Protokoll der Sitzung vom 14.03.2013

Es liegt jetzt ein Antrag der Koalition vor, der viele der Ideen aufgreift, die wir mit diesem Antrag initiiert haben, dies ist im Ausschuss auch entsprechend verhandelt worden. Wir halten unseren Antrag vor allem aus einem Grund aufrecht: Wir wollen dieses Verbot oder dieses Abwenden von Stromsperren nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer, selbst wenn man dann davon ausgehen kann, dass die Anzahl derjenigen, die dabei erfrieren, eher kleiner ist. Die Tatsache, dass dies einer Situation der Wohnungslosigkeit ähnelt, ist im Sommer aber nahezu genauso schlimm wie im Winter, auch wenn es nicht so kalt ist. Deswegen halten wir unseren Antrag aufrecht, denn wir meinen, eine solche Regelung brauchen wir im ganzen Jahr und nicht nur im Winter. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Schierenbeck.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Vorab: Nicht die Energiewende, sondern vor allem die Knappheit fossiler Rohstoffe ist die Ursache für die steigenden Energiekosten, und deswegen ärgert es mich, dass wir immer wieder diese Diskussion hier führen, die letztendlich den Ausbau der erneuerbaren Energien in Misskredit bringen soll.

Strom gehört natürlich zur Grundversorgung, darin sind sich alle Fraktionen einig. Der Zugang zu Strom ist wichtig für ein menschenwürdiges Leben und für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Heute reden wir darüber, was wir tun können, um

die Zahl der Stromsperren weiter zu senken und möglichst ganz zu verhindern. Dabei müssen wir im Blick haben, wie es zu einer Stromsperre kommt und was die Ursache dafür ist.

(Abg. S t r o h m a n n [CDU]: Genau!)

Herr Rupp hat die Zahlungsunfähigkeit angesprochen, und tatsächlich ist es so, dass wir in Bremen und Bremerhaven eine große Anzahl überschuldeter Haushalte haben. Hier versteht sich von selbst, je eher diese Menschen Hilfe bekommen, desto besser. Deswegen gibt es die Schuldenberatung und die präventive Schuldenberatung. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, dass die Stromkosten per Darlehen vom Jobcenter beziehungsweise vom Sozialzentrum bezahlt werden oder aber direkt, wenn das von den Leistungsberechtigten gewünscht wird. Darüber hinaus gibt es eine niedrigschwellige Energiesparberatung.

Was wir nun mit unserem Antrag möchten, ist eine bessere Information der Stromkundinnen und -kunden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir meinen, es müsste doch möglich sein, den Kunden eine monatliche Rechnung über den tatsächlich verbrauchten Strom zur Verfügung zu stellen. Dafür sind bestimmte technische Voraussetzungen, wie zum Beispiel elektronische Zähler, zu schaffen. Dies würde aber allen, nicht nur einkommensschwachen Haushalten, helfen, ihren Energieverbrauch besser zu kontrollieren,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

denn jede eingesparte Kilowattstunde ist besser als eine günstig verbrauchte.

Darüber hinaus regen wir an, dass Kunden auf Wunsch oder in einem Modellprojekt Prepaid-Zähler nutzen können. Schon lange bekannt sind Münzzähler, es gibt inzwischen aber auch moderne, intelligente Zähler, die mit einer Karte aufgeladen werden und die statt abgeschaltet, auch gedrosselt werden können. Dies hätte den Vorteil, dass die Kunden weiterhin Strom beziehen, aber mit einer geringen Leistung, der Betrieb eines Staubsaugers wäre also noch möglich, aber eben nicht gleichzeitig mit einem Föhn oder einem Herd. Wenn dann wieder gezahlt würde, könnte die volle Leistung wieder genutzt werden. Wir denken, dass damit auch die Gebühren für das An- und Abschalten gesenkt werden können.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Eine Kostensenkung wäre aus unserer Sicht auch möglich, wenn es Tarife gäbe, bei denen den Kunden die ersten 500 Kilowattstunden besonders günstig angeboten würden. Das ist durch einen möglichst ge

ringen Grundpreis und einen gestaffelten Arbeitspreis möglich. Schließlich wollen wir das Abschalten des Stroms im Winter verbieten, weil das aus unserer Sicht eine unverhältnismäßige Härte darstellt.

