Protokoll der Sitzung vom 16.05.2013

Wir beantragen eine namentliche Abstimmung und haben die Hoffnung und Erwartung, dass wir bis zur zweiten Lesung den einen oder anderen von Ihnen davon überzeugen können, dass das, was Sie machen, nicht gerecht ist, sondern dass das, was Sie machen, ein Ausbund an Ungerechtigkeit ist. – Vielen Dank!

(Anhaltender Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, begrüße ich auf der Besuchertribüne recht herzlich Herrn Dr. Karpel, den Sonderberater des Bürgermeisters von Haifa, Yona Yahav.

Herr Dr. Karpel, seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte etwas vorweg––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

nehmen, denn wenn man sich Ihren Gesetzentwurf zur Anpassung der Besoldungs- und Beamtenversorgungsbezüge für die Jahre 2013 und 2014 vornimmt, den Sie hier gestern um 11.00 Uhr vorgelegt haben, dann sagen Sie selbst, „die Besoldungs- und Beamtenversorgungsbezüge der bremischen Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richter sowie Versorgungsempfängerinnen und -empfänger sind regelmäßig an die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse anzupassen“. Sie beziehen sich auf Paragraf 14 Absatz 1 des Bundesbesoldungsgesetzes sowie auf Paragraf 70 des Beamtenversorgungsgesetzes.

Genau das, was Sie hier als Prämisse in Ihrem Gesetzentwurf setzen, machen Sie nicht, und Sie sagen dies auch drei Absätze weiter. Ich möchte das einmal als Grundvoraussetzung nennen, denn eigentlich wären Sie dazu verpflichtet, denn das ist das, was das Bundesbesoldungsgesetz vorsieht. Sie dürfen die Beamten nicht abkoppeln von der allgemeinen Tarifentwicklung, und genau das tun Sie hier.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte noch einmal zwei Dinge dazu sagen! In der Aktuellen Stunde ist behauptet worden, dass das Besoldungsgefüge nicht durcheinandergerät. Das ist nicht wahr! Ich zitiere Herrn Gloede, Vorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaften, aus dem, was er auf der Personalversammlung am 30. April vorgetragen hat: „Die Kollegin mit A 10, Stufe 11, hat derzeit 45 Euro weniger als die Kollegin in A 11.“ Logisch A 10, A 11, Stufe 8! „Am 1. Juli 2014 hat diese Kollegin 36 Euro mehr als die Kollegin in A 11.“ Aha, das Besoldungsgefüge geht nicht durcheinander? Nicht einmal im sogenannten höheren Dienst? Das ist ja nur der Bereich der A-Besoldung, das wird wahrscheinlich in den höheren Besoldungen, wie C und W, größer werden.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das hängt mit dem Lebensalter zu- sammen!)

„Die Kollegin in A 13, Stufe 4, hat derzeit noch 180 Euro mehr als die besagte Kollegin in A 10 und 143 Euro mehr als in A 11. Ab dem 1. Juli 2014 sind dies nur noch sieben Euro gegenüber A 10 und 79 Euro gegenüber A 11. Verkehrte Welt!“, so schloss er seine Rede. Dazu kommt, wir haben nämlich auch einmal ausgerechnet, dass die Beamten in den unteren Besoldungsgruppen schon weit unter den Angestellten liegen.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Netto oder brutto, Frau Kollegin? Es ist einfach unwahr, aber man muss es ein- mal sagen!)

Jetzt ist die Frage, die auch hier in der Aktuellen Stunde aufgeworfen worden ist, die wir hier auch schon gestellt haben – und Herr Röwekamp hat darauf zu Recht hingewiesen –, dass Sie 0,9 Prozent Tarifsteigerung in Ihren mittleren Finanzrahmen bis zum Jahr 2017 eingestellt haben. Das ist hier keine einmalige Nummer. Es war auch schon in der Vergangenheit keine einmalige Nummer. Ich habe am Anfang darauf hingewiesen, dass es seit dem Jahr 2007 Abzüge bei den Beamten gibt.

Wir erleben, weil Sie diesen mittleren Finanzrahmen nicht angepasst haben, dass wir bei der nächsten Tarifauseinandersetzung in zwei Jahren genau vor der gleichen Situation stehen. Sie müssen hier auf faire Weise sagen, dass Sie die Beamten des öffentlichen Dienstes in Bremen auf Dauer von der Gehaltsentwicklung im öffentlichen Dienst abkoppeln. Sie können das überhaupt nicht anders machen, sonst müssten Sie Ihren Finanzrahmen ändern und Ihre grundsätzlichen Annahmen zur Einhaltung des Stabilitätspaktes. Das schaffen Sie nämlich gar nicht. Deswegen ist das Ganze auch so verlogen, was hier passiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Aufgrund dieser Annahme hat der Kollege Röwekamp in der Aktuellen Stunde vor einem Monat gesagt, dann seien Sie doch so ehrlich und schaffen das Berufsbeamtentum ab! Das wäre die logische Konsequenz.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Da ist dann der Marktplatz aber voll!)

