Machen wir uns aber nichts vor, mit dem Informieren ist das ja immer so eine Sache. Wenn man informiert, muss natürlich auch ein entsprechendes Angebot vorhanden sein. Dort sage ich ganz deutlich, dieses Angebot muss dezentral sein, es muss niedrigschwellig sein, damit eben genau diese Personen, an die es sich richtet, es auch annehmen können. Wir wissen aber auch, je mehr es wissen, desto mehr kommen. Je mehr wiederum kommen, desto eher sind wir in der Situation, dann wieder auf die Finanzierung schauen zu müssen.
Wir haben hier in Bremen eine Situation, die für etliche Einrichtungen so aussieht, dass eine Akutberatung, also eine zeitnahe Beratung sofort nach dem Ereignis, gar nicht mehr gewährleistet ist. Mittlerweile gibt es Wartezeiten in den einzelnen Einrichtungen, die die dort Tätigen in große Konflikte stürzen.
Wir haben allerdings auch, Frau Hoch hat es angesprochen, in der Dezember-Sitzung der Bürgerschaft hier einen interfraktionellen Antrag eingebracht, in dem wir uns einig waren, dass das in Bremen vorhandene Angebot daraufhin untersucht werden muss, inwieweit tatsächlich die Unterstützung, die wir uns vorstellen, dadurch auch gewährleistet ist. Dieser Antrag fordert dazu auf, unter Berücksichtigung dieses Berichts noch einmal genau hinzuschauen, und ich denke, wir erwarten jetzt gemeinsam, dass das, was aus dem Bericht heraus erkennbar wird, uns dann auch entsprechend dargestellt und mit Handlungsoptionen hinterlegt wird.
Wir hatten heute Vormittag die Haushaltsberatungen, das heißt, wir sind jetzt aktuell natürlich in einer Zeit, in der es genau darum geht, das auch einzulösen, was wir hier gemeinsam beschlossen haben. Ich bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist, die Einrichtung Schattenriss besser auszustatten. Wir alle sind, glaube ich, von der unheimlich guten und wichtigen Arbeit, die dort geleistet wird, überzeugt.
Schattenriss ist aber nicht die einzige Einrichtung, auch die Beratungsstelle Notruf ist in einer Situation, dass sie, wie gesagt, nicht zeitnah beraten können, wir haben den Verein Neue Wege. Das heißt, wir müssen sehr genau schauen, wie wir im Rahmen unserer Möglichkeiten sicherstellen können, dass hier ein Unterstützungsangebot, wie wir es für richtig halten, auch in Bremen gewährleistet ist.
Ich möchte noch einmal sagen, dass es wichtig ist, die betroffenen Frauen dazu zu ermutigen, sich zu informieren, denn Gewalt ist keine Privatangelegenheit. (Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)
Sie geht uns alle an, denn alle Menschen haben ein Recht auf ein gewaltfreies Leben. Deshalb ist es notwendig, dass darüber öffentlich geredet wird – so auch an dieser Stelle –, es aber auch Aktionen gibt, die das in das öffentliche Bewusstsein geben. Ich denke an eine Plakataktion, wie sie vor einigen Jahren an Haltestellen stattgefunden hat, ich denke auch an so etwas wie Bierdeckel, die in Gaststätten ausliegen, mit Telefonnummern der entsprechenden Institutionen. Es gibt eine ganze Menge von Dingen, die man tun kann, aber alle Einrichtungen richten sich an diejenigen, die das Leid erfahren haben.
