Protokoll der Sitzung vom 24.01.2013

Das Grundgesetz unterscheidet sehr deutlich zwischen denjenigen Ansprüchen und Rechten, die allen Menschen zustehen, und denjenigen Ansprüchen,

Rechten und Pflichten, die eben nur Deutschen zustehen. Dabei handelt es sich um ein ausgewogenes Verhältnis von Rechten und Pflichten. Wir haben ja vor kurzem erst sehr intensiv zum Beispiel debattiert, wie es eigentlich mit der Wehrpflicht in Deutschland weitergeht. Die Wehrpflicht ist übrigens eine Pflicht, die in der Tradition unserer Verfassung auch nur eine Pflicht von Deutschen gewesen ist.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Gewesen!)

Das heißt, es ist immer so gewesen, dass mit bestimmten Pflichten eben auch Rechte und Rechte mit bestimmten Pflichten verbunden sind. Deswegen glauben wir, dass diese Unterscheidung, dass die Grundrechte der Verfassung allen Menschen zustehen, dass bestimmte Bürgerrechte und Bürgerpflichten aber an die Staatsangehörigkeit gekoppelt sind, dass das die richtige Wertung des Grundgesetzes war, ist und auch weiterhin aus Sicht der CDU-Fraktion bleiben soll.

(Beifall bei der CDU)

Das ändert nichts, aber auch wirklich überhaupt nichts daran, dass Deutschland wie Bremen und Bremerhaven natürlich eine weltoffene Gesellschaft ist und dass alle Menschen eben auch in Deutschland willkommen sind. Deswegen haben wir an ganz vielen unterschiedlichen Stellen ja auch schon darüber gesprochen, wie wir den Zuzug und meinetwegen eben auch die Einbürgerung von Menschen und den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit für Menschen, die hier mitten unter uns leben, erleichtern können.

Deswegen sage ich, ja, ich möchte, dass Menschen, die aus fremden Staaten zu uns gezogen sind, die in unserer Gesellschaft voll integriert sind, die auch mitten unter uns wohnen, ich will, dass sie ein aktiver Teil unserer Bevölkerung werden, aber das können sie auch, indem sie die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen, sich zu unserem Staat bekennen und dann auch unsere Rechte in Anspruch nehmen. Das ist die Auffassung der CDU-Bürgerschaftsfraktion!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Tschöpe.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Röwekamp, ich glaube eigentlich, dass ich in der Zweiteilung meiner Rede deutlich gemacht habe, dass ich mich – an Frau Häsler gewandt – dagegen verwahrt habe, dass dieses Parlament gedenkt, einen Verfassungsbruch zu begehen, dann mit dem deutlichen Hinweis, dass ich mich eigentlich gemeldet habe, als Herr Timke hier seinen Redebeitrag

