Protokoll der Sitzung vom 09.12.2010

Wenn Sie mich schon ansprechen und auf meinen Redebeitrag in der Innendeputation verweisen, dann kann ich Ihnen sagen, ich habe gesagt, dass ich den Eindruck hatte, und dazu stehe ich auch, dass auf der einen Seite nicht gerade sehr professionell gearbeitet wurde.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Die Demonstran- ten waren professionell, die Polizei nicht, oder wie?)

Das ist aber sicherlich nicht die Schuld der Demonstrantinnen und Demonstranten. Die grüne Fraktion und die grüne Partei haben zu keinerlei Straftaten aufgerufen, wie es vielleicht andere getan haben, aber wir haben unser Recht auf Meinungsfreiheit und unser Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrgenommen, und das lasse ich mir von Ihnen auch nicht untersagen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Zurufe von der CDU)

Wir sind kurz vor Weihnachten, das mit den Märchen ist auch in Ordnung.

(Abg. I m h o f f [CDU]: Dann können Sie ja jetzt aufhören!)

Ich würde aber gern in Abwandlung Ihres Slogans sagen: Eine richtig gute Partei ist das eine, wir würden uns eine richtig gute Opposition wünschen. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Timke.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Wo ist denn der ehemalige Innense- nator? – Abg. Ö z t ü r k [Bündnis 90/Die Grünen]: Der sitzt in der Ecke und schämt sich! – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Draußen!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit Jahren wird die innere Sicherheit in Bremen und Bremerhaven sträflich vernachlässigt. Die Polizeireform im Jahr 2005 – übrigens, das wurde hier schon mehrfach angedeutet, unter einem CDU-Innensenator – hat nicht nur zu einer massiven Stellenstreichung bei der Polizei geführt, sondern auch zu Revierschließungen in den Stadtteilen. SPD und CDU haben sich damals in der Großen Koalition darauf verständigt, dass 2 600 Beamtinnen und Beamte in Bremen und 459 Beamtinnen und Beamte in Bremerhaven zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit ausreichen und 11 der 18 Bremer Polizeireviere nachts geschlossen bleiben können. Interessant ist, dass weder die damalige Große Koalition noch die jetzige rot-grüne Koalition die vereinbarte Zielzahl von 2 600 Beamtinnen und Beamte jemals erreicht hat. Derzeit sorgen gerade einmal 2 460 Ordnungshüter für die Sicherheit der Bremerinnen und Bremer, also 140 weniger, als eigentlich notwendig wären.

Das führt natürlich zu erheblichen Problemen bei der Polizei. Bei der Kriminalpolizei stapeln sich zum Beispiel derzeit 4 000 unbearbeitete Betrugsfälle. Im Bundesvergleich haben die Beschäftigten der Polizei Bremen die zweithöchste Aktenbelastung und liegen damit 31 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Aber auch die Tatsache, dass die Polizei in der Vergangenheit oftmals nicht innerhalb von acht Minuten nach dem Eingang eines Notrufs am Einsatzort sein konnte, ist auf den Personalmangel zurückzuführen, den Sie, meine Damen und Herren von RotGrün, zu verantworten haben!

Die Kriminalität wird – und das werden Ihnen Polizeibeamte hinter vorgehaltener Hand auch in persönlichen Gesprächen gern bestätigen – in Bremen nicht mehr bekämpft, sondern Straftaten werden nur noch verwaltet. Selbst wenn man irgendwann auf die Zielzahl von 2 600 Ordnungshütern kommen würde, so bezweifele ich, dass diese Zahl fünf Jahre nach der Polizeireform überhaupt noch zeitgemäß ist, denn

die Aufgaben der Polizei – wir haben das hier auch schon gehört – sind vielfältiger, umfangreicher und schwieriger geworden.

Ich möchte nur einige Beispiele nennen: Wir haben gerade in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme bei der Rockerkriminalität zu verzeichnen, wir haben es in Bremen immer häufiger – dazu gab es heute morgen auch eine Anfrage – mit kurdisch-arabischen Familienclans zu tun, die abgeschottet leben und von denen einzelne Mitglieder für einen nicht unerheblichen Anteil von Straftaten verantwortlich sind.