Darüber hinaus, das ist von Frau Bernhard und von Frau Hoch angesprochen worden, geht es natürlich um Prävention. Es geht darum, diese Gewalt zu verhindern, und dabei kommen wir nicht daran vorbei, über unsere Vorstellungen von Männlichkeit zu diskutieren. Es muss darüber geredet werden, was ökonomische und soziale Abhängigkeiten zur Folge haben. (Glocke)
Wir brauchen eine Kultur des Hinsehens, und damit, Frau Präsidentin, will ich es auch bewenden lassen. Ich denke, hier sind wir alle gefordert, aktiv zu werden. – Danke!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gewalt gegen Frauen ist kein Tabuthema! Insbesondere seit dem Gewaltschutzgesetz aus dem Jahr 2001 und auch der Einfügung des Nachstellungsparagrafen in das Strafgesetzbuch im Jahr 2007 ist dieses Thema immer mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt, und das ist auch gut so! Immer mehr Frauen haben den Mut, eine Strafanzeige zu erstatten, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind. Allein bei der Staatsanwaltschaft in Bremen sind die Verfahren in den Sonderdezernaten in den letzten Jahren enorm angestiegen auf jetzt mittlerweile fast 2 000 Verfahren. Das ist nur das Hellfeld, es gibt auch noch ein Dunkelfeld. Wenn Frauen eine Strafanzeige erstatten, dann kommt dabei auch häufig zum Ausdruck, wie viel vor––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
her schon passiert ist, bevor es überhaupt zu einer Anzeige kommt. Aus diesem Grund sage ich und sagen wir, es ist wichtig, dass im Vorfeld einer solchen Strafanzeige auch entsprechende Hilfsangebote vorhanden sind. Es ist bereits mehrfach angesprochen worden und kann auch nur unterstützt werden.
Frauen müssen ermutigt werden, einerseits eine Strafanzeige zu erstatten und andererseits, das ist ganz wichtig, ein solches Strafverfahren auch durchzuhalten, das ist für viele nämlich gar nicht so einfach.
Ganz besonders wichtig bei Gewalt gegen Frauen ist die Vernetzung, das ist angesprochen worden. Ein Musterbeispiel für Vernetzung möchte ich kurz erwähnen, das ist das Kriseninterventionsteam Stalking, Stalking-KIT. Gewalt gegen Frauen und Stalking kann man nicht trennen, das geht häufig ineinander über. Da arbeiten Polizei, Justiz und der Täter-Opfer-Ausgleich mustergültig zusammen.
In dem Bereich, in dem Justiz und Polizei mit ihrem Latein oder mit ihren Paragrafen am Ende sind, kommt das Stalking-KIT ins Spiel und hilft. Es hilft, einerseits Konflikte, die hinter bestimmten Problematiken stehen, zu bereinigen und Lösungen dafür zu finden, andererseits aber auch Gefährdungen für die Opfer einzuschätzen, aber auch mögliche Eskalationen des Täters. Der Erfolg gibt dem Stalking-KIT recht, denn die Erfolgsquote liegt bei 80 Prozent, und das finde ich schon ganz enorm. Wenn man sich dann anschaut, mit welchem vergleichsweise geringen Budget das Stalking-KIT seine Arbeit macht, nämlich gerade einmal 25 000 Euro im Jahr, dann muss man sich auch einmal überlegen, ob das noch auskömmlich ist.
Wir müssen alles daran setzen, damit Opfer von häuslicher Gewalt nicht durch das Verfahren erneut zum Opfer werden. Es ist ein Umstand in dem Bericht erwähnt, der mir auch sehr am Herzen liegt, und das betrifft die Gewaltschutzanordnung und was danach geschieht. Die Verwaltungspraxis sieht nämlich so aus, wenn eine Frau den Weg zum Gericht geschafft und eine Gewaltschutzanordnung tatsächlich erwirkt hat, dann ist sie nicht mehr so schutzbedürftig, dann hat sie es schon geschafft, zum Gericht zu gehen, dann brauchen wir jetzt keine aufsuchende Hilfe mehr durch das Amt für Soziale Dienste. Das ist doch wohl ein Ding, das kann nicht sein!
