Es kann nicht sein, dass Menschen, die hier leben, zum Wohlstand beitragen, ihre Kinder und Enkelkinder in Kindergärten und Schulen schicken, auch zur Mitwirkung am Staat und an der Gesellschaft aufgerufen werden, dann aber keinerlei Einfluss auf die Entscheidungen haben, die ihr Lebensumfeld, ihre Wohnquartiere und deren Einrichtungen prägen. Das, finde ich, können wir nicht so weitermachen.
Diese Regelungen sind in vielen europäischen Ländern, wie beispielsweise bei unseren Nachbarn Niederlande und Polen, das sind wirklich nur Beispiele, bewährter Alltag. Das Beispiel Niederlande: Diese Regelungen werden nicht einmal von Herrn Wilders infrage gestellt, das ist einfach gelebte politische Alltagskultur. Deswegen fordern auch regelmäßig die europäischen Organe wie das Europäische Parlament, aber auch gerade vor nicht langer Zeit der Ausschuss der Regionen, in dem Bremen aktiv mitarbeitet, alle Mitgliedsstaaten auf, hier nachzuziehen, und das wollen wir auch machen.
Ich habe nun mit Interesse gelesen – ich bin auf den Beitrag gespannt –, dass einige in der CDU der Debatte durch Flucht nach vorn gern ausweichen möchten, indem sie sagen, die Ausweitung des Wahlrechts ist eigentlich überflüssig, wenn wir durch die Duldung doppelter Staatsbürgerschaft die Einbürgerung fördern. Wir sagen: Nur zu, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU! Das wollen wir schon seit Langem, und wenn Frau Merkel hier ihre nächste Kehrtwende machen sollte, würden wir uns freuen.
Es wird aber auch nicht die Besonderheit europäischer Gesellschaften auflösen, dass Menschen neue Heimaten finden, ohne alte Bindungen endgültig aufgeben zu wollen, aber natürlich, wenn sie hier sind, trotzdem mitarbeiten und -gestalten wollen.
In der politischen Bewertung unseres Vorhabens bin ich mir ganz sicher, wir wollen es ausformulieren und dadurch die erneute verfassungsrechtliche Bewertung herbeiführen – ich bin wie Herr Tschöpe überzeugt davon, mit guten Aussichten auf Erfolg –, weil der Kern der Dinge ist, die Wirklichkeit hat sich geändert. Sie müssen nicht glauben, dass die Entscheidung der Juristen von 1990 nicht auch Ausdruck der damaligen realen Situation und ihrer kulturellen Widerspiegelung war. Die Dinge haben sich geändert, ich bin sicher, auch Verfassungsrechtler denken heute anders, wir stellen uns dieser Überprüfung, und auf diese Arbeit freue ich mich. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Bereits im ersten Semester des Studiums der Politikwissenschaften lernt man zur Genüge, dass das Recht zu wählen in einem repräsentativen demokratischen System das wesentliche Teilhaberecht der Bürgerinnen und Bürger darstellt. Man lernt zudem, dass es nicht selbstverständlich ist, das hohe Gut von freien, allgemeinen, geheimen und unmittelbaren Wahlen als Partizipationsrecht genießen zu dürfen.
Sie, die Regierungskoalition, sprechen von dem Wahlrecht in dem uns heute vorliegenden Antrag zur Ausweitung des Wahlrechts zu Recht vom Herzstück der parlamentarischen Demokratie. Der herausragende Stellenwert von freien und allgemeinen Wahlen erklärt sich vor allem dadurch, dass das Wahlrecht das Instrument schlechthin ist, worüber die Bevölkerung in gleicher Weise politisch partizipiert und dementsprechend angemessen ihre Volkssouveränität gemäß Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes praktisch ausüben kann. Das Wahlrecht ist und bleibt Kernstück unserer repräsentativen Demokratie und ist mit dem Begriff der Demokratie unweigerlich verbunden.
