Protokoll der Sitzung vom 11.11.2010

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Hört, hört!)

denn Ihr damaliger Umweltminister, Herr Trittin, hat im Jahr 2001 an die niedersächsischen Kreisverbände der Grünen Folgendes geschrieben, ich zitiere daraus noch einmal kurz: „Gegen die Rücknahme von Atommüll aus Frankreich zu demonstrieren, hält der Parteirat – unabhängig von der Form des Protestes, ob durch Sitzen, Gehen oder Singen – für politisch falsch, nicht weil wir etwas gegen Sitzblockaden oder Singen haben, sondern weil wir das Anliegen, weshalb gesessen, gegangen und gesungen wird, ablehnen. Die Voraussetzungen für die Transporte sind gegeben, und deshalb gibt es für Grüne keinen Grund, gegen diese Transporte zu demonstrieren.“ Das hat Ihr Herr Trittin gesagt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn man jetzt den Fernseher eingeschaltet hat, wer saß ganz vorn in den Reihen? Das waren die grünen Spitzenpolitiker,

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja, logisch!)

die sich vorher im Wendland gar nicht mehr blicken zu lassen brauchten.

(Beifall bei der CDU)

Die Dringlichkeitsanträge der LINKEN und der rotgrünen Koalition werden wir ablehnen. Wenn alle sicherheitsrelevanten Aspekte bei Transporten berücksichtigt werden, kann Bremen sich hierbei nicht aus der Verantwortung stehlen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist doch, und das müssen wir, glaube ich, differenzierter betrachten als es bisher getan worden ist: Um welche Art radioaktiven Materials handelt es sich hier?

Kommen wir da gleich einmal zu dem Antrag der LINKEN, der jegliches radioaktive Material nicht transportiert wissen will! Ich denke, das ist nicht verantwortlich. Über medizinische Einsatz- und Forschungszwecke ist gesprochen worden. Die Kranken, die auf Strahlenmedizin, auf Röntgenmedizin angewiesen sind, werden es Ihnen nicht danken, wenn sie darauf in Zukunft verzichten müssen. So etwas ist schlichtweg populistisch und wird der Sachlage nicht gerecht. Deswegen verabschieden wir hier Ihren Antrag nicht, und das ist gut so!

(Beifall bei der FDP – Abg. R u p p [DIE LINKE]: Stimmen Sie denn dem anderen zu?)

Ja, natürlich komme ich jetzt auch zu dem anderen Thema, Herr Rupp. Da brauche ich doch gar nicht Ihren Zwischenruf, den können Sie sich sparen! Die Frage, die Sie hier beantworten müssen, und da, denke ich, müssen wir auch differenziert weiter damit umgehen, ist nämlich: Geht es hier um die Rücknahme von radioaktiven Abfällen, wozu wir zum Teil verpflichtet sind? Wenn wir darüber reden, müssen wir sagen, es gibt Transporte, die es gegeben hätte, egal ob jetzt die Laufzeit verlängert worden ist oder nicht. Also, Sie müssen sich doch überlegen, wenn Sie gegen die Laufzeitverlängerung sind, ob das ein Transport ist, den Sie in der Entscheidung von Rot-Grün damals für einen Universalhafen unter Einhaltung aller Si

cherheitsstandards auch akzeptiert hätten, oder ob das ein dazukommender neuer, weiterer Transport ist.

Diese Differenzierung erwarte ich dann, oder wollen Sie sich gänzlich auch von dem damaligen rotgrünen Kompromiss verabschieden? Anscheinend schon, ansonsten würde ich Ihre Proteste gegen die jetzt stattfindenden Rücknahmen nicht verstehen! Deswegen geht es doch eigentlich nicht um die Frage der Castor-Transporte, nicht um die Frage der Rücknahme von Atommüll, der schon entstanden ist, sondern Sie diskutieren hier anhand dieser Fälle, die Sie eigentlich akzeptiert hätten, deswegen hat Herr Trittin damals auch einen Brief, wie Ihnen Herr Imhoff gerade zitiert hat, geschrieben! Die Castor-Transporte hätten Sie akzeptiert, weil es diesen Ausstiegskompromiss gab.

(Unruhe)

Dieser Ausstiegskompromiss hätte das genehmigt, und dann erwarte ich eigentlich von Rot-Grün, dass Sie ehrlich sagen: Wir hätten diesen Atommüll auch zurückgenommen und damals den Mund gehalten, wenn es den Ausstieg weiter gegeben hätte.

