Protokoll der Sitzung vom 26.01.2012

(Dafür DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Gesetz zur Änderung des Bremischen Abgeordnetengesetzes, des Bremischen Wahlgesetzes und des Gesetzes über die Deputationen

Antrag des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses vom 9. Dezember 2011 (Drucksache 18/160) 2. Lesung

D a z u

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE vom 10. Januar 2012

(Drucksache 18/196)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Professor Stauch.

Die Bürgerschaft (Landtag) hat den Gesetzentwurf in ihrer zehnten Sitzung am 14. Dezember 2011 in erster Lesung beschlossen.

Wir kommen zur zweiten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit den durch den Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss vorgelegten elf Änderungen werden notwendige technische Anpassungen gemacht. Es werden Dinge, die wir bei der Reform des Abgeordnetengesetzes übersehen haben, geglättet.

Es wird beispielsweise geregelt, wie man sein Referendariat neben einem Abgeordnetenmandat absolvieren kann, wie ausgeglichen werden kann, dass man eine Vollzeitausbildung durchläuft und zusätzlich ein Halbtagsmandat hat. Es werden diverse andere Dinge angepasst. Dies ist sehr einvernehmlich im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss diskutiert worden und wird von allen Fraktionen so geteilt und eingebracht.

Es gab in der Debatte im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuss zwei politisch umstrittene Punkte. Einer hat uns bereits im Umfeld der letzten Wahl begleitet. Es ging darum, wie es mit der Inkompatibilität von Mitgliedern der Organe der Kammern aussieht. Der Kollege Röwekamp hat die Position vertreten, dass man es an einer ehrenamtlichen Tätigkeit festmachen könnte. Es sollte die Ausnahme eingeführt werden, dass eine ehrenamtliche Kammertätigkeit in Organen kompatibel sein soll.

Wir hatten damals mit der Mehrheit der anderen Fraktionen schon gesagt, nein, für uns kommt es darauf an, dass die Funktion der Organe zur Inkompatibilität und zum Interessengegensatz führen kann, und es kommt nicht darauf an, ob diese Tätigkeit entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Diese Position haben wir unter Wiederholung der eingangs gestellten Anträge erneut diskutiert – der Kollege Röwekamp hat noch einmal deutlich gemacht, dass es für ihn einen Unterschied macht –, doch wir haben uns mehrheitlich nicht überzeugen lassen.

Einig waren wir uns aber, dass wir die unbefriedigende Situation bei der Handwerkskammer, dass der ehrenamtliche Vorstand inkompatibel sei, der Hauptgeschäftsführer allerdings kompatibel sei, beseitigen wollten. Wir haben uns einvernehmlich darauf geeinigt, dass der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer wie alle anderen Organe und Geschäftsführer der anderen Kammern auch inkompatibel für die Mitwirkung in der Bürgerschaft sein soll. Die Begründung ist relativ einfach: Wenn ich ein Organ in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die auf einer Zwangsmitgliedschaft beruht, bin, kann ich nicht gleichzeitig Mitglied eines frei gewählten Parlaments sein, dann muss ich mich entscheiden. Das ist eine Entscheidung, die wir am Ende auch alle einvernehmlich tragen.

Der zweite Punkt ist ein etwas älterer Streitpunkt, den Sie auch im Bericht des Ausschusses finden! Da

bei geht es darum, wie denn eigentlich das Geld für die politische Arbeit der Fraktionen verteilt wird. Seit Beginn dieser Legislaturperiode geht ein Riss durch dieses Haus. Die SPD, die Grünen und die CDU sind einvernehmlich der Meinung, dass alle Leistungen, die für die Fraktionen gewährt werden – das sind die Fraktionsmittel, ein direkt bezahlter Fraktionsgeschäftsführer und die nach dem Gesetz bezahlten Funktionsstellen, sprich Faktionsvorsitzende und stellvertretende Fraktionsvorsitzende –, ein einheitlicher Sachverhalt sind, der gemeinsam betrachtet werden muss.

Es gibt eine Fraktion, die eine andere Position hat. Sie möchte jede dieser Funktionen separieren und einzeln betrachten und für sich optimieren. Die drei anderen Fraktionen haben eine andere Position. Daraus folgt nämlich, wenn man sich das einmal anschaut: Neben den Fraktionszuschüssen, um die es geht, neben der klar zu bezahlenden Stelle eines Fraktionsgeschäftsführers ist das weitere Verhältnis für Fraktionsstellen wie folgt: Die SPD-Fraktion hat vier bezahlte Funktionsstellen und 33 weitere Abgeordnete, die Grünen haben vier bezahlte Funktionsstellen und 18 weitere Abgeordnete, die CDU hat vier bezahlte Funktionsstellen und 17 weitere Abgeordnete. Auch bei den LINKEN gibt es vier bezahlte Funktionsstellen und zwei weitere Abgeordnete. Verflucht viele Häuptlinge für ziemlich wenig Indianer!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Wir alle – DIE LINKE natürlich nicht! – waren der Meinung, dass es im parlamentarischen Betrieb um die Herstellung der Waffengleichheit der Fraktionen gemessen an ihrer Größe geht. Selbstverständlich gebührt den Fraktionen, die sich in der Opposition befinden, ein Oppositionszuschlag, aber die Arbeitsfähigkeit von Fraktionen muss sich schon in ihrer Größe widerspiegeln.