Nun zum Antrag der LINKEN! Erstens, aus unserer Sicht geht es nicht, das Abschalten des Stroms ganz zu verbieten. Gerade im Zusammenhang mit hohen Schulden hilft es eben nicht, lange tatenlos zuzusehen, im Gegenteil, die Erfahrungen zeigen doch, den Menschen wird viel zu viel per Ratenzahlung zu vermeintlich günstigen Konditionen angeboten, dadurch geraten sie in die Schuldenfalle. Je eher sie Hilfe suchen, desto besser. Deswegen würde aus unserer Sicht ein Verbot der Stromsperren die Schuldenproblematik eher vergrößern, statt die Not zu lindern.

Kostenlosen Strom an bedürftige Haushalte zu verschenken, lehnen wir auch ab, denn Preise sollen die ökologische Wahrheit widerspiegeln, wir alle müssen weniger Strom verbrauchen, und das geht nur über einen angemessenen Ansatz beim Preis.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zweitens, wir fordern eine angemessene Erhöhung der Regelsätze, aber über die Verwendung der zur Deckung des Regelbedarfs erbrachten Leistungen entscheiden die Leistungsberechtigten eigenverantwortlich.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Jede und jeder hat das Recht, selbst zu entscheiden, wofür sie oder er die Leistungen verwendet. Je mehr Leistungen der Staat in Form von Sachleistungen, sei es eine warme Wohnung, die Stromversorgung oder ein Mittagessen, statt einer Geldleistung erbringt, desto weniger Freiheit hat die oder der Einzelne zu entscheiden. Das bedeutet aber auch weniger Autonomie und weniger Teilhabe. Ich freue mich daher, wenn Sie unseren Antrag unterstützen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Gottschalk.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dank der Großen Anfrage der Fraktion DIE LINKE wissen wir, es gibt keine positive Korrelation zwischen steigenden Energiepreisen einerseits und zunehmenden Zahlen von Stromsperren andererseits in Bremen. Die Zahl ist sogar rückläufig, und das ist erfreulich, denn es zeigt, dass an diesem Problem gearbeitet wird, offensichtlich auch mit einem gewissen Erfolg. Allerdings sind mehr als 3 000 Stromsperren pro Jahr, absolut gesehen, nach wie vor viel zu viele.

(Beifall bei der SPD)

Es ist deshalb richtig, dass wir hier heute zusätzliche und insbesondere präventive Maßnahmen fordern. Wichtig ist dabei aus meiner Sicht vor allem, dass wir sehr schnell bessere Informationen darüber erhalten, wer eigentlich die Betroffenen dieser Stromsperren sind. Es reicht einfach nicht aus, hier auf grobe Annahmen zu setzen. Das zeigt meines Erachtens gerade auch der Änderungsantrag der LINKEN, nämlich das Vorhaben, diese Fälle vor jeder Stromabschaltung dem Jobcenter zu melden. Das würde ja beinhalten, dass jeder von Stromsperren Betroffene auch ein Kunde des Jobcenters ist. Ein solches Vorhaben würde allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen scheitern.

(Beifall bei der SPD)

Es ist aber schlicht und einfach auch nicht anzunehmen, Herr Rupp, dass diejenigen, die von Stromsperren betroffen sind, ausschließlich ALG-II-Empfänger sind. Wir müssen davon ausgehen, dass es auch andere Haushalte sind, und deshalb ist solch ein selektiver Zugriff nicht sinnvoll. Wir sehen auch, dass die Zahl derjenigen, die ALG II oder die Grundsicherung beziehen, und die Zahl derjenigen, die überschuldet sind, weitaus höher ist als die Zahl der Stromsperren.