Dazu möchte ich auch noch einmal sagen – und das ist auch verlogen, was hier teilweise durch die Zeitungen geistert –, das können Sie gar nicht.

Die Versorgungsleistungen für die ehemaligen Beamtinnen und Beamten! Der Berg ist nach Aussagen von Frau Bürgermeisterin Linnert erst ab dem Jahr 2018 überschritten. Das heißt, den haben wir noch.

(Bürgermeisterin L i n n e r t: Was?)

Sie haben mir vor einiger Zeit gesagt, der Berg der Versorgungsleistungen für die ehemaligen Beamten und Beamtinnen gehe bis zum Jahr 2018.

(Bürgermeisterin L i n n e r t: Der Anstieg!)

Der Anstieg bis zum Jahr 2018, und dann geht es hinunter!

Wenn Sie jetzt sagen, wir würden infrage stellen, wo wir noch Beamte einsetzen und wo nicht, dann müssten Sie natürlich auch fairerweise zugeben, dass Sie für Angestellte auch Sozialabgaben zahlen müssen,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

und das wird in diesem Haushalt schwer möglich sein, zumindest bis zum Jahr 2018. Daher ist auch diese Debatte, die zum Teil über die Medien ausgetragen wurde, ziemlich verlogen. Ich komme aber noch einmal zurück auf das, was Herr Dr. Kuhn gesagt hat. Herr Dr. Kuhn hat im Grunde implizit gesagt, dass natürlich der öffentliche Dienst schuld daran sei, dass so viele Schulden vorhanden seien.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Was? – Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen]: Sagen wir einmal so, Sie haben es so verstanden!)

Implizit, das haben Sie auch so gesagt! Nein, der Kollege Dr. Kuhn hat es so gesagt! In den früheren Jahren wurde der öffentliche Dienst in Bremen zu großzügig mit Beamten ausgestattet, und wir haben jetzt die Fehlentscheidung zu korrigieren. So hat er das gesagt, und das ist ein weit verbreiteter Mythos. Das wirft man auch gern dem Bundesland Berlin vor, den öffentlichen Dienst aufgebläht zu haben. Herr Dr. Kuhn hat immerhin noch gesagt, warum der öffentliche Dienst in Bremen damals so ausgestattet worden ist, weil wir nämlich seit dem Jahr 1980 in Bremen eine massive Beschäftigungskrise haben,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, genau!)

nachdem die Werften, zum Teil nicht ganz freiwillig, schließen mussten, nachdem die Nahrungsmittelindustrie eingebrochen ist und so weiter.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja, stimmt!)

Jetzt habe ich mir aber auch einmal die Schuldenentwicklung des Bundesland Bremen angeschaut, weil ja immer wieder auch im föderalen Diskurs gesagt wird – das sind gar nicht einmal Sie, das sind die anderen Bundesländer –, Bremen und Berlin haben den öffentlichen Dienst aufgebläht und sind selbst schuld daran. Das stimmt, ehrlich gesagt, in der großen Linie überhaupt nicht. Die großen Schulden des Bundeslandes Bremen stiegen Anfang der Neunzigerjahre erst an, und wenn man sich die Haushaltsposten der Versorgungsleistungen anschaut, Herr Dr. Güldner, ist das nur ein sehr geringer Teil. Ein großer Teil der Wahrheit ist nämlich auch, dass neben den Zinsen, die wir für die Altschulden zahlen, die natürlich auch zum Anstieg der Schulden beigetragen haben, auch verfehlte steuerpolitische Entscheidungen, die Ihre beiden Fraktionen im Jahr 2001 im Bund mit zu verantworten hatten, schuld daran sind. All die Entscheidungen, die dort getroffen worden sind, einmal abgesehen davon, dass seit dem Jahr 1998

die Vermögensteuer ruht, die nach dem Grundgesetz fast die einzige Steuer ist, die den Ländern direkt zugutekommt, all die Steuersenkungen, die in der Ära von Herrn Schröder und Herrn Fischer vorgenommen worden sind, belasten die Kommunen und Länder direkt.

