Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Piontkowski.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wieder ein trauriges Thema, dieses Mal geht es um den Schutz von Kindern vor sexuellem Missbrauch.

Der Anlass: In Bremen wurden im Jahre 2010 112 Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern angezeigt, das sind die Zahlen aus der polizeilichen Kriminalstatistik, und damit 55 Prozent mehr als noch im Jahr zuvor. Auf Bundesebene gab es fast 12 000 Fälle, auch dort ist ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Damit ist,

wie wir einem Artikel des „Weser-Kurier“ entnehmen können, nur das Hellfeld gemeint. Das Dunkelfeld, das nicht zur Anzeige kommt, liegt bei 90 Prozent, die dazukommen, sodass man von circa 1 000 Missbrauchsfällen pro Jahr in Bremen ausgehen kann.

Bei einer Untersuchung im Jahr 2010 berichteten circa 13 Prozent der über vierzehnjährigen Befragten über sexuellen Missbrauch in ihrer Kindheit oder Jugend. Das sind alarmierende Zahlen, auch wenn es eine neueste Studie des Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen, KFN, gibt, die besagt, dass die Zahlen zurückgehen. Da muss man einmal nachfragen, wie einige Befragungen zustande gekommen sind.

Auf Bundesebene ist einiges in diesem Bereich geschehen: zum einen der Aktionsplan 2011, in dem konkrete Maßnahmen genannt sind, und zwar zu Prävention, Hilfe und auch internationaler Kooperation. Zum anderen möchte ich das Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs nennen. Hier geht es insbesondere darum, dass die Verjährungszeiten im Zivilrecht auf 30 Jahre ausgeweitet werden, und um die Erweiterung des kostenlosen Opferanwalts und die Vermeidung von Mehrfachvernehmung von Geschädigten, auch eine ganz wichtige Sache.

Ferner möchte ich das Bundeskinderschutzgesetz nennen, das wir hoffentlich, nachdem sich CDU und SPD auf Bundesebene geeinigt haben, am 16. Dezember 2011 verabschieden können, das Bundeskinderschutzgesetz mit vielfachen Netzwerken, mit Familienhebammen und – was ganz wichtig ist – mit erweiterten Führungszeugnissen, sodass pädophile Straftäter jedenfalls in Einrichtungen nicht mehr mit Kindern in Kontakt kommen. Da ist auch ein wesentliches Ziel. Insofern überholen sich die Ereignisse, seit wir unseren Antrag gestellt haben, der die Vermeidung des Kontaktes von Kindern mit pädophilen Sexualtätern beinhaltet.

Wir wollen mit unserem Antrag aber noch mehr, und zwar möchte ich Sie an den Fall Martin N., der mutmaßliche Mörder des kleinen Dennis, der jetzt vor Gericht steht, erinnern. Im April dieses Jahres hat der „Weser-Kurier“ eine Chronologie des Schreckens aufgezeichnet, und dort kam auch zum Ausdruck, dass im Jahr 2005 ein Verfahren wegen Verdacht des Missbrauchs eines Jungen, den er an seinem Bauch gestreichelt hat, um sich sexuell zu erregen, gegen Geldauflage von 1 800 Euro eingestellt wurde. Die Begründung, so hieß es im „Weser-Kurier“: Es handelte sich um einen unterschwelligen Fall. Das bestehende Sexualstrafrecht ermöglicht so etwas. Das war nicht rechtswidrig, sondern rechtmäßig. Da muss man doch aber wirklich fragen: Ist das nicht viel zu lasch? Wir haben die weitere Entwicklung gesehen.

Das bestehende Sexualstrafrecht, gerade beim sexuellen Missbrauch von Kindern, enthält eine Menge an Wertungswidersprüchen. Wenn Sie sich zum Beispiel einmal folgenden Fall ansehen: Sexuelle

Handlungen eines siebzehneinhalbjährigen Täters gegenüber einem zweijährigen Kind sind kein Verbrechen. Verbrechen sind solche Straftaten mit einer Mindeststrafe von einem Jahr. Wenn allerdings ein Achtzehnjähriger mit einer weit entwickelten Siebzehnjährigen einvernehmlich sexuelle Handlungen vollzieht, dann ist das ein Verbrechen. Dieser Widerspruch in sich im Sexualstrafrecht geht einem doch eigentlich nicht in den Kopf!