(Beifall bei der CDU) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Neben verschiedenen Anforderungen an das Wahlrecht und verschiedenen Funktionen, die Wahlen in unserem demokratischen System und Rechtsstaat erfüllen müssen, besteht besonders auf Landes- und Kommunalebenen für die Ausgestaltung des Wahlrechts ein gewisser Spielraum. Das jüngste Beispiel hierfür ist die komplette Novellierung des Bremischen Wahlgesetzes von 2007 und 2009 durch die Herabsenkung des Alters, was schon genannt wurde. Jedoch ist es auch so, dass man beispielsweise im Laufe des politikwissenschaftlichen und rechtswissenschaftlichen Studiums auch lernt, dass die Gestaltungsfreiheit des Wahlrechts durch den Landesgesetzgeber in gewissen Angelegenheiten an seine verfassungsrechtliche Grenze stößt. Das unmittelbare Ziel des uns heute vorliegenden Antrags scheint diese verfassungsrechtliche Grenze nicht nur zu berühren, sondern sie auch zu überschreiten. (Beifall bei der CDU)
Ihr Ziel ist es, das Wahlrecht in Kommunen und im Land Bremen an die veränderte Gesellschaftsstruktur unseres Landes anzupassen und Mitbürgern ohne deutsche Staatsangehörigkeit beziehungsweise Unionsbürgern mehr politische Teilhaberechte in Form des Wahlrechts auf Beiräte- beziehungsweise Landesebene zu ermöglichen. Diesen Vorstoß haben in der Vergangenheit schon andere Bundesländer innerhalb der kommunalen Ebene gewagt. Die Stadt Bremen selbst wollte vor über 20 Jahren auf der Ebene der Beiräte das aktive und passive Wahlrecht für Mitbürger ohne deutsche Staatsbürgerschaft umsetzen.
Jedoch, ich glaube, das wissen Sie, konnte keiner dieser Versuche aufrechterhalten oder erfolgreich umgesetzt werden, da das Bundesverfassungsgericht, wie jetzt auch schon von meinen Vorrednern erwähnt wurde, und im Fall Bremen der Staatsgerichtshof bereits die neuen Regelungen zur Ausweitung des Wahlrechts für nichtig erklärt haben.
Der erste Satz in Artikel 28 Absatz 1 des Grundgesetzes definiert das sogenannte Homogenitätsgebot. Das bedeutet, dass die verfassungsgemäße Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes entsprechen muss.
Zu diesen Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaats zählt gemäß Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes auch das Instrument der Wahlen. Dementsprechend ist es nicht möglich, die verfassungsge
mäße Ordnung der Länder dahingehend zu ändern, dass sie den Grundsätzen des Grundgesetzes nicht mehr entspricht. Zudem sind die Grundsätze unseres demokratischen Rechtsstaats, wie sie in Artikel 1 und in Artikel 20 des Grundgesetzes festgeschrieben sind, durch die sogenannte Ewigkeitsgarantie aus dem Artikel 79 Absatz 3, woraus sie sich ableiten lässt, besonders geschützt. Somit ist es der Legislative der Länder faktisch verwehrt, das Wahlrecht dahingehend auszugestalten, dass es nicht mehr den im Grundgesetz festgeschriebenen Grundsätzen des demokratischen Rechtsstaates entspricht.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 1990 festgestellt, dass das schleswig-holsteinische Gesetz – vielleicht hören Sie mir zu, Herr Dr. Kuhn, dann können Sie noch etwas lernen –
zur Änderung des kommunalen Wahlrechts von 1989 mit Artikel 28 Absatz 1 unvereinbar und somit nichtig ist. In seiner Urteilsverkündung stellt das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich fest, dass es dem Landesgesetzgeber verwehrt ist, Mitbürgern ohne deutsche Staatsangehörigkeit das Wahlrecht auf kommunaler Ebene einzuräumen.
In diesem Urteil nahm sich das Bundesverfassungsgericht der Klärung der Frage eindrucksvoll an, wie das Volk, von dem im Grundgesetz so oft die Rede ist, zusammengesetzt ist und wer das Volk der Bundesrepublik Deutschland konstituiert. Das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland sind gemäß Grundgesetz und nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts alle deutschen Staatsangehörigen und alle in Artikel 116 des Grundgesetzes ihnen gleichgestellten Personen.
