Protokoll der Sitzung vom 18.10.2007

weil er nämlich völlig an der Sache vorbeigeht! Deshalb werden wir ihn hier auch nicht beschließen und

auch nicht an die Deputation überweisen, sondern den Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Um das Ganze zu verstehen, muss man schon auf die Ursprungsfassung eingehen, denn dort haben Sie sehr daneben gelegen und versuchen es jetzt zu kaschieren. Sie haben danach gefragt, wie viele unbesetzte Planstellen es im Bereich der Jugendhilfe gibt. Der Senat hat darauf geantwortet – das ist hier die Frage aus der Fragestunde –, dass es keine unbesetzten Stellen gebe, dass es aber natürlich – wie ganz normal – auch Mitarbeiter gebe, die krank sind, Mitarbeiterinnen, die in Mutterschaftsurlaub sind und so weiter. Dort liegen also keine Auffälligkeiten vor, aber die Stellen, die bewilligt worden sind, sind alle besetzt worden. Das ist das Ergebnis Ihrer Frage in der Fragestunde. Jetzt versuchen Sie, das hier mit der Umformulierung scheinbar geschmeidig auf einen anderen Weg zu bringen. Das geht nicht!

Wir haben bereits im April in der Sozialdeputation und im Jugendhilfeausschuss die Maßnahmen beschlossen, die notwendig sind, um die Dinge dort auf einen richtigen Weg zu bringen. Es sind die Stellen für Personalverstärkungen im Bereich des Amtes für Soziale Dienste besetzt worden, wir haben zusätzlich Stellen im Bereich der Erziehungsberatung beschlossen, die besetzt worden sind. Ein Notruftelefon ist eingerichtet worden, das mittlerweile auch mit einem entsprechenden Dienst hinterlegt ist, sodass die Anfragen nicht nur am Telefon bearbeitet werden, sondern es gibt Mitarbeiter, die sich dann konkret vor Ort um den Einzelfall kümmern. Die Nummer lautet übrigens 6 99 11 33, für diejenigen, die sie sich noch nicht gemerkt haben.

(Abg. D r. S i e l i n g [SPD]: Noch ein- mal! Wie war das?)

Also, 6 99 11 33, das ist die Nummer des Notruftelefons. Auch im Bereich der Familienhebammen sind Kräfte eingestellt worden. Insgesamt ist dies ein Paket von Maßnahmen, das zu einer entscheidenden Verbesserung in diesem Bereich geführt hat.

Dann kann man natürlich überhaupt nicht beanstanden, dass mehr Fälle bearbeitet werden, denn die Tatsache, dass mehr Fälle bearbeitet werden, heißt doch, dass dort mehr geschieht, dass die Verwaltung sich um Fälle kümmert, und das kann man jedenfalls nicht negativ darstellen, so wie Sie es hier versuchen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Nun haben Sie den Antrag umformuliert und fordern den Senat auf, die bis heute im Ergebnis nicht geminderte unverantwortliche Überlastung der Fall

bearbeiterinnen und -bearbeiter in der Jugendhilfe zu beenden. Das ist, wie gesagt, der Versuch, diese etwas missglückte Frage zu vertuschen. Wir machen das nicht mit und lehnen es hier ab! Wir sind gern bereit, im Rahmen des Möglichen bei den Haushaltsberatungen noch danach zu schauen, ob es noch Verstärkungsmöglichkeiten für den Bereich der Jugendhilfe gibt, aber das aktuell Notwendige ist hier getan worden.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Im Übrigen haben wir über alle Fraktionen hinweg gemeinsam verabredet, dass wir den Bericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses „Kindeswohl“ abarbeiten. Dazu gehört selbstverständlich, dass dieser Bericht regelmäßig wieder in der Deputation aufgerufen wird und dass wir schauen, ob tatsächlich alle Punkte erledigt sind, nicht, dass sich dort ein neuer Schlendrian auftut und wir am Ende dann erneute Probleme haben.

In diesem Sinne kann ich Sie eigentlich auch bitten, Herr Beilken, Ihren Antrag zurückzuziehen, nachdem Sie ihn schon umformuliert haben, das wäre eigentlich der beste Weg. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Öztürk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist wirklich verwunderlich, was der Kollege von der Fraktion Die Linke, Herr Beilken, hier vorgetragen hat, mein Kollege Herr Grotheer hat es eben noch einmal bestätigt.

Eines möchte ich aber hinzufügen: Es ist auf der einen Seite ziemlich unkollegial und unprofessionell, erst einen Dringlichkeitsantrag einzureichen, obwohl noch keine Dringlichkeit besteht – das möchte ich hier betonen! – und dann diesen Antrag so umzuändern, nachdem man festgestellt hat, dass er eigentlich in die Stadtbürgerschaft und nicht in den Landtag gehört. Aber darüber können wir später vielleicht noch einmal unter vier Augen sprechen!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich meine, die Forderung ist politisch wünschensund begrüßenswert, dass die Casemanagerinnen und Casemanager entsprechend entlastet werden sollten, aber das entspricht auch nicht gewissen Tatsachen, wie Herr Grotheer es hier eben auch betont hat. Ich kann für die Grünen Folgendes sagen, das ist hier

auch in der Fragestunde entsprechend beantwortet worden: dass in den kommunalen Haushalten der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe die angewiesenen Planstellen zurzeit vollständig besetzt sind.