Deshalb, wenn wir zielgerichtet helfen wollen, müssen wir genauer wissen, welche Haushalte tatsächlich betroffen sind. Das gilt gerade auch für die Vorschläge, die wir in unseren Antrag aufgenommen haben, nämlich mögliche Zusatzhilfen wie die PrepaidAnsätze oder Münzautomaten. Dies sind ja Ansätze, die nur dann greifen würden, wenn es sich um eine Gruppe von Haushalten handeln würde, bei der die Stromsperren häufiger ein Problem sind, die sich latent am Rande dieses Risikos bewegt. So etwas vorsichtshalber flächendeckend einzusetzen, würde keinen Sinn machen. Das heißt, hier brauchen wir sehr schnell umfangreichere, bessere Informationen, und das ist auch Teil unseres Antrags.

Wichtig sind aber auch Initiativen auf Bundesebene – die Kollegin Frau Dr. Schierenbeck hat das schon angesprochen –, insbesondere ist es die angemessenere und vor allem auch rechtzeitigere Anpassung der Regelsätze beim ALG II. Wir haben die Situation, dass die Sätze angepasst werden mit Stand vom Juni, und im Herbst kommen dann die Erhöhungen über das Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG. Das passt nicht. Ich muss Ihnen aber auch ganz ehrlich sagen: Grundsätzlich gesehen finde ich es unerträglich, dass wir auf der einen Seite milliardenschwere Entlastungen für verbrauchsstarke Unternehmen haben und auf der anderen Seite gerade bei diesen Bevölkerungsgruppen so sparsam sind.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen – das war Gegenstand mehrerer Anträge der SPD – ein Grundkontingent zu besonders

günstigen Preisen, und wir brauchen den Vorstoß, dass Energiesperren zumindest in den Wintermonaten verboten werden, denn im Winterhalbjahr sind Stromsperren eben mit besonderen Härten verbunden. Sie führen zum einen zu gesundheitlichen Gefährdungen, und zum anderen muss man sehen, wenn der Strom abgestellt wird, dann fallen die meisten Heizungen aus, und es besteht die Gefahr, dass Folgeschäden durch platzende Leitungen und dergleichen verursacht werden. In Frankreich und Belgien gibt es dieses Verbot von Stromsperren im Winter bereits. Es zeigt sich also, dass es geht, und wir sollten diesen Beispielen nacheifern. Ich glaube, dass wir politisch eine gute Chance haben, dies in Deutschland endlich umzusetzen. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Grönert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Gottschalk hat eben schon gesagt, dass die Menschen, bei denen der Strom abgestellt wird, sehr verschieden sind und die Gründe, die zum Abstellen führen, ebenfalls. Es gibt Kunden, die ihre Rechnung sofort nach der Sperre bezahlen, bei ihnen ist es dumm gelaufen, aber sie lernen daraus. Dann gibt es diejenigen, die vorübergehend, aus welchen Gründen auch immer, in Not geraten sind und dadurch kurzfristig den Überblick über den Alltag verloren haben. Für sie ist die Stromsperrung der nötige Schutz, sich Hilfe zu suchen. Sie gehen nach der Sperre zum zuständigen Amt und bekommen dort Unterstützung, indem sie zum Beispiel ein Darlehen in Anspruch nehmen und vereinbaren, dass die Energiekosten in Zukunft direkt an den Energieversorger überwiesen werden.

Ich möchte mich heute aber speziell der Gruppe zuwenden, von der ich glaube, dass sie es am nötigsten hat, das sind diejenigen, denen es einfach schlecht geht und die durch ihre ganz persönliche Situation nur noch begrenzt in der Lage sind, ihre Angelegenheiten allein zu regeln. Diese Menschen sind akut gefährdet, wohnungslos zu werden, und faktisch sind sie es dann auch schon. Wohnungslosigkeit geht aber neben den katastrophalen persönlichen Folgen auch zulasten Bremens. Der Antrag der Koalition erweckt bei mir den Eindruck, dass die finanziellen Folgen für Bremen abgewendet werden sollen, ohne dass Bremen selbst etwas dafür tun muss, außer Gespräche zu führen.