(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Für die EU-Bürger gibt es schon eine Ausnahme! Dann kann es ja so schlimm nicht sein!)
Richtig, dazu komme ich gleich, danke, Herr Dr. Güldner! Somit wird die Staatsangehörigkeit zur rechtlichen Voraussetzung für staatsbürgerliche Pflichten und vor allem für die damit verbundenen staatsbürgerlichen Rechte, durch deren Ausübung die Staatsgewalt in unserer Demokratie ihre Legitimation erfährt. Gemäß Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist also die Eigenschaft als Deutscher nach Konzeption des Grundgesetzes der Anknüpfungspunkt für die Zugehörigkeit zum Volk als Träger der Staatsgewalt. Dementsprechend setzt das Bundesverfassungsrecht auch für das Wahlrecht diese Eigenschaft voraus.
Das Bundesverfassungsgericht stellt hierbei fest, dass die Zusammensetzung des Volkes durch den Gesetzgeber durchaus veränderbar sein kann. Entscheidend, insbesondere für die heutige Debatte, ist hierbei jedoch die Tatsche, dass diese Veränderung lediglich auf der Ebene des Bundes in Form einer Grundgesetzänderung vollzogen werden kann. Ein Beispiel dafür ist – was jetzt auch schon öfter kam – der ausdrückliche Ausnahmetatbestand, der 1992 in Artikel 28 Absatz 1 im dritten Satz eingefügt worden ist. Seitdem besitzen Mitbürger, die Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, das kommunale Wahlrecht. Hier privilegiert das Grundgesetz ausdrücklich die Unionsbürger, die in einem EU-Land ihre Staatszugehörigkeit haben.
Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1990 liegt die Vorstellung zugrunde, dass es der demokratischen Idee entspräche, die Kongruenz zwischen den Inhabern politischer Rechte und den dauerhaft einer bestimmten Staatsgewalt Unterworfenen herzustellen. Auch in den Bundesländern und den ihnen untergliederten Kreisen und Gemeinden kann die Staatsgewalt gemäß Artikel 20 Absatz 2 und Artikel 28 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz nur von denjenigen getragen werden, die Deutsche im Sinne von Artikel 116 Grundgesetz oder auf dem kommunalen Gebiet Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der EU sind.
Das Bundesverfassungsgericht stellt somit die Einheitlichkeit der demokratischen Legitimationsgrundlage im Staatsaufbau sicher, sodass es den Landesgesetzgebern aufgrund der Bestimmungen in Artikel 28 nicht möglich ist, eine neue Legitimationsgrundlage im Staatsaufbau der Länder und den ihnen untergliederten Gemeinden zu konstruieren und somit Regelungen gegen geltendes Verfassungsrecht zu erlassen. (Beifall bei der CDU)
Letztendlich verneint das Bundesverfassungsgericht die Zugänglichkeit des Landesgesetzgebers bezüglich der Änderung der Beschränkung des Kreises der Wahlberechtigten und schließt die Ausdehnung des Wahlrechts durch den Landesgesetzgeber in dieser Form kategorisch aus. Tatsächlich – das wurde auch schon genannt – sind 60 000 Menschen in unserem Bundesland vom Wahlrecht ausgeschlossen und weitere 20 000 Unionsbürger, die lediglich auf kommunaler Ebene wählen dürfen.
