Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 26. März 2009, fast auf den Tag genau vor drei Jahren, trat die Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft. Es geht in dieser Konvention um die umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderung am gesellschaftlichen Leben. Es geht hier aber noch um mehr. Es geht darum, dass jeder einzelne Mensch alle anderen als gleich wertvoll achten sollte. Es ist dabei egal, ob andere anders sind, denn letztlich ist jeder Mensch irgendwie anders.
Viele Bundesländer haben seit 2009 schon einen eigenen Aktionsplan erarbeitet. Dieser soll die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention vor Ort zielführend ermöglichen. Wer sich zum Thema Aktionsplan zur Behindertenrechtskonvention in Bremen im Internet umsieht, der wird feststellen, dass die Notwendigkeit eines solchen Planes schon lange erkannt, diskutiert und auch nie angezweifelt wurde.
Ich weiß, dass viele Menschen sich sehr darüber freuen, dass es nun anfängt. Es ist, als wenn man ein nett verpacktes Geschenk, das man lange Zeit von allen Seiten bestaunt hat, endlich auspacken darf. Allerdings wird jeder Beteiligte feststellen, dass er ein Puzzle ausgepackt, eines mit sehr vielen Teilen. Es wird nicht leicht, dieses Puzzle zusammenzusetzen. Ich bin aber der Überzeugung, dass wir mit Herrn Dr. Steinbrück, unserem Landesbehindertenbeauftragten, einen versierten Fachmann gefunden haben, der die Arbeitsgruppe, die den Plan für Bremen erarbeiten soll, leiten wird.
Er hat sich schon viele Gedanken zu diesem Thema gemacht und wichtige Handlungsfelder benannt. Einige möchte ich hier nennen wie zum Beispiel Arbeit und Beschäftigung, Mobilität, Bauen und Wohnen, Kultur und Freizeit, Gesundheit, Ehe und Familie, Bildung, und es gibt noch vieles mehr. Besonders zu erwähnen, weil die Koalition hierzu noch einen gesonderten Antrag gestellt hat, ist auch das Bremische Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten. Dieses Gesetz muss natürlich auch mit Blick auf die Behindertenrechtskonvention auf den Prüfstand, so wie wir das auch deutlich in dem uns jetzt gerade vorliegenden Antrag aufgegriffen haben.
Übergeordnet über alle Handlungsfelder gibt es dann noch Themen, die in allen Bereichen gleichermaßen bedacht werden müssen, zum Beispiel selbstbestimmtes Leben. Jeder Mensch sollte Wahlmöglichkeiten zur Lebensgestaltung haben. Es geht unter anderem um Barrierefreiheit, Gleichstellung, Assistenzbedarf und auch Migration. Sollte bei der Erarbeitung des Bremer Aktionsplans erkennbar werden, dass Herr Dr. Steinbrück aufgrund der dadurch an
fallenden Mehrarbeit Unterstützung bräuchte, dann gehen wir davon aus, dass er diese vom Sozialressort im Zuge der Amtshilfe auch bekommt. Selbst nach der Fertigstellung muss der Plan sicher immer wieder einmal überprüft und auch ergänzt werden. Es sollte nun aber auch niemand denken, dass wir in Bremen erst jetzt mit Gründung dieser Arbeitsgruppe anfangen, die Inhalte der Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Im Bereich Schule ist ja auch schon eine ganze Menge passiert.
Alle, die sich mit diesem Thema in den letzten Jahren auseinandergesetzt haben, haben eigentlich auch schon mit der Umsetzung begonnen, und wenn es nur im Denken ist. Auf dem richtigen Weg sind die, die festgestellt haben, dass es falsch ist zu glauben, dass Menschen mit Behinderung dazu verurteilt sind, ihre Bedürfnisse immer und immer wieder hinter die der anderen zurückzustellen. Die Schaffung der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben muss gesellschaftlich und politisch gewollt und gestützt und durchgesetzt werden.
Ich kann mir übrigens nicht vorstellen, dass solch ein Plan ohne die Beteiligung Betroffener erarbeitet werden kann. Dementsprechend wird die Arbeitsgruppe auch mit Vertretern aller hier wichtigen Bereiche besetzt sein.