Es haben sich in der letzten Zeit eine Menge Änderungen ergeben. Das ganze Sexualstrafrecht ist dadurch in sich nicht mehr schlüssig. Das ist ein Problem, aber geltende Rechtslage. Wir sind der Meinung, dass das hohe Gut des Schutzes der sexuellen Integrität von Kindern so wertvoll ist, dass dann auch die Strafen entsprechend erhöht werden müssen. Deswegen möchten wir, dass der sexuelle Missbrauch von Kindern, Paragraf 176 StGB, zu einem Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr und mit einer Höchststrafe von 15 Jahren erklärt wird.

Was hat das zur Folge? Das hat einerseits zur Folge, dass Verbrechen nicht mehr, wie hier im Fall Martin N., zum Beispiel wegen Geringfügigkeit eingestellt werden können oder weil man meint, dass die Sache mit einer Geldbuße abgegolten ist. In solchen Fällen haben Sie auch keine Möglichkeit, gerichtsfest nachzuvollziehen, was geschehen ist. Sie haben keinen festgestellten Sachverhalt, was dieser Mensch gemacht haben soll, und können daher auch keine weiteren Maßnahmen darauf stützen. Wenn Sie die Strafhöchstdauer verlängern, haben Sie außerdem die Möglichkeit, entsprechend die Verjährungszeit zu verlängern, das geht dann nämlich automatisch auf 20 Jahre. Das ist ein Teil unseres Antrags.

Lassen Sie mich noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen, nämlich die Anbahnung sexuellen Kontakts im Internet durch Chatrooms, was gerade für jüngere Menschen und Jugendliche ein großes Problem ist! Täter, gerade Pädophile, nutzen die Anonymität des Internets, um diesen Kontakt zu Kindern aufzubauen. Bei einer Befragung – ich belege es wieder mit Zahlen – von 1 700 Schülern im Alter von 10 bis 19 Jahren gaben 38 Prozent an, in Chatrooms schon einmal gegen ihren Willen zu sexuellen Dingen befragt worden zu sein. Das kann sogar so weit gehen, dass sie sich gegen ihren Willen vor den Webcams ausziehen müssen oder sexuelle Handlungen an sich vornehmen sollen, und diese Aufnahmen werden anschließend ins Netz gestellt. Alles das kann erhebliche Auswirkungen für die Kinder haben. Eine im Werden begriffene EU-Richtlinie besagt, dass ein genau solches Verhalten unter Strafe gestellt werden muss.

Ganz besonders freut mich, dass ich gestern in der Zeitung lesen durfte – auch insofern gibt es hier wieder eine überholende Kausalität –, dass die Bundesfamilienministerin einen zentralen Notrufbutton im Internet einrichten will, der eine direkte Verbindung zum Kinderschutzzentrum hat. Kinder haben dadurch die

Möglichkeit, diesen Notrufbutton zu drücken und sich an so etwas Ähnliches wie eine Internetwache zu wenden. Genau das wollen wir mit unserem Antrag erreichen.

Ein letzter Aspekt, auf den ich eingehen möchte, ist die Begutachtung von gefährlichen Gewalt- und Sexualtätern. Derzeit sieht es so aus, dass diese in der Regel nicht begutachtet werden, denn die meisten sind schlecht, aber nicht verrückt. Auch da wollen wir etwas ändern.

Deswegen soll es die Pflicht oder die Regel geben, dass gefährliche Sexual- oder Gewalttäter begutachtet werden, damit man gleich entsprechend die Maßnahmen darauf einstellen kann, dass sie einer therapeutischen Behandlung unterzogen werden. Alles das ist nur ein kleiner Strauß von Maßnahmen, aber ich denke, ein erster Schritt, um den Schutz von Kindern vor gefährlichen Gewalt- und Sexualtätern zu verbessern.

