Es gibt natürlich, da haben Sie recht, Frau Grönert, in der Verwaltung auch noch Menschen, die aus überkommenen oder leider auch wieder neu erworbenen Denkweisen heraus solche Entscheidungen treffen, aber es gibt auch sehr viele Menschen, die den aktiven Versuch machen, sich aus diesem Denken zu lösen und anderes Denken umzusetzen. Programmatisch gehören dieser rot-grüne Senat und seine Verwaltung zu der letzteren Gruppe von Menschen, und es ist auch bei der Einstellungspolitik nachweisbar, dass das wirkt.
Man muss einfach gegeneinander abwägen, welches dieser beiden Dinge hier besser ist. Ich glaube insgesamt, dass der öffentliche Dienst, was die bewusste und politisch erklärte und begründete Förderung von positiver Diskriminierung angeht, natürlich viel besser dasteht als die Unternehmen, die in dem Sinne nicht öffentlich kontrolliert werden.
Es gibt also eine Reihe von Gründen, sich diese Art der anonymisierten Bewerbung genau anzuschauen, ob man nur das Bild weglässt, ob man auch andere Daten weglässt, in welcher Phase man es einführt, und es geht darum, genau zu überlegen, in welchen Bereichen des öffentlichen Dienstes es wirklich geeignet ist. Persönlich glaube ich eher nicht, dass von jetzt an bis zur Abgabe des Berichts Endes des Jahres 2014 die Bremische Bürgerschaft in ihrer Verwaltung sehr viele Einstellungen vornehmen wird.
Ich bin eher skeptisch, ob das wirklich ein Testfeld ist, aber es wird Bereiche geben. Im letzten Jahr, als wir die Anfrage in der Fragestunde gestellt haben, hat Frau Bürgermeisterin Linnert diese selbst auch genannt, und zwar könnte als möglicher Bereich vielleicht der Bereich der Auszubildenden genommen werden. Sie hat aber auch darauf hingewiesen, dass es da organisatorische und technische Voraussetzungen gibt wie die Entwicklung eines standardisierten Personalmanagements mit dem schönen Namen KoPers, das es dann auch möglich macht, dieses Verfahren auch im großen Umfang vernünftig einzusetzen.
Es gibt also starke Argumente für die Einführung eines solchen Pilotprojekts, es gibt aber auch eine Reihe von Fragen. Ich freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssen. – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren hätte ich mir schon oft gewünscht, nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch für den Ausbildungsmarkt. Es kommt sehr oft vor, dass ich mit Jugendlichen in Tenever rede, die sagen: Ich brauche mich doch gar nicht mehr zu bewerben, das kommt alles doch nur zurück, ich werde doch sowieso nicht zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen! Man hört und weiß auch, dass an diesen Aussagen etwas stimmt.
In vielen Fällen kommen bestimmte Bewerbungen gleich auf den Stapel der Bewerbungen, die zurückgeschickt werden. Das kann einem passieren, wenn man Cindi Tuncel oder Zahra Mohammadzadeh heißt. Wer lädt schon gern jemanden ein, dessen Namen er nicht richtig aussprechen kann. Das kann einem aber auch passieren, weil man in Tenever oder in Gröpelingen wohnt. Da gibt es inzwischen Postleitzahlen oder Straßenzüge, die man nicht als Absender haben möchte, weil man weiß, da gibt es Vorurteile.
Wenn dann beides auf einem zutrifft, Migrationshintergrund und eine bestimmte Adresse, dann hat man eine Hürde zu überwinden, an der viele Jugendliche gleich scheitern, ohne dass sie die Chancen hätten, sich selbst vorzustellen und jemanden persönlich zu überzeugen. Das heißt nicht, dass alle Jugendliche, mit denen ich rede, sehr gute Bewerbungsunterlagen hätten, manche haben diese, manche nicht, aber wenn man von vornherein weiß oder auch nur glaubt, man wird sowieso nicht eingeladen, demotiviert das, da will man nicht mehr, und da strengt man sich auch nicht mehr an. Jugendliche, die schon frustriert sind, wenn sie ihre Bewerbungen schreiben, können wir uns überhaupt nicht leisten.
