Protokoll der Sitzung vom 30.09.2010

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Anders kann ich es mir nicht erklären, dass sich der CSU-Bundesbauminister und mit ihm die schwarzgelbe Bundesregierung mit Siebenmeilenstiefeln aus der Wohnungsbaupolitik verabschiedet. Mit der beabsichtigten Kürzung der Städtebauförderungsmittel setzt Herr Ramsauer die Zukunft der Städte aufs Spiel. Bremen würde damit jährlich nur noch 1,5 statt 3 Millionen Euro an Bundesfinanzmitteln erhalten. Da diese Mittel zu zwei Dritteln mit Landes- und Kommunalmitteln gegenfinanziert werden, entstünde Bremen ein Verlust an Investitionen in Höhe von 4,5 Millionen Euro. Meine Damen und Herren, Städtebauförderungsmittel sind kein „nice to have“.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Im Gegenteil! Sie sind in Bremen und besonders in Bremerhaven unverzichtbar, um strukturelle und so––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

ziale Probleme in innerstädtischen Gebieten zu bewältigen. Der Protest dagegen ist zu Recht sehr groß. Die Bundesbauministerkonferenz hat sich in einer Sondersitzung einstimmig gegen die Kürzung ausgesprochen, und das ist schon bemerkenswert bei einem Gremium, bei dem Einstimmigkeiten eine Rarität sind. Offensichtlich wissen es die Landesbauminister besser als Herr Ramsauer, welche enormen dramatischen Einschnitte die Kürzungen in die Städtebau- und Wohnungsbaupolitik zur Folge hätten. Genauso sehen es auch der Deutsche Städtetag, der Bundesverband der Wohnungswirtschaft, die Handwerkskammern, aber auch die Menschen vor Ort. Sie wissen genau, wie wertvoll diese Mittel für die Beseitigung städtebaulicher Missstände, für den sozialen Zusammenhalt in benachteiligten Stadtgebieten und für die Sicherung von Arbeitsplätzen sind. Das lokale Handwerk und das Baugewerbe profitieren von diesen Mitteln. Eine Kürzung vernichtet Arbeitsplätze im großen Umfang, und betroffen wären vor allem Stadtteile mit besonderem Förderbedarf. Wer wie die schwarz-gelbe Bundesregierung die Hand anlegt an die Städtebauförderung, dokumentiert damit, dass ihr die Probleme der Städte gleichgültig sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Inzwischen hat der Bundesrat eine Entschließung zur Zukunft der Städtebauförderung verabschiedet, die Präsidentin hat darauf hingewiesen, in der er die Bundesregierung auffordert, die Kürzungen rückgängig zu machen. Dies ist ein erster beachtlicher Erfolg eines breiten Protestes. Noch sind aber die Kürzungen nicht vom Tisch, daher fordern wir den Senat auf, sich auf Bundesebene gegen die geplanten Kürzungen einzusetzen. Die Mittel müssen mindestens in der Höhe von 2010 erhalten bleiben. Nun zu den Anträgen der LINKEN und der FDP! Wir werden Ihre beiden Anträge ablehnen, da beide Anträge mit unterschiedlichem Tenor zwar, aber am Ende darauf hinauslaufen, von der katastrophalen Bundespolitik abzulenken und stattdessen den Bausenator in Bremen hier in die Pflicht zu nehmen, und das machen wir bestimmt nicht mit.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Bundesregierung ist hier in der Pflicht, und daraus werden wir sie auch nicht entlassen. Sparen ja, auch auf Bundesebene, aber nicht dort, wo der größtmögliche Kahlschlag angerichtet wird: bei der Städtebauförderung. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Jägers.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Kollegin Krusche hat schon einiges in der Sache gesagt. Ich will mich bemühen, das alles nicht zu wiederholen, sondern auch ein paar eigene Aspekte einzubringen. Die Ablehnung der Anträge von der FDP und von den LINKEN sehen wir genauso, wir werden auch beide Anträge ablehnen. Zur Begründung sage ich gleich noch etwas, ich will aber erst einmal noch einige Bemerkungen zu den Anträgen machen.

Wir haben mit der Städtebauförderung ein wichtiges und richtiges Instrumentarium, das es auch schon ganz lange gibt, das wir brauchen, um den sozialen Zusammenhalt in unseren Städten aufrechtzuerhalten. Wir müssen schauen, dass der soziale Zusammenhalt in unseren Städten gerade da, wo wir riesige Strukturprobleme hatten und noch haben, erhalten bleibt. Das ist uns wichtig!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Bundesregierung, wir hatten das Thema bereits gestern und werden es noch öfter haben, spart, koste es, was es wolle, kurzsichtig, planlos, fantasielos und, das finde ich besonders schwierig, gegen den Rat der eigenen Leute. Die Bundesbauministerkonferenz hat, das ist wirklich selten, einstimmig beschlossen, dass das, was diese Bundesregierung da treibt, schlecht ist für die Länder, für die Städte und auch für unser Land Bremen und für unsere beiden Städte Bremen und Bremerhaven. Dem gibt es nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD)

Wir betrachten die Städtebauförderung als wichtiges Instrument. Wenn man sich einmal umschaut, was in Bremen passiert ist zum Beispiel in OsterholzTenever, früher wollten die Leute dort weg, alle waren irgendwie richtig verzweifelt und haben gesagt, ich will hier nicht bleiben, das ist hier nicht mehr gut. Wenn man heute mit den Menschen dort redet, dann erlebt man eine Überraschung. Da gibt es viele Leute, die sagen: Das hat sich gewandelt, das ist hier viel besser geworden, wir wollen hierbleiben, die Stadtentwicklung und Städtebauförderung haben etwas für das Umfeld gebracht, wir fühlen uns in unserem Stadtteil wieder wohl. Ich finde es hervorragend, dass das so ist.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Wenn man sich das in Bremerhaven einmal genauer anschaut in den Gebieten, wo wir über Städtebauförderung viel gemacht haben, von Wulsdorf bis Leherheide, stellen wir dort Ähnliches fest. Es ist sehr ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

viel Gutes mit dem Geld, das vom Bund geflossen und von uns ergänzt worden ist, bezahlt worden und viel Gutes gemacht worden.

Wir brauchen die Stabilisierung sozial benachteiligter Gebiete statt Kahlschlag bei der Städtebauförderung. Wir haben auch bei der Städtebauförderung zu beachten, dass es zu unseren WiN-Projekten eine richtige Verbindung gibt. Ich weiß, hier gibt es einige im Haus, die sagen, die WiN-Projekte wollen wir eigentlich nicht mehr so richtig. Wenn man sich das einmal genauer anschaut,

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Ja, schauen Sie einmal!)

was da passiert oder passiert ist, dann stellt man fest, dass seit 2007 800 Projekte, 2 100 insgesamt in Bremen da gelaufen sind. Das sind Projekte, bei denen die Leute vor Ort einmal mitreden und sagen konnten, das wollen wir haben, und das wollen wir machen, das ist uns wichtig. Ich finde, das brauchen wir.

(Beifall bei der SPD)

Ich erlebe es gerade in unserem Stadtteil in Bremerhaven. Bei uns gibt es seit einiger Zeit auch die WiN-Projekte, die, wie gesagt, mit der Städtebauförderung zu tun haben. Wie ich das bei uns im Ortsteil erlebe, wie die Nachbarn reden, was man da macht, dass man wieder mitreden will, das ist mein Surheide. Ich komme aus Surheide. Die Leute sagen, da passieren interessante Sachen, und wir müssen uns beteiligen, und man will sogar wissen, was wir darüber denken, und wir können Vorschläge machen, das wird umgesetzt. Ich finde das hervorragend. So etwas wollen wir, so etwas brauchen wir, und so etwas müssen wir fördern und erhalten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich weiß, dass einige im Haus das nicht so hervorragend finden, vielleicht gehen sie einmal da hin. Wir haben mit wenig Geld viel erreicht.

Die Bundesregierung zeigt gerade, wie es umgekehrt geht, ich nenne ein paar Stichworte: Hotelförderung, Reiche entlasten, Geschenke für Energiemonopolisten. Das ist das Gegenteil von dem, da erreicht man mit viel Geld wenig für die Allgemeinheit. So etwas wollen wir nicht!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zum Thema örtliches Handwerk! Die Aufträge, die über die Städtebauförderung, über die WiN-Projekte vergeben werden, bleiben in aller Regel vor Ort, sie stärken das örtliche Handwerk. Ich wiederhole mich

hier, und das mache ich gern, das örtliche Handwerk ist einer der größten Ausbildungsträger, die wir haben. Das örtliche Handwerk arbeitet vor Ort mit heimischen Betrieben und trägt ganz viel zur Stabilisierung des Arbeitsmarkts bei.

