Protokoll der Sitzung vom 22.03.2012

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Meine Damen und Herren, wir treten in die Mittagspause bis 14.30 Uhr ein.

Ich unterbreche die Sitzung der Bürgerschaft (Land- tag).

(Unterbrechung der Sitzung 12.58 Uhr)

Vizepräsidentin Schön eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr.

Die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) ist wieder eröffnet.

Wir setzen die Tagesordnung fort.

Versprechen einlösen – UNHCR-Flüchtlinge aufnehmen!

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 2. November 2011 (Neufassung der Drucksache 18/82 vom 1. November 2011) (Drucksache 18/98)

Wir verbinden hiermit:

Versprechen einlösen – UNHCR-Flüchtlinge aufnehmen!

Bericht und Antrag der staatlichen Deputation für Inneres und Sport vom 9. Februar 2012 (Drucksache 18/231)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Münch.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion DIE LINKE „Versprechen einlösen – UNHCRFlüchtlinge aufnehmen!“ vom 2. November 2011, Drucksache 18/98, ist von der Bürgerschaft (Land- tag) in ihrer achten Sitzung am 10. November 2011 zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Inneres und Sport überwiesen worden. Diese Deputation legt nunmehr mit der Drucksachen-Nummer 18/231 ihren Bericht und Antrag dazu vor.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Im November bereits wurde über unseren Antrag hier debattiert. Damals wurde Herr Senator Mäurer auch von den Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD dafür gerügt, dass der Bürgerschaftsbeschluss, auf den wir uns beziehen, von Januar 2011 noch nicht umgesetzt worden war. Unser Antrag ist dann aber zur Beratung an die Innendeputation überwiesen worden. Das Innenressort legte dann am 11. Januar einen Bericht vor, der von ihr beschlossen wurde und jetzt der Bürgerschaft vorliegt. Unser Innendeputierter Herr Gössner hat sich bei dem Bericht enthalten, weil er zwar nicht komplett falsch war, aber einseitig.

Der Vorwurf, den wir darin erhoben hatten, der Innensenator hätte den Bürgerschaftsbeschluss bis zu unserem Antrag nicht umgesetzt, wurde nämlich nicht richtig entkräftet. Die Bremische Bürgerschaft beauftragte den Innensenator am 27. Januar 2011 mit der Ergreifung einer Bundesratsinitiative zur dauerhaften Teilnahme am UNHCR-Resettlement-Programm. Danach gab es eine Innenministerkonferenz am 21. und 22. Juni 2011 in Wiesbaden. Es gab sogar einen Beschluss zum Resettlement, der betraf aber nur die Kostenverteilung. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Herr Mäurer hat dort nichts unternommen, obwohl die Mehrheitsverhältnisse damals durch die Landtagswahlen in Hamburg und Baden-Württemberg schon verändert waren. Stattdessen hat Rheinland-Pfalz einen Vorstoß gemacht, den Bremen dann mitgegangen ist. Rheinland-Pfalz und Bremen beantragten die Aufnahme von 500 Flüchtlingen jährlich. Das finden wir für das bevölkerungsreichste Land Europas viel zu wenig. Viel kleinere Länder wie Dänemark, Großbritannien, Schweden oder Finnland nehmen mehr Flüchtlinge auf.

Faktisch sind noch viel weniger herausgekommen, nämlich 300 Flüchtlinge für drei Jahre, die Bundesrepublik Deutschland nimmt insgesamt also nur 900 Flüchtlinge auf. Wir finden das nicht ausreichend und der Größe unseres Landes nicht angemessen. Das ist auch der Führungsrolle, die Deutschland sonst in Europa übernimmt und für sich beansprucht, nicht angemessen. Es reicht immer noch nicht, vor allen Dingen angesichts der 5 000 Flüchtlinge, die im Lager Choucha leben, und noch viel weniger angesichts der aktuellen Lage in den türkischen Lagern an der Grenze zu Syrien.

Der Bericht geht auf einige unserer Antragspunkte gar nicht richtig ein. Wir haben beantragt, dass Flüchtlinge, die im Zuge der arabischen Revolution vertrieben wurden, kurzfristig aufgenommen werden. In dem Bericht steht darüber nur, dass sich der Senator aktuell auf Bundesebene nachträglich für eine rasche Aufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika und aus dem Nahen Osten sowie anderen Krisen- und Aufnahmeländern eingesetzt hätte. Wie, wo, wann und mit welchem Ergebnis, darüber sagt der Bericht leider nichts aus.

Ich will einmal auf die Ad-hoc-Maßnahmen eingehen, die in dem Bericht erwähnt werden! Die Aufnahme von 2 500 irakischen Flüchtlingen war ein Vorschlag von Herrn Dr. Schäuble aus dem Jahr 2008. Es hat bis zum Jahr 2010, also zwei Jahre, gedauert, bis dieser Beschluss umgesetzt wurde. Der Vorschlag von Herrn Dr. Schäuble beruhte auf den Vorfällen, bei denen Christen im Irak angegriffen wurden. Es war also eine Bevorteilung einer bestimmten Religionsgruppe und keine neutrale oder universal humanitäre Aktion. Dadurch wurde aber deutlich, dass schon etwas geht, wenn es gewollt ist. Zumindest war das die bei Weitem größte Wiederansiedlung von Flüchtlingen in Deutschland. Alle anderen Ad-hocMaßnahmen waren aber viel kleiner.

Bremen musste da auch nicht mit seiner Unterstützung zögern, denn es hatte keine praktischen Auswirkungen hier. Von den 50 iranischen Flüchtlingen, auf die der Bericht eingeht, die aus der Türkei im Sommer 2010 aufgenommen werden sollten, nimmt Bremen nach dem Königsteiner Schlüssel keine einzige Person auf. Da kann man sich natürlich schon sehr früh zu einer erhöhten Aufnahme bereit erklären, so steht es in dem Bericht. Die 150 Flüchtlinge aus Malta, die seit Februar 2010 aufgenommen wer

den sollten, sind Ende November eingereist. Eine einzige Person davon ist in Bremen. Es fehlen weiterhin 92 000 Resettlement-Plätze. Der Bedarf wird errechnet mit 172 000 Plätzen, und das Angebot, das gemacht worden ist, sind 80 000 Plätze durch UNHCR. Die Beteiligung reicht nicht, daher ist unser Antrag unseres Erachtens hier auch noch nicht erledigt.

Millionen von Menschen werden vertrieben. Letztes Jahr sind nach Angaben der Bundesregierung auf eine Anfrage von unserer Bundestagsabgeordneten Frau Jelpke 1 500 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Europas Mauern dürfen aber nicht das Grab dieser Menschen werden. Schutzbedürftige haben ein Recht auf Freiheit und ein würdiges Leben. In Choucha gibt es dieses Leben ganz sicher nicht. So nötig die bedingungslose Aufnahme syrischer Flüchtlinge durch die Türkei auch ist, auch dort sind diese Flüchtlinge in Lagern eingesperrt, und auch dort brauchen wir eine Lösung des Problems.

Die Ablehnung unseres Antrags ist daher insbesondere wegen Choucha und Syrien auch nicht richtig, wenn es die Koalitionsfraktionen mit ihrem Antrag vom letzten Januar ernst meinen! – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohammadzadeh.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt Menschen, die behaupten, man trifft sich immer zweimal im Leben. Bei Anträgen der Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN kann man das gut erweitern: Man trifft sich öfter, denn dieses Hohe Haus wird von Ihnen häufiger mit der Aufforderung konfrontiert, bereits Gesagtes noch einmal zu sagen.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Wir for- dern die Umsetzung!)

In diesem Fall ist es die Zusage, UNHCR-Flüchtlinge in Bremen aufzunehmen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als es im Januar 2011 darum ging, einem Teil der in der Türkei festsitzenden iranischen Flüchtlingen eine Zuflucht zu bieten, hat Bremen auf unsere Initiative hin Ja gesagt.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Aber es ist keinerhier!)

Selbstverständlich gilt diese Zusage noch immer. Die Deputation für Inneres und Sport hat sich inzwischen ausführlich auch mit dieser Sachlage beschäftigt. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Meine Damen und Herren, es ist richtig, wenn wir uns in Europa umsehen, ist die derzeitige Lage tatsächlich dramatisch. Immer mehr Flüchtlinge aus Syrien kommen über die türkische Grenze, man spricht von 15 000 Flüchtlingen. Die Türkei plant inzwischen die Einrichtung einer Sicherheitszone. Innenminister Dr. Friedrich kritisiert Griechenland wegen seiner mangelhaften Grenzen. Nun soll Griechenland, das, weiß Gott, genug Sorgen hat, auch noch den Ausputzer für die Schengen-Länder spielen.

In Ungarn werden derzeit Flüchtlinge systematisch inhaftiert, misshandelt und in Haft mit Pharmaka traktiert, und dann werden sie auf die Straße gesetzt. Inzwischen sitzen auch knapp 5 000 Flüchtlinge aus Somalia, Eritrea, Sudan, Äthiopien, die während des Krieges aus Libyen geflohen sind, in Wüstenlagern des UNHCR in Ägypten und Tunesien fest, das hat auch meine Kollegin Frau Vogt erwähnt. Dort wurden Asylverfahren nach europäischem Standard durchgeführt. Es ging um die Frage, ob diese Menschen nach dem Genfer Konventionsrecht schutzbedürftige Flüchtlinge sind. Der UNHCR hat bestätigt, dass über 90 Prozent dieser Menschen im Rahmen der Genfer Konvention als schutzbedürftige Flüchtlinge gelten. Aber nur 14 Industriestaaten haben bislang rund 900 sogenannte Resettlement-Plätze zugesagt, die restlichen 3 500 Menschen müssen noch in der Wüste bleiben.

Genau vor diesem Hintergrund hat sich der Senator für Inneres und Sport in Bremen bemüht, weiterhin eine dauerhafte Teilnahme der Bundesrepublik Deutschland am Resettlement-Programm des UNHCR zu erreichen. Darüber hinaus hat er sich in der Innenministerkonferenz nachdrücklich für eine rasche Aufnahme nicht nur für Flüchtlinge aus Nordafrika und dem Nahen Osten, sondern auch aus anderen Krisengebieten eingesetzt. Durch dieses Engagement wurde das Thema deshalb mehrfach in den sogenannten Kaminrunden der Innenministerkonferenz und bei anderen Ministertreffen erörtert.

Auf diese Initiative des Senators für Inneres und Sport wurde das Thema im Frühjahr 2010 auch auf der Expertentagung der Ausländerrechtsreferenten von Bund und Ländern behandelt. Daraus hat sich ergeben, dass Bremen und Berlin das Problem gemeinsam auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz in Hamburg eingebracht haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ziel dieser Initiative war, ein kontinuierlich standardisiertes Programm für die Aufnahme von Flüchtlingen auch für die Bundesrepublik Deutschland zu etablieren. Bremen hat sich schon im April 2010 für die erhöhte Aufnahme von iranischen Flüchtlingen aus der Türkei bereit erklärt – 2 500 irakische Flüchtlinge, das ist schon bekannt, sind inzwischen auch eingereist –, um damals diesen laufenden Gespräche zwischen Bund und Ländern vielleicht auch einen

positiven Impuls zu geben. Daraus hat sich ergeben, dass 100 nordostafrikanische Flüchtlinge aus Malta, inzwischen 150, schon in Deutschland aufgenommen sind.

(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Aber die Summe muss höher werden!)

Frau Vogt, die eine Person aus Malta, die Sie ansprechen, Bremen hat bei der Aufnahme von Flüchtlingen eine Quote von einem Prozent, mehr kann von Bremen auch nicht aufgenommen werden. Bremen ist bereit, mehr aufzunehmen, aber Bremen hat eine Quote von nur einem Prozent. Das heißt, es geht nicht! Da ist ein Problem, das Sie ansprechen.

Bremen und Rheinland-Pfalz haben gemeinsam auch erreicht, dass die Innenministerkonferenz die Teilnahme Deutschlands am Resettlement-Programm – ich möchte dazu sagen, auch permanent – beschlossen hat, zuerst für die ersten drei Jahre, das wird verlängert, das ist eine permanente Aufnahme, wie Sie das auch gesagt haben, von 300 Flüchtlingen pro Jahr. Einige dieser Menschen sind inzwischen Mitte März auch in Bremen eingetroffen.

Alles, was ich erwähnt habe, zeigt aus meiner Sicht nicht, dass unser Senator hier seiner Verantwortung nicht nachgekommen ist oder das Problem dem Senat unbekannt ist oder dieser das ignoriert hat. Deshalb ist es für meine Fraktion eine Selbstverständlichkeit, auch genauer hinzuschauen, ob unsere damaligen Beschlüsse umgesetzt werden. Wir kümmern uns darum, und unsere Vertreterinnen und Vertreter in anderen Landtagen machen das auch.

Ich kann mich der Empfehlung der Deputation für Inneres anschließen, diesen Antrag abzulehnen, und ich bitte Sie, auch das Gleiche zu tun! – Herzlichen Dank! (Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hiller.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon viel im Detail über die verschiedenen Anträge gesprochen worden, ich werde mich deswegen auch etwas kürzer fassen!

Ich möchte vorab einmal deutlich machen, worum es eigentlich bei diesem Thema geht! Es geht um Flüchtlinge, die weltweit aus ihren Heimatländern geflohen sind und bei denen der UNHCR festgestellt hat, dass sie über längere Zeit, wahrscheinlich nie wieder in ihr Heimatland zurückkehren können. Das nennt sich Resettlement-Programm, und wir haben im letzten Jahr mehrmals hier im Haus der Bürgerschaft darüber auch schon diskutiert und Anträge beschlossen. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Rückblickend von diesem Jahr, muss ich sagen, ist es für mich eine Erfolgsgeschichte dieses Hauses, und ich möchte das heute auch noch einmal hier so deutlich formulieren!