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tuncel.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundestag hat am 27. Oktober das Bundeskinderschutzgesetz mit den Stimmen der CDU und der FDP beschlossen. Es ist schon bemerkenswert, dass die Bremer CDU jetzt selbst Änderungswünsche an dem Gesetz hat. Die Gründe unterscheiden sich aber von unserer Kritik an dem Gesetz.

Aus der Sicht der LINKEN hat das vom Bundesfamilienministerium vorgelegte Gesetz zwar einige gute Ansätze, geht aber nicht weit genug. Unserer Meinung nach sollte der Kinderschutz in das Grundgesetz aufgenommen werden, denn wie die Erfahrung zeigt, sind Kinderrechte in Deutschland keine Selbstverständlichkeit. Als Deutschland 1992 die UN-Kinderrechtskonvention ratifizierte, behielt sich die Bundesregierung vor, Unterschiede zwischen Inländern und Ausländern zu machen. Kinderschutz galt also nur eingeschränkt für Kinder von Migrantinnen und Migranten. Dieser Vorbehalt wurde erst im Sommer letzten Jahres beendet. Das zeigt, dass nicht nur Kinder, sondern auch Kinderrechte geschützt werden müssen.

Der Bundesrat hat das Gesetz am 25. November abgelehnt. Im Vermittlungsausschuss hat man sich gestern auf eine verbesserte finanzielle Ausstattung geeinigt. DIE LINKE hat sich im Bundestag aus folgendem Grund enthalten: Einerseits begrüßen wir ein Kinderschutzgesetz, das endlich einmal auf Prävention setzt anstatt auf Sanktion, andererseits sehen wir Verbesserungsbedarf. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Die Bundesregierung will mit dem Kinderschutzgesetz frühe Hilfen stärken. Die Schaffung von Netzwerken der Akteure im Umfeld des Kindes ist sinnvoll. Das bringt aber auch zusätzliche Aufgaben für die Jugendämter mit sich, die auch in Bremen nur durch eine bessere Ausstattung zu bewältigen sind. Auch der Einsatz von Familienhebammen ist ein gutes Instrument. Es soll aber zeitlich begrenzt werden, das geht am tatsächlichen Bedarf vorbei. Viele Probleme tauchen erst nach einiger Zeit auf, wenn Eltern mit der Kindererziehung psychisch oder physisch an ihre Grenzen stoßen. Familienhebammen sollten daher bedarfsorientiert und nicht an gesetzliche Fristen gebunden arbeiten können.

Es gibt noch einige andere Ergänzungswünsche, die ich jetzt hier nicht alle diskutieren will. Ich möchte stattdessen auf den Antrag der CDU eingehen. Auch dieser Antrag ist nicht komplett falsch, er hat jedoch einen restriktiven Zugang zum Thema Kinderschutz, den wir so nicht teilen. Teilweise überholen Sie die Bundesregierung von rechts. Nur durch die Verschärfung von Überwachungs- und Strafverfolgungsmaßnahmen kann das Thema Kinderschutz nicht angegangen werden. Es erfordert neben dem umfassenden Opferschutz auch Täterarbeit.

Trotzdem stimmen wir der CDU in einigen Punkten zu. Lassen Sie mich das einzeln begründen! Sexuelle Gewalt gegen Kinder ist eines der schrecklichsten Verbrechen, das diese traumatisieren. Oft kommen sie erst Jahre später ans Licht, und dann ist die Verjährungsfrist manchmal schon abgelaufen. Das hat ja auch der runde Tisch Heimerziehung thematisiert. Der 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs enthält eine Fülle von Strafen, je nach Schwere der Tat. Die Verjährungsfristen dafür reichen von drei bis 30 Jahren. Diese Regelungen sind unserer Ansicht nach ausreichend.

Die Erregung öffentlichen Ärgernisses, für dessen Strafmaßerhöhung sich die CDU im zweiten Antragspunkt einsetzt, hat aus unserer Sicht nicht viel mit Kinderschutz zu tun. Nicht nur deswegen lehnen wir diese Forderung ab.

Die dritte Forderung des Antrags können wir unterstützen, denn es sind die Konsumenten von Kinderpornografie, die mit ihrer Nachfrage diese menschenverachtende Industrie unterstützen.