Die Quote, die private Investitionen erzeugt, das könnte die rechte Seite des Hauses vielleicht auch interessieren,

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Wie viel Prozent bekommen sie denn?)

wenn man in dem Bereich Fördermittel ausgibt, beträgt sechs bis sieben zu eins. Ein Euro Staatsgeld bringt sieben Euro privates Geld. Ich finde, das ist ein hervorragendes Investitionsprogramm, das wir für unsere Stadt und für unser Land brauchen, und deswegen haben wir den Antrag gestellt. Wir unterstützen den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen und würden uns freuen, wenn alle unserem Antrag zustimmen würden. – Schönen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Richter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wohnungsbaukonzeption Bremen, in diesem Zusammenhang das Wohnungsbauförderungsprogramm 2010, der Umgang mit verwahrlosten Schrottimmobilien und die WiN-Projekte: Das waren unsere Themen am Dienstag in der Sitzung der Stadtbürgerschaft. Die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung auch des Bundes hat dazu geführt, dass die Städtebauförderungsmittel drastisch, das heißt um 50 Prozent, gekürzt werden sollen.

Natürlich kann auch der Staat langfristig nicht mehr ausgeben, als er einnimmt. Es gibt aber Bereiche, in denen ein Zurückschrauben der finanziellen Förderung durchaus katastrophale Folgen haben wird, da möchte ich zum Beispiel den gesamten Bildungsbereich nennen. Jeder Mensch, der in Bremen und Bremerhaven wohnt, braucht aber auch ein dichtes Dach über den Kopf, und unter dem Dach müssen auch noch vier Wände sein, und dazu tragen die Städtebauförderungsmittel erheblich bei, dass das auch zukünftig gewährleistet sein kann.

(Beifall bei der FDP)

Die Städtebauförderung ist seit Anfang der Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts ein äußerst erfolgreiches und wirksames Instrument, um zunächst einmal in Kleinstädten die Innenstadtbereiche und in Großstädten die Stadtteilzentren, aber auch die Wohnquartiere zu stabilisieren, überhaupt erst wieder

lebensfähig zu machen. Über viele Jahre wurden verstärkt Städtebauförderungsmittel in die neuen Bundesländer gelenkt. Dann erkannte man, in den alten Bundesländern mehren sich auch städtebauliche Defizite, wenn man nicht handelt, und wenn man letztendlich nicht handelt, führt das zu sozialen Verwerfungen und zum langsamen Verfall von ganzen Quartieren. Nach einem langsamen Umsteuern der Mittelflüsse erfolgt nun eine Kürzung der Mittel um 50 Prozent im Jahr 2011, soweit sie dann Realität wird, die auch Bremen und Bremerhaven empfindlich treffen würde. Viele Maßnahmen sind noch in der Realisierungsphase. Die Fortführung bereits bewilligter Projekte muss bis zu ihrem erfolgreichen Abschluss gesichert sein, und zwar ohne unzumutbare zeitliche Streckung. Diese Streckung würde die Projekte unnötig verteuern, vielleicht an manchen Stellen auch die Sanierungsziele gefährden.

1,5 statt 3 Millionen Euro an Bundesmitteln: Mit 1,5 Millionen Euro kann zwar das Sicherheitskonzept für den Tag der Deutschen Einheit nicht finanziert werden. Aber mit einem zielgerechten Einsatz dieser Mittel im Bereich der Stadtsanierung sind sie für Gemeinbedarfseinrichtungen, für Ordnungsmaßnahmen und als Anreiz für Investitionen in den Immobilienbestand dringend notwendig.