Die betroffenen Menschen sind meistens nicht mehr in der Lage, eigenständig den Weg zu Energiesparoder Schuldnerberatungen zu finden. Sie wechseln keinen Stromanbieter mehr und vereinbaren auch ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

nicht mehr mit dem Jobcenter oder mit dem Amt für Soziale Dienste, dass die Energiekosten direkt an den Anbieter überwiesen werden. Briefe mit Mahnungen werden nicht mehr geöffnet, die Probleme werden verdrängt, und Hilfe wird erst gar nicht gesucht. Selbst nach erfolgter Stromabschaltung wird manchmal nur ausgeharrt, und der drohende Wohnungsverlust kann nun ohne Unterstützung von außen sehr schnell zur Wohnungslosigkeit führen.

Nun schlägt die Koalition vor, Gespräche mit dem örtlichen Energieversorger zu führen und diesen davon zu überzeugen, dass er zum Beispiel seinen Mitarbeitern Flyer für die Schuldnerberatung mitgibt, die diese dann den Menschen während der Stromabschaltung in die Hand drücken sollen. Es sollen Zähler gegen sogenannte Prepaid-Zähler ausgetauscht werden, die den Strom nach Aufladen einer Geldkarte fließen lassen. Des Weiteren sollen auf Bundesebene Gesetze geändert werden, und die Menschen sollen mehr Geld bekommen. Und dann? Dann ist vielleicht ein Leck gestopft, aber was ist mit der nicht bezahlten Miete und den vielleicht anderen Schulden? Wird den Menschen so wirklich geholfen? Wird Bremen so wirkungsvoll vor Folgekosten geschützt? Warum steht in Ihrem Antrag nichts davon, wie Sie den betroffenen Menschen hier in Bremen Unterstützung anbieten wollen?

Meiner Meinung nach sollte wirklich alles, was im Rahmen des Datenschutzes machbar ist, in Erwägung gezogen werden, um zum Beispiel durch aufsuchende Beratung vor oder auch nach einer Stromsperre die sich anbahnende Eskalation in Richtung Wohnungslosigkeit aufzuhalten.

(Beifall bei der CDU)

Dadurch sollten die Menschen darin unterstützt werden, die Verantwortung für ihr Handeln so weit wie möglich und so schnell wie möglich wieder selbst zu übernehmen.

Lediglich Stromsperren zu untersagen oder PrepaidZähler nutzen zu wollen würde am Ende manches Problem der Betroffenen zum Energieversorger, in das Jobcenter oder in das Amt für Soziale Dienste verlagern. Die CDU-Fraktion wünscht sich daher eine Kooperation zwischen dem Jobcenter, dem Stromanbieter und dem Amt für Soziale Dienste, damit eine frühzeitige aufsuchende Beratung stattfinden kann, die die Betroffenen in ihrer eigenen Handlungsfähigkeit stärkt und eine drohende Wohnungslosigkeit erfolgreich abwendet.

Bremen kann sich doch nicht durch Prepaid-Strom oder nur durch mehr Geld für die Menschen, natürlich vom Bund, aus der Verantwortung verabschieden. Mir fehlt an dieser Stelle eine Diskussion über Beratungs- und Präventionsarbeit und auch über Beschäftigungsförderung. Außerdem wird durch die beiden vorliegenden Anträge zumindest mir der Eindruck vermittelt, dass die Menschen, die von der

Grundsicherung leben oder ein geringes Einkommen haben, Energiekosten überhaupt nicht mehr bezahlen können. Das stimmt aber nicht. Fast alle diese Menschen zahlen natürlich ihren Verbrauch und bemühen sich, wie die meisten anderen auch, den Stromverbrauch zu reduzieren.

Die in der Grundsicherung speziell für die Energiekosten ausgewiesenen Beträge werden jährlich angepasst, und somit gehe ich davon aus, wie es der Senat in der Antwort auf die Große Anfrage der LINKEN im Dezember auch dargestellt hat, dass die Kosten für den Stromverbrauch aus dem Regelbedarf finanzierbar sind. Es ist aber unbestritten wichtig, im Blick zu behalten, ob die jährliche Anpassung der Energiekosten mit der Realität der steigenden Kosten im Einklang steht.

Zum Schluss möchte ich noch einmal Mut machen, die kostenlosen Energiesparberatungen in Anspruch zu nehmen. Oft gibt es hohe Einsparpotenziale, die leider lange aus Unwissenheit ungenutzt bleiben, und das ist schade! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)