Man könnte ja sagen, das Missverhältnis, das es bei den LINKEN gibt, beseitigen wir dadurch, dass wir das Gesetz ändern. Doch da haben wir alle übereinstimmend gesagt, das Gesetz können und wollen wir in der laufenden Legislaturperiode nicht ändern, weil es wenig kollegial gewesen wäre. Als sich die Fraktion DIE LINKE gebildet hat, galt dieses Gesetz, und darin stand: drei Funktionsstellen plus Geschäftsführer für eine Fraktion. Im Nachhinein jetzt dort einzugreifen und zu sagen, wir finden das ein bisschen unangemessen, hätten wir für ausgesprochen unkollegial gehalten.

Deshalb haben wir die Lösung gewählt, dass mit Beginn der nächsten Legislaturperiode die Waffengleichheit angenähert wird. Wir haben die Regelung gewählt, dass kleine Fraktionen nur noch eine bezahlte Funktionsstelle bekommen. In der Gesamtschau der direkten Fraktionsmittel plus der Bezahlung eines Fraktionsgeschäftsführers plus der bezahl

ten Funktionsstelle ist es ein kleiner Schritt dahin, die Waffengleichheit der Fraktionen herzustellen. Ich sage zum Abschluss, mir wäre viel daran gelegen, wenn wir das, was wir eigentlich fast schon im Konsens erreicht hatten, in der üblichen parlamentarischen Einigkeit organisiert bekämen. Wir waren ja schon sehr weit und hatten die Zusage der LINKEN, auf ihren zweiten Stellvertreter zu verzichten, wir hatten die Zusagen der Fraktionen der CDU, der Grünen und der SPD, einen Teil der ihnen zustehenden Fraktionsmittel in einen Topf zu werfen, sodass DIE LINKE kompensiert wird. Am Ende ist es leider daran gescheitert, und das finde ich bedauerlich, dass DIE LINKE und die CDU sich wegen 300 Euro im Monat nicht einigen konnten. Ich finde es schade. Jetzt bleibt uns nur noch übrig, für die nächste Legislaturperiode klare Verhältnisse zu schaffen. Das werden wir tun, indem wir dieses Gesetz heute verabschieden. – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Bernhard.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, dort befindet sich ein Riss! Ich finde es auch sehr bedauerlich, dass es ihn gibt. Aus unserer Sicht gibt es natürlich zwei Punkte, die uns sehr bedrücken und belasten, und ich finde, es hat nichts mit Waffengleichheit zu tun, auf die hier reflektiert wird. Ich bemühe mich, dies nicht weiter emotional zu sehen und mich nicht darüber aufzuregen, dass es heißt, wir würden nun fair behandelt et cetera. Es ist letztendlich sehr schwer, als kleinste Fraktion sämtliche Aufgaben wahrzunehmen. Wir haben es im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuss ziemlich deutlich erfahren können. Wir werden trotzdem konstruktiv an allem beteiligt, das ist richtig. Wir müssen aber auch deutlich sagen, dass wir bestimmten Belastungen ausgesetzt sind, die andere nicht haben. Das wird unseres Erachtens zu wenig reflektiert. Es ist nicht nur eine Frage des Geldes! Ich finde dies in diesem Zusammenhang fast ein wenig politisch-moralisch sekundär. Es darauf herunterzubrechen, dass es nur noch um 300 Euro ginge, über die wir uns streiten, ist geradezu lächerlich und bodenlos falsch!

(Beifall bei der LINKEN – Abg. T s c h ö - p e [SPD]: Um was?)

Ich würde es gern noch einmal im Einzelnen erörtern. Selbstverständlich ging es uns auch um den ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Sockelbetrag, der um mehr als die Hälfte reduziert worden ist, was für uns, um die reine Oppositionsarbeit einer Fraktion unabhängig von irgendwelchen Vorstandsgehältern zu realisieren, wirklich eine exorbitante Belastung ist. Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass wir nur einen Stellvertreter haben. Das ist gar nicht der Punkt, darüber können wir gern reden. Wenn wir uns aber anschauen, wie Ihre eigenen Vorgaben in der Vergangenheit gewesen sind, dann können Sie sich einfach wahnsinnig schwer daran erinnern, dass es bestimmte Regeln gab, die einmal abgesprochen waren.