Wir haben es seit der EU-Osterweiterung 2007 vermehrt mit Einreisen von rumänischen und bulgarischen Staatsangehörigen zu tun, damit verbunden ist eine deutliche Zunahme des Menschenhandels und der Zwangsprostitution in Bremen und Bremerhaven. Wir haben verstärkte Randale bei Fußballspielen bis hin in die dritte Liga. Wir haben eine deutliche Zunahme bei der Internetkriminalität zu verzeichnen. Was auch nicht zu vergessen ist, wir haben eine deutliche Zunahme der Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zu verzeichnen, und das nicht nur bei Fußballspielen, sondern im alltäglichen Dienst, was dann dazu führt, dass Beamte häufiger und länger krankgeschrieben werden. Auch die Einführung des Elterngeldes in 2007 hat zu einer weiteren personellen Anspannung bei der Polizei geführt. Das ist vorhin auch schon angesprochen worden, weil Polizistinnen und Polizisten vermehrt auf das Angebot einer verlängerten Betreuung ihrer Kinder eingehen.

All diese Entwicklungen haben zu einer personellen Anspannung bei der Polizei geführt, auf die seitens der rot-grünen Landesregierung bis heute nicht reagiert wurde. Deshalb ist fraglich, ob die Zielzahl von 2 600 Ordnungshütern für Bremen, die, wie bereits gesagt, um 140 Beamte unterschritten wird, eigentlich noch zeitgemäß ist. Zwar hat Rot-Grün jetzt beschlossen, 120 Beamtenanwärterinnen und Beamtenanwärter einzustellen, was grundsätzlich auch zu begrüßen ist. Vor dem Hintergrund der Pensionierungen im kommenden Jahr, der vorhandenen 140 Fehlstellen, die wir jetzt schon haben, und der immensen Überstunden, die Bremer und Bremerhavener Polizeibeamte vor sich herschieben, sind diese 120 Stellen aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Deshalb gibt es da auch keinen Grund zum Schulterklopfen und zum Jubeln.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist ja absurd!)

Was ich vom Senat als ersten Schritt erwarte, ist, dafür Sorge zu tragen, dass wir endlich die Zielzahl von 2 600 Ordnungshütern erreichen. Nur so ist eine effektive Kriminalitätsbekämpfung überhaupt annähernd möglich. Interessant ist – und damit will ich auch schließen –, wenn man rückblickend schaut, wie

sich die Grünen vor der letzten Wahl zur Kriminalitätsbekämpfung geäußert haben. Wir haben gerade eben den grünen Abgeordneten, Herrn Fecker, hier mit einer flammenden Rede gehört.

(Zuruf von der SPD: Die war gut, nicht? – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Entschuldigung, dass ich nicht nur vorlese, Herr Kollege!)

Wenn man bei „Abgeordnetenwatch“ schaut, Herr Fecker, kann man erfahren, was Sie 2007 noch geschrieben haben, dass Sie von personeller Ausstattung der Polizei reden, die Sie vorher bei der Großen Koalition beklagt haben. Dann schreiben Sie weiter, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten:

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Brauchen Sie nicht mehr! – Abg. F e c k e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Sie müssen aber, wenn Sie an- wesend sind, auch ein bisschen mitbekom- men!)

„Die Bilanz der Großen Koalition in Sachen innere Sicherheit konnte man in den Medien verfolgen. Trotz eines noch so starken Bürgermeisters und CDU-Innensenators gehört unsere Stadt zu den unsichersten in ganz Deutschland.“ Herr Fecker, es mag sein, dass Bremen seinerzeit eine der unsichersten Städte Deutschlands war. Daran hat sich aber in dreieinhalb Jahren Rot-Grün mit Ihrer Beteiligung hier in dieser Stadt nichts geändert. – Vielen Dank!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich will einmal so anfangen, ich glaube, Sie alle wissen, Polizei und Linke, das ist ein weites Feld, das will ich einmal so sagen.

(Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bin da ehrlich.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: In der Geschichte der LINKEN ging das auch gut zusammen!)