(Beifall bei der LINKEN – Glocke)

Das andere ist, dass natürlich die Länder – und das ist nämlich genau die Krux an der Sache – auch auf ihre Ausgaben nur bedingt Einfluss haben, weil die meisten Ausgaben bundesgesetzlich geregelt sind, zum Beispiel der überwiegende Teil der Sozialleistungen, aber auch zum Beispiel das BAföG. Das ist genau die Schere, um die es hier geht. Es sind nicht die ehemaligen Beamten, die die Schulden zu verantworten haben, es sind strukturelle Änderungen, es sind Maßnahmen, die der Senat ergriffen hat. Dazu gehört vielleicht, dass man einmal vor 30 Jahren verbeamtet hat, aber zum großen Teil liegt es daran, dass die Einnahmenseite und die Ausgabenseite, die von den Ländern zu verantworten sind, im Bund auseinanderentwickelt worden sind, sodass uns die Einnahmen fehlen und wir diese Schulden überhaupt nicht mehr deckeln können. Das jetzt den ehemaligen Beamten vorzuwerfen und zu sagen, deswegen müssen wir bei den heutigen Beamten sparen, ist verlogen und unredlich. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Immer langsam, Frau Kollegin Vogt! Ich habe eine Reihe von Punkten aufgezählt und habe auch das nicht für abschließend erklärt, sondern ich habe die Punkte markiert, wo es tatsächlich begonnen hat. Ich habe eigentlich nur den Bürgermeister a. D. Koschnick zitiert, der genau das in der Rückschau mit anderen Bürgermeistern der Sozialdemokratie selbstkritisch dargelegt hat, dass damals der Bogen überspannt worden und zu viel gemacht worden ist. Mehr habe ich nicht gemacht, als ihn zu zitieren. Ich glaube, im Jahr 1990 hat uns das Verfassungsgericht schon die Haushaltsnotlage attestiert, weil wir schon so viel Schulden hatten. Das kann also nicht erst in den Neunzigerjahren begonnen haben.

Dass DIE LINKE das alles nicht will, ist ganz klar, weil Sie nicht wollen, dass wir Erfolg mit unseren Bemühungen haben, sodass wir da wieder herauskommen. Das wollen Sie nicht, und deswegen sind Sie natürlich bei jedem Schritt, den wir unternehmen, um Erfolg zu haben, dagegen.

Herr Kollege Röwekamp – zum Jahr 2006 –, mich können Sie nicht zitiert haben, aber das ist egal, Sie haben einen Kollegen zitiert. Interessant ist ja, dass

die damalige Koalition bei der Abwägung dann zu dem Ergebnis gekommen ist, eben nicht entweder alles oder nichts zu machen, sondern gerade zu der sozialen Staffelung gekommen ist. Ich meine, da werden doch vielleicht irgendwelche Argumente eine Rolle gespielt haben, Herr Röwekamp, warum es vielleicht auch Sinn macht, warum man dem einen das ganz lässt, dem anderen zum Teil und bei dem anderen dann eben streicht.

Sie können ja jetzt im Nachhinein sagen, das war ganz falsch, was Sie gemacht haben, das ist ja in Ordnung, aber dass das ganz unsinnig sein sollte, die Punkte Verdienste und tatsächliche Einkommenshöhe und die Möglichkeiten, sein Leben zu gestalten, bei solchen Maßnahmen dann auch einzubeziehen, um die Folgen zu verteilen, darüber kann man in der Tat debattieren, aber dass es so ganz aus der Welt sein soll, das kann ich mir nicht vorstellen.

Nach dieser Maßnahme im Jahr 2006, die sozial gestaffelt war, hat diese rot-grüne Koalition bis zum Juni keine einzige Maßnahme ergriffen, in der wir die Übernahme irgendwie nach Einkommens- oder Tarifgruppen gestaffelt hätten. Wir haben alle gemacht, wir haben es einmal zeitversetzt gemacht. Das macht im Übrigen die IG Metall auch. Sie hat es gerade gestern gemacht, dass sie einmal eine zeitliche Verzögerung einlegt. Wir haben es aber am Ende übernommen, und das ist das Wesentliche.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ihre ganze Argumentation hängt an dem Satz, den Sie gesagt haben, eigentlich ist Geld da, man muss es nur anders verteilen. Da warte ich schon seit längerer Zeit auf Ihre Vorschläge.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das, was Sie da genannt haben, die Renovierung des Standesamts

(Abg. Frau P i o n t k o w s k i [CDU]: Ab- brechen! – Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Ich kann die Liste erweitern!)

und die Sorge für die Bäder, zeige, dass wir das Geld zum Fenster hinauswerfen, darüber bin ich sehr erstaunt. Ich hatte das bisher noch nicht so wahrgenommen, dass Sie dort anderer Meinung sind.