Protokoll der Sitzung vom 11.05.2011

Man muss sich bewusst sein, dass man damit auch an vielen Stellen das Risiko eingeht, wie es die Vergangenheit eben auch gezeigt hat, enorme Verluste zu erhalten. Man muss sich auch klarmachen – das ist auch eine ganz normale Erfahrung aus dem Wirtschaftsleben –, dass Sie an den Stellen, wo Sie ein hohes Risiko haben, am Ende natürlich auch einen hohen Ertrag generieren können, bei Geschäften, in denen Sie sich in Grauzonen bewegen, Sie am Ende möglicherweise einen höheren Ertrag generieren können.

Dann muss sich Bremen zum anderen überlegen – auch das Thema ist hier angerissen worden –, ob man sich zutraut, dass man das fachlich kann, dass man auch das dafür nötige Expertenwissen mitbringt, um in bestimmten Feldern in der Art und Weise ins Risiko gehen zu können. Zum Zweiten muss man sich überlegen – und ich habe auch darauf hingewiesen, welche Rahmenbedingungen dafür notwendig sind –, ob man das damit in Einklang bringen kann. Wir sind auch dabei, um bei diesen Themen immer am Ball zu bleiben, uns auch neuere Entwicklungen anzuschauen, und wir nehmen deswegen auch noch einmal den Antrag der Regierungsfraktionen, um uns das Thema auch weiterhin anzuschauen. Wir können das gern noch einmal aufnehmen. Ich sage aber immer – deswegen, glaube ich, muss man das auch hier in der Offenheit sagen –, dass es notwendig ist, sich dieses Instrument – das ein Instrument sein kann – genau anzuschauen, ein entsprechenden Risikomanagement dabei zu haben, sich darüber im Klaren zu sein, dass uns beihilferechtliche Grenzen gestellt werden und dass wir am Ende eine entsprechende Kapitalausstattung dafür brauchen. Insofern haben Sie sicher meinen Worten entnommen, dass ich als Wirtschaftssenator, auch nach dem von Herrn Kastendiek hier jetzt freundlicherweise zitierten Bericht, eine gewisse Skepsis gegenüber diesem Instrument habe. Wenn Sie – davon gehe ich aus! – den Antrag, den die Regierungsfraktionen hier eingebracht haben, so beschließen, sehen wir uns das natürlich freundlicherweise noch einmal im Detail an und erwarten dann die entsprechende Rückendeckung Ihrerseits, wenn es darum geht, die beschriebenen ethischen und finanziellen Grenzen auch dann ausreizen zu dürfen, falls auch dafür dann die politische Meinungsbildung in die entsprechende Richtung geht. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Gemäß Paragraf 51 Absatz 7 unserer Geschäftsordnung lasse ich zunächst über den Änderungsantrag abstimmen. Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 17/1735 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grü- nen, FDP und Abg. Ti t t m a n n [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Änderungsantrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 17/1621 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, DIE LINKE, FDP und Abg. T i t t m a n n [parteilos])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Sexueller Missbrauch von Kindern

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 11. Mai 2011 (Neufassung der Drucksache 17/1643 vom 11. Februar 2011) (Drucksache 17/1776)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Hinners.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Sexueller Missbrauch von Kindern gehört zu den schlimmsten Verbrechen, denn die Opfer sind den Tätern in der Regel schutzlos ausgeliefert. interjection: (Beifall)

Nicht nur, dass die Kinder dabei häufig körperlich verletzt werden; viel schlimmer ist jedoch noch, dass sie dabei psychische Schäden erleiden, die oft ein ganzes Leben lang nachwirken. Häufig kommen die Täter – das ist allgemein bekannt – aus dem familiären oder sozialen Umfeld. Festzustellen ist jedoch in neuerer Zeit auch, dass der Anteil der Taten im Zusammenhang mit der Nutzung der neuen Kommunikationsmöglichkeiten, also bestimmter Chatrooms im Internet, dramatisch zunimmt.

Unser Antrag beruht auf einer Antwort des Senats aufgrund einer Kleinen Anfrage. Nach Angaben des Senats sind im Jahr 2009 114 Fälle von sexuellem ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Missbrauch an Kindern unter 14 Jahren zur Anzeige gebracht worden. Weiterhin teilt der Senat in dieser Antwort mit, dass er die Dunkelziffer für extrem hoch hält und davon ausgeht, dass circa 90 Prozent aller Fälle nicht zur Anzeige kommen und damit gar nicht erst bekannt werden. Das würde bedeuten, dass in Bremen über 1 000 Kinder unter 14 Jahren jährlich Opfer von sexuellem Missbrauch werden, etwa jedes vierte oder fünfte Kind in unserem Land! Wir halten das für einen unerträglichen Zustand.

(Beifall)

Mit unserem Antrag wollen wir den Senat dazu auffordern, einerseits die Dunkelfeldforschung voranzutreiben, andererseits eine Forschung dahingehend zu betreiben, dass die typischen Verhaltensweisen von Tätern und Opfern – bei Opfern natürlich in der Regel nach einem sexuellen Missbrauch – besser analysiert werden. Die Ergebnisse dieser Forschung, so glauben wir, sollten umgehend in die Präventionsarbeit und in Aus- und Fortbildungsmaßnahmen einfließen, damit Ärzte, Lehrer, Erzieher, Sozialarbeiter und alle weiteren Personen, die mit Kindern zu tun haben, über entsprechendes Wissen verfügen und darauf zurückgreifen können.