Wenn die Polizei vor Ort erscheint und eine Wohnungsverweisung macht, dann ist das Amt für Soziale Dienste verpflichtet, innerhalb von drei Tagen aufsuchende Hilfe zu leisten. Das ist meines Erachtens immer noch ein Widerspruch in sich, denn wenn eine Frau vor Gericht geht, dann bedeutet das häufig, dass so viel passiert ist, häufig sehr viel mehr passiert ist als bei der erstmaligen Wohnungsverweisung, sodass diese Frau erst recht schutzbedürftig ist und wir uns darum kümmern müssen. Deswegen sollten wir auch zusehen, dass diese Verwaltungsanweisung, die dem
Lassen Sie mich noch auf eine andere Sache zu sprechen kommen, die qualitativ hochwertige Bearbeitung! Wir brauchen Menschen bei der Polizei, der Justiz und den Opferhilfeeinrichtungen, die sich mit solchen Verfahren auskennen, sich die Zeit für die Verfahren nehmen und sich mit den Menschen beschäftigen, um die es geht. Häufig ist es so, eine Frau kommt auf die Wache, kommt zur Staatsanwaltschaft, erstattet Anzeige und erzählt dann erst einmal, ihr Mann hätte sie geschlagen, und das ginge schon seit Jahren so. Es muss dann nachgefragt werden und ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Es muss gefragt werden: Wann ist wo wie was passiert? Wen gibt es als Zeugen? Gibt es ein Attest, Fotos oder Ähnliches? Das kostet alles sehr viel Zeit, und dann muss man auch den Beteiligten, die damit zu tun haben, die Möglichkeiten geben, sich damit zu befassen. Sie können dann nicht irgendwie ein Zeitschema anlegen und sagen, nach 15 Minuten muss dieser Fall abgearbeitet sein, wenn die Frau gerade in Tränen ausgebrochen ist. Das funktioniert nicht! Entsprechend müssen sich auch die Personalbedarfsrechnungen daran orientieren.
Lassen Sie mich einen Blick in die Zukunft wagen! Es ist schon angesprochen worden, der Einfluss von Alkohol und Drogen auf Beziehungsdelikte ist enorm. Da müssen wir ansetzen und auch rechtzeitig sehen, dass Therapien ermöglicht werden und zugänglich sind.
Eine andere Sache, die angesprochen wurde, die mir ebenfalls sehr am Herzen liegt, ist die Gewalt im Zusammenhang mit Migration. Da müssen wir Angebote schaffen, die noch lange nicht so vorhanden sind, wie sie sein sollten. Zum einen müssen wir erreichen, dass einerseits der Zugang von Migrantinnen,
80 Prozent der Opfer von Gewalt sind Frauen, zur Justiz und zur Polizei verbessert wird, andererseits aber auch die entsprechenden Hilfsangebote verbessert werden. Das setzt auch Dolmetscherleistungen voraus. Zum anderen müssen wir eine entsprechende Sensibilisierung der Dolmetscher in diesem Bereich erreichen.
Es gibt also noch viel in dem Bereich zu tun, und wir sollten das anpacken. Wir sollten auch die Ergebnisse der Anhörung der Opferhilfeeinrichtungen im Rechtsausschuss einbeziehen und dann gemeinsam an einer Verbesserung der Situation für Opfer von häuslicher Beziehungsgewalt arbeiten. – Danke!
Sehr geehrte Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit nun über zehn Jahren berichtet die ressortübergreifende Arbeitsgruppe „Häusliche Beziehungsgewalt“ über die Umsetzung von Maßnahmen hier in Bremen. Der fünfte Bericht ist das Ergebnis der Zusammenarbeit der beteiligten Ressorts, und ich denke, dieser Bericht kann sich sehen lassen. Er beschreibt sehr differenziert und sehr genau, welche Dimension häusliche Beziehungsgewalt hier in Bremen hat, und ein paar Überlegungen sind, wie diesen Schwierigkeiten, dieser Situation oder der Gewalt begegnet werden kann.
Von der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe sind vor allem zwei Bereiche identifiziert worden, in denen sich etwas tun muss. Erstens muss eine Fachstelle, eine Beratungsstelle, die im Rahmen der häuslichen Beziehungsgewalt neben einzelnen betroffenen Frauen auch gewalttätige Männer berät und dafür sorgt, dass in den Stadtteilen eine Lösung gefunden und auch konkrete Unterstützung organisiert wird, her.