Der Sicherungsverwahrung steht DIE LINKE, wie Sie ja wissen, kritisch gegenüber. Nicht umsonst tut sich die Bundesregierung mit diesem Punkt schwer. Wichtiger sind unserer Meinung nach Resozialisierungsmaßnahmen und Täterarbeit. Daher stimmen wir diesem Punkt so nicht zu.

Aus dem fünften Antragspunkt geht nicht hervor, was Sie eigentlich wollen. Wie wollen Sie den Kontakt von Sexualstraftätern zu Kindern und Jugendlichen verhindern? Wie lange? Wer soll das überwachen? Einer derart schwammig formulierten Forderung können wir ebenfalls nicht zustimmen.

Die Strafbarkeit des sogenannten Groomings erscheint uns gut, denn die Belästigungen, auch von Kindern, nehmen beispielsweise in Chatforen oder sozialen Netzwerken, wie Sie es auch schon erwähnt haben, Frau Kollegin, zu.

Beim siebten Punkt sagen Sie nicht, welche Konsequenzen die Begutachtung von Straftätern haben soll, die nicht straffällig sind. Die Einrichtung einer niedrigschwelligen Internetwache wäre einen Versuch wert. Ob sie angenommen wird, weiß ich nicht.

Insgesamt werden wir uns zu diesem Antrag enthalten, da er neben einigen guten Vorschlägen auch viele Law-and-Order-Forderungen enthält. – Vielen Dank!

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Peters-Rehwinkel.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Diesem Antrag werden wir ebenfalls nicht zustimmen, aber nicht, weil wir Kindern keinen Schutz gewähren wollen, sondern weil wir uns schon vor einiger Zeit intensiv mit einem politischen Antrag zu diesem Thema beschäftigt haben. Es gab nämlich im März letzten Jahres den Antrag „Opfer von seelischer und körperlicher Misshandlung und sexualisierter Gewaltdelikten schützen und entschädigen“. Darin wurde dazu aufgefordert, durch eine Bundesratsinitiative durch den Bundestag prüfen zu lassen, ob die Pflichten des Staates richtig umgesetzt werden. Das heißt auch, dass geprüft werden soll, ob gegebenenfalls Strafverschärfungen, die sich dann auch in längeren Verjährungsfristen niederschlagen, Rechnung getragen wird. Insoweit können wir also diesen Antrag hier guten Gewissens ablehnen.

Jetzt möchte ich noch ein Wort zu Ihrem Entrée und auch zum letzten Antrag sagen! Sie legen Wert darauf, dass Opfer nicht mehrfach belastet werden. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass diese Sitzung, die Reden und ihre Inhalte im Fernsehen und im Radio übertragen werden. Es kann durchaus sein, dass Leute das hören, das ist ja Sinn der Übung, und es kann auch sein, dass Opfer es hören. Wenn diese Menschen sich anhören, wie Sie hier im Grunde blumenreich irgendwelche Straftaten schildern, dann muss man psychisch doch schon recht stabil sein, um dabei kein zweites oder drittes Mal Opfer zu werden.

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Das stand in der Zeitung!)

Ja, mich hat es geärgert! Außerdem habe ich den Eindruck gewonnen, Sie können beim „Goldenen Blatt“ oder beim „Weser Kurier“ anfangen, weil Sie ständig daraus zitieren. Ich finde, das ist dem Ganzen nicht angemessen. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Zuruf der Abg. Frau P i o n t - k o w s k i [CDU])

Ich möchte aber inhaltlich weiter vorgehen! Mein Vorredner, Herr Tuncel, hat bereits gesagt, dass es schon eigenartig ist, dass Sie im Grunde genommen Ihre eigene CDU auf Bundesebene überholen wollen. Das finde ich auch. Was diesen ersten Aufschlag in Bezug auf die Verjährungsfristen angeht, habe ich gerade auf meinen Antrag verwiesen.

