Protokoll der Sitzung vom 22.02.2012

Wie sieht die Lage aus? Wir haben eine Anhörung im Rechtsausschuss durchgeführt, zu der sehr viele Opferhilfeorganisationen erschienen waren. Mich hat erschreckt, dass das Versorgungsamt selbst gesagt hat, dass 80 Prozent der hilfebedürftigen weiblichen Opfer von den bestehenden Hilfestrukturen nicht rechtzeitig erreicht würden. Wenn wir daran etwas ändern wollen, ist es, denke ich, Zeit zu handeln. In Bremen gibt es viele hervorragende Opferhilfeeinrichtungen, die wir angehört haben. Sie bieten für die Opfer von Straftaten eine Menge an, und ich kenne viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Organisationen persönlich und weiß, dass sie mit hohem persönlichem Engagement und mit vergleichsweise geringen finanziellen Mitteln dabei sind.

Wir müssen erreichen, dass wir die Opfer von Straftaten besser erreichen können, und in diesem Moment kommt für mich und für uns als CDU-Fraktion der Opferschutzbeauftragte ins Spiel. Er soll nicht die bestehenden Aufgaben der Opferhilfeeinrichtungen ersetzen, sondern er soll vernetzen, informieren und koordinieren. Er soll mit Opferhilfeeinrichtungen zusammenarbeiten und gemeinsam mit ihnen überlegen, wie kann man am besten Synergieeffekte schaffen, schneller, unbürokratischer und zugleich niedrigschwelliger arbeiten, sodass die Opfer nicht durch das bestehende Hilfesystem fallen. Wichtig ist, dass Hemmschwellen für die Opfer abgebaut werden. Viele haben eine Hemmschwelle, überhaupt erst einmal eine Strafanzeige zu erstatten. Wenn das Strafverfahren dann durchgeführt wird, wird es für viele Opfer umso schlimmer. Dann brauchen sie jemanden an ihrer Seite. Das muss gar nicht unbedingt ein Therapeut sein, denn viele wollen gar nicht erst in Therapie gehen, sondern sie wollen einfach eine Begleitung, auch das hat die Anhörung der Opferhilfeeinrichtung im Rechtsausschuss ergeben. Sie wollen jemanden, der sie an die Hand nimmt, der ihnen hilft, ein solches Verfahren durchzustehen. Wir brauchen gerade auch jemanden für die vielen Opfer von Menschenhandel oder Zwangsprostitution, die nach oder noch während des laufenden Strafverfahrens wieder in ihre Heimatländer zurückkehren und dann zum Prozess erneut anreisen müssen. Diese Opfer brauchen auch Unterstützung. Für viele ist es eine unüberwindbare Hürde, überhaupt erst einmal hierher zu kommen. Was wird dann aus dem Verfahren? Da bleibt dann häufig nur noch die Einstellung.

(Präsident W e b e r übernimmt wieder den Vorsitz.)

Auch der Aufenthalt von Opfern muss organisiert werden. Auch da stehen die Opfer häufig allein da, und da dürfen wir die Opfer nicht allein lassen! Wir haben von den Opferhilfeeinrichtungen gehört, dass hier teilweise sehr gute Hilfe geleistet wird, aber die Kapazitäten der Opferhilfeeinrichtungen reichen bei Weitem nicht aus. Wir brauchen jemanden, der professionelle Prozessbegleitung macht, der weitervermittelt einerseits an Opferhilfeeinrichtungen, aber andererseits gemeinsam mit dem Opfer Verfahren vorbereitet, auch nachbereitet und in dem Moment aufpasst, wenn es zu Problemen kommen könnte, da nämlich durch das Verfahren eine weitere Retraumatisierung der Opfer droht. Genau in so einem Fall kommt wieder der Opferschutzbeauftragte ins Spiel. Er kann nämlich eines machen, und das ist die Vorstellung, die wir haben, dass ein Opferschutzbeauftragter eine Koordinierung mit der Polizei, mit dem Opfer, aber auch mit den Gerichten vornimmt. Was ist denn häufig die Situation, wenn Opfer hierherkommen, zum Beispiel aus dem Ausland? Der einzige Bekannte, den das Opfer hier hat, ist nämlich der Täter! Wie häufig habe ich es schon

