Protokoll der Sitzung vom 21.11.2012

Ich glaube, wenn man sich das vor Augen führt, dann muss man jenseits der internationalen Verpflichtungen einfach sagen, wir, die Parlamentarier, haben von unserem eigenen Selbstverständnis her ein massives Interesse, dass wir klare und eindeutige Regelungen haben und dass Grenzen gezogen werden zwischen dem, was geht und was nicht geht.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich verstehe überhaupt nicht, dass es der Bundestag mit seinen Mehrheitsfraktionen bisher nicht geschafft hat, diese Grenzen klar zu ziehen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Zugegebenermaßen, es ist schwierig, weil ich mich als überzeugter Parlamentarier auch dagegen verwahre, dass wir Parlamentarier gleich öffentliche Amtsträger sein sollen, wie es normale Beamte sind.

Das unterscheidet uns Sozialdemokraten im Bundestag im Übrigen auch von den dortigen Grünen. Den Antrag, den die grüne Bundestagsfraktion in den Bundestag eingebracht hat, würde ich jedenfalls so nicht mitmachen.

Ich glaube aber, dass es ein Armutszeugnis der parlamentarischen Demokratie ist, dass wir immer noch nicht geregelt haben, dass der Parlamentarismus in Deutschland nicht käuflich ist. Sollte der Versuch gemacht werden, dass er gekauft wird, dann bin ich als Parlamentarier der festen Überzeugung, dass das schwer bestraft werden muss.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Vielleicht sei denjenigen, die das auf Bundesebene bisher immer verhindert haben und sagen, wir haben doch den Paragraf 108 e, wenn man sie politisch nicht überzeugen kann, die Stellungnahme des Bundesgerichtshof in einem Strafverfahren ins Stammbuch geschrieben. Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2006 geurteilt, der Paragraf 108 e sei eine – so wörtlich – „praktisch bedeutungslose symbolische Gesetzgebung“. Nichts ist schlimmer für Parlamentarier, als wenn sie eine symbolische Gesetzgebung beschließen.

Lassen Sie uns alle Parlamentarier an ihrem Ehrgeiz packen, die Regelung muss erlassen werden, dass die Korruption auch unter Parlamentariern unter Strafe gestellt wird! – Ich danke Ihnen!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Piontkowski.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Korruption verursacht wirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe, sie untergräbt das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie, sie gefährdet rechtsstaatliche Strukturen und fördert Gier und Egoismus. Insofern ist der Antrag – von einem Gesetzesentwurf wie die drei vorliegenden auf Bundesebene kann man hier ja nicht sprechen – durchaus nachvollziehbar.

Allerdings steckt – wie üblich – der Teufel im Detail. Wir bewegen uns hier in einem Spannungsfeld zwischen einerseits der Korruption und andererseits der Aufgabe der Abgeordneten, die Interessen derjenigen wahrzunehmen, die für sie gestimmt haben. Dabei – Herr Tschöpe hat das schon völlig zu Recht angesprochen – müssen wir betrachten, dass die Stellungen von Abgeordneten und Amtsträgern grundsätzlich unterschiedlich sind.

Abgeordnete haben ein freies Mandat, sie sind nur ihrem Gewissen verpflichtet, sie haben keinen fest

definierten Pflichtenkreis, und es ist ein höchstpersönliches Recht als Abgeordneter, sein Amt auszuüben. Die Amtsträger sind dagegen weisungsgebunden, sie sind ersetzbar, an ihre Dienstpflichten gebunden und müssen anders als Abgeordnete strikt unparteiisch sein. Genau da liegt das Problem, warum Deutschland das UN-Übereinkommen bislang nicht ratifiziert hat, denn dieses UN-Übereinkommen stellt frei gewählte Abgeordnete mit weisungsgebundenen Amtsträgern auf eine Stufe.

(Beifall bei der CDU)

