Protokoll der Sitzung vom 24.01.2013

Wer dem Antrag des nicht ständigen Ausschusses „Ausweitung des Wahlrechts“ seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und Abg. T i m k e [BIW])

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(CDU)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Nun lasse ich über die Ziffer 3 des Antrags abstimmen.

Wer den Bemerkungen des nicht ständigen Ausschusses „Ausweitung des Wahlrechts“ beitreten möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU und Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) tritt den Bemerkungen des nicht ständigen Ausschuss „Ausweitung des Wahlrechts“ bei.

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) den Bericht des nicht ständigen Ausschusses „Ausweitung des Wahlrechts“ zur Kenntnis.

Stromabschaltungen und soziale Spaltung

Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 9. November 2012 (Drucksache 18/635)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 18. Dezember 2012

(Drucksache 18/707)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Lohse.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 18/707, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Senator Dr. Lohse, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE nicht mündlich wiederholen möchten.

Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema unserer Großen Anfrage sind die Stromsperren, speziell die Stromsperren in Bremen. Wir haben festgestellt, bevor wir diese Anfrage gestellt haben, dass das Thema Stromsperren offensichtlich in der Öffentlichkeit weniger bekannt ist. Wir haben sogar festgestellt, und der „Weser-Kurier“ hat es in einem Artikel aufgenommen, dass ein Vertreter der Energiewirtschaft gesagt hat, es stelle möglicherweise ein ignoriertes Massenphänomen dar.

Ich habe gestern nach der Bürgerschaftssitzung zu Hause nachgedacht, was eine Stromsperre denn für mich selbst in meinem eigenen Haushalt bedeuten würde. Ich habe festgestellt, das ist gar nicht so einfach. Dass die Gasheizung dann nicht mehr laufen wird, ist relativ klar, weil die elektrischen Strom braucht. Das Licht würde nicht mehr gehen, der Fernseher und diverse Endverbrauchergeräte auch nicht, das ist relativ klar, auch die E-Gitarre funktioniert nicht mehr, aber interessant fand ich dann doch schon, auch festzustellen, ich hatte mir gerade so ein neues Gaskochfeld angeschafft, ich koche zwar mit Gas, aber wenn kein Strom vorhanden ist, bekomme ich das Gerät nicht mehr an.

(Abg. D r. S c h l e n k e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Feuerzeug!)

Das muss man vielleicht modifizieren, aber zumindest so, wie es ist, bekommt man es nicht an! Ich finde, es wirft noch einmal ein Schlaglicht darauf, dass diese Stromsperren natürlich im Alltag nicht so lapidar abzutun sind, weil sie große Folgen für die Be––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

troffenen haben. Wir haben festgestellt, so sind die Zahlen, im Jahr 2011 gab es an die 310 000 Stromsperren im Bundesgebiet. Wir haben nach unserer Großen Anfrage feststellen müssen, dass es im Jahr 2011 in Bremen 4 800 Stromsperren gegeben hat, und bis Oktober 2012 waren es auch schon 3 700. Das heißt, am Ende wird dabei wieder eine ähnliche Zahl wie für das Jahr 2011 herauskommen.

Wir haben auch festgestellt, das finde ich sehr tragisch, dass es nach den Recherchen unserer Bundestagsfraktion bundesweit mittlerweile acht Tote gegeben hat, die auf eine Stromsperre zurückzuführen sind. Menschen sind zu Tode gekommen, da es wegen der Stromsperre Versuche gegeben hat, anders zu heizen. Das ist eine tragische Entwicklung.

Wir haben dann weiter festgestellt, dass der lokale Stromanbieter, die swb, wie die anderen auch für 2013 Stromspreiserhöhungen im Rahmen von 12 bis 30 Prozent angekündigt hat. In dem Moment haben wir natürlich gedacht, bei einer so massiven Strompreiserhöhung muss man sich doch fragen, was das für die Geringverdienenden in unserem Land bedeutet, die ja auch nicht gerade wenige sind, über die diversen Armutsberichte und die Situation von armen Menschen in diesem Land haben wir gestern diskutiert. Dazu muss man feststellen, es gibt mittlerweile in Bremen 80 000 überschuldete Menschen. Man muss sich dabei natürlich überlegen, was die Erhöhung der Strompreise bedeutet und welche Folgen dieser Sprung hat.