Ich greife das Thema mit den Planstellen extra noch einmal auf, weil es aus Ihrem ersten Antrag hervorging, den Sie zurückgezogen haben. Der ist insofern wichtig, weil ohne diese Planstellen auch eine gewisse Entlastung nicht vorhanden ist.

Ich hätte mich vielmehr über eine andere Frage gefreut, und deswegen kann man sie hier an dieser Stelle eventuell stellen, man hätte nämlich möglicherweise nachfragen müssen, ob vorübergehend auftretende Ausfälle aufgrund von Schwangerschaft oder Krankheit nachbesetzt werden oder nicht, und wenn ja, wie dort die Vakanzen sind. Das hätte uns einen Schritt weitergebracht, da bin ich mir ziemlich sicher.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich möchte noch einmal ein paar getroffene Maßnahmen hervorheben. Ich werde dabei nicht darauf eingehen, was Herr Grotheer gesagt hat, sondern ich möchte betonen, dass im Rahmen des Sofortprogramms des Senats zur Kindeswohlsicherung auf der Grundlage weiterer Senatsbeschlüsse zur Verbesserung des Kindesschutzes und der Prävention die erforderlichen überplanmäßigen Stellenbesetzungen vorgenommen worden sind. Das ging aus dem INSOGutachten hervor, und es stand auch im Bericht des Untersuchungsausschusses „Kindeswohl“. Diesen rate ich Ihnen übrigens zu lesen! Falls Sie ihn nicht haben, schenke ich Ihnen gern ein Exemplar.

(Beifall bei der SPD)

Zusätzlich geprüft werden muss die Vakanz der Stellen des Personalhaushaltes in der Stadtgemeinde Bremen. Wenn hier Vakanzen vorhanden sind, gilt es natürlich, zügig nachzubessern, aber ich denke, darauf wird die Frau Senatorin gleich noch einmal eingehen.

In Bezug auf die gestiegenen Fallzahlen: In der Tat, die Fallzahlen sind gestiegen, das stimmt. Somit ist auch eine gewisse Überlastung der Fallbearbeiterinnen und Fallbearbeiter durchaus vorhanden, es liegt in der Arbeit nahe. Die Jugendämter beider Stadtgemeinden verzeichnen einen erheblichen Anstieg von Risikomeldungen über Kindeswohlgefährdung. Das, was Sie vorgetragen haben, ist leider ein Einzelfall, in dem sich jemand vielleicht über die eigene Situation beschwert hat. Fakt ist, dass es im Moment gerade einen Anstieg von Risikomeldungen gibt, darauf hätte man auch mehr eingehen können. Diese gestiegenen Fallzahlen stellen auch eine rechtlich und fachlich erhöhte Anforderung an die Fachdienste der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe.

Ich möchte mit Erlaubnis der Präsidentin einen Paragrafen zitieren, nämlich Paragraf 79 Absatz 3 SGB VIII: „Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben für eine ausreichende Ausstattung der Jugendämter und Landesjugendämter zu sorgen.“ Dazu gehört auch, dass eine dem Bedarf entsprechende Anzahl von Fachkräften vorhanden ist. Genau dieses Problem, welches wir angehen möchten, steht bei uns im Koalitionsvertrag, und wir haben es auch nicht aus der Luft gegriffen.

Dazu gab es Vorläufer wie das INSO-Gutachten, dafür gab es den Kevin-Untersuchungsausschussbericht, und entsprechend wird hier nachgesetzt. Genau an diesem Punkt haben nämlich auch die Jugendämter beider Stadtgemeinden einen überplanmäßigen Stellenbedarf geltend gemacht, zu Recht, wie ich meine. Daher sollten weitere Beschlussfassungen nicht spontan, sondern im Rahmen der Haushaltsberatungen erfolgen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Aus diesen Grünen lehnen wir als Grüne den Antrag der Links-Fraktion ab, weil – wie eben schon erwähnt – ohne den Abschluss der Haushaltsberatungen und den eigentlich tatsächlich festgestellten Mehrbedarfen, mit denen man die Fallmanagerinnen und Fallmanager entlasten kann, es sonst nicht machbar wäre.