In einem Bewerbungsverfahren läuft vieles unbewusst, das hat meine Vorrednerin Frau Grönert auch schon erwähnt. Die bisherigen Erfahrungen mit anonymisierten Bewerbungen zeigen, dass die Wirkung von unbewusster Diskriminierung bei der ersten Stufe des Bewerbungsverfahrens am stärksten ist, da hat man noch keine Person vor sich, da sortiert man nur Papiere, da fühlt man sich auch unter Druck, dem Vorstand eine Auswahl geeigneter Bewerber vorzulegen, und das ist ein Einfallstor für eine unbewusste Vorauswahl nach Kriterien, die nichts mit Qualifikationen zu tun haben.
Ein anonymes Bewerbungsverfahren würde in vielen Fällen wahrscheinlich dazu führen, dass mehr Bewerberinnen und Bewerber eingeladen werden. Oft stellt sich anhand der Bewerbung das Gefühl ein, diejenigen haben sehr gute Unterlagen, sehen sehr nett aus, da muss ich keinen der anderen Bewerber ein––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
laden. Bei einem anonymen Verfahren ist man sich da nicht so sicher, deshalb lädt man eher mehr Bewerber ein, weil man nicht aus Versehen oder zufällig denjenigen aussortieren möchte, der vielleicht sehr nett wäre. Das ist dann eine Chance für viele, die sonst nicht eingeladen würden.
Das entkräftet auch eine Kritik, die oft kommt. Manche Betriebe sagen, wir wollen das gar nicht so formalisieren, uns sind die Persönlichkeit des Bewerbers und seine Teamfähigkeit wichtiger als das formale Zeugnis. Das kann man aber eben nur feststellen, wenn man Bewerber einlädt. Man glaubt oft, man kann das anhand des Fotos oder der anderen Hinweise abschätzen, aber da liegt man falsch. Gerade wenn es um die Persönlichkeit des Bewerbers geht, dann ist das anonyme Verfahren gut. Von einem anonymisierten Bewerbungsverfahren profitieren, wie auch meine Vorrednerinnen und Vorredner gesagt haben – jedenfalls sind das die bisherigen Erfahrungen –, Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, ältere Bewerber oder ganz junge, aber auch Menschen mit besonderen Biografien. Davon profitieren auch Betriebe. Erstens bekommen sie darüber manchmal Beschäftigte, die sie sonst vielleicht nicht in Erwägung gezogen hätten und die gut sind, und zweitens setzen sie sich dadurch auch damit auseinander, welche Rolle unbewusste Vorurteile und Vorannahmen spielen.
Ich will abschließend darauf hinweisen, wir haben in Bremen ein besonderes Interesse daran, mit solchen Verfahren zu experimentieren. Wir haben in Bremen eigentlich nicht zu wenig Arbeits- oder Ausbildungsplätze, es ist nur so, dass die Menschen, die in Bremen wohnen, dabei relativ schlecht zum Zuge kommen, wie schon erwähnt, in manchen Stadtteilen und manchen sozialen Gruppen ganz besonders schlecht. Deshalb haben wir ein besonderes Interesse daran, dass hier niemand, der vielleicht sehr gute Chancen hätte, vorschnell aussortiert wird, wenn er es nur bis in das Bewerbungsgespräch geschafft hätte.
Ich hoffe, dass wir viele Erfahrungen sammeln können, die uns bei diesem Problem weiterbringen. Ich würde gern zu Jugendlichen im Stadtteil sagen können: Da und dort kannst du dich auch anonym bewerben, wenn es nicht klappt, hat es wenigstens nicht an deinem Namen gelegen, strenge dich einmal an! Ich würde mir wünschen, dass wir das erreichen, und deswegen unterstützen wir den Antrag. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich freue mich auf die Beratungen in den Ausschüssen. Mir kam die ganze Zeit eine Gedichtszeile in den Kopf, ich verstehe das Anliegen, wir haben ein gemeinsames Ziel,
aber die Einschätzung, die mir die ganze Zeit auf der Zunge liegt, ist: Warum in die Ferne schweifen?
(Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Das Ge- dicht kenne ich nicht! – Zuruf: Das ist neu! – Abg. D r. v o m B r u c h [CDU]: Ach so!)
Wir haben vielleicht – vielleicht wegen der Bedrückung durch die Sparpolitik oder weil die Bremerinnen und Bremer auch, aus welchen Gründen auch immer, häufiger einmal mit einem ausgeprägten Minderwertigkeitskomplex himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt durch die Gegend laufen – die Tendenz, Schwierigkeiten zu sehen, was wir hier schon machen. Wenn Sie das in den Ausschüssen beraten, dann freue ich mich darauf, dass wir darlegen dürfen, wie unser Verfahren hier in Bremen ist und zu welchen Ergebnissen wir kommen. Wenn wir dann immer noch finden, dass wir woanders etwas entdeckt haben, das besser ist, dann machen wir das auch.
Ich will aber noch einmal darauf hinweisen, dass das Auswahlverfahren am Ende nicht daran hängt, wie viele Migrantinnen und Migranten sich in diesem Fall vielleicht beworben haben, sondern daran, wer dann am Ende genommen wird. Da gab es zum Teil auch bei einigen Rednerinnen und Rednern – Vorurteile ist vielleicht ein bisschen zu scharf –, aber einen aus meiner Sicht vielleicht doch sehr unbegründeten kritischen Blick auf diejenigen, die bei uns die Personalentscheidungen treffen. Sie werden ganz gezielt geschult, genau darauf zu achten, nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund gezielt einzuladen, sondern in den danach folgenden Auswahlverfahren darauf zu achten, dass die Methoden, die angewandt werden, um herauszufinden, ob jemand geeignet ist, eben möglichst Menschen mit Migrationshintergrund nicht benachteiligen und diskriminieren.
Bremen hat zusammen mit dem AFZ eine sehr interessante Studie durchgeführt, bei der wir zusammen mit Migrantinnen und Migranten darüber geredet haben, welches eigentlich die Erfahrungen in Auswahlprozessen sind, die es dann ausschließen, dass wir Migrantinnen und Migranten einstellen. Beim Klassiker Diktate zum Beispiel kann man dafür sorgen, dass man eine sehr niedrige Einstellungsquote von Migrantinnen und Migranten bekommt – wenn man es denn will –, indem man einfach diesen Diktaten einen besonders hohen Stellenwert im Auswahlverfahren zuleitet.
Ich will damit sagen, wir schauen uns zusammen an, wie eigentlich unsere Personalentscheider geschult sind, nach welchen Kriterien sie vorgehen und wie wir es erreicht haben, dass dieser hohe Anteil von Migrantinnen und Migranten in Bremen in den letzten Jahren eingestellt worden ist: mit der Kampagne „Du bist der Schlüssel“, aber eben auch indem wir uns ganz gezielt den Auswahlverfahren gewidmet haben. Wir haben gesagt, wir wollen viele Menschen mit Mi
grationshintergrund einstellen, und uns gefragt, wie wir das Auswahlverfahren eigentlich gestalten müssen, sodass deren Fähigkeiten in besonderer Art und Weise zur Geltung kommen und wertgeschätzt werden.
Das Pilotprojekt in Nordrhein-Westfalen wurde ausgewertet, dort hat man 89 Einstellungen vorgenommen und einen Anteil von 20 Prozent an Migrantinnen und Migranten erzielt. Das ist sehr geringfügig, aber immerhin unter dem Anteil, den die Freie Hansestadt Bremen mit dem von uns gewählten, für Migranten parteilichen Weg auch erreicht hat. Ich finde, wenn etwas gut ist, dann kann man es trotzdem immer noch besser machen.