Wir haben weiter festgestellt, ich glaube, jedem, der sich damit beschäftigt, ist es auch klar, die Regelsätze von Hartz IV sehen in der Regel 30 Euro für Energiekosten vor, dazu gibt es auch diverse Regelungen, ich will es gar nicht bestreiten, aber diese 30 Euro werden zumindest bei der zu erwartenden Strompreiserhöhung sicherlich nicht ausreichen. Speziell diesem Bereich gilt unsere Sorge.

Deswegen haben wir die Große Anfrage, die Ihnen zusammen mit der Antwort des Senats vorliegt, gestellt. Besonders schade ist es natürlich, dass dem Senat gerade zu dem Bereich, sei es nun Hartz IV, seien es Geringverdiener oder seien es zum Beispiel die Stadtteile, in denen so etwas gehäuft vorkommt, keine Zahlen vorliegen. Das ist traurig, aber trotzdem haben wir als LINKE gesagt, das ist ein Problem, mit dem wir uns beschäftigen müssen.

Natürlich fällt auf, dass bundesweit mittlerweile fast 2 000 Unternehmen von der Energiepreiserhöhung ausgenommen sind. Sie sparen damit geschätzte 2,5 Milliarden Euro. Wir müssen feststellen, dass die drei großen Energieunternehmen in den letzten sieben Jahren gemeinsam etwa 100 Milliarden Euro an Gewinn eingefahren haben. Auf der anderen Seite laufen – ich habe die Zahlen für Bremen genannt, es gibt die Zahlen bundesweit – Geringverdienende Gefahr, sprichwörtlich im Dunkeln zu sitzen. Ich denke, es ist ein Zustand, der auf Dauer nicht haltbar ist; schnelle Hilfe ist nötig.

Wenn man sich die Zahlen für Bremen anschaut, dann wird es in Bremen weitere Stromabschaltungen geben. Die Einwirkungsmöglichkeiten sind auch in Bremen nicht gerade groß, deshalb haben wir gesagt, wir stellen die Große Anfrage, und wir bereiten einen Antrag für die Bürgerschaft vor und hoffen damit, dass auch andere Parteien, speziell natürlich die Koalition, unserem Versuch, den Menschen vor Ort zu helfen, nachfolgen werden. Lassen Sie mich mit den Sätzen schließen: Strom ist kein Luxusgut, Stromversorgung ist ein Grundrecht, und niemand darf davon ausgeschlossen werden. Deshalb müssen Wege beschritten werden, Stromsperren zu verbieten. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich danke den Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN für diese Große Anfrage, denn sie bringt etwas mehr Licht in das Dunkel der Stromabschaltung. Sie zeigt aber zugleich auch, dass die Problematik offensichtlich etwas komplizierter ist, als es oberflächlich den Anschein hat, und dass sie auch etwas komplizierter ist, als es die Antragsteller vielleicht selbst geglaubt haben. Ich habe auf der Homepage eines Bundestagsabgeordneten der LINKEN gelesen: „Die Zukunft armer Haushalte sieht düster aus. Rasant steigende Energiepreise führen dazu, dass viele Hartz-IV-Leistungsbezieher und zunehmend auch Geringverdiener nicht mehr in der Lage sind, die monatlichen Abschläge fristgerecht zu bezahlen.“ In der Zeitung „Neues Deutschland“ stand kurz vor Weihnachten: „Schätzungen gehen von bis zu 800 000 Stromabschaltungen bei zahlungsunfähigen Haushalten in diesem Jahr aus. Das wäre mehr als eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.“ Die Zahlen für Bremen und Bremerhaven zeigen, dass wir es offenbar auch nicht annähernd mit so dramatischen Entwicklungssprüngen zu tun haben und dass vor allen Dingen die angenommene gleiche Entwicklung, der Gleichklang, der Zusammenhang zwischen steigenden Energiepreisen und dem Anstieg der Stromabschaltungen so offenbar nicht stimmt, denn wir haben in Bremen über die Jahre hinweg sogar tendenziell ein Sinken, und das haben wir mit gewissen Unterbrechungen in Bremerhaven auch. Das trifft übrigens nicht nur für Bremen und Bremerhaven zu, sondern die Zahlen, die aus Berlin vorliegen, weisen auch darauf hin, dass dort über mehrere Jahre hinweg die Zahl der Abschaltungen annähernd konstant geblieben ist. Wir müssen bei dem Bemühen, uns mit dem Problem auseinanderzusetzen, tatsächlich auch das beherzigen, was Herr Senator Dr. Schulte-Sasse gestern

in einem anderen Zusammenhang gesagt hat: Wir müssen sehr genau hinschauen bei der Diagnose, um dann zur Therapie zu kommen. Wir müssen deshalb im Moment ehrlich sein, dass wir kaum etwas darüber wissen, wer genau von diesen Stromabschaltungen betroffen ist und wo Hilfe und Gegenmaßnahmen ansetzen müssen.