selbst erlebt, dass die Opfer dann entweder wieder zu dem Täter zurückgehen oder aber durch den Täter wieder beeinflusst werden. Opfer sind hier in einem Land, das für sie fremd ist, sie sprechen die Sprache vielleicht überhaupt nicht, sind über Monate einem solchen Verfahren ausgesetzt, werden über Monate immer wieder vernommen, auch das waren Umstände, die wir auch in der Zeitung haben lesen können. Ich finde, das ist für Opfer unerträglich, und wir sollten alles tun, was in unserer Macht steht, um solche zusätzlichen Belastungen für die Opfer von Straftaten zu vermeiden. Ich sagte bereits, dass die Opferhilfeeinrichtungen, die wir haben, auch Polizei und Justiz, nicht alles abdecken können, was erforderlich ist. Diese Aufgaben, die ich soeben genannt habe, nämlich die Anreise und den Aufenthalt zu organisieren, werden teilweise durch die Polizei schon übernommen. Polizei und Justiz geraten dann aber in eine zu große Nähe zu dem Opfer, und das gilt es zu vermeiden. Ein Opferschutzbeauftragter, den wir fordern, kann aber noch mehr, er kann nämlich den Opferschutzgedanken in der Aus- und Fortbildung von Polizei, Justiz und sozialen Einrichtungen aufrechterhalten. Er kann ein Multiplikator, eine Lobby, eine Stimme für das Opfer sein, und ich finde, das ist ganz wichtig, denn eine zentrale Stelle hat deutlich mehr Gewicht, um sich für die Interessen der Opfer einzusetzen, als wenn es jede einzelne Stelle für sich tut. Deswegen bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen, geben Sie den Opfern auch hier in Bremen eine Stimme, damit Opferschutz wieder im Vordergrund steht! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Peters-Rehwinkel.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich fange gleich damit an zu sagen, dass wir diesen Antrag der CDU ablehnen. Aus diesem Grund haben wir auch einen eigenen Antrag entwickelt, SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und DIE LINKE zusammen. Sicherlich gibt es sehr viele Opfer von Straftaten, das ist völlig unbenommen, viel zu viele, Opfer von Einbrüchen, sexueller Gewalt, häuslicher Gewalt, Prostitution und anderer, teilweise durch Freunde, Bekannte und sogar Familie. Das ist ein Feld, das überhaupt nicht zu unterschätzen ist. Diese Straftaten, die ein solches Opfer dann zu erdulden hat, haben Folgen, die für das gesamte Leben reichen. Daran gemessen muss sich natürlich sehr um Opfer von Straftaten und Gewalt gekümmert werden, nur sind wir der Ansicht, dass dies nicht in Form eines Opferschutzbeauftragten, einer staatlichen Opferschutzstelle er––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