(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Präsident W e b e r über- nimmt wieder den Vorsitz.)
Man muss aber auch nachweisen, dass man sich damit etwas einhandelt, das uns mehr Möglichkeiten bietet und keine Probleme an anderer Stelle beschert.
Herr Dr. Kuhn hat schon darauf hingewiesen, wir laden ganz gezielt Frauen – den Bericht können Sie hier ja sehen, welche Erfolge wir dort haben – und zum Beispiel auch schwerbehinderte Menschen zu Bewerbungsverfahren ein. Diese Möglichkeiten möchten wir auf jeden Fall weiter behalten. Gerade die weiblichen Bewerber, die wir haben, die sich ja zum Teil ganz gezielt beim Staat bewerben, weil wir hier durch eine besonders familienfreundliche Personalpolitik unsere Konkurrenzstellung mit dem freien Arbeitsmarkt behaupten wollen, werden gezielt eingestellt und stellen in einer ganzen Reihe von Bereichen – und bestimmt nicht nur in den schlechtbezahltesten – mittlerweile weit über 50 Prozent des Personals. Diese Möglichkeiten wollen wir uns weiter erhalten.
Wenn wir auf dem Weg weitergehen, was sich ja offensichtlich hier auch viele wünschen – ich wünsche mir ein faires Beratungsverfahren in den Ausschüssen –, und wenn wir dann das anonymisierte Bewerbungsverfahren durchführen wollen, dann muss man Rechnung tragen, dass wir mit unserer Datenverarbeitung weiterkommen müssen. Sonst muss man nämlich die Bewerberinnen und Bewerber dazu auffordern, das mit der Anonymisierung selbst zu machen, was aber natürlich auch Möglichkeiten eröffnet, wenn jemand schon mit Vorurteilen behaftet ist, diese auch wieder vorzubringen. Deshalb wäre es besser, man könnte es standardisiert machen.
Aus der Studie geht auch hervor, dass sich die Anonymisierung nicht für alle Auswahlverfahren eignet. Der Ausbildungsbereich ist hier schon genannt worden als einer mit einer größeren Anzahl von Bewerberinnen und Bewerbern, bei dem man dann eine Standardisierung durchführen kann, wie sie in anonymisierten Verfahren vielleicht möglich ist.
Also, lange Rede, kurzer Sinn: Wir werden uns dem stellen, was Sie sich von uns wünschen, werden versuchen darzulegen, was wir heute schon machen, und uns dann gemeinsam auf einen Weg machen, aber, wie gesagt, seien Sie fair mit dem, was Bremen schon macht. Es ist nämlich aus meiner Sicht sehr vorbildlich und interessant, und viele schauen auch auf uns. Auf Bundesebene werden wir dafür gelobt, wie gut wir es hier hinbekommen haben. Nicht alles, was neu ist, muss auch immer besser sein. Trotzdem kann man natürlich von solchen Verfahren etwas lernen, und dem werden wir uns auch ganz bestimmt gern mit Ihnen gemeinsam stellen. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wollte darum bitten, wenn jetzt die Überweisung in verschiedene Gremien beantragt wird, dass man dem vielleicht noch ein Datum hinzufügt, wann die Berichte vorliegen. Ich habe an Ende Oktober gedacht. Ich weiß nicht, ob man auch Ende November nehmen sollte, aber ich möchte das nicht ohne Datum machen.
Hier ist Überweisung zur Beratung und Berichterstattung an den staatlichen Haushalts- und Finanzausschuss, federführend, an den Ausschuss für Integration, Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit, an den Ausschuss für die Gleichstellung der Frau, an die staatliche Deputation für Soziales, Kinder und Jugend sowie an den Vorstand der Bremischen Bürgerschaft vorgesehen.
Wer der Überweisung des Antrags der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/760 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!