Die anderen Punkte finde ich sehr bedenklich, zum Beispiel eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die den Kontakt praktisch verwehren soll. Ich finde es auch ziemlich populistisch, wie Sie es hier anfangen, denn es gibt Auflagen, das wissen Sie ja selbst aus der Zeit, als Sie Staatsanwältin waren. In Bezug auf die Begutachtung kann ich auch nur sagen: Es muss den Therapien, den Begutachtungen zugestimmt werden. Sie haben vor, dass man im Grunde genommen so tut, als gebe es kranke Menschen, die solche Dinge machen, und wenn man sie begutachtet, ist alles gut und gar nicht mehr das Thema, und „wir kümmern uns darum“.

Sexuelle Gewalt ist leider auch etwas, was durchaus auch gesunde Menschen begehen. Deswegen bringen mich solche zwanghaften Begutachtungen auch nicht weiter. Ich halte das für rechtsstaatlich eher bedenklich, was Sie hier vorschlagen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Sie aus der Justiz stammen. Deswegen kann ich dem nur eine Absage erteilen.

Ich möchte Sie wirklich bitten, beim nächsten Mal – ich möchte Ihnen ja gar nicht in Abrede stellen, dass Sie sich um das Thema kümmern und es ernsthaft angehen – von solchen blumenreichen Schilderungen abzusehen. Das kann ich nicht gut vertragen, und ich glaube, da kenne ich noch einige andere, die das nicht mögen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Zuruf der Abg. Frau P i o n t - k o w s k i [CDU])

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich wollen wir alle, dass Kinder bestmöglich vor sexuellen Übergriffen geschützt werden. Meine Kollegin Frau Peters-Rehwinkel hat eben ausgeführt, bereits in der letzten Wahlperiode haben wir Koalitionspartner deshalb einen entsprechenden Antrag in die Bürgerschaft eingebracht, der zum Gegenstand hatte, durch eine Bundesratsinitiative das bestehende strafrechtliche System auf Verbesserungsmöglichkeiten hin zu überprüfen. Diese Überprüfung hat im Ergebnis durch die Einsetzung des runden Tisches sexueller Kindesmissbrauch auch stattgefun

den. Die von Ihnen geforderten Gesetzesänderungen, Frau Piontkowski, werden aber im Abschlussbericht des runden Tisches jedoch gerade nicht als erforderlich betrachtet, und dies überrascht auch nicht.

Die Forderung, nicht nur Fälle des schweren sexuellen Kindesmissbrauchs aus Paragraf 176 a StGB, sondern auch den Grundtatbestand aus Paragraf 176 StGB als Verbrechen einzustufen, haben bereits im Jahr 2003 Ihre Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aufgestellt.

Der Deutsche Richterbund hat sich damals in einem ausführlichen Gutachten hierzu ablehnend geäußert. Die Gründe für die Ablehnung waren folgende, ich zitiere:

„Es gibt in der Praxis immer wieder Verfahren, die bei Taten geringeren Gewichts nach einem Geständnis des Beschuldigten mit dem Ziel, dem Opfer die Belastung einer öffentlichen Hauptverhandlung zu ersparen, durch einen Strafbefehl bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe erledigt werden. Diese Art der Erledigung ist in diesen Fällen angemessen, da regelmäßig bereits im Ermittlungsverfahren durch Kontakte mit dem Verteidiger, häufig dem anwaltlichen Vertreter des Opfers und Hilfseinrichtungen die Erreichung der Strafzwecke vorbereitet wird, sodass es vertretbar ist, ohne die Durchführung einer Hauptverhandlung zu einem Strafanerkenntnis zu gelangen.

Die Heraufstufung des Tatbestandes des Paragrafen 176 zu einem Verbrechen macht aber die Durchführung einer Hauptverhandlung zwingend. Dies birgt aber“ – so der Deutsche Richterbund – „die Gefahr einer Belastung für das als Zeuge zu hörende Opfer und schreckt gerade diese in weniger gravierenden Fällen möglicherweise auch davor ab, Anzeige zu erstatten.“

Kann einer Hauptverhandlung nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens und der Einschätzung des Opfers eine besondere Genugtuungsfunktion zukommen, wird diese Option selbstverständlich immer zu nutzen sein. Auch das Ziel, eine ausnahmsweise angemessene Verfahrenseinstellung auszuschließen, wie sie in Ihrem Antrag fordern, ist nicht stets im Sinne der Opfer.