Ich möchte die Klage vor dem Staatsgerichtshof zitieren, bei der die SPD mit der CDU belegt haben, warum sie unabhängig von der Anzahl der Abgeordneten ein dreiköpfiges Fraktionsführungsgremium benötigen. Sie haben es im Einzelnen detailliert aufgelistet. Der Staatsgerichtshof hat im Jahr 2004 festgestellt, „das entscheidende Charakteristikum der Bremischen Bürgerschaft (Landtag) ist, dass sie ein Teilzeitparlament ist und sich auch dezidiert so versteht. Diese Haltung hat die Bremischen Bürgerschaft stets eingenommen.“

Weiter heißt es: „In ihren schriftlichen und mündlichen Ausführungen haben die Antragsgegnerin und die beigetretenen Fraktionen überzeugend die Fülle der Aufgaben des Fraktionsvorsitzes dargestellt, deren effiziente, dem Gesamtwohl dienende Erledigung erkennbar über das Vermögen einer einzelnen Person (Fraktionsvorsitzender) hinausgeht, vielmehr den ganztägigen Einsatz zweier weiterer Personen (stellvertretende Fraktionsvorsitzende) erfordert.“ Ich frage Sie ernsthaft, warum das für Sie gilt, aber nicht für uns!

(Beifall bei der LINKEN)

Wo ist wirklich inhaltlich der Unterschied? Wo ist der Unterschied in der Belastung? Ich kann mich an ziemlich viele wolkige Worte am Anfang dieser Legislaturperiode erinnern, worin der Bedeutung der Opposition ein großer Stellenwert beigemessen wurde. Davon ist herzlich wenig zu spüren. Plötzlich gelten bestimmte Dinge, die letzte Woche, vorletzte Woche und vor ein paar Monaten noch gegolten haben, nicht mehr. Es hat immer wieder den Unterton, die Feststellung und die Auswirkung, dass wir in unserer Oppositionsarbeit nicht gleichwertig sind. Sie machen dies einzig und allein an der Zahl und nicht an den Aufgaben fest, die wir zu bewältigen haben. Das Gegenteil ist faktisch der Fall. Das, was wir tun müssen, ist sehr viel schwieriger. Ein Halbtagsparlament in unserer Oppositionsstärke wahrzunehmen, ist eine exorbitante Belastung.

Ich muss auch sagen, dass Sie das Gesetz einfach hier durchwinken wollten mit der Hybris der Zweidrittelmehrheit, finde ich auch nicht besonders nett.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Alle Fraktionen!)

Es war ja noch nicht einmal eine Debatte vorgesehen. Schön, dass wir sie jetzt zur zweiten Lesung haben! (Abg. T s c h ö p e [SPD]: Weil Ihr Vertre- ter im Ausschuss zugestimmt hat! Wir wol- len einmal bei der Wahrheit bleiben!)

Ich möchte noch einmal sagen: Auf Anregung des Fraktionsvorsitzenden der SPD! Es ist doch Tschöpokratie, was hier stattfindet.

(Abg. T s c h ö p e [SPD]: Was?)

Etwas anderes haben wir doch inzwischen nicht mehr. Tschöpokratie! Sie haben es ja letztendlich noch nicht einmal für nötig gehalten, sich auf dieses Staatsgerichtshofsurteil zu beziehen, es wird noch nicht einmal reflektiert. Ich finde es einfach richtig bitter, wenn das Ihr parlamentarisches Verständnis gegenüber Oppositionsarbeit ist.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie waren im Ausschuss dabei! Sie waren doch im Verfassungs- und Geschäfts- ordnungsausschuss dabei!)

Ja, natürlich war er dabei, aber ich kann doch hier einmal die Historie reflektieren, das steht mir frei.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sehr gern!)

Es geht um die einzige Frage, und auf die möchte ich eine Antwort haben: Warum ist die Arbeit, die ein Fraktionsvorstand zu leisten hat, abhängig von der Fraktionsstärke? Darauf hätte ich gern eine Antwort, und ich hoffe, dass es vielleicht noch in diesem Gremium passiert. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Röwekamp.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben alle unterschiedliche Stellen in der Entscheidung des Staatsgerichtshofs gefunden. Ich will Ihnen meine Lieblingsstelle nicht vorenthalten, sie lautet: „Gelingen kann unter den bestehenden Bedingungen die parlamentarische Arbeit nur durch die Tätigkeit der Fraktionen. Ihre Bedeutung für die parlamentarische Arbeit wird daher auch bereits von der Bremischen Landesverfassung und dem Bremischen Abgeordnetengesetz klar hervorgehoben. Für die Strukturierung der parlamentarischen Arbeit, für die Funktion des Parlaments schlechthin sind sie unentbehrlich; sie sind dessen maßgebliches politisches Gliederungselement. Ohne ihre Koordinierungs-, Integrations- und Kanalisie