folgen sollte, wie das jetzt von Ihnen von der CDU vorgeschlagen wird. Sie haben gesagt, wir hatten eine Anhörung im Rechtsausschuss, dort haben wir die Einrichtungen gehört, die ich auch gern noch einmal aufzählen möchte, wir haben hier wirklich ziemlich viele: Wir haben den Weißen Ring, Täter-Opfer-Ausgleich, Schattenriss, Notruf, wir haben diverse Frauenhäuser, das BBMeZ, das Jungenbüro, Verein „Neue Wege“, das Kinderschutzzentrum, das Mädchenhaus. Wir haben also für verschiedene Opfer verschiedene Einrichtungen, die sehr spezielle Angebote bieten. Meines Erachtens war das Ergebnis der Anhörung, dass die Einrichtungen einen hohen Bedarf sehen. Für diesen hohen Bedarf braucht man sicherlich auch Geld. Das ist ein Punkt, weswegen wir auch diesen Opferschutzbeauftragten ablehnen, weil er nämlich Geld kostet, das unseres Erachtens besser in den Einrichtungen aufgehoben ist, die es bisher schon gibt. Die Stärkung derer ist das, was wir vorrangig wichtig finden. Da wir dies hier im Land Bremen nicht allein tun können, ist uns daran gelegen, dass wir eine bundesgesetzliche Regelung schaffen, die es insgesamt möglich macht, Opfern einen staatlichen Anspruch zu geben, dass ihnen Hilfe gewährt wird, damit sie einen Anspruch geltend machen können, der ihnen als Opfer einer Straftat absolut zusteht, die in ihrem Leben sehr unter den Folgen zu leiden haben. Daher möchte ich Sie bitten, dass Sie diesem Antrag Ihre Unterstützung geben, wenn das gesamte Haus dies womöglich tut, wäre das wirklich gut. Dann würden wir nämlich alle den Opfern eine Stimme geben. Sosehr ich auch das Bemühen dahinter sehe, dass ein Opferschutzbeauftragter sehr viel machen könnte, das Hauptproblem besteht für mich darin, dass dort keine Schweigepflicht herrscht, weil es eine staatliche Stelle ist. Sobald diese Person Kenntnis von einer Straftat erlangt, muss natürlich dem Ganzen nachgegangen werden, und viele Opfer wollen keine Anzeige erstatten. Es sind auch nicht unbedingt viele gleich dazu bereit, sich therapieren zu lassen, da haben Sie recht. Beides ist, denke ich, eine Sache der freien Entscheidung. Wenn es eine staatliche Stelle gibt, dann kann diesem freien Willen überhaupt nicht entsprochen werden, das ist gar nicht möglich, sobald die Kenntnis einer Straftat vorhanden ist. Da werde ich kaum sagen können, das regeln wir jetzt sozusagen unter der Hand, ganz unbürokratisch. Deswegen halte ich es für sehr wichtig, diese Einrichtungen, die wir jetzt haben, zu stärken. Ich komme darauf zurück, wir wollen eine gesetzliche Regelung auf Bundesebene, hiermit möchte ich jetzt erst einmal schließen. Ich hoffe, dass wir die Zustimmung hierfür bekommen. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dogan.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst freue ich mich sehr, dass sich dieses Haus heute erneut mit den Rechten von Opfern beschäftigt. Der Schutz von Opferrechten ist für uns ein wichtiges Thema, deshalb haben wir auch im Rechtsausschuss im Dezember eine umfassende, aufschlussreiche Anhörung der bremischen Opferhilfeeinrichtungen durchgeführt, worauf meine Kollegin bereits hingewiesen hat. Rechte von Opfern werden in Deutschland auf vielfältige Weise gesetzlich geschützt, wenn auch nicht so weitgehend, wie wir Grüne uns das immer wünschen. Neben dem nach unserer Auffassung reformbedürftigen Opferentschädigungsgesetz wurde bereits unter Rot-Grün das Gewaltschutzgesetz verabschiedet. Seitdem muss das Opfer zum Beispiel nach einer Gewalttat nicht mehr die gemeinsame Wohnung verlassen, sondern der Täter. Diese gesetzlichen Regelungen sind sehr wichtig, sie ermöglichen meiner Meinung nach aber bei Weitem nicht das, was in den Hilfeeinrichtungen für von Gewalt betroffene Menschen geleistet wird. Der Rechtsausschuss hatte Gelegenheit, diesen Hilfeeinrichtungen zuzuhören, und ich muss sagen, ich war beeindruckt von dem, was dort häufig auch ehrenamtlich geleistet wird. Deshalb möchte ich unseren Dank und unsere Anerkennung für die Arbeit, die sie leisten, aus diesem Haus aussprechen!

(Beifall)

Ohne das Engagement dieser Einrichtungen wäre es um den Opferschutz in Bremen schlecht bestellt. Ich möchte nunmehr auf den Antrag von Frau Piontkowski und der CDU ein bisschen näher eingehen. Die CDU fordert in ihrem Antrag die Einrichtung einer Stelle eines Opferschutzbeauftragten in Bremen. Die Frage, ob es einen Bedarf für einen Opferschutzbeauftragten in Bremen gibt, wurde ebenfalls in der Anhörung vor dem Rechtsausschuss mit den Hilfeeinrichtungen diskutiert. Das Ergebnis war so eindeutig, dass ich mich wirklich wundere, dass Sie Ihren Antrag nach wie vor hier aufrechterhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Die angehörten Hilfeeinrichtungen sahen keinen Sinn in der Berufung eines Opferschutzbeauftragten, Frau Piontkowski!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Hilfeeinrichtungen sind hervorragend mit- und untereinander vernetzt, und nahezu jede der ange––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

hörten Einrichtungen hat daher angeregt, dass das für die Einsetzung eines solchen Beauftragten erforderliche Geld doch bitte sinnvoll zu verwenden sei. Darauf hat meine Kollegin Frau Peters-Rehwinkel bereits hingewiesen.

Wenn Sie, sehr geehrte Damen und Herren von der CDU, in Ihrem Antrag die Erforderlichkeit eines Opferschutzbeauftragten mit der Feststellung begründen, dass gerade Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution häufig während des Ermittlungsverfahrens in ihre Heimatländer zurückkehrten, so ist diese Feststellung richtig. Dies liegt aber, anders als von Ihnen behauptet, nicht daran, dass die Opfer keine Bezugspunkte zu Bremen hätten, sondern daran, dass es der Bundesregierung unter der Führung Ihrer Partei noch immer nicht gelungen ist, die Richtlinien des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels umzusetzen, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Betroffenen reisen keinesfalls freiwillig in ihre Heimat zurück, sondern werden zumeist ausgewiesen, da ihnen – anders als in der Richtlinie vorgesehen – kein Aufenthaltstitel gewährt wird. Daran, dass sie nach ihrer Abschiebung nicht mehr als Zeugen zur Verfügung stehen, wird auch kein Opferschutzbeauftragter etwas ändern können. Es gibt also überhaupt keine Begründung für die Einrichtung der Stelle eines Opferschutzbeauftragten. Deshalb werden wir Ihren Antrag heute ablehnen.

Der runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ der Bundesregierung formuliert als Ergebnis im Aktionsplan 2011, dass in Bezug auf die einheitliche finanzielle Absicherung von Beratungsangeboten vor Ort Handlungsbedarf gesehen werde. Opferrechte sind ein Grundrecht, und um dieses Grundrecht bundesweit gewährleisten zu können, ist eine verlässliche Finanzierung erforderlich, die der Bund gemeinsam mit den Ländern als staatliche Pflichtaufgabe auf jeden Fall garantieren muss. Um die Finanzierung von Hilfeeinrichtungen endlich bundesweit sicherzustellen, ist die Bundesregierung gefordert, schnellstmöglich ein Konzept vorzulegen. Inhalt eines solchen Konzepts muss dabei auch die gesetzliche Festschreibung eines Rechtsanspruchs auf Beratungshilfe sein.

Die Bundesregierung – das muss ich leider so sagen – ist bisher untätig geblieben, und deshalb fordern wir mit unserem Antrag den Senat auf, sich auf Bundesebene hierfür einzusetzen. Daher bitte ich Sie alle, unserem Antrag zuzustimmen! – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch mein Plädoyer geht dahin, den gemeinsamen Entwurf von SPD, den Grünen und der LINKEN hier zu verabschieden. Ich möchte das auch damit begründen, dass wir im Rechtsausschuss eine außergewöhnlich gute Anhörung gehabt haben. Frau Peters-Rehwinkel als Vorsitzende hat es soeben gut dargestellt, wir haben unheimlich viele Träger und Organisationen da gehabt, die vor Ort mit den Betroffenen arbeiten. Für uns ist der Opferschutz natürlich auch ein wichtiges Thema. Als Ergebnis der Diskussion und auch der Nachfragen durch uns ist deutlich geworden, dass das Problem nicht die Koordination von Hilfeleistungen ist, sondern generell die Finanzierung. Das war das, was eigentlich alle Beratungsstellen gesagt haben.

Sie haben gesagt, sie bieten Angebote an, und sie haben neue Angebote gemacht. Zum Beispiel hat die Online-Möglichkeit, dass sich Mädchen dahin wenden können, dazu geführt, dass der Bedarf tatsächlich größer geworden ist, weil das Angebot angenommen ist, und jetzt haben sie Schwierigkeiten, wie sie den gestiegenen Bedarf finanzieren sollen. Wir kennen ja alle die finanzielle Lage, und es scheint an vielen Stellen so zu sein, dass aufgrund des Angebots, wahrscheinlich aber auch wegen der größeren Aufmerksamkeit, die solche Themen heute haben, der Bedarf einfach steigt und die Mittel gleich bleiben. Da haben wir ein Problem.

Es wurde aber von allen deutlich gesagt: Wir sind optimal koordiniert und vernetzt. Diesen Eindruck haben wirklich alle versichert, und ich habe keinen Grund zu bezweifeln, dass dem so ist. Daher braucht es keine Koordinierungsstelle.

Im Gegenteil, die Träger und Organisationen haben die Befürchtung geäußert, dass so eine neue Opferschutzkoordination möglicherweise auf Kosten der Hilfeeinrichtungen geht, weil die CDU in ihrem Antrag auch keine Gegenfinanzierung dargestellt und geziegt hat, woher das Geld dafür kommen soll. Es wurde des Weiteren auch gesagt, wenn es eine Koordinierungsstelle gibt, aber die Hilfe selbst nicht aufgestockt wird, dann führt das im Endeffekt nur zu längeren Wartezeiten. Sie sagen, wir sind gut genug koordiniert, wir können das bearbeiten, wenn das jetzt noch besser koordiniert wird, dann werden die Wartezeiten einfach länger, wenn die Mittel nicht aufgestockt werden, und das ist ja nicht zu erwarten.

Daher finden wir als DIE LINKE den Antrag, den SPD und Grüne gemacht haben, in dem zumindest festgestellt wird – und das finden wir auch sehr positiv –, dass es eigentlich einen größeren Mittelbedarf in diesem Bereich gibt, dass das den Ländern aber nicht allein überlassen werden kann, in Ordnung. Deshalb finden wir die Bundesratsinitiative die folgerichtige Maßnahme und unterstützen das hiermit. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Wir würden die CDU noch einmal bitten, darüber nachzudenken, vielleicht doch einen gemeinsamen Antrag des gesamten Hauses daraus zu machen. Im Sinne der Opfer wäre das sehr gut. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN und beim Bünd- nis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Piontkowski.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es doch schon einigermaßen erstaunlich, wie gerade vonseiten der Grünen hier auf die Bundesregierung geschimpft wurde. Ich sage Ihnen eines: Kehren Sie erst einmal vor Ihrer eigenen Haustür! Ich möchte auf die Anhörung im Rechtsausschuss zu sprechen kommen. Ich habe mir das Protokoll sehr genau angesehen und habe festgestellt, wo der Bedarf in Bremen ist und wo etwas im Argen liegt. Die Betreuung und eine Anlaufstelle für Mädchen ab 18 Jahren fehlt. Die Sicherstellung des Online-Angebots für die Beratung ist nicht gewährleistet. Angebote für ältere Menschen, sowohl für Männer als auch für Frauen, sind nicht ausreichend vorhanden. Es fehlt eine qualifizierte Begleitung, die sich nicht in einer Beratung erschöpft. Es besteht gerade für Opfer von Menschenhandel der Wunsch, noch zusätzlich Streetwork zu machen, das heißt, dahin zu gehen, wo die Opfer tatsächlich sind, um eben ein niedrigschwelliges Angebot zu haben. Es müsste eine Verbesserung der Unterbringung von Opfern stattfinden. Viele Opfer möchten nämlich nicht unbedingt immer in ein Frauenhaus, manchmal passt das auch nicht, das haben wir auch gehört, gerade bei Opfern von Menschenhandel. Viele wollen nicht in ein Zeugenschutzprogramm, da muss es Alternativen geben. Eine Verbesserung der Prävention ist aus Kapazitätsgründen für viele Opferhilfeeinrichtungen nicht möglich, auch das haben wir gehört. Ich kann Ihnen die Protokollstellen alle mit Seitenzahl nennen. Maßnahmen zur Verfahrenssicherung vor Gericht sind erforderlich, auch das wurde mitgeteilt. Es fehlt an Angeboten für die Begleitung gerade von psychisch Kranken. Die Finanzierungsprobleme wurden allgemein schon angesprochen, auch das teile ich. Es fehlen Angebote in der Täterberatung. Es fehlen Angebote für Migranten, für kostenlose Dolmetscher. Auch die aufenthaltsrechtliche Situation ist problematisch, das gebe ich zu, ja. Es fehlt an Fortbildungsmöglichkeiten, und – aber das ist auch gesagt worden – es fehlt an Informationen und Koordinierung. Das ist gesagt worden, ich kann Ihnen die Protokollstellen nennen, das können wir gern nach der Sitzung machen.

(Abg. Frau K r ü m p f e r [SPD]: Das wol- len wir gar nicht!)

Schade, dass Sie das nicht wollen! Wir haben hier das Opferentschädigungsgesetz in der letzten Sitzung besprochen und haben gemeinsam für eine Verbesserung des Opferentschädigungsgesetzes im Bereich von Stalking gestimmt. Das, finde ich, ist schon einmal sehr gut, dass wir das hinbekommen haben, letzten Endes übrigens auf Initiative der CDU, auch wenn Sie einen eigenen Antrag gemacht haben.