In Ihrem Antrag sprechen Sie davon, dass durch die 1992 durchgeführte Grundrechtsänderung hin zum Wahlrecht für EU-Ausländer auf kommunaler Ebene das Wahlrecht längst nicht mehr ausschließlich an die Volkszugehörigkeit gebunden ist. Dem ist aber faktisch nicht so, und wir sehen es als problematisch an, dass Sie diesen Eindruck vermitteln. Gerade durch die Volkszugehörigkeit dieser Menschen erlangen sie innerhalb der Europäischen Union eine weitere Eigenschaft, und zwar die der Unionsbürgerschaft. Ohne ihre jeweilige Volkszugehörigkeit wäre
es ihnen dementsprechend gar nicht möglich, die Unionsbürgerschaft und somit das kommunale Wahlrecht hier in der Bundesrepublik Deutschland zu erlangen. Das Grundgesetz und das Bundesverfassungsgericht legen sich hiermit eindeutig fest, welche Eigenschaft man zur Ausübung des Wahlrechts besitzen muss, nämlich die Eigenschaft, deutsch beziehungsweise – auf kommunaler Ebene – Unionsbürger zu sein. Ich stelle es Ihnen aber natürlich völlig frei, das kann man politisch gut oder schlecht finden. Entscheidend ist jedoch lediglich, und darauf kommt es mir an, dass man als Landesgesetzgeber diese Festlegung nicht ändern und vor allem nicht dagegen verstoßen darf oder sollte. Deshalb sehen wir es als CDUFraktion auch als äußerst problematisch an, dass Sie in Ihrem Antrag die Ausweitung des Wahlrechts zum integrationspolitischen Instrument machen wollen beziehungsweise dass die politische Aufgabe der Integration die verfassungspolitische Überprüfung des bestehenden Wahlrechts begründen soll. Ich weiß nicht, ob Sie sich im Klaren darüber sind, was Sie damit auslösen, aber aufgrund der nahezu aussichtslosen Lage in Hinsicht auf eine derartige Ausweitung des Wahlrechts, besonders vor dem Hintergrund der hierzu vorhandenen einschlägigen Rechtsprechung, wecken Sie bei den Betroffenen meiner Meinung nach völlig falsche Hoffnungen.
Die einzige Möglichkeit, das Wahlrecht ausüben zu dürfen, ist und bleibt in ungewissem Zeitraum zunächst die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft.
Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Lage kann die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft mit der Folge der Erlangung aller politischen Teilhaberechte und -pflichten eine Möglichkeit einer gelungenen Integration sein. Man darf aber zugleich die Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft nicht zwangsweise als den Schlusspunkt einer gelungenen Integration ansehen. Dennoch impliziert die Erlangung –
ich bin sofort fertig – der Staatsbürgerschaft in keinem Fall, dass Menschen dadurch ihre ursprüngliche Herkunft und ihre Wurzeln ablegen oder gar vergessen müssen. Dies unterstellen Sie jedoch in Ihrem Antrag. Ich möchte allerdings auch keine integrationspolitische Debatte führen. Letztendlich können wir als CDU-Fraktion nichts anderes feststellen, als dass Ihr Antrag inhaltlich leider völlig ins Leere läuft, da die Umsetzung dieser Form
der Ausweitung des Wahlrechts der verfassungsgemäßen Ordnung unseres Landes, zu der auch das Wahlrecht und die Definition, wer Träger des Wahlrechts ist, gehören, nicht entsprechen würde. Folglich ist es ebenso problematisch, dass Sie die Arbeit des Ausschusses nicht ergebnisoffen lassen, sondern schon in Ihrem Antrag vorwegnehmen.
Deswegen und aufgrund unserer verfassungsrechtlichen Bedenken ist es uns nicht möglich, inhaltlich Ihrem Antrag zuzustimmen. Dennoch wollen wir uns als CDU-Fraktion natürlich nicht verwehren, in diesem Ausschuss mitzuarbeiten und mitzuwirken, sodass wir bei aller inhaltlicher Kritik ebenso wenig den Ausschuss ablehnen, uns aber enthalten werden. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ja schon erklärt, dass wir die Erweiterung des Wahlrechts im Sinne von mehr politischer Teilhabe aller hier lebenden Menschen unterstützen. Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben schon gesagt, worum es geht: um die Ausweitung des Wahlrechts auf die Bremerinnen und Bremer, die keinen deutschen Pass besitzen. Das sind, wie schon gesagt, 80 000 Menschen oder zwölf Prozent der bremischen Bevölkerung. 22 000 Menschen sind Staatsbürger eines anderen europäischen Staates und dürfen immerhin die Stadtbürgerschaft und die Beiräte mitwählen und sich zur Wahl stellen.