Zweitens ist zu prüfen, inwieweit das bestehende System durch Anlaufstellen in den Stadtteilen besser genutzt werden kann. Es wird geprüft, ob die Fachkräfte ausreichende Ressourcen dafür haben und wie die Fachlichkeit verbessert werden kann. Eine Möglichkeit der Verbesserung der Fachlichkeit ist insbesondere die Zusammenarbeit, und das wurde soeben schon gesagt, mit den Ärzten und auch den verschiedenen Angeboten, die heute bereits vorhanden sind.
Die Öffentlichkeitsarbeit muss verbessert werden, um gerade, Frau Piontkowski hat das angesprochen, den Bereich des Dunkelfelds weiter zu erhellen, also insbesondere Frauen zu ermutigen, sich gegen die Beziehungsgewalt zur Wehr zu setzen und tatsächlich die Staatsanwaltschaft oder die Polizei aufzusuchen. Die Finanzierung der Frauenhäuser muss langfristig auf eine bessere Grundlage gestellt werden, und die Öffentlichkeitsarbeit muss intensiviert werden.
Ende 2012 wird die bundesweite Hotline nach dem Hilfetelefongesetz eingerichtet, die dann ihre Arbeit aufnimmt. Damit steht dann auch in Bremen eine erste Anlaufstelle für Frauen und Mädchen, die Gewalt erleben, zur Verfügung, fachlich gesichert, 24 Stunden besetzt und auch in verschiedenen Sprachen. Das Bewerben der Hotline können und wollen wir dann auch in Bremen durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit unterstützen. Dafür wird es notwendig sein, dass das Bremer Hilfesystem auch Anlaufstellen hat, an die sich Frauen wenden können. Es wurde schon gesagt, es geht nicht nur darum, die Informationen aufzunehmen, sondern dann auch um mehr Anlaufstellen, die den Frauen zur Verfügung stehen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Eine gute, gesundheitsförderliche und gewaltpräventive Arbeit in der Schule, den Kindertagesstätten und der Jugendarbeit muss explizit gewaltspezifische Aspekte beinhalten. Hierbei muss man schauen, inwieweit wir auch vor Ort in den Stadtteilen, Schulen und Kindertagesstätten mehr zur Verbreitung des Themas beitragen können.
Ich möchte noch einmal das ansprechen, was Frau Hoch schon angeschnitten hat! Wir müssen auch überlegen, ob wir die Täterarbeit intensivieren können, denn hinter der Gewalt stehen überwiegend männliche Täter. Die Verbindung mit dem Stalking-KIT, die Frau Piontkowski angesprochen hat, finde ich sehr wichtig, weil Stalking in der Tat häufig im Grunde genommen die erste, noch nicht so intensive Gewaltform ist, die dann aber in weiteren Gewaltformen mündet, wie wir aus den Berichten hierzu auch erfahren haben.
Ich denke, dass wir insbesondere für den Personenkreis der Migrantinnen und Migranten schauen müssen, wie wir die Barrieren, eine solche Beratung aufzusuchen, senken können. Ich glaube, dass es einfach kulturbezogene Gewaltformen und Umgangsformen gibt, die nicht geduldet werden können und zu Gewaltausbrüchen gegenüber Frauen beitragen. Dort müssen wir spezifische Ansätze entwickeln, wie wir diesem Problem angemessen begegnen können.
Frau Böschen hat es gesagt, es gibt viel zu tun. Wir werden insbesondere einen Schwerpunkt darauf setzen, das Angebot, das bereits heute vorhanden ist, besser zu vernetzen und den Angebotsträgern und den Personen, die die Frauen als erste Ansprechpartner haben – das sind einerseits natürlich die Frauenhäuser, andererseits aber auch die Polizei, diese sollen besser geschult werden –, diese kompletten Informationen zur Verfügung zu stellen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Wer den Bemerkungen des Ausschusses für die Gleichstellung der Frau, Drucksache 18/232, beitreten möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von der Mitteilung des Senats, Drucksache 18/124, und dem Bericht des Ausschusses für die Gleichstellung der Frau, Drucksache 18/232, Kenntnis.