gemacht hat, und ich ihn dann gefragt habe, ob er eine inhaltliche Begründung hat, sehr deutlich gemacht habe, dass ich differenziere. Ich differenziere in diesem Parlament sehr deutlich zwischen der Haltung der CDU und der Haltung von Herrn Timke. Wenn es Ihnen nicht deutlich gewesen sein sollte, dann kann ich mich an dieser Stelle entschuldigen. Ich bin aber auch gern bereit, mich mit Ihnen noch einmal über das Protokoll zu beugen. Ich erkläre hier aber noch einmal, dass ich zwischen Ihnen und Herrn Timke differenziere. Ich bin aber trotzdem dankbar, dass Sie als Fraktionsvorsitzender hier an das Rednerpult gekommen sind, weil ich glaube, dass dann noch einmal der Unterschied in der politischen Bewertung deutlich geworden ist.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Ich sage ehrlich, Herr Röwekamp, ich finde, dass ist eine Position, die man als Demokrat haben kann, die Sie entwickelt haben, die auf dem Boden des Grundgesetzes steht, die auch in Verbindung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit Sicherheit einmal juristische Mehrheitsmeinung gewesen ist, vielleicht auch noch ist. Genau das wird das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht klären. Ich persönlich stelle nur fest, ich glaube, zumindest die Reden auf der linken Seite des Parlaments haben deutlich gemacht, dass die Mehrheit des Parlaments einer anderen Meinung ist. Vielleicht sollten zumindest die Demokraten in diesem Parlament darauf zurückkommen, dass sie sagen, wir wollen eine gesellschaftliche Entwicklung nachvollziehen, die es beim Bundesverfassungsgericht immer gegeben hat. Das Bundesverfassungsgericht hat 1958 geurteilt, dass die einvernehmlichen sexuellen Handlungen unter Männern unter Strafe zu stellen sind und dass das Strafgesetzbuch in diesem Punkt mit dem Grundgesetzbuch vereinbar ist. 2002 hat es erklärt, dass natürlich Schwule auch die eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen dürfen. Dass es dabei einen Wertewandel gegeben hat, kann man, glaube ich, relativ deutlich ermessen. Das Bundesverfassungsgericht ist auch immer Spiegel dieser Gesellschaft gewesen. Ich sage ganz ehrlich, das finde ich gut so, und ich glaube, wir alle sollten uns dahinter versammeln können.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Abschließend biete ich noch einmal an, dass wir das Protokoll gemeinsam lesen. Ich glaube, daraus wird hervorgehen, dass ich sehr deutlich differenziert habe. Ich danke für diese sehr klärende Debatte!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde, diese Debatten, wie wir sie heute führen, auch in dieser Lebendigkeit und auch in diesen politisch hier im Hause und auch draußen deutlich werdenden Kontroversen außerordentlich notwendig für dieses Parlament.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es kann doch nicht sein, dass der Eindruck entsteht, wenn wir hier so vor uns hinplätschern würden, wo jeder so ein bisschen vor sich hin redet und keine Kontroversen, keine Emotionen und auch keine unterschiedlichen politischen Haltungen spürbar sind, dass das gut wäre für die parlamentarische Demokratie in diesem Land, sondern solche Debatten, wie wir sie gerade führen, sind gut für die parlamentarische Demokratie in diesem Land.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich finde auch, dass deutlich geworden ist, welche politische Haltung und welche unterschiedlichen Positionen Parteien, Fraktionen, die sich ja irgendwann einmal bei den Wählerinnen und Wählern wieder vorstellen und zur Wahl stellen, hier zu dieser Frage haben. Man kann sich in diesen Fragen nicht hinter juristischen Positionen verstecken, meine Damen und Herren,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

sondern man muss ganz klar sagen, was man politisch will. Das ist auch gemacht worden. Es ist ein großer Unterschied, ob man sagt, man will nicht nur die verfassungsmäßige Ordnung, sondern man will auch das politische Zusammenleben in diesem Land nach vorn entwickeln, man will eine fortschrittliche Haltung, man will etwas verändern – was diese drei Fraktionen gerade hier zum Ausdruck gebracht haben –, oder man will, dass es so bleibt, wie es ist. Dann wäre es eben immer so geblieben, wie es irgendwann einmal war. Es war nicht immer alles gut, sondern es hat sich verändern müssen. Diese Veränderungen werden dadurch vorangebracht, dass man einen fortschrittlichen Weg einschlägt, und das haben drei Fraktionen hier heute zum Ausdruck gebracht, nicht mehr und nicht weniger.