Wenn aber dieses Opferentschädigungsgesetz – wie das Versorgungsamt gesagt hat – kaum einer kennt oder wenn die Opfer Probleme haben, Anträge nach dem Opferentschädigungsgesetz auszufüllen, weil ihnen das Verfahren zu bürokratisch ist, weil sie damit nicht klarkommen, dann müssen wir doch überlegen, wie wir die Opfer besser erreichen können. Die Opferhilfeeinrichtungen haben auch gesagt, dass sie mit ihren Angeboten teilweise gar nicht mehr werben – das ist gesagt worden, lesen Sie es nach, das Protokoll ist ziemlich umfangreich, es kostet richtig viel Zeit, das durchzulesen –, dass viele sich gar nicht trauen, mit ihren guten Angeboten zu werben, weil sie die Kapazitäten gar nicht haben und dann den Bedarf gar nicht befriedigen können.

(Abg. Frau G r o t h e e r [SPD]: Dann brau- chen wir keinen Opferschutzbeauftragten, sondern Opferhilfe!)

All das befürchten die Opfer. Ich finde, da muss man auch einmal sehen, wo hier in Bremen Etliches im Argen liegt. Da kommt wiederum unser Opferschutzbeauftragter ins Spiel, denn so jemand kann sich dafür einsetzen, dass da endlich etwas passiert. Jede Einrichtung für sich kann das meines Erachtens nicht in einem ausreichenden Ausmaß.

(Abg. Frau D o g a n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Keiner will den!)

Es gibt Beispiele, bei denen es geht. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so sperren, möglicherweise weil es ein CDU-Antrag ist. Es gibt aber Beispiele in anderen Bundesländern, und es gibt Beispiele im europäischen Ausland. Gehen wir zum Beispiel nach Österreich! Da gibt es so etwas wie eine psychosoziale Prozessbegleitung, die ist da etwas anders angesiedelt, die ist bei Opferhilfeeinrichtungen angesiedelt. Über solche Modelle kann man auch nachdenken, man muss hier ja erst einmal ein Modell vorschlagen.

Es gibt ein anderes Modell in Niedersachsen. Da gibt es die Stiftung „Opferhilfe“, sie ist mit einer Million Euro Startkapital ausgestattet und betreibt Opferhilfebüros an elf verschiedenen Stellen. Auch das ist eine Möglichkeit, wie man Opferhilfe organisieren kann. Die Bedarfe aber, die da genannt werden, und die Art und Weise, wie mit Opfern umgegangen wird, das geht in eine Richtung, die ich Ihnen vorhin skizziert habe, nämlich dass Opfer eine Begleitung

brauchen, jemanden, der sie letzten Endes an die Hand nimmt.

Was Sie gesagt haben – jetzt möchte ich auf Ihren Antrag, Frau Dogan und Frau Peters-Rehwinkel, und auch von den LINKEN zurückkommen –, ist ja nicht verkehrt.

(Abg. Frau D o g a n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Dann stimmen Sie zu!)

Machen wir auch! Ja, das ist doch einmal etwas! Ich sage aber, man kann nicht sämtliche Probleme auf die Bundesebene schieben, sondern man muss in Bremen auch vor der eigenen Haustür kehren. Was Sie in Ihrem Antrag fordern, ist ja nicht die Erfindung des Ei des Kolumbus.

(Abg. Frau H o c h [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das haben wir auch nicht gesagt!)

Es gibt bereits eine Richtlinie der Europäischen Kommission, die im Werden begriffen ist, in der genau das steht, nämlich die Forderung nach Unterstützung von Opferhilfeeinrichtungen, nach einem kostenlosen Opferservice für die Opfer, damit sie eine kostenlose Beratung bekommen. All das steht darin. Die Bundesregierung hat auch schon Etliches getan, denken Sie nur an das Opfernottelefon, was im Jahr 2013 eingerichtet werden wird, denken Sie an die ganzen Ergebnisse aus dem runden Tisch! Sie haben sie selbst zitiert, teilweise haben Sie es nicht ganz richtig zitiert, was in dem Papier steht. Es ist ja aber egal.

Alles, was dem Opferschutz dient, wird von der CDU selbstverständlich mitgetragen. Insofern macht das Sinn, was Sie sagen. Wenn Sie sich dafür einsetzen, dann kämpfen Sie dafür, wir kämpfen gern gemeinsam! Wir halten aber natürlich auch an unserem Antrag fest, weil wir meinen, dass jemand, der sich um die Belange der Opfer kümmert, wichtig ist. Wir wollen, dass die Opfer eine Stimme haben, deswegen werben wir für unseren Antrag.

(Beifall bei der SPD)