(Beifall bei der FDP – Unruhe)

Wenn sich jetzt die Bedingungen ändern, müssen wir doch diskutieren, über welche Transporte wir reden. Wenn Sie über zusätzliche Transporte reden und diese ablehnen, kann ich das aus Ihrer politischen Haltung verstehen. Wenn Sie aber sagen, wir wollen das jetzt gar nicht mehr, verstehe ich das nicht. Das ist unredlich, Sie hatten dem Kompromiss damals zugestimmt.

Dann kommen wir doch einmal zur Laufzeitverlängerung! Es ist doch die Sache, die wir diskutieren mussten, und da war es doch in der Tat so, dass Sie zwar ein Datum beschlossen hatten, aber dass der Weg dahin überhaupt nicht klar war, beispielsweise in der Frage, wie es mit der Endlagerung weitergeht. Es ist zehn Jahre verhindert worden, die Endlagerfrage weiter voranzutreiben. Wir wissen es heute noch nicht, und es wird noch lange dauern, bis dort eine Lösung gefunden ist. Die zehn Jahre hätte man gut gebrauchen können!

Das Zweite ist, es ist nicht klar, wie der Ausbau der regenerativen Energien bis dahin hätte geschafft werden sollen. Für ein normales Kohlekraftwerk brauchen Sie eine Größenordnung von 400 Fünf-Megawatt-Kraftwerken, um allein die Strommenge zu produzieren.

(Zuruf des Abg. W i l l m a n n [Bündnis 90/ Die Grünen])

Diese Kraftwerke stellen Sie nicht einmal eben hin, dort brauchen Sie dann zusätzlich noch Speichermög

lichkeiten, brauchen Sie den Ausbau des Energienetzes, und bei dem deutschen Planungsrecht – und das ist in dieser Frage für die Überlandleitung auch Ländersache – wird das eher eine Sache von 10 bis 15 Jahren sein, nachdem es beschlossen wurde. Sie wissen, welche Zeit das dauert. Sie können das in Ganderkesee verfolgen, wie lange dort die Auseinandersetzungen gehen, um dort nur ein kleines Stück der Leitungen zu bauen, die wir brauchen, um den regenerativen Windstrom von der Nordsee ins Binnenland zu bringen. Ich weiß immer noch nicht, wie Sie die Menschen immer wieder davon überzeugen können, dass das ein reines Mengenproblem sei. Nein, es ist auch ein Verteilungsproblem und ein Erzeugungsproblem und die Frage, dass Sie alle Ecken unserer Republik entsprechend versorgen müssen.

Es ist auch noch nicht geschafft, das nötige Einsparpotenzial zu erreichen. Es wurde festgestellt – und das ist dann auch das, was die Liberalen daran überzeugt hat, dass dieser Atomkonsens leider nicht hält –, dass das alles von Fakten ausgeht, die nicht tragfähig sind, und wenn die Fakten nicht tragfähig sind, ist der beste Konsens nichts wert, wenn er die Fakten infrage stellt. Deswegen musste die Laufzeitverlängerung her, und deswegen ist sie so ausgefallen, wie sie ausgefallen ist. Die Daten dazu hat die Bundesregierung dankenswerterweise auf den Tisch gelegt.

Dann können wir diskutieren, ob Sie dies akzeptieren oder nicht, darüber können wir dann gern mit Ihnen streiten, aber das sind nicht die aktuellen Transporte. Deswegen appellieren wir als FDP, dass Sie sich das noch einmal überlegen und sich fragen, ob denn das so gerechtfertigt ist. Wenn es sich hier um gerechtfertigte Transporte handelt und die Sicherheitsvorschriften eingehalten werden, dann sind wir als FDP eher dafür, dass es ein großer, leistungsfähiger Hafen ist als irgendein anderer Hafen, denn die Bundesrepublik Deutschland hat Rücknahmeverpflichtungen, und sie müssen eingehalten werden.

Dann können wir uns gern darüber unterhalten, wo denn sinnvolle Zwischenlagermöglichkeiten sind, da gibt es ja auch eine breite Diskussion, aber wir müssen irgendwie auch sichere Zwischenlager haben, bis die Endlagerfrage geklärt ist. Da gibt es auch Fragen, die zu diskutieren sind, um schlichtweg dafür zu sorgen, dass Lasten gleich verteilt und Transportwege möglichst kurz sind. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Rupp.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich war die Intention des Antrags nicht, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

medizinische Behandlungen unmöglich zu machen, und an diesem Punkt ist möglicherweise der Antrag – Gefahrenklasse 7 zu benennen – zu eng, aber Politik funktioniert hier auch in Form von Debatten, und man kann sich darüber unterhalten, was man stattdessen will. Wir wollten diesen Punkt, und wir haben lange überlegt, ob wir das so schreiben, aber erstens waren wir uns relativ sicher, selbst wenn wir es nicht schreiben, wird der Antrag durch einen anderen ersetzt, und zweitens möchte ich auch eine Debatte haben.