Ich will aber auch deutlich dazu sagen, das liegt an etwas, das hier bisher auch schon kurz angeklungen ist: Ich glaube, ein großes Problem ist, dass die Polizei immer benutzt wird, um gesellschaftliche Entwicklungen durchzudrücken, die eigentlich in der Gesellschaft gar nicht mehr so gewollt werden. Dazu wird die Polizei missbraucht, und das ist ein großes Problem. Ich erinnere an Stuttgart 21, das ist genau so ein Beispiel, wo die Polizei dazu missbraucht wird, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Großprojekte durchzudrücken, die schon längst keine Mehrheit in der Bevölkerung haben. Das ist mit den Castor-Transporten ähnlich, und in dem Fall sehen wir als LINKE, dass die Polizei benutzt wird. Wir sind aber natürlich auch kritisch dabei, weil man sich hin und wieder auch vorstellen könnte, dass auch die Polizei vielleicht von sich aus sagt, diesen oder jenen Einsatz machen wir nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist die Kritik! Das ist eindeutig die Kritik an der Polizei.

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

Ich will aber auf der anderen Seite auch ganz deutlich sagen, wenn es um die Arbeitszeiten, Überstunden, Belastung und die Arbeitsbedingungen der Polizei geht, dann hat die Polizei sicherlich in der LINKEN einen verlässlichen Partner. Wir führen schon, seit wir in dieses Parlament eingezogen sind, regelmäßige Konsultationen mit der Gewerkschaft der Polizei. Wir reden darüber und sind der Meinung, Polizistinnen und Polizisten sind genauso unsere Kolleginnen wie andere auch, und sie haben ein Anrecht auf gute Arbeitsbedingungen, eine gute Arbeit und eine gute Bezahlung.

(Beifall bei der LINKEN – Abg. Frau B u s c h [SPD]: Ist das für Sie eine neue Erkenntnis? Das ist doch selbst- verständlich!)

Aus diesem Grund ist es für uns – unabhängig von Ihrem Hickhack, den Sie hier ausgetragen haben – als LINKE relativ klar, wir begrüßen die geplante Einstellung von 120 Polizisten. Wie auch immer sie zustande gekommen ist, sie ist zustande gekommen, deshalb begrüßen wir sie. Wir sagen, dass damit allerdings wenigstens der unbefriedigende Status quo abgesichert ist. Ich glaube, es ist noch nicht genug – auch das haben Vorredner gesagt –, das Problem der 330 000 Überstunden der Polizei ist damit noch längst nicht gelöst!

(Beifall bei der LINKEN)

Daher auch unsere Zustimmung für den Kurs der Koalition in dieser Frage!

Was aber noch aus unserer Sicht anzumerken ist: Sie sind für bessere Arbeitsbedingungen für Polizisten. Sie haben das alle mit etwas Erstaunen quittiert, weil – ich will noch einmal deutlich sagen – wir ganz klar die Gefahr bei dieser Art von unsozialer Politik, die in dieser Stadt betrieben wird, sehen, dass wir in Zukunft in der Stadt große soziale Probleme haben

werden. Da gibt es den Zustand, dass ein Herr Jacobs, um es einmal ganz deutlich zu sagen, sich um seine Sicherheit keine Gedanken zu machen braucht,

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Der wohnt gar nicht in Bremen!)

denn er kann sich schwarze Sheriffs anschaffen, er kann sich einzäunen und so weiter. Die Menschen aber, die in Gröpelingen, in Walle, in Findorff leben, brauchen ausreichend Polizei.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Wieso nur die?)

Sie brauchen KOPs, sie brauchen Polizisten, die ihre Arbeit gern machen und dementsprechend auch sozial wirken können. Deshalb begrüßen wir ganz ausdrücklich die Einstellung der 120 neuen Polizisten, aber sagen auch, das ist noch lange nicht genug. – Danke! (Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Möllenstädt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Erlanson, ich glaube, da haben wir dann doch eine etwas unterschiedliche Auffassung. Wir als Liberale sehen es doch noch als ein wichtiges Ziel an, dass Sicherheit für alle Menschen in Bremen und Bremerhaven gleichermaßen gewährleistet wird, und nicht ausschließlich für einzelne Gruppen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU – Zurufe von der LINKEN)

Sie haben das verglichen, Sie haben gesagt, die einen brauchen das nicht,

(Abg. E r l a n s o n [DIE LINKE]: Die brau- chen sich keine Sorgen zu machen um ihre Sicherheit!)

für die anderen wäre die Polizei dann besonders wichtig. Ich finde, so sollten wir die Debatte hier auch nicht führen.