Trotz aller Hoffnung auf Verbesserungen gibt es Menschen, die erst gar nicht mit der Arbeit anfangen wollen. Sie meinen, dass echte Teilhabe von Menschen mit Behinderung sowieso nicht möglich ist, weil die sogenannten normalen Menschen zu egoistisch sind und sich ohnehin stets durchsetzen. Sicher kann Politik vieles ermöglichen, doch sie kann natürlich nicht alles steuern. Alle sind persönlich gefordert, sich dafür einzusetzen, dass unsere Welt besser und gerechter wird. Das hat auch etwas mit Visionen zu tun.
Erich Fromm hat einmal gesagt, wenn das Leben keine Vision hat, nach der man sich sehnt, die man verwirklichen möchte, dann gibt es auch kein Motiv, keinen Grund, sich anzustrengen. Ich schließe mich der Aussage von Erich Fromm gern an. Meine Visionen orientieren sich unter anderem an einem Vers aus Matthäus 7. Dort steht: „Alles nun, was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch.“ Wir sollten niemals vergessen, dass auch wir täglich Gefahr laufen, unsere vermeintlich sichere Unabhängigkeit zu verlieren. Ein Schlaganfall, ein Unfall, und schon sind wir selbst auf Hilfe angewiesen. Auch das Älterwerden bringt meistens einen Wechsel der Bedürfnisse mit sich.
Wir sollten uns gemeinsam auf den Weg machen, die Welt für alle lebenswert zu gestalten. Ich freue mich auf den Herbst 2013, wenn der fertige Bremer Aktionsplan vorgelegt wird, hoffentlich auch in leichter
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Behinderte werden in Deutschland und sonst überall wahrscheinlich auf der Welt auch oder fast überall gern belächelt, bedauert, beschimpft, für den tapferen Umgang mit ihrem schweren Leben gelobt. Es wird ihnen wohlmeinende Fürsorge zuteil, oder ihnen wird großzügig und durchaus fortschrittlich und ernst gemeint Integration angeboten. Die UN-Behindertenrechtskonvention setzt ein vollständig anderes Verständnis dagegen.
Sie betont den wertvollen Beitrag, den Menschen mit Behinderung zum allgemeinen Wohl und zur Vielfalt ihrer Gemeinschaften leisten und leisten können. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der zentrale Gedanke der Inklusion. Zu verstehen, dass wir alle, gleich welcher Herkunft, welcher Hautfarbe, welchen Geschlechts, mit welchen Beeinträchtigungen und Behinderungen gleich welchen Ausmaßes wir leben, dass wir alle, jede und jeder Einzelne einen ganz eigenen Beitrag zum Miteinander, zur Gestaltung der Gesellschaft und zum großen Ganzen leisten, leisten dürfen und leisten sollen.
Inklusion liegt der Gedanke zugrunde, dass es eben um weit mehr geht als um gnädige oder ernst gemeinte Integration, dass es, wie die Kollegin Frau Grönert schon betont hat, um wirkliche gleiche Teilhabe mit möglichst hoher Selbstbestimmung aller Menschen in allen Bereichen unserer Gesellschaft geht und dass dies keine Gnade von irgendjemandem ist, keine lästige Pflicht, sondern willkommene gegenseitige Bereicherung.
Rund um die Wahl unseres Bundespräsidenten wurde immer wieder gern diskutiert und gefragt, was denn die großen richtungsweisenden Themen der Zukunft sind. Für mich wäre das die Inklusion. Das ist auch der einzige Mangel, den ich an dieser Debatte heute wahrscheinlich empfinden werde, näm––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
lich der Debattenplatz. Ich finde, das ist ein so zentrales Thema, das hätte ich noch lieber an ganz zentraler Stelle gehabt, aber wir haben zugestimmt, Herr Präsident Weber, und wir danken, dass wir das heute noch diskutieren. In Deutschland leben laut Statistik rund zehn Millionen behinderte Menschen. Jeder achte also lebt für längere Zeit oder dauerhaft unter schwierigeren individuellen Bedingungen als seine Nachbarn, Freunde, Kollegen und wird häufig von diesen, also von uns allen, wegen seiner Beeinträchtigungen behindert. Obwohl schon 1994 das Benachteiligungsverbot für Behinderte in das Grundgesetz aufgenommen und 2002 das Behindertengleichstellungsgesetz verabschiedet wurde, sind Behinderte von echter, gleicher Teilhabe häufig immer noch ausgeschlossen. Das fängt bei mangelnder Barrierefreiheit an und hört noch längst nicht bei offener oder verdeckter Diskriminierung auf. Die UN-Behindertenrechtskonvention gilt in Deutschland seit März 2009 als Bundesgesetz und ist auch für die Länder verbindlich. Deutschland gehörte zu den ersten Unterzeichnerstaaten. Inzwischen sind, und das finde ich wirklich eine bemerkenswerte Zahl, 135 Staaten dieser Konvention beigetreten, in 110 Staaten wurde das Abkommen ratifiziert. Wir haben es hier gewissermaßen mit einem Weltgesetz zu tun. Es geht nicht mehr zu sagen, schauen wir einmal, ob wir gerade einen guten Tag haben und uns etwas um die Verbesserung der Lebensbedingungen von behinderten Menschen kümmern wollen. Nein, wir müssen! Und ich sage, wir wollen! Wenn die UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt wird, bedeutet das nicht weniger als einen Paradigmenwechsel im gesellschaftlichen Miteinander auf allen Ebenen.
Diesen Paradigmenwechsel wollen wir Grüne und wahrscheinlich die meisten hier in diesem Haus. Dieser Blickwinkel wird aber auch bedeuten, dass sich viele sogenannte Nichtbehinderte gewaltig umstellen müssen. Es wird eine Neuordnung im Bildungswesen, in allen Arbeitsbereichen geben müssen, im Städtebau, in der Stadtplanung, und vor allem wird es eine Neuordnung in unseren Köpfen geben müssen. Letztlich wird dieser Prozess ein Gewinn für uns alle sein, davon bin ich überzeugt. Wir alle werden von diesem Prozess profitieren, weil sich unser Blick aufeinander erweitern wird. Wir werden voneinander viel Neues lernen. Das wird nicht immer einfach, aber immer bereichernd sein.
aktuell an den Schulen. Es kann ja auch gar nicht anders sein, als dass es bei einer so großen Umstellung zu Schwierigkeiten kommt. Wichtig ist, dass wir diese Schwierigkeiten ernst nehmen und nach klugen Lösungen suchen. Es ist aber eben auch richtig, die Inklusion nicht infrage zu stellen, sondern als eine gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe, zu der wir alle etwas beitragen können, wollen und müssen, voranzubringen.
Es liegt ein guter gemeinsamer Antrag der drei großen Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft vor. Vielen Dank, Frau Grönert, für Ihre Initiative! Dieser Antrag soll den Prozess einleiten, wie wir es bereits im Koalitionsvertrag beschrieben haben, die UNBehindertenrechtskonvention auch für Bremen umzusetzen. Ganz im Sinne der Konvention schlagen wir vor, einen ganz breiten Beteiligungsprozess bei der Ausarbeitung eines Aktionsplans unter Beteiligung von Vertretern aus Politik und Verwaltung und, was das Wichtigste ist, den Behindertenverbänden.
Es wird teilweise kniffelig werden, ernsthaft diese Konvention für Bremen umzusetzen. Darum finde ich es auch so gut und notwendig, dass wir dabei hier im Hause zusammenstehen. Wir werden alle etwas davon haben. Ich zumindest freue mich darauf. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich bei der Kollegin Frau Grönert bedanken für diese außerordentlich wichtige und auch richtige Initiative. Hier im Haus haben alle Fraktionen dem zugestimmt. Ich glaube, dass die Einheit in dieser Frage eine große Rolle spielt, weil ich glaube, dass wir aus diesem Haus deutlich das Signal setzen müssen und auch wollen, dass wir bereit und willens sind, die UNBehindertenrechtskonvention umzusetzen.
Wir haben jetzt den Antrag, wir wollen einen Plan machen. Nun hat Herr Brecht auch schon von Plänen gesprochen, die man macht. Mein Interesse ist, dass wir einen Plan machen und den dann auch umsetzen in die gesellschaftliche Praxis und Wirklichkeit. Das ist der entscheidende Punkt. Am Ende dieses Plans muss Handeln herauskommen.
Der nächste Punkt, der mir im Zusammenhang mit dieser Diskussion auch außerordentlich wichtig ist – ich möchte nicht alles wiederholen, was hier soeben schon vorgetragen worden ist –, es ist eine Tatsache, dass wir schon seit Langem auf dem Weg sind, Teile zumindest in Angriff zu nehmen und umzusetzen. Ich weiß aus meiner Erfahrung aus dem Behindertenausschuss der Baudeputation vor zehn Jahren, dass wir über Fragen diskutiert haben, wie man die Stadt barrierefrei gestalten kann. Das ist nicht immer nur einfach, weil es dabei auch gegensätzliche Interessen von den Behinderten selbst gibt. Unterschiedliche Behinderungen brauchen auch unterschiedliche Maßnahmen. Deswegen stimme ich Ihnen voll und ganz zu, dass es nur funktioniert mit einer massiven Einbeziehung der Behindertenverbände und Betroffenen selbst. Ansonsten werden wir von oben herab möglicherweise falsche Maßnahmen in die Wege leiten, die dann auch nichts nützen.
Genauso haben wir schon vor Jahren, ich erinnere mich noch daran, die Frage, ob wir einen Behindertenbeauftragten in Bremen haben wollen oder nicht, sehr lange diskutiert, es ist auch schon sehr lange her. Gott sei Dank hat sich das Haus dafür entschieden, genau das zu tun, nämlich einen Behindertenbeauftragten zu bestellen. Ich finde, dass wir mit Herrn Dr. Steinbrück auch eine außerordentlich gute Besetzung haben,
der mir jedenfalls in vielen Fragen auch weitergeholfen hat, weil man selbst oft nicht weiß, was eigentlich die richtigen, wichtigen und nötigen Maßnahmen sind.
Ich glaube, dass wir in diesem Plan ein Stück weit auch zusammenfassen müssen, was bisher schon passiert ist. Wir brauchen vielleicht eine Neuausrichtung, um zu schauen, was jetzt als Erstes angepackt werden muss und wo die Schwerpunkte in der Umsetzung sind.
Ein letzter Punkt: Ich habe vor zehn Jahren in der Bauwirtschaft schon immer gesagt, weil ich auch lange Mitglied in der Baudeputation war, wenn wir uns den demografischen Wandel der Gesellschaft anschauen, dann ist behindertengerecht meistens, eigentlich fast immer, auch altengerecht. So gesehen kann man jeden Menschen nicht nur aus einem falsch verstandenen Mitleid oder einem falsch verstandenen Verständnis heraus, sondern auch aus einem ganz egoistischen Eigeninteresse motivieren, dafür zu sein, weil wir alle älter werden. Ich merke das jedenfalls deutlich.
lichkeiten, sich in dieser Stadt zu bewegen, vorhanden sind. So gesehen sind wir froh, dass es diesen Antrag gibt. Wir unterstützen ihn aus ganz tiefer Überzeugung. Ich glaube, dass wir in diesem Haus gemeinsam an diesen Fragen auch weiter arbeiten müssen.
Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes sagen: Ich fand den Hinweis richtig, dass man im Umgang mit Behinderten eines überhaupt nicht braucht, und das ist Mitleid. Das hilft in der Regel am allerwenigsten. Was man braucht, ist Respekt, Akzeptanz, und da, wo Hilfe nötig ist, muss Hilfe geleistet werden. Im Übrigen würde ich tatsächlich den Respekt obenan stellen. Ich finde, dass die UNO-Konvention genau das auch in ihren Mittelpunkt stellt. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir in Zukunft an diesen Fragen insgesamt in allen Bereichen – das betrifft nicht nur Bau und Bildung, das betrifft alle Bereiche – versuchen, einen guten Plan zu machen, und dann ordentlich weiterarbeiten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Auch wir als LINKE finden diese Initiative außerordentlich gut. Wenn man sich die Daten anschaut: 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention beschlossen worden, 2011 der Nationale Aktionsplan, jetzt gibt es die Forderung an die Länder, bis 2013 mindestens einen Plan vorzulegen. Ich denke, da ist die Initiative, die hier in den Bremer Landtag gekommen ist, ausgesprochen gut, um einen neuen Anschub zu geben. Daher werden wir diesen Antrag auch sehr gern unterstützen.
Das Einzige, was mich immer so ein bisschen pessimistisch stimmt, ist die Tatsache, eine meiner Vorrednerinnen hat es so schön gesagt, ich freue mich auf 2013, wenn die Pläne vorliegen. Dazu kann ich sagen, ja, ich freue mich auch darauf und sage, ich hoffe, dass dann nach unserer Rosskur durch Schuldenbremse und ähnliches auch noch Geld da ist, um diesen Aktionsplan dann umzusetzen. – Danke!