Es geht also darum, diese Personen in die Lage zu versetzen, anhand von bestimmten Verhaltensweisen von Kindern, die Opfer eines sexuellen Missbrauchs geworden sind, zu erkennen, ob möglicherweise dieser sexuelle Missbrauch in der Familie oder im sozialen Umfeld vorliegt, und dann entsprechende Maßnahmen, Gespräche, vielleicht auch Anzeigen bei der Polizei einzuleiten. Natürlich – das ist für uns völlig klar – sollten diese Erkenntnisse auch Eltern und Kindern zur Verfügung gestellt werden, damit die Sensibilität für bestimmte Verhaltensweisen und insbesondere – darum geht es natürlich auch – die Anzeigenbereitschaft zunimmt. Dafür müssen natürlich ebenfalls in der Polizei, Staatsanwaltschaft und bei den Gerichten entsprechende Ressourcen vorhanden sein.

Der Senat wird mit unserem Antrag dazu aufgefordert, die Zusammenarbeit – das ist eine weitere Aufforderung – zwischen den Ressorts Bildung, Soziales und Inneres zu diesem Thema sofort zu verbessern, denn ich glaube, wir können uns alle vorstellen, dass in dem Fall, in dem ein Ressort, eine Einheit, eine Bildungseinrichtung möglicherweise bestimmte Erkenntnisse hat, sie aber mit den anderen nicht austauscht, ganz erhebliche Informationsverluste eintreten können, und damit wird dem Kind nicht gedient und ein weiterer sexueller Missbrauch nicht unterbunden. Hier sehen wir also einen ganz erheblichen Handlungsbedarf, ich glaube, dass das aus meinen Ausführungen soeben deutlich geworden ist.

Dazu würden wir gern als CDU auch eine Anlaufstelle einrichten wollen, die als Opferkoordinierungsstelle dient, um also eine Möglichkeit zu schaffen, in

denen Opfer, Eltern, aber auch natürlich die Personen, die ich soeben angesprochen habe, sich Rat holen können, bevor es zu einer Anzeige kommt, und damit möglicherweise Maßnahmen eingeleitet werden, die der ganzen Sache nicht dienlich sind.

Eine zentrale Opferberatungsstelle würden wir gern haben, das war leider mit diesem gemeinsamen Antrag nicht durchzusetzen, insbesondere die Kollegen von der SPD würden das zunächst noch einmal prüfen wollen. Wir haben uns schweren Herzens diesem Wunsch angeschlossen, hätten aber lieber sofort diese Koordinierungsstelle beantragt und nicht erst eine Prüfung dafür.

(Beifall bei der CDU)

Der Erstkontakt mit diesem – und das ist aus unserer Sicht eine Begründung für die Anlaufstelle und Koordinierung – Personenkreis sollte möglichst kompetent, vertrauensvoll und unkompliziert möglich sein, damit es gar keine Berührungsängste an der Stelle gibt, und vor allen Dingen sollte diese Stelle auch in der Lage sein, weitere Schritte einzuleiten.

(Glocke)

Ich bin sofort fertig, Herr Präsident!

Dieser Antrag ist zusammen – glücklicherweise, aber trotzdem zusammen – mit den Grünen und der SPD gestellt worden, denn – und das ist für uns als CDU besonders wichtig gewesen – wir haben ein Interesse daran, dass diesem Antrag auch zugestimmt wird. Deswegen erwarte und erhoffe ich, dass auch die Fraktionen, die hier nicht mit unterschrieben haben, sich jetzt diesem Antrag anschließen können. – Vielen herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Peters-Rehwinkel.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Anschließen möchte ich zunächst einmal, dass ich es auch sehr wichtig finde, dass das gesamte Haus dem zustimmt, und ich freue mich sehr, dass wir diesen Antrag in dieser Form jetzt zusammen hinbekommen haben. Ich möchte auch gleich darauf eingehen, was es damit auf sich hat, dass insbesondere wir noch nicht zustimmen konnten, sofort eine Forschung in Auftrag zu geben und sofort eine zentrale Stelle einzurichten. Es geht darum, dass wir diesen runden Tisch auf Bundesebene haben. Ich und meine Fraktion halten es für richtig, erst einmal diese Ergebnisse, die dort herausgekommen sind und noch weiterhin herauskommen werden, auszuwerten und natürlich dann auf das ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Land Bremen herunterzubrechen, inwieweit hier Handlungsbedarf besteht, der natürlich insgesamt besteht, denn das steht außer Frage. Dass es dieses Deliktfeld überhaupt gibt, ist ein Trauerspiel für die, die auf der Täterseite stehen.

Das Weitere ist, dass wir uns dann natürlich gegebenenfalls einer Dunkelfeldforschung für das Land Bremen anschließen wollen. Es ist nur so, dass es sich bei diesem Deliktsfeld um eine Tat in vielfältiger Form handelt, die ja sozusagen global ist. Dort gibt es nichts Bremenspezifisches, weswegen dringend notwendig etwas Bremenspezifisches gemacht werden muss. Im Nachgang gern, wenn es denn erforderlich ist, dann sind wir bestimmt auch bereit, dafür Geld auszugeben! Nur das Geld, das aktuell noch für diesen Bereich da ist, halte ich für sehr wichtig, um die vorhandenen Einrichtungen zu unterstützen. Die Arbeit, die dort geleistet wird, ist schon sehr gut.

Damit komme ich zu einem weiteren Thema, die Einrichtung einer Stelle! Ich habe mit Herrn Hinners und Frau Stahmann insofern das Ganze beraten, dass wir erst einmal prüfen wollen, ob es eine solche praktisch übergeordnete Stelle unbedingt geben muss. Auch für diesen Punkt gilt: Wenn es denn erforderlich ist, dann soll es so sein, dann dient es auch auf jeden Fall der Sache. Es kann nicht sein, dass wir uns immer weiter diese Delikte anschauen. Was ich auch sehr schade finde, ist, dass jedes Mal das Thema offenbar nur hochkommt, wenn es prominente Täter gibt, egal, woher sie kommen. Wenn jemand namhaft bekannt wird, finde ich es ganz schade, denn das ist ein Thema, das es seit Jahrzehnten gibt, das wird es wahrscheinlich noch jahrzehntelang geben, und es verschlimmert sich dadurch, dass wir das Internet haben.

Deswegen halte ich auch Punkt 7 mit einer Fort-, nicht Weiterbildungsmaßnahme für sehr wichtig. Das ist eine Konkretisierung, die wir mündlich jetzt gerade noch einmal vorgenommen haben, denn es ist so, dass durch die Inklusion die Schulen natürlich mit Fort- und Weiterbildung schon einmal sehr belastet sind. Trotzdem muss auch in diesem Bereich eine Fortbildung von Lehrern stattfinden. Vielleicht nicht unbedingt verpflichtend, aber vielleicht ist es eine Art Selbstverpflichtung, die sich Lehrer dann auch mit auf den Weg geben! Ich denke, dass auch dort gut gearbeitet wird.

Die weiteren Punkte sind, dass natürlich Fortbildungen und Ausbildungen in allen Bereichen erforderlich sind, Schulungen, auch den Umgang mit Kindern zu schulen, denen so etwas passiert ist, natürlich auch einen Katalog oder eine Präventionsschrift, sofern es sie nicht schon gibt, aufzulegen, aus der sich entnehmen lässt, welches Verhalten darauf hinweist, dass Kindern so etwas passiert ist, wie beispielsweise Waschzwang, Stottern et cetera. Das ist alles sehr gruselig, und ich weiß aus eigener Anschauung, dass einen das das ganze Leben lang begleitet. – Danke schön! (Beifall bei der SPD)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Stahmann.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die grüne Bürgerschaftsfraktion hat auf ihrer Klausurtagung vor einigen Wochen ganz klar einen Beschluss gefasst, nämlich dass wir die Notwendigkeit sehen, im Land Bremen eine zentrale Anlaufstelle für Opfer von sexuellem Missbrauch einzurichten, das möchte ich hier noch einmal deutlich sagen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen stellt nicht nur eine Körperverletzung dar, sondern die Seele wird gebrochen, das hat Herr Hinners auch noch einmal deutlich gemacht. Es ist für betroffene Kinder und Jugendliche unheimlich schwer, über diese Taten zu sprechen, weil viele dieser Straftaten im Familienbereich durch vertraute Personen, Erwachsene, meistens Männer, auch Frauen, das ist ein geringerer Anteil, stattfinden. Das sind Menschen, denen man eigentlich so etwas nicht zutraut, und die Kinder haben Probleme auseinanderzuhalten, was dort eigentlich passiert, je nachdem, wie alt sie sind. Nur die wenigstens Kinder trauen sich, gleich nach der Tat darüber zu sprechen. Viele behalten es aus Scham für sich, schließen es ein, kapseln es in ihre Seele ein, und bei manchen führt es auch zur Persönlichkeitsspaltung. Ich selbst habe auch schon Frauen gesehen, die infolge einer solchen Tat multiple Persönlichkeiten entwickelt haben, um diese Vorkommnisse zu verarbeiten. Ich bin der Auffassung, dass die Gesellschaft sehr streng und auch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln solche Straftaten verhindern und die Opfer von solchen Straftaten auch ganz konsequent schützen muss.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD, bei der CDU und bei der LINKEN)

Ich habe auch keine Toleranz – und das wissen auch einige –, wenn ich mitbekomme, dass es in Sportvereinen oder auch in Schulen den Verdacht auf sexuellen Missbrauch gibt. Ich sehe dort eine große Notwendigkeit der Fortbildung des pädagogischen Personals. Ich bin auch der Auffassung, dass wir so wie in Bremerhaven eine Verpflichtung für die Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses für all diejenigen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten – auch für alle Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher –, brauchen.