Die Quote der Hartz-IV-Bezieher liegt in Bremen bei rund 13 Prozent, die Zahl der Stromabschaltungen zwischen ein und zwei Prozent. Sind es überhaupt vornehmlich die Hartz-IV-Haushalte, die betroffen sind? Oder sind es möglicherweise hauptsächlich Rentnerhaushalte? Oder haben wir es mit dem wachsenden Problem von Menschen zu tun, die aus ganz anderen Gründen schlicht und einfach mit ihrem Alltag nicht mehr zurechtkommen? Diese Fragen beantwortet die Antwort auf die Große Anfrage nicht.

Ich muss sagen, es ist leider auch etwas dürftig. Es wird zwar berichtet, dass es eine Kooperation zwischen der swb Vertrieb Bremen GmbH, dem Jobcenter Bremen, dem Amt für Soziale Dienste und der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen gibt, um Stromsperren zu verhindern. Aber wie erfolgreich ist diese Kooperation? Welche Erfahrungen macht sie? Was muss zusätzlich gemacht werden? Davon lesen wir jetzt nichts. Meine Anregung wäre, dass man sich zumindest in der Sozialdeputation einen Bericht geben lässt, wie diese Kooperation funktioniert, was dort zu lernen ist, wer die Hauptbetroffenen sind und was mehr getan werden muss.

Es wird auch darauf hingewiesen, dass es inzwischen vielfältige Beratungsmöglichkeiten zu Energieeinsparungen gibt, gerade auch für Leistungsbezieher von SGB II und SGB XII. Die Frage ist aber auch hier: Wie erfolgreich ist dies denn? Welche Erfahrungen machen wir? Inwieweit funktioniert es gerade bei diesem Problem der Stromabschaltung? Auch da fehlt es an Antworten. Wir müssen dahin kommen, dass auch diese Beratungsangebote evaluiert werden, um zu sehen, ob sie in dem Bereich wirklich helfen.

Im Übrigen ist es so, Stromabschaltungen sind menschenunwürdig. Sie sind Verstöße gegen die Grundbedürfnisse der Menschen und der Haushalte hier im Lande. Es ist ein Skandal, dass wir auf der einen Seite milliardenschwere Entlastungen für Vielverbraucher haben, es auf der anderen Seite erlaubt ist, Stromabschaltungen durchzuführen, wenn Haushalte nur mit 100 Euro im Rückstand sind. So sehen die Verordnungen aus! Ich denke, dabei kann es eigentlich nicht bleiben, wir müssen in diesem Bereich auch Veränderungen anstreben, gerade wenn wir über ein mögliches Verbot von Stromabschaltungen sprechen, ist das Mindeste eigentlich – wie in Frankreich –, dahin zu kommen, dass zumindest in den Wintermonaten so etwas verboten wird.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Wir sollten darüber nachdenken, inwieweit wir hier aus diesem Parlament heraus auch eine Initiative in Richtung einer Änderung der – wie sie heißt – Stromgrundversorgungsverordnung starten, die bislang allein auf Bundesebene ausgestaltet wird. Ich denke, es würde uns gut anstehen. Wir müssen zudem sehen, dass die Energiepreiserhöhungen vornehmlich die schwächeren Haushalte treffen. Sie sind überproportional betroffen. Wir haben dies hier schon debattiert. Es sollte in diesem Bereich etwas geschehen. Wir brauchen verbilligte Basistarife. Wir brauchen vor allen Dingen aber auch echte Hilfe, dass Stromeinsparungen durch Zuschüsse oder Darlehen bei der Anschaffung Strom sparender Geräte unterstützt werden müssen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es darf nicht dazu kommen, dass Hartz-IVBezieher und einkommensschwache Haushalte gegen die Energiewende in diesem Land instrumentalisiert werden. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schierenbeck.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Stromversorgung gehört zur Grundversorgung der Menschen in unserem Land. Darin sind sich, denke ich, alle Fraktionen einig, auch der Senat bestätigt diese Auffassung in seiner Antwort. Nun fragt DIE LINKE, ob die Energiewende womöglich die soziale Spaltung in unserer Gesellschaft verschärft und ob Stromabschaltungen verboten werden müssen und können.