Protokoll der Sitzung vom 06.04.2011

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Schulen stehen zunehmend vor der Herausforderung, sich auf die ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt ihrer Schülerinnen und Schüler einstellen zu müssen. Vor diesem Hintergrund fördern sie durch ihre Erziehungs- und Unterrichtsarbeit den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Da die Vielfalt der Kulturen und die Verschiedenheit von Lebensweisen in Schulen auch zu Unsicherheiten führen kann, sieht der Senat Handreichungen, die allen am Schulleben Beteiligten Informationen, Orientierungen und Empfehlungen über die Integration muslimischer Schülerinnen und Schüler in das Schulleben geben, als hilfreich an und plant solche auch für das Land Bremen.

Zu Frage 2: Die Handlungsempfehlungen des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums wurden auf Basis der Empfehlungen der Arbeitsgruppe 2 der Deutschen Islamkonferenz von 2009 erstellt. Der Senat wird die Handreichungen anderer Bundesländer bei der Erstellung eigener sorgfältig sichten und bewerten.

Zu Frage 3: Der Senat misst der Koedukation im Unterricht eine hohe Bedeutung bei und hat dies im Schulgesetz zum Ausdruck gebracht. Eine Trennung nach Geschlechtern findet grundsätzlich nicht statt. Sofern es jedoch pädagogisch sinnvoll ist, kann in Teilbereichen nach Geschlechtern getrennt unterrichtet werden. Lerninteressen und Lernzugänge beider Ge

schlechter sind angemessen zu berücksichtigen. – Soweit die Antwort des Senats!

Frau Kollegin Motschmann, haben Sie eine Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Staatsrat, sind Sie mit mir der Meinung, dass es schwierig ist, wenn während des Ramadans keine Klassenarbeiten geschrieben werden sollen und man praktisch den Schulalltag an diese Riten der Muslime anpasst?

Bitte, Herr Staatsrat!

Frau Motschmann, ich bin mit Ihnen, jedenfalls, wenn ich Sie richtig verstanden habe, insofern nicht einig, als man das nicht berücksichtigen sollte. Auch das rheinland-pfälzische Modell, auf das Sie sich ja beziehen, sagt nicht, dass im Ramadan keine Klassenarbeiten geschrieben werden, sondern es soll Rücksicht genommen werden. Ich finde, die vom Rheinland-Pfalz vorgelegte Empfehlung sieht Integration als Integration und nicht als Anpassung vor, und ich glaube, das ist ein guter Weg, dass wir da, wo wir aus den verschiedenen Kulturen gemeinsam Gewinne ziehen können, das auch tun sollten.

Von daher nehme ich nicht nur den Ramadan. Nehmen Sie den Schwimmunterricht, es gibt ganz viele Bereiche, wo sehr unterschiedlich darauf eingegangen werden muss! Beim Schwimmunterricht haben wir zum Beispiel – das ist übrigens auch die Empfehlung der Islamkonferenz – gar kein Problem bei Grundschülern. Bei jungen Mädchen, die in der Pubertät sind, muss man sehr wohl Rücksicht darauf nehmen und entsprechende Vorkehrungen treffen. Beim Ramadan, finde ich, muss man schon darauf achten, ob man bei Kindern, die dann tagsüber nichts essen können, da nun gerade eine Reihe von Prüfungsleistungen abfordern muss. Das muss nicht sein. Das kann durchaus vorher besprochen werden, und ich bin sicher, dass wir uns bei diesen Fragen an der Deutschen Islamkonferenz, die die Empfehlung sehr ausführlich, gut und geeint vorgelegt hat, orientieren werden. Die Bundesregierung hat übrigens diese Empfehlungen ausdrücklich vorgelegt.

(Vizepräsidentin D r. M a t h e s über- nimmt den Vorsitz.)

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Herr Staatsrat, ist Ihnen ein Fall in der Bundesrepublik bekannt, bei dem man sich entsprechend an christliche Feiertage, Fastenzeiten oder Riten anpasst?

Bitte, Herr Staatsrat!

Frau Abgeordnete, wir haben eine Vielzahl von Feiertagen, die in den Schulen auch gefeiert werden. Es ist meistens sogar frei an diesen Tagen. Wir haben beim Ramadan keine Tage, an denen gesagt wird, weil es ein hoher Feiertag ist, geben wir den muslimischen Kindern frei. Von daher, das, was ich bei Ihnen heraushöre, eine Benachteiligung des Christlichen gegenüber dem Islam, findet nicht statt. Umgekehrt: Ich glaube, wir müssen als offene Gesellschaft auf die anderen zugehen, sie ernst nehmen und ihre Sorgen berücksichtigen. Das Ganze ist im Spannungsfeld der Verfassung zu sehen, da haben wir eine praktische Konkordanz zwischen Artikel 4, 6 und 7, Religionsfreiheit, Elternrechte und Schulrecht, zu berücksichtigen. Ich finde auch, dass alle Schülerinnen und Schüler, die bei uns leben, sich an Gesetze halten müssen, aber sie haben auch die Rechte, die in der Verfassung stehen, und zu den Rechten gehört auch, dass wir ihre Religionsfreiheit so würdigen, wie wir das am besten hinbekommen. Im Übrigen, ich habe fast gar keine Fälle. Ich habe einen Fall, den wir vor Gericht bearbeiten müssen, weil es um Schwimmunterricht geht, ansonsten haben wir eine große Übereinstimmung, weil die Schulen mit den Eltern darüber reden und gute Lösungen hinbekommen. Von daher, glaube ich, ist diese Debatte eigentlich eine theoretische. Überwiegend gelingt uns das, und wenn wir dann noch besser werden, werden wir in der Schule gar keine Probleme mehr haben. interjection: (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Frau Abgeordnete, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Sind Sie mit mir der Meinung, Herr Staatsrat, dass die notwendige Integration, die wir alle wollen, egal, welcher Fraktion oder Partei wir angehören, nicht so aussehen kann, dass es eine einseitige Anpassung an andere Religionen gibt und darüber dann die christlichen in den Hintergrund geraten?

(Beifall bei der CDU)

Bitte, Herr Staatsrat!

Frau Abgeordnete, ich habe das vorhin genau umgekehrt versucht zu beschreiben, nämlich dass die Integration keine Anpassung der Menschen ist, die zu uns kommen und bei uns leben,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

sondern dass sie eine Bereicherung für unsere Gesellschaft sind.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN – Abg. T i t t - m a n n [parteilos]: Was ist das denn sonst?)

Von daher möchte ich sehr dafür werben, dass wir mit ihnen zusammen eine Regelung finden, die der Gesellschaft insgesamt gerecht wird, nämlich den bei uns herzlich Willkommenen wie auch uns selbst, weil ich glaube, dass wir dabei nur gewinnen können.

Herr Staatsrat, eine weitere Nachfrage durch die Abgeordnete Frau Dr. Mohammadzadeh! – Bitte sehr!

Herr Staatsrat, ich bedanke mich für diese Aufklärung. Während der Ramadanzeit kann man ruhig Hausaufgaben machen. Ich komme ja aus so einem Land und kann mich an keine Ramadanzeit erinnern, auch in Deutschland, in der man keine oder weniger Hausaufgaben machen musste. Wenn man weniger isst, ist der Kopf frei, und deshalb soll man sogar mehr Hausaufgaben machen, so ist mir bekannt. Meine Frage: Als eine zentrale Empfehlung in der Deutschen Islamkonferenz, finde ich, wird ein Netzwerk im Stadtteil zwischen Schulen im Stadtteil, Elternvereinen und zum Beispiel anderen Vereinen, wie Moscheevereinen, vorgeschlagen. Wie sehen Sie diesen konkreten Vorschlag, wie wir das in Bremen vielleicht umsetzen können?

Bitte, Herr Staatsrat!

Erst einmal begrüße ich den Vorschlag, dass wir noch mehr mit den Eltern sprechen müssen, weil wir darüber auch die Kinder erreichen und es selbstverständlicher wird, wie wir miteinander umgehen und nicht immer das Gegensätzliche voneinander sehen. Es gibt ja schon an vielen Stellen die Frage, wie wir Moscheebesuche veranstalten können. Die Kinder sind neugierig darauf, sie wollen das kennenlernen, und ich glaube, wir sollten auch schauen, dass wir diese Neugierde eher fördern, damit deutlicher wird, dass Unterschiedliches nicht trennend sein muss.

Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Tittmann! – Bitte sehr!

Herr Staatsrat, ist Ihnen bekannt, ob es zum Beispiel in der Türkei oder in anderen arabischen Ländern einen Zentralrat der Christen gibt?

Bitte, Herr Staatsrat!

Ich weiß nicht, ob es einen Zentralrat der Christen gibt, aber ich sehe im Moment auch keine Notwendigkeit, warum es den dort geben sollte, denn die Christen werden nach meiner Kenntnis – –.

(Abg. T i t t m a n n [parteilos]: Gejagt und auch teilweise getötet! Das ist ja auch be- kannt!)

Herr Abgeordneter, Sie müssen den Staatsrat ausreden lassen!

Also kann ich abschließend sagen, dass das ganze Prozedere nur einseitig vonstatten geht, und das ist für mich unerträglich! – Ich danke Ihnen!

(Staatsrat O t h m e r : Frau Präsidentin, ich möchte darauf nicht antworten! – Abg. R ö - w e k a m p [CDU]: Das war ja auch keine Frage!)

Herr Staatsrat, es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor.

Bevor ich die Fragestunde fortsetze, möchte ich Sie darauf hinweisen, dass wir vor der Mittagspause die Fragestunde abschließen werden. Sie ist um 13.14 Uhr offiziell beendet, sodass wir dann in die Mittagspause eintreten und diese bis 14.45 Uhr verlängern.

Die zweite Anfrage, die sich auf das neue Zulassungssystem für Studienplatzbewerbungen bezieht, wurde von der CDU-Fraktion zurückgezogen.

Die dritte Anfrage trägt den Titel „Zeitarbeit im öffentlichen Dienst“. Die Anfrage ist unterschrieben von dem Abgeordneten Dr. Möllenstädt und Gruppe der FDP.

Ich sehe, der Fragesteller ist nicht anwesend, sodass wir diese Anfrage dann auch nicht stellen können.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Die vierte Anfrage trägt den Titel „Anonymisierte Bewerbungsverfahren in Bremen erproben“. Die Anfrage ist unterschrieben von den Abgeordneten Frau Mahnke, Tschöpe und Fraktion der SPD.

Bitte, Frau Abgeordnete Mahnke!

Wir fragen den Senat:

Erstens: Welche konkreten Möglichkeiten sieht der Senat, sich nach dem Vorbild anderer Länder und einiger großer Unternehmen mit Verwaltungen beziehungsweise Gesellschaften des Landes und der Stadtgemeinde Bremen am Pilotprojekt „Anonymisierte Bewerbungsverfahren“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu beteiligen?

Zweitens: Welche alternativen Verfahren wendet der Senat gegebenenfalls an, um zu gewährleisten, dass bei Einstellungsverfahren in Verwaltungen und Gesellschaften des Landes und der Stadtgemeinde Bremen Alter, Geschlecht, Herkunft oder Behinderung von Bewerberinnen oder Bewerbern zu keinerlei Benachteiligung führen?

Diese Anfrage wird beantwortet von Frau Bürgermeisterin Linnert.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Für den Senat beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Das Pilotprojekt läuft seit November 2010 und ist auf ein Jahr angelegt. Eine Anfrage bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat jetzt ergeben, dass eine direkte Beteiligung nicht mehr möglich und angesichts der begrenzten Laufzeit auch nicht sinnvoll ist. Der Senat verfolgt das Projekt jedoch mit großem Interesse und wird die Ergebnisse auswerten und für die bremische Praxis nutzen.

Zu Frage 2: Die Anforderungen an die Einstellungsverfahren in der bremischen Verwaltung und den Beteiligungsgesellschaften ergeben sich insbesondere aus dem Grundgesetz, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, dem Sozialgesetzbuch im Hinblick auf die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen und dem Landesgleichstellungsgesetz. Um die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu gewährleisten, werden Fortbildungsveranstaltungen, unter anderen zu den Themen Personalauswahl und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, angeboten. Die Senatorin für Finanzen hat darüber hinaus einen Leitfaden für die Personalauswahl erarbeitet und veröffentlicht.