Ich möchte noch eines erwähnen, bevor ich hier abschließe. Das INSO-Gutachten ist im November 2006 vorgelegt worden, das hatte ich kurz erwähnt. Es plädiert nämlich dafür, dass eine ausreichende Personaldecke notwendig ist, damit die Casemanagerinnen/Casemanager die anfallenden Arbeiten sachgerecht erledigen können. Darüber hinaus wurde auch festgestellt, dass ein dringender Bedarf besteht, dass Casemanagerinnen/Casemanager nachqualifiziert werden müssen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Aus meiner Sicht ist das einer der wichtigsten Punkte, und den greifen wir natürlich als Koalition auf. Das steht bei uns im Koalitionsvertrag, und das können Sie auch gern aufführen und hier als Antrag einbringen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zu- ruf der Abg. Frau A h r e n s [CDU])

Danke schön! Ich möchte noch einmal auf eine sehr wichtige Sache hinweisen, nämlich auf die Weitergabe und Vergabe von Sozialdaten, das war nämlich höchst umstritten in der Vergangenheit, und das wurde umgesetzt. Ich möchte mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren. Demnach dürfen personenbezogene Daten gemäß Paragraf 62 Absatz 3 Ziffer d sowie gemäß Paragraf 64 Absatz 1 SGB VIII „auch ohne Mitwirkung der Betroffenen erhoben und übermittelt

werden, wenn dies erforderlich ist für die Erfüllung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung“.

Einigen in diesem Haus ist wahrscheinlich nicht die gesamte Dimension dessen klar, wie schnell und effektiv dort die Fälle bearbeitet werden müssen. Es ist selbstverständlich – und da tun mir natürlich auch die Fallmanagerinnen und Fallmanager leid –, dass, wenn solche Maßnahmen getroffen werden, die Anzahl der Fälle eventuell steigen könnte und man entsprechend schneller reagieren muss.

(Glocke)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin! Hinzu kommt, dass die Umstellung der Papierakten in elektronische Akten natürlich auch eine Mehrbelastung bedeutet. Ansonsten, denke ich, sind wir hier einig, wenn es um die Jugendhilfe geht, dass es noch Nachholbedarf und noch viel zu tun gibt. Ich würde mir im Sinne der Kinder – und das betone ich hier ausdrücklich – mehr Sensibilität bei diesem Thema wünschen. Das müssen wir ein bisschen sensibler angehen, und bitte nicht unüberlegt handeln! – Ich bedanke mich!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Buhlert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir kommen zu einer ernsten Fragestellung, ob wir ausreichend Ressourcen zur Verfügung gestellt haben für in Not befindliche Kinder. Diese Frage müssen wir uns stellen, und wir müssen sie sehr genau im Auge behalten. Die einzige Frage, die wir uns jetzt wirklich stellen müssen, ist, ob wir sie jetzt und hier im Landtag beantworten können, das können wir in der Tat nicht!

Wir könnten hier schnell und nur spontan sagen, das ist alles wichtig und notwendig, und nicht mehr wollen Sie in Ihrem Antrag sagen. Die konkrete Aufgabe ist aber doch, es in Haushaltszahlen, in Personalstellen und in konkretes Verwaltungshandeln umzusetzen. Das ist dann die Nagelprobe, und hier sind wir dann bei Ihnen als Opposition dabei, nämlich bei der konkreten Aufgabe, in den Haushalt zu schauen, ob dort in dem Stadthaushalt in Bremen – Bremerhaven schaut das an einer anderen Stelle – ausreichend Mittel zur Verfügung stehen und dass dies dann auch entsprechend umgesetzt wird.

Da sind wir dann sehr dabei zu schauen, ob genügend Mittel dafür da sind, für die Arbeit vor Ort, mit den Kindern und den Familien, denn das ist das eigentlich Wichtige, dass vor Ort gearbeitet wird. Das ist mir eigentlich fast wichtiger als die Arbeit, die dann in der Verwaltung und Administration geschieht. Wir müssen sehen, dass die Arbeit vor Ort bei den Kindern geleistet wird. Dann müssen wir in der Tat se

hen, das ist hier zu Recht gesagt worden, dass die Qualifizierung des Personals fortgesetzt wird, dass es nicht zu überlastet ist, und überhaupt keine Zeit hat, sich fortzubilden, denn die Fortbildung in diesem Bereich darf nicht zurückstehen. Herr Grotheer und Frau Ahrens haben zu Recht die Notrufnummer angesprochen, die dankenswerterweise eingerichtet worden ist. Diese ist notwendig, und in der Tat ist sie eine Nummer, die weitaus zu wenig bekannt ist. Wir haben versucht, sie schnell im Internet zu finden. Man findet sie nicht.

(Abg. Frau A h r e n s [CDU]: Wo ist die Werbung dafür?)

Wo ist die Werbung dafür? Genau darauf wollte ich hinaus, Frau Ahrens! Wo ist das Ganze bekannt? Ich höre inzwischen sogar, dass selbst, wenn man unter 3620 bei der Service-Nummer der Polizei anruft und solch ähnliche Anliegen hat, nicht klar ist, dass man eigentlich die 6 99 11 33 anrufen könnte. Insofern ist es ein Anliegen, Frau Senatorin, das Sie bitte in den Senat und Ihre Behörde nehmen, dass aufgenommen wird, dass diese Nummer bekannter gemacht wird, denn es nützt nichts, ein Notruf-Telefon zu haben, das keiner kennt. Deswegen möchte ich diese Situation nutzen, diesen Appell an Sie zu richten. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Beilken.