die soziale Spaltung der Stadt und eine Trennung nicht weiter befördern. Die Trennung ist doch über Baustrukturen und ganz viele andere Sachen gegeben, und wir kommen nur mit anderen Methoden dazu, sie zu überwinden. Es kann doch nicht allein Aufgabe der Schule sein, dies zu tun. Wir wünschten uns, dass auch die Grünen hier ihrem Gewissen folgen und so abstimmen könnten, wie sie es denken. Wenn sie es nicht tun, sie haben es der Öffentlichkeit gezeigt, wie sie denken, ist das schon einmal sehr löblich und in einer Demokratie sehr anerkennenswert.
Ich würde mir wünschen, dass Sie Ihrem Gewissen folgen würden. Um es noch einmal ganz klar zu machen – damit Sie klar darüber abstimmen können und sich nicht über den Rest des Antrags herausreden können –, möchten wir beantragen, dass über den Punkt II.1 und die restlichen Punkte des Antrags getrennt abgestimmt wird. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben es in der Politik öfter mit Abwägungsprozessen zu tun. Das müsste eigentlich bekannt sein. Wenn man nur eine kleine Klientel vertritt, ist es natürlich einfach, eine eindimensionale Position zu haben. Allerdings sollte man eigentlich den Blick etwas weiter fassen und die Dinge differenziert betrachten.
Keine Zwischenfrage, ich fange ja gerade erst an! Ich möchte gerade zum Thema Abwägung noch sagen, wir haben die Position, die ich soeben beschrieben habe, als Mehrheitsposition, bitte alles ins öffentliche Schulwesen integrieren. Das ist unsere Mehrheitsposition, und ich sage auch, es hat Zweck, in Bremen darum zu kämpfen.
Ich appelliere auch an die rot-grüne Parlamentsmehrheit, dies weiterhin so zu halten, denn wir sehen gerade im Zusammenhang mit der Entwicklung der finanziellen Situation, die Sie selbst mit Ihren Parteien im Bund geschaffen haben und die auch hier von der rechten Seite des Hauses geschaffen worden ist: Diese selbst gemachten Leiden in Sachen finanzieller Knappheit bringen die Bildung – der Kollege Müller hat es heute schon gesagt – in Bremen unter Druck und bringen große Schwierigkeiten in der Zukunft. Dann kann irgendwann das passieren, was in Bayern zum Beispiel auch passiert, dass nämlich wirklich private Elterninitiativen als Notwehr angesehen werden müssen, die man unterstützen muss.
Machen Sie hier also weiterhin eine Bildungspolitik, bei der Sie sich bemühen, alles Geld der Welt zusammenzubekommen, um in Bildung zu investieren. Wenn hier bei der Bildung gekürzt wird, dann werden wir nicht nur sehr scharf protestieren, sondern dann wird der Druck natürlich zunehmen,
(Zuruf: Haben Sie registriert, dass die Leh- rerstellen alle wiederbesetzt werden? Be- kommen Sie so etwas überhaupt mit?)
auch private Initiativen als Notwehr hier zu implementieren, und dann kann sich auch bei uns in der Partei die Mehrheit ändern. Insofern ist die Sache hier noch nicht ausgestanden. – Danke schön!
Als nächste Rednerin hat das Wort Frau Senatorin Jürgens-Pieper. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie wissen, das Verwaltungsgericht hat uns mit seinem Urteil vom 24. Februar 2010 zu einem neuen Bescheid zu zwei Anträgen auf die Zulassung zweier privater Grundschulen aufgefordert. Bei einer solchen neuen Bescheidung ist die rechtliche Auffassung des Gerichts zu beachten. Wir haben sehr ausführlich – wir haben es uns nicht leicht gemacht – diese Frage diskutiert, ob solche Bescheide jetzt aufgrund dieses Urteils zu erstellen sind. Nach ausführlicher Beratung, das können Sie mir glauben, auch mit einem Gutachter, habe ich mich aber entschlossen, keine neuen Bescheide zu erlassen, da wirklich ernstliche Zweifel bestehen.
Die Rechtssache entfaltet, das ist hier schon mehrfach gesagt worden, besondere rechtliche Schwierigkeiten und Folgewirkungen und ist im Hinblick auf das Bremer Privatschulrecht von grundsätzlicher Bedeutung. Da es bisher keine obergerichtliche Entscheidung im Land Bremen zur Genehmigung von Artikel 7 Absatz 5 gibt und auch keine vollständige Klärung durch eine bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung vorliegt, kann ich auf der Basis dieses Urteils zwei neue Bescheide nicht angemessen erstellen. Sehr ungewöhnlich ist dabei, dass das Verwaltungsgericht in einer Rechtssache von so grundlegender Bedeutung nicht von sich aus eine Berufung zugelassen hat.