(Zurufe)

Muss ich mich darauf einstellen, dass Sie so weiter herumrumoren?

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Sie rufen doch auch dazwischen, beschweren Sie sich doch nicht!)

Das war ja kein Zwischenruf. Ich beschwere mich auch nicht. Ich habe mich auch nur gefragt, ob ich mich darauf einstellen soll.

Die spannende Frage ist, ob es reicht, sich auf Kernbrennstoffe und Abfallprodukte zu reduzieren, denn es gibt auch Transporte von medizinisch radioaktiven Abfällen, die, finde ich, einfach hier in Deutschland bleiben können, und die müssen wir hier entsorgen. Es gibt ein Feld zwischen Kernbrennstoffen und allen Gütern der Gefahrenklasse 7, wo es sich möglicherweise lohnt, noch einmal genauer hinzuschauen, aber das ist vielleicht auch eine Aufgabe für später.

(Abg. D r. B u h l e r t [FDP]: Es gibt auch Importe und nicht nur Entsorgung in dem Bereich!)

Ich weiß! Wenn Sie, statt zu reden und zu brüllen, einmal zuhören würden, dann hatte ich gerade versucht nachzuweisen, dass man über diese Frage in der Tat noch einmal nachdenken muss und ob dieser Begriff, den wir gefasst haben, möglicherweise zu eng war.

(Beifall bei der LINKEN)

Selbstverständlich wollen wir nicht medizinische Behandlungen verhindern, aber Abfälle gehören nicht exportiert. Ist es jetzt so weit, dass Sie das verstanden haben? Gut!

Ich habe zwei bis drei andere Punkte. Es wird hier immer wieder versucht zu sagen, die Fraktion DIE LINKE schüre Ängste, da sie gegen Atomkraftwerke ist und darauf aufmerksam gemacht hat, dass es hier Atomtransporte gibt, die keine Castor-Transporte sind, und hier verlangen, dass man auch in Bremen dagegen angeht. Da schüren wir keine Ängste! Es muss jeder, der sich mit Atomkraft auseinandersetzt,

akzeptieren, dass er diese Politik mit einem sehr hohen Risiko für sein Leib und Leben, für die Umwelt und auch für zukünftige Generationen betreibt. Das ist kein „Ängste schüren“, wenn es Tschernobyl nicht gegeben hätte, dann hätten Sie möglicherweise recht, aber ein Tschernobyl reicht!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jetzt ist es so, Sie wollen die Laufzeit für ein 35 Jahre altes Kraftwerk, das dieses oder nächstes Jahr abgeschaltet werden sollte, um sieben Jahre verlängern, das ist Biblis A.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

35 Jahre Atomkraftwerk ist ein 35 Jahre alter „Golf“, den Sie jetzt versuchen, noch einmal sieben Jahre weiter zu betreiben. Jeder, der auch nur einen Hauch Verständnis von Technik hat, weiß, dass jedes technische System am Anfang sehr störanfällig ist, dann hat es eine lange Phase im Leben, in der es vergleichsweise stabil ist, und ab einem bestimmten Alterungsprozess nimmt die Störhäufigkeit zu, nimmt die Materialermüdung zu, und die Wahrscheinlichkeit, dass da etwas passiert, steigt mit jedem Tag, und zwar nicht linear.

Deswegen ist es doppelt gefährlich, die Laufzeit der alten Atomkraftwerke zu verlängern, weil sie dadurch mit jedem Tag ein höheres Risiko eingehen. Das ist keine Angstmache, das ist eine technische Realität, der Sie sich stellen müssen. Tritt ein, dass in einem solchen Atomkraftwerk so etwas Ähnliches passiert wie in Tschernobyl – und wie gesagt, die Chance steigt mit jedem Tag –, dann übernehmen Sie die Verantwortung für den größten Atomunfall in der Geschichte. Es sind deutlich mehr Leute betroffen, und Sie ruinieren die Zukunft dieses Landes, und Sie ruinieren die Zukunft künftiger Generationen. Ich sage, das rechtfertigt in diesem Land eine sehr deutliche Form von Widerspruch, und es ist nicht Angst, es ist eine nackte Realität.

Das Einzige, was Sie schüren, ist in diesem Fall Profitgier, denn das Einzige, was Sie bewegt, die Laufzeit der Atomkraftwerke zu verlängern, das habe ich eben gerade schon gesagt, ist, dass man damit die nächsten zwölf Jahre sehr viel Geld machen kann, und dann ist der CDU und der FDP wirklich alles egal, wenn es darum geht, und die Gesundheit und die Natur in diesem Land erst recht. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)