Ob es möglich ist auf der jetzigen Basis der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wird man dann sehen, wenn unser Staatsgerichtshof das Bundesverfassungsgericht fragt und dann eine Antwort bekommt. Wir werden diese Antwort hinzunehmen haben, weil das natürlich in der Auslegung unserer Verfassung in der Tat das letzte Wort ist. Politisch ist es nicht das letzte Wort. Wenn heute ein Verfassungsgericht etwas entscheidet, kann ich in den Jahren danach immer noch politisch dafür arbeiten. Unsere Fraktionen arbeiten eben politisch dafür, dass es sich ändert, weil dieser Grundsatz „No taxation without representation“, nämlich wer Steuern zahlt, wer in einem Gemeinwesen zu Pflichten herangezogen wird, der muss auch an den Rechten partizipieren, für uns der oberste Grundsatz ist, an dem wir uns orientieren. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN – Abg. R ö w e - k a m p [CDU]: Das Wahlrecht nur für Steu- erzahler ist mit dem Grundgesetz auch un- vereinbar, Herr Dr. Güldner! Das würde auch einen ganz wichtigen Teil unserer Bevölke- rung ausgrenzen!)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern auf zwei Aspekte – –.

(Unruhe – Glocke)

Die Abgeordnete Frau Vogt hat das Wort!

Herr Röwekamp, ich wollte gern auf Ihren Redebeitrag zurückkommen, und zwar auf den Punkt der Einbürgerung. Sie haben gesagt, wer hier partizipieren will, kann sich einbürgern lassen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Kann er eben nicht!)

Das ist nämlich leider eben nicht so einfach. Vor einer Einbürgerung stehen hohe Hürden, und viele Menschen können diese gar nicht überwinden. Wir haben hier an anderer Stelle schon über die erleichterte Einbürgerung für bestimmte Personengruppen diskutiert, Sie waren nicht unbedingt mit uns einer Meinung, das muss ich hier einmal festhalten.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen) ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft. Wenn es so einfach wäre, dass jeder Mensch, der hier lebt, aus einem anderen Land kommt und sich diesem Staat verbunden fühlt, die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen könnte! Ich persönlich kenne sehr viele, die seit längerer Zeit versuchen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erreichen, die ziemlich hohe Hürden überwinden müssen, lange warten müssen, ihre 60 Monate Rentenbeiträge beibringen müssen und trotzdem hier leben, arbeiten, Steuern zahlen, Kinder bekommen, zum Allgemeinwohl beitragen und die wirklich Schwierigkeiten haben, diese Einbürgerung zu erlangen. Man würde diesen Menschen im Grunde sagen, wir haben hier gesetzliche Hürden für die Einbürgerung, wir finden gut, dass ihr hier arbeitet, hier Kinder bekommt und Steuern zahlt, aber partizipieren dürft ihr nicht, denn dazu müsstet ihr erst einmal die gesetzlichen Hürden der Einbürgerung überwinden, und erleichtern wollen wir sie dann auch nicht. Das finde ich doppeldeutig. (Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Inwieweit Menschen, die keinen deutschen Pass haben, von politischen Entscheidungen betroffen sind und nichts daran ändern können, zeigt sich einmal mehr an dem Volksentscheid in Hamburg für die sechsjährige Grundschule. Diese sechsjährige Grundschule wäre genau den Menschen zugutegekommen, die in ärmeren Stadtteilen leben, und sie wäre vor allem den Migranten in Hamburg zugute gekommen. Die Menschen ohne deutschen Pass durften an diesem Volksentscheid in Hamburg nicht teilnehmen, teilgenommen haben aber die Reichen aus Blankenese, und sie haben die Einführung dieser Schule verhindert.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Genau!)

Dieses Beispiel, Herr Röwekamp, zeigt noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, dass Menschen, die hier leben, arbeiten, Steuern zahlen und zum Allgemeinwohl beitragen, auch an politischen Entscheidungen partizipieren können. Insofern ist dieser Schritt, den wir hier gehen, auch ein richtiger Schritt.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Zuerst lasse ich über die Ziffer 1 des Antrags abstimmen.

Wer das Gesetz zur Ausweitung des Wahlrechts, Drucksache 18/731, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen?

(CDU)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Jetzt lasse ich über die Ziffer 2 des Antrags abstimmen.

Wer dem Antrag des nicht ständigen Ausschusses „Ausweitung des Wahlrechts“ seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!