In den Sanierungsgebieten könnte sehr viel bewirkt werden, daher sprechen wir uns in unserem Änderungsantrag auch ausdrücklich dafür aus, dass die erforderlichen Komplementärmittel des Landes und der beiden Kommunen letztendlich 2011 weiterhin eingesetzt werden, das wären immer noch 3 Millionen Euro – und wenn ich eben meine Vorrednerinnen und Vorredner gehört habe, ob nun das Vierfache, das Sechsfache, das Siebenfache, im Antrag steht das Achtfache darin – drei mal acht ergibt eine Investitionssumme von vielleicht 24 Millionen Euro, die mit diesen 3 Millionen Euro angestoßen werden können.

Es ist nicht nur die Investitionssumme aus den Fördermitteln, sondern – wie schon richtigerweise gesagt wurde – es sind die Investitionen, die von privater Seite dadurch erzeugt und auch umgesetzt werden. Fördermittel lösen im hohen Maße weitere Investitionen in beachtlicher Höhe aus. Wer sieht, dass sich in seinem Wohnumfeld durch Schaffung von zum Beispiel Nachbarschaftstreffpunkten, durch eine attraktive Gestaltung von Straßen, Wegen und Plätzen, durch eine Verbesserung der Wohninfrastruktur etwas bewegt, der hat auch dann wieder den Mut, selbst zu investieren und selbst etwas zu bewegen. Das fängt mit der Vorgartenpflege an und hört mit Investitionen in die eigene Immobilie auf. Man kann darauf setzen, dass entsprechende Investitionen dann nicht vergebens getätigt werden, wenn das eigene Quartier besser für die Zukunft gerüstet ist. Ob dann ein Faktor acht erreicht wird – ich sagte es bereits, das Verhältnis zwischen Fördermitteln und privaten Folgeinvestitionen – oder ein Faktor von vier, ist dabei schon fast unerheblich.

Weitere im Untergang befindliche ehemals florierende Stadtteilzentren und Wohnbrachen wollen und dürfen wir uns in Bremen und Bremerhaven nicht mehr leisten. Städtebauförderungsmittel sichern in Bremen und Bremerhaven Arbeitsplätze im mittelständischen Bau- und Ausbaugewerbe. Die Städtebauförderung leistet dabei einen unverzichtbaren Beitrag für eine zukunftsgerichtete Stadtentwicklungspolitik, deshalb, ich wiederhole mich, sind trotz der notwendigen Haushaltskonsolidierungen auch zukünftig Einschnitte in die Städtebauförderung möglichst zu vermeiden.

Angesichts des demografischen und wirtschaftlichen Wandels stehen Bremen und Bremerhaven in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Die Unterschiede zwischen bevorzugten und benachteiligten Stadtteilen in unseren Städten werden sich ohne eine gezielte Stadtentwicklungskonzeption – dazu gehören Städtebauförderungsprojekte – negativ entwickeln. Sie stellen einen wichtigen Baustein für die Stadtentwicklungspolitik dar. Die höhere Dichte sozialer Problemlagen führt auf derzeit relativ entspannten Wohnungsmärkten auch in Bremen und insbesondere in Bremerhaven zu mehr selektiven Umzügen, als dies auf Wohnungsmärkten mit eingeschränkten Optionen für die Wohnstandtortwahl der Fall wäre. Eine Problematik, die wir auch am Dienstag im Rahmen der Wohnungsbaukonzeption schon bereits diskutiert haben, wo wir gegensteuern müssen!

Der Konsolidierungszwang erfordert allerdings einen sehr verantwortlichen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Fördermitteln und birgt die große Chance, jetzt noch klare Prioritäten für Planungssicherheit, Flexibilität und Effizienzanreize in der Städtebauförderung zu setzen. Es ist wichtiger denn je, die Förderung auf die wesentlichen und notwendigen Schwerpunkte im Sinn des Baugesetzbuchs zu konzentrieren. Hinein in die Gießkanne und dann großflächig verteilen, ist nicht zielführend.

Deswegen ist der Senat hier auch gefordert, sich nicht nur auf Bundesebene für den Erhalt und eine Verstetigung der Städtebauförderungsmittel einzusetzen. Es müssen auch tragfähige Konzepte erarbeitet werden wie auch für die WiN-Projekte, darüber haben wir Dienstag gesprochen. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie unserem Antrag gefolgt wären, so kann man beinahe den Eindruck haben, der jetzt nicht mehr von Ihnen geplante Einsatz der Komplementärmittel kommt Ihnen im Haushalt ganz entgegen.

(Beifall bei der FDP)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.