Trotz der fehlenden Ratifizierung braucht sich Deutschland aber im internationalen Vergleich nicht zu verstecken. Im Bestecherzahlenindex des Jahres 2011 von Transparency International nimmt Deutschland einen vierten Platz von 28 untersuchten Ländern ein. Wenn wir jetzt das Übereinkommen in nationalstaatliches Recht umsetzen wollen, müssen wir eine Regelung finden, die der verfassungsrechtlichen Stellung der Abgeordneten einerseits gerecht wird und andererseits eine hinreichend trennscharfe Abgrenzung zwischen erlaubtem und verbotenem Verhalten ermöglicht. Die SPD und die Grünen haben hier einen Antrag gestellt, der im Prinzip den Entwurf der SPD auf Bundesebene aufgreift, allerdings nicht vollständig. Es fehlt sozusagen der zweite Teil, der bestimmte Verhaltensweisen, wie zum Beispiel die Teilnahme an parlamentarischen Abenden und Ähnliches, von der Strafbarkeit ausnimmt. Parlamentarische Gepflogenheiten sollen auf Bundesebene von einer Strafbarkeit ausgeschlossen sein, das haben Sie hier nicht übernommen. Sie haben die Strafbarkeit daran geknüpft, dass eine Handlung – so haben Sie es formuliert – im Auftrag oder auf Weisung unter Strafe gestellt werden kann, wenn der Abgeordnete dafür einen Vorteil erhält. Genau da liegt das Problem. Es ist immer eine Detailfrage. Eine unentgeltliche Geschäftsbesorgung für Auftraggeber, so heißt es im BGB, ist ein Auftrag. Das kann hier nicht passen. Auch eine beamtenrechtliche Weisung passt hier nicht auf den Begriff der Weisung, die Sie in Ihrem Gesetzesentwurf oder in Ihre Formulierungen aufgenommen haben. Der Vorschlag ist auch nicht geeignet – Sie haben vorhin das Urteil des BGH angesprochen –, alle Strafbarkeitslücken, die zurzeit bestehen, zu schließen. Wenn der Abgeordnete nämlich eine selbst angestoßene Vorteilsgewährung für ein Unterlassen fordert, also wenn er auf jemanden zugeht und sagt, ich bin ein einflussreicher Mandatsträger, ich biete Ihnen als Unternehmer an, für Geld dafür zu sorgen, dass irgendein Beschluss – zum Beispiel ein Beschluss über die Erhöhung der Gewerbesteuer – nicht zustande kommt, dann besteht das Problem, dass man schwerlich davon ausgehen kann, dass dieser Mandatsträger im Auftrag oder auf Weisung gehandelt hat, weil genau das Gegenteil der Fall ist.

Im Übrigen begegnet der Vorschlag, den Sie hier gemacht haben, verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot.

(Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Tschöpe?

Bitte, Herr Abgeordneter!

Frau Abgeordnete, würden Sie mit mir übereinstimmen, dass der Entwurf, den Rot-Grün hier vorlegt haben, gegebenenfalls Lücken hat, dass er aber gesamtgesellschaftlich deutlich wünschenswerter ist als der jetzige Rechtszustand, dass nämlich keine Regelung besteht?

Herr Tschöpe, genau das ist das Problem! Die Regelung muss verfassungskonform sein, sonst haben wir ein Problem. Ich wollte jetzt die weiteren Probleme, die ich mit dem Vorschlag habe, den Sie gemacht haben, noch ausführen.

Ich habe eben das Problem der Einhaltung des Bestimmtheitsgebots angesprochen. Ich sage nicht, dass wir grundsätzlich dagegen sind, Abgeordnetenbestechung und Korruption unter Strafe zu stellen, ganz im Gegenteil, aber die Frage ist, wie man das macht.

Schauen wir uns verschiedene Formulierungen an! Was ist unter Vorteil zu verstehen? Sind darunter materielle oder immaterielle Vorteile zu verstehen? Das ist nur ein Beispiel. Oder: Wie soll der Beweis einer Unrechtsvereinbarung geführt werden? Wann beeinflusst eine Vorteilsgewährung eine politische Entscheidung? Wie soll festgestellt werden, ob der Mandatsträger aufgrund einer inneren Überzeugung gehandelt hat oder aufgrund einer Vorteilsgewährung? Wir sind bei diesen Fragen ganz schnell im Gesinnungsstrafrecht. Wir können viele Dinge einfach gar nicht mehr feststellen, und das ist das Problem. Es ist immer eine Gradwanderung. Je allgemeiner die Formulierung ist, desto größer ist die Gefahr, dass die Abgrenzung allein in das Ermessen der Strafverfolgungsbehörden gestellt wird.

(Glocke)

Entschuldigung, Frau Abgeordnete, dass ich Sie noch einmal unterbreche, aber ich ahne, dass der Abgeordnete Tschöpe noch eine Frage an Sie richten möchte, wenn Sie es gestatten.

Ich mache es auch kurz: Was ist denn Ihr Vorschlag?

Das ist ja gerade das Problem!