Die fast 60 000 Bremerinnen und Bremer mit einer anderen Staatsangehörigkeit haben keinerlei Wahlrecht. Die größte Gruppe unter ihnen sind türkische Staatsangehörige, die in vielen Fällen schon in der zweiten oder dritten Generation hier leben. Diese Menschen, die jahre- oder jahrzehntelang hier leben, arbeiten, Steuern zahlen und am sozialen Leben der Städte teilnehmen, machen ein Zehntel der gesamten Bremer Bevölkerung aus. Sie können trotzdem nicht politisch partizipieren, obwohl sie von den politischen Entscheidungen direkt betroffen sind. Das wird weder Ansprüchen einer Einwanderungsgesellschaft noch demokratischen Prinzipien gerecht.
Es ist ein demokratischer Grundsatz, dass derjenige, der Staatsgewalt ausgesetzt ist, auch eine Wahlberechtigung haben sollte. So erhöht sich die basisdemokratische Legitimation der politischen Repräsentanten. Demokratie heißt Herrschaft des Volkes. Die Gesellschaft ist der Souverän und sollte daher auch in allen Facetten ihre Volksvertreter wählen. Hier sind wir aber schon bei dem ersten Knackpunkt angelangt: Wer ist das Volk? Die Damen und Herren der CDU ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
vertreten da eine tendenziell eher – sagen wir einmal – traditionelle Auffassung. Es gibt in dieser Vorstellung die richtigen Deutschen, die hier geboren sind und ihre Eltern und Großeltern auch, dann gibt es die Deutschen, die nicht so richtig deutsch, aber eingebürgert sind. Das sind dann die erfolgreichen Integrationsbeispiele, denn die haben sich ja in unser Staatsvolk integriert.
Dann gibt es noch die Ausländer erster und zweiter Klasse. Die erste Klasse sind die EU-Staatsangehörige, die dürfen ruhig partizipieren. Die Drittstaatenangehörige aber sollen draußen bleiben, sie gehören nicht dazu. Der Integrationsbeauftragte des CDU-Landesverbands hat das Thema Wahlrecht mit der doppelten Staatsbürgerschaft vermischt. Er hat sich gegen die Optionspflicht ausgesprochen, weil sich dann vielleicht mehr Menschen für den deutschen Pass entscheiden und dann auch wählen dürfen. Auch er bindet also – wie meine Kollegen Frau Häsler gesagt hat – das Wahlrecht an die deutsche Staatsangehörigkeit.
Wir befürworten ein Wahlrecht, das unabhängig von der Staatsbürgerschaft ist. Nur so wird einer multikulturellen Gesellschaft Rechnung getragen. Obwohl der Gedankengang des CDU-Integrationsbeauftragten nicht besonders fortschrittlich war, hat er trotzdem gleich von der Jungen Union einen auf den Deckel bekommen. Dies ist wohl auch auf die Position von Herrn Roland Koch zurückzuführen. Wie uns aber der Kampf um demokratische Rechte lehrt, werden auch Betonköpfe irgendwann bekehrt.
Der Kampf um demokratische Rechte ist ja ein langer Kampf. Er dauert an, seitdem die Demokratie vor über 3 000 Jahren erfunden wurde. Die politische Mitbestimmung war lange Zeit ein exklusives Recht, das in der Antike nur bestimmten Bevölkerungsgruppen zustand. Im Mittelalter war das Wahlrecht an Freiheit, Besitz und Abstammung geknüpft. Frauen durften erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts an die Urnen und das auch bei Weitem nicht überall. In der Schweiz durften Frauen erst 1971 wählen, in einigen Kantonen erst 1990, also erst seit etwas mehr als 20 Jahren.
Diese Exklusivität, dass das Wahlrecht nur bestimmten Menschen vorbehalten ist, hat also leider Geschichte, und die Geschichte wird fortgeschrieben, besonders in Deutschland. Im gesamten Bundesgebiet leben 6,7 Millionen Menschen, die nicht deutsche Staatsangehörige sind. 4,3 Millionen Menschen sind auch keine EU-Staatsbürger, sie halten sich aber durchschnittlich seit circa 18 Jahren in Deutschland auf, sie haben also seit langer Zeit ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland. In 16 EU-Staaten gibt es schon ein kommunales Wahlrecht auch für außereuropäische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger.