Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die aktuelle Polizeiliche Kriminalstatistik, PKS genannt, weist für das Jahr 2011 eine erhebliche Steigerung zum Jahr 2010 aus. Insgesamt wurden 93 000 Straftaten gemeldet, immerhin eine Steigerung um 4,4 Prozent zum Jahr 2010. Die Aufklärungsquote ist im gleichen Zeitraum gesunken, von 48,9 Prozent auf 47,6 Prozent. Insbesondere Raubdelikte, Wohnungseinbrüche und Diebstähle, meine Damen und Herren, beeinträchtigen das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger sehr stark.
Wer die Veranstaltung mit immerhin über 200 Zuhörern am Montagabend in Bremen-Nord besucht hat, der weiß, dass die Bürger gerade von diesen Delikten sehr stark betroffen sind. Dort wurde von mehreren Bürgern deutlich gemacht, dass Sicherheit für sie ein Grundrecht ist. Das ist im Übrigen natürlich auch für die CDU-Fraktion von großer Bedeutung.
Weiterhin wurde von den Bürgern dort deutlich gemacht, dass aus ihrer Sicht der politische Wille, an dieser Kriminalitätsentwicklung etwas zu ändern, nicht erkennbar ist.
Auf Bremen bezogen haben wir bei den Wohnungseinbrüchen im Zeitraum von 2010 auf 2011 eine Stei––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
gerung von 22,5 Prozent auf 2 772 Delikte. Im Verhältnis dazu München: In München kommen auf 100 000 Einwohner 80 Einbrüche. In Bremen, meine Damen und Herren, kommen 400 Einbrüche auf 100 000 Einwohner. In Ostdeutschland liegt dieser Trend in etwa bei unter 50 Einbrüchen pro 100 000 Einwohner. In Bremerhaven sieht es etwas besser aus, dort ist auch die Aufklärungsquote etwas höher.
Meine Damen und Herren, wir haben hier in der Bürgerschaft schon mehrfach festgestellt, dass neben dem materiellen Schaden solcher Straftaten insbesondere die psychischen Belastungen nach Raubdelikten, Wohnungseinbrüchen und Handtaschendiebstählen bei den Opfern teilweise jahrelang nachwirken und zu einer Traumatisierung führen können. Viele Opfer, und das ist auch bei der Veranstaltung in Bremen-Nord deutlich geworden, suchen sich deshalb eine neue Wohnung oder benutzen bestimmte Straßen und Plätze nicht mehr. Das, meine Damen und Herren, darf uns nicht gleichgültig sein.
Wenn der Senator für Inneres bei der Vorstellung der PKS 2011 die Kriminalitätsentwicklung als nicht dramatisch beurteilt, dann geht diese Bewertung an den Ängsten der betroffenen Bürger völlig vorbei.
Wenn der Senator für Inneres die Statistik des Jahres 2011 mit unterschiedlichen Jahren aus der Vergangenheit vergleicht, dann halten wir das einfach für unseriös.
Im Übrigen, Herr Senator für Inneres, mit Statistiken allein ist das Sicherheitsgefühl der Bürger nicht zu verbessern.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einen kurzen Blick auf die Aufklärungsquote in den unterschiedlichen Bereichen werfen. In Niedersachsen beispielsweise haben wir eine Aufklärungsquote von 61,4 Prozent. Ich wiederhole noch einmal, in Bremen haben wir eine Quote von 47,6 Prozent. Wenn wir uns Großstädte anschauen, die mit einer vergleichbaren Kriminalitätsentwicklung zu kämpfen haben, dann haben wir beispielsweise in Frankfurt eine Aufklärungsquote von 59,5 Prozent zu verzeichnen.
Es muss also Bremer Gründe geben, weshalb wir so viele Einbrüche und eine solch geringe Aufklärungsquote haben, bei Einbrüchen haben wir eine von unter zehn Prozent, weswegen wir in Bremen diese Probleme haben. Da ist zunächst einmal der Rückgang der Anzahl der Mitarbeiter in der Polizei
zu nennen. Allein seit dem Jahr 2007 sind in Bremen und Bremerhaven über 150 Mitarbeiterstellen in der Polizei abgebaut worden. Darüber hinaus gibt es in der Bremer Polizei über 280 000 Überstunden, was umgerechnet einen Bestand von circa 200 Mitarbeitern ausmacht. Das hat zur Folge, dass in keinem anderen Bundesland die Anzahl der zu bearbeitenden Delikte pro Sachbearbeiter so groß ist wie im Land Bremen. In München muss ein Sachbearbeiter ungefähr 19 Akten bearbeiten. In Bremen sind es im gleichen Zeitraum 42 Akten, also mehr als doppelt so viele.
Der Senator für Inneres – ein weiterer Grund, den wir sehen – weist die Polizei immer wieder an, neue Arbeitsgruppen einzurichten mit der Folge, dass das dafür erforderliche Personal aus den Sachgebieten herausgeholt wird und dort die Arbeit, zum Beispiel auch zur Bekämpfung der Raub- und Einbruchskriminalität, von immer weniger Mitarbeitern erledigt werden muss.
Für die Aufklärung vieler Delikte – der Senator für Inneres hat es an mehreren Stellen angesprochen – ist eine gute Tatortarbeit, in diesem Fall also Spurensuche und Spurensicherung, von größter Bedeutung. Der Raubüberfall auf das Altenpflegeheim in BremenNord mit der über eine DNA-Spur möglichen Aufklärung hat das, glaube ich, deutlich gemacht.
Herr Senator, an der Stelle haben Sie in BremenNord davon gesprochen, dass 40 Prozent aller Einbrüche als Versuche gewertet werden und dass dort eine Spurensuche – so haben Sie es formuliert – wegen der Kratzer nicht erforderlich ist. Ich muss Ihnen an der Stelle einmal deutlich sagen: Da sind nicht nur Kratzer, dort sind Werkzeugspuren zu sichern, dort sind Fingerabdrücke zu sichern, dort sind DNA-Spuren zu sichern, die am Beispiel der Aufklärung des Raubüberfalls im Altenpflegeheim in Bremen-Nord erfolgreich war, darüber hinaus sind auch Faserspuren zu sichern. Also, Sie sollten sich vielleicht doch einmal von Spezialisten aufklären lassen, was eine Spurensuche an einem Tatort ausmacht!
Die Tatortgruppe in Bremen besteht gegenwärtig aus circa 19 Mitarbeitern, diese haben 6 000 Spurensuchen an Tatorten zu erledigen. In Hannover stehen für einen etwa gleichen Anteil an Spurensuchen 52 Mitarbeiter zur Verfügung.
Meine Damen und Herren, aus mehreren Antworten des Senats geht hervor, dass ein wesentlicher Teil der Raub- und Eigentumskriminalität darauf zurückzuführen ist, dass Drogenabhängige darüber ihre Sucht finanzieren. Die CDU-Fraktion hat deswegen schon Mitte 2010 gefordert, die Bekämpfung des Drogenproblems einschließlich der sozialen Folgen deutlich zu intensivieren. Wie Sie sich erinnern, ist unser Antrag damals von Ihnen abgelehnt worden mit der Folge, dass im Jahr 2010 die PKS, die Polizeiliche Kriminalstatistik, bei den Drogendelikten eine Steige
Diese Steigerung geht nach Einschätzung der CDUFraktion einher mit der Steigerung bei der Raub- und Eigentumskriminalität. Ich glaube, das liegt auf der Hand. Gerade aus dem Bereich der Bekämpfung der Drogenkriminalität – so wurde in der Innendeputation vor zwei Wochen berichtet – will der Senator für Inneres weiteres Personal abziehen. Aus unserer Sicht, meine Damen und Herren, ist das eine völlig falsche Prioritätensetzung.
Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht. So hat Herr Röwekamp gestern gesagt, und das, Herr Senator, müssen Sie sich wirklich als Ihr Motto zubilligen lassen!
Nach diesem Konzept vom Senator für Inneres sollen im Kern die für Raub und Eigentumsdelikte zuständigen Kommissariate durch Beamte verstärkt werden, die aus anderen Dienststellen abgezogen werden. Der Senator möchte 15 weitere Mitarbeiter haben, aber diese Beamten fehlen dann natürlich für die Bearbeitung von Rauschgift- oder Betrugskriminalität oder in anderen Bereichen. Ähnliches möchte der Senator mit der flexiblen Einsatzgruppe machen. Ein wesentliches Instrument zur Bekämpfung der Eigentumskriminalität gibt es gegenwärtig gar nicht. Der Senator möchte sie wieder besetzen, aber das Personal hat er nicht, er muss also andere Löcher aufreißen.
Weiterhin sollen über die öffentliche Ausschreibung Mitarbeiter für die Tatortarbeit gewonnen werden, insgesamt zehn, acht für Bremen und zwei für Bremerhaven. Ein an sich gutes Vorhaben, Herr Senator, überhaupt keine Frage, nur, diese Mitarbeiter müssen nach der Einstellung, die wahrscheinlich zwei, drei Monate dauern wird, mindestens noch sechs Monate ausgebildet werden, und damit stehen sie erst Ende des Jahres zur Verfügung! Im Ergebnis bedeutet das, meine Damen und Herren, dass der Senator für Inneres mit Ankündigungen schnell bei der Sache ist, die Probleme bei der Umsetzung den Bürgern aber verschweigt.
(Beifall bei der CDU – Abg. D r. G ü l d - n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Schlagen Sie vor, dass man auf die zehn Stellen ver- zichtet, nur weil sie noch ausgebildet wer- den müssen?)
Der Senator für Inneres sollte vielmehr endlich eine systematische Aufgabenkritik verbunden mit objektivem Personalbedarf der Polizei Bremen durchführen und nicht immer nur Löcher stopfen, indem neue Löcher aufgerissen werden.
Die CDU-Fraktion fordert den Senat aus diesen Gründen auf, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes deutlich besser als bisher wirksam vor Kriminalität zu schützen. – Vielen Dank!
Meine Damen und Herren, bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, darf ich auf dem Besucherrang recht herzlich die Mitglieder des Seminars Politische Bildung der Unteroffiziersschule der Luftwaffe aus Appen begrüßen. Herzlich willkommen! interjection: (Beifall)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Hinners, habe ich Sie richtig verstanden, dass wir keine Polizisten mehr einstellen sollen, weil die Ausbildung drei Jahre dauert? Oder was war gerade die Intention?
Es wird Sie nicht verwundern, Herr Hinners, dass ich aus derselben PKS zitieren werde, aber mit anderen Schwerpunkten in der Statistik. Die Kriminalität in Bremen und Bremerhaven hat sich in den letzten Jahren qualitativ erheblich verändert. Dem Bundestrend folgend hat der Wohnungs- und Geschäftseinbruch deutlich zugenommen. Diesen Negativtrend gibt es im gesamten Bundesgebiet seit 2007. Hingegen ist die Zahl der Kfz-Aufbrüche in den Jahren 2007 bis 2011 von 13 351 auf 6 596 gesunken und die Anzahl der Fahrraddiebstähle im gleichen Zeitraum von 8 254 auf 6 488. Wir haben es also aktuell nicht unbedingt mit einer zahlenmäßigen Kriminalitätssteigerung zu tun, sondern mit einer Kriminalitätsverlagerung. Das kann und darf uns aber nicht beruhigen, weil wir es in jedem Fall mit einem qualitativ viel schwerwiegenderen Deliktsfeld zu tun haben, weil die Tatfolgen für die betroffenen Bremerinnen und Bremer natürlich bei einem Wohnungs- oder Geschäftseinbruch in der Regel viel schlimmer sind als bei einem aufgebrochenen Auto oder einem gestohlenen Fahrrad.
Keine Frage, Bremen und Bremerhaven gehören in den letzten Jahren zu den am meisten belasteten Städten. Im Städtevergleich befindet sich Bremen seit dem Jahr 2006 mit Ausnahme des Jahres 2010 unter den höchst belasteten Städten über 100 000 Einwohnern. Bremerhaven ist seit dem Jahr 2006 durchgängig unter diesen ersten fünf. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Auch unsere Aufklärungsquote – da gebe ich Ihnen recht – sieht nicht gut aus. Unsere Aufklärungsquote liegt mit 9,6 Prozent auf niedrigem Niveau, wenn auch besser als Hamburg mit 6,8 Prozent, Frankfurt am Main mit 8,6 Prozent oder Essen mit 9,1 Prozent. Viel erfolgreicher schneiden hier München mit 16 Prozent und Hannover mit 23 Prozent ab, da gebe ich Ihnen recht.
Weil wir deshalb dringend erfolgreiche Strategien brauchen, um von diesen schlimmen Zahlen bei Wohnungs- oder Geschäftseinbrüchen herunterzukommen, haben wir als Koalition gehandelt, als die Zahlen für das Jahr 2011 vorlagen. Wir haben bereits im Januar unseren Antrag „Wohnungseinbrüche konsequent zurückdrängen“ in die Bremische Bürgerschaft eingebracht. Mit diesem Antrag haben wir gefordert, die Bekämpfung der Einbruchskriminalität zu einem Schwerpunktthema zu machen und hierfür eine besondere Prioritätensetzung im Bereich Prävention, Ermittlung und Strafverfolgung vorzunehmen.
Wir wollen eine Verbesserung des Einbruchschutzes für Mehrfamilienhäuser nach dem Muster der schon erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Polizei und der GEWOBA. Wir haben den Senat aufgefordert zu prüfen, inwieweit es möglich ist, Vermieterinnen und Vermieter zu verpflichten, den Einbruchschutz ihrer Wohnungsmietobjekte zu verbessern. Wir wollen, dass Konzepte zum Einsatz schlagkräftiger polizeilicher Ermittlungsgruppen entwickelt werden und geprüft wird, inwieweit es erforderlich erscheint, ein umfassendes und gegebenenfalls ressortübergreifendes Konzept zur nachhaltigen Bekämpfung von Wohnungseinbruchskriminalität zu entwickeln.
Sie haben es erwähnt, der Senat hat mit der Umsetzung unserer Initiative begonnen, indem er im März ein erstes Senatskonzept verabschiedet hat, das einen Dreiklang von Kontrolldruck, Prävention und Ermittlung beinhaltet und konkret durch die verstärkte Präsenz und Schwerpunktmaßnahmen in Brennpunkten in Stadtteilen mit hoher Belastung für eine Abschreckung potenzieller Täter sorgt, das eine enorme personelle und materielle Verstärkung der Tatortarbeit beinhaltet und das schnell eingeleitete Fahndungsmaßnahmen und schnelle Ermittlungen trotz hoher Fallzahlen ermöglicht. Hierzu wird – das haben Sie auch erwähnt – die vorhandene gemeinsame Ermittlungsgruppe Bremen/Oldenburg auf drei Polizisten verstärkt. Zum 1. April 2012 wird der Ermittlungsabschnitt Intensivtäter um vier polizeiliche Ermittler auf 13 verstärkt.
Die flexible Ermittlungsgruppe wird wieder mit fünf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten besetzt, das hatten Sie auch immer gefordert, Herr Hinners. Das Raubkommissariat wird um drei polizeiliche Ermittler auf 13 verstärkt. Zur personellen Stärkung der Ermittlungsunterstützung wird eine zweite Tatortgruppe aufgebaut, für die sechs Angestellte neu eingestellt werden. Bremerhaven erhält für die Intensivierung der Tatortarbeit zwei weitere Angestellte. Schließlich
werden zur Aufbereitung der gesicherten Spuren und zur Spurenauswertung in den Laboren noch zwei Angestellte eingestellt. Durch diese Maßnahmen wird dieser Bereich insgesamt um 25 Mitarbeiter gestärkt, und das, finde ich, ist eine Schwerpunktmaßnahme.
Für die CDU-Fraktion sind diese Maßnahmen ein Strohfeuer und für DIE LINKE war unser Antrag im Januar ein Placebo- beziehungsweise ein Wischiwaschi-Antrag.
Ich erinnere mich noch daran, Herr Tuncel, das war Ihre Aussage. Für mich ist das ein klares und deutliches Signal, dass wir das Thema auch in Zeiten knapper Ressourcen verdammt ernst nehmen und aktuell zur Schwerpunktaufgabe gemacht haben. Damit ist das Thema in Ihrer Aktuellen Stunde eigentlich schon erledigt, bevor sie überhaupt angefangen hat. Damit Sie es aber besser verstehen, möchte ich Ihnen nochmals deutlich machen, dass unser von Ihnen Placebo oder Wischiwaschi genannte Antrag an dieser Stelle nicht aufgehört hat, sondern noch weitergeht.
Wir haben gefordert, den Einbruchsschutz für Mehrfamilienhäuser nach dem Muster der Zusammenarbeit zwischen Polizei und der GEWOBA zu verbessern. Die GEWOBA, die Sie immer privatisieren wollen, liebe CDU, ist hier nämlich vorbildlich. Wir haben gefordert zu prüfen, inwieweit es möglich ist, Vermieterinnen und Vermieter zu verpflichten, den Einbruchschutz ihrer Wohnungsmietobjekte zu verbessern. Sie, liebe CDU-Fraktion, lehnen diese Forderung ab beziehungsweise enthalten sich. Dabei ist der mangelnde Einbruchschutz einer der Ursachen für unsere katastrophalen Einbruchszahlen in Bremen, wie Professor Pfeiffer vom renommierten Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen festgestellt hat. Unsere Einbruchsquoten sind auch deshalb so viel höher als beispielsweise in Bayern, weil der Eigensicherungsschutz in Bayern höher ist als im Norden Deutschlands.