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. S t r o h - m a n n [CDU]: Das ist doch ein Schnell- schuss! Das ist doch keine Alternative! Rechts- ausschuss!)

Herr Tschöpe, das Problem ist, dass wir fünf Minuten Redezeit haben. Wenn wir uns mit einem Vorschlag auseinandersetzen wollen, brauchen wir mehr Zeit. Damit beschäftigt sich auch der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags. Dazu gibt es, glaube ich, vier oder fünf Rechtsgutachten, die alles im Einzelnen betrachten. Das können wir im Plenum nicht. Wir können uns gern im Rechtsausschuss darüber unterhalten, damit habe ich überhaupt kein Problem, aber ich denke, jetzt hier eine konkrete Formulierung innerhalb von fünf Minuten zu finden, würde das Thema überstrapazieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte noch einmal auf einen anderen Punkt hinweisen. In manchen Gemeindeordnungen steht ausdrücklich, dass Gemeinden, bevor sie Steuern in Anspruch nehmen, für die Finanzierung andere Einnahmequellen suchen sollen. Das bedeutet, dass gerade viele Veranstaltungen im sportlichen Bereich auch durch private Sponsorengeber gefördert werden. Auch da müssen wir eine Formulierung finden, wie ausgenommen werden kann, dass Pflichten, die man aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift wahrnimmt, auf der anderen Seite nicht wieder unter Strafe gestellt werden.

Das Thema parlamentarische Gepflogenheiten habe ich schon angesprochen. Wenn Sie hier eine Regelung vorlegen, dann sollten Sie sich auch überlegen, welche Regelung Sie nun wollen. Frau Dogan sprach von etwas ganz anderem als Sie. Die Frage ist, ob Sie die parlamentarischen Gepflogenheiten in Zukunft mit einbeziehen wollen, das heißt dann aber, dass es auch strafbar sein sollte. Dann sollten wir heute allerdings nicht zusammen zu dem parlamentarischen Abend gehen, das ist das Problem.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Oder hinge- hen und nichts essen!)

Ein anderes Problem sind Handlungen bei der Wahrnehmung eines Mandats, so haben sie die formuliert. Auch da ist die Frage, inwieweit damit die Strafbarkeit ins Vorfeld verlagert wird.

Ich hätte noch viele verschiedene Punkte, die ich anführen könnte. Wir meinen jedenfalls, dass der Vorschlag, den Sie hier vorgelegt haben, nicht hinreichend ist, um zustimmen zu können. Deswegen werden wir uns der Stimme enthalten. Wir wären aber

auch gern bereit, in weitere Diskussionen mit Ihnen einzutreten, wenn Sie denn konkrete und auch beschließbare Vorschläge vorlegen. – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, das, was wir zuletzt gehört haben, ist sicherlich eine wichtige und sehr interessante Auseinandersetzung zwischen Juristen.

(Heiterkeit)

Das ist bestimmt ein gutes Thema für eine Hausarbeit von Jurastudenten, aber ich finde, Herr Tschöpe hat relativ deutlich gesagt, worum es geht.

Es geht hier einfach darum, ein Signal zu setzen, und das Signal ist einfach das, dass man feststellen muss, dass eine UN-Konvention vorliegt, der wir beigetreten sind, aber die nicht ratifiziert worden ist. Das ist ein Zustand, den man sich, finde ich, nicht erlauben kann, weil wir alle gerade als Politikerinnen und Politiker immer gern darüber klagen, dass es Politikverdrossenheit, Parteienverdrossenheit gibt. Ich glaube, das alles sind Faktoren, die das begünstigen.

Wir als LINKE sagen deshalb sehr deutlich, Korruption muss bekämpft werden, und daher werden wir Ihrem Antrag zustimmen. Ich denke, die Einzelheiten wird man dann noch klären können, und sicherlich wird es noch interessante Auseinandersetzungen darüber geben, inwieweit man dann nicht nur Korruption, sondern auch den gläsernen Abgeordneten – wie zum Beispiel ob die Geschichten, die Herr Steinbrück veranstaltet hat, rechtens waren – haben will oder nicht.

Das sind wichtige Auseinandersetzungen, aber dazu wird es später sicherlich noch Gelegenheit geben. DIE LINKE stimmt jedenfalls dem Antrag der Koalition zu. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen )

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Günthner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! „Die gesetzlichen Regeln der Abgeordnetenbestechung in der gegenwärtigen Form des Paragrafen 108 e Strafgesetzbuch führen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers dazu, weite Teile von als strafwürdig empfundene Ma––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.