Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert, ihr beigeordnet Herr Staatsrat Strehl.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt viele Berichte und Zahlen zum Thema schwerbehinderte Menschen im öffentlichen Dienst Bremens. Immer wieder ist dabei besonders der Presse zu entnehmen, dass Bremen mit einer Beschäftigungsquote von 6,9 Prozent schwerbehinderter Menschen eine Spitzenposition unter den Bundesländern einnimmt. Damit liegt Bremen mit 1,9 Prozent über der Vorgabe von 5 Prozent, das ist erst einmal etwas Positives. Wie sich diese Zahl zusammensetzt, wird aber eher selten diskutiert. Maßgeblich ist hier leider, dass sehr viele älter werdende Beschäftigte irgendwann eine Schwerbehinderung erwerben. Diese werden dann natürlich weiterbeschäftigt und nicht entlassen, das ist auch selbstverständlich und gesetzlich vorgeschrieben.
Der Anteil bei den Neueinstellungen betrug im Jahr 2011 aber gerade einmal zwei Prozent, im Jahr 2012 war es sicherlich nicht viel anders. Das finde ich weniger erfreulich, zumal man dann ausrechnen kann, wie viele Neueinstellungen möglich wären, wenn sich der öffentliche Dienst in Bremen nur an der Vorgabe von fünf Prozent Beschäftigung von Menschen mit Schwerbehinderung orientieren würde. Dann könnte man nämlich im Grunde genommen überhaupt keine Menschen zusätzlich einstellen, weil der Eigenbestand diese fünf Prozent schon hergeben würde. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
So manche weitere prozentual gut aussehende Zahl entpuppt sich am Ende aber sogar als hochgerechnet und, ich würde beinahe sagen, auch als geschönt. Ich habe sehr gestaunt, dass es sogar möglich ist zu behaupten, dass die Beschäftigungsquote der schwerbehinderten Auszubildenden, Praktikantinnen und Praktikanten und Referendarinnen und Referendare im öffentlichen Dienst im Jahr 2012 sage und schreibe 7,33 Prozent betrug, obwohl es in diesem Zusammenhang dann doch eine sehr ernüchternde Feststellung gibt. Diese lautet, ich zitiere aus einem Bericht des Senats: „Das liegt insbesondere daran, dass besonders schwerbehinderte Auszubildende automatisch mehrfach angerechnet werden können.“
Wer denkt schon darüber nach, dass solch eine Prozentzahl von 7,33 womöglich gar nicht so aussagekräftig ist, wie sie zunächst aussieht? Diese Zahl bedeutet eben nicht, wie man vermuten würde, dass 7 von 100 Auszubildenden, sondern vielleicht nur einer, zwei oder drei von 100 Auszubildenden eine Schwerbehinderung hatten. Außerdem werden schwerbehinderte Auszubildende genauso wenig wie andere Auszubildende automatisch in den Dienst übernommen, wenn ihre Ausbildung beendet ist.
Im Jahr 2012 lag der Anteil von übernommenen schwerbehinderten Auszubildenden bei gerade einmal 1,1 Prozent. Unsere Senatorin für Finanzen, Frau Linnert, hat sich bei Nachfragen in einer Fragestunde einmal auf Paragraf 71 SGB IX bezogen. Dort steht, dass sich die Beschäftigungspflicht von schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eben nicht auf die Anzahl der Neueinstellungen, sondern auf die Gesamtzahl der Beschäftigten bezieht. Da hat sie recht. Doch wer sich rühmt, in der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen bundesweit quasi eine Vorreiterrolle einzunehmen, der sollte sich auch auf die Fahne schreiben und sich dazu bekennen, die Gesamteinstellungsquote – also jede Altersgruppe und alle Bereiche des öffentlichen Dienstes – von bisher nur zwei Prozent in den nächsten Jahren deutlich zu steigern. Immer wieder nur auf die Bewerbungsmöglichkeiten hinzuweisen scheint da offensichtlich nicht auszureichen, und es nützt auch nichts, wenn man sich gleichzeitig mit dem bislang Erreichten so zufrieden zeigt wie bisher.
Bei so viel Zufriedenheit gibt es auch gar keinen Grund, motiviert an der Steigerung der Einstellungsund Übernahmequoten zu arbeiten. Vielleicht würde die Umsetzung unseres Antrags für ein Modellprojekt anonymisierter Bewerbungsverfahren doch noch mehr schwerbehinderten Menschen Mut machen, sich zu bewerben.
fentliche Dienst in Bremen die Möglichkeit, Fördergelder abzurufen, allerdings nur für die Neueinstellung von schwerbehinderten Menschen. Damit hat sich Bremen auch schon befasst. Besonders im Bereich der Ausbildung und im Alter ab 40 Jahren finden schwerbehinderte Menschen nur selten eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt, und hier soll besonders mit der Unterstützung des Bundes angesetzt werden. Deshalb wollen wir auch, dass zumindest die Anzahl der einzustellenden, aber auch die der zu übernehmenden Auszubildenden möglichst ab sofort auf fünf Prozent gesteigert wird.
Dazu reicht es aber nicht aus, in Debatten und Unterlagen auf Möglichkeiten zu verweisen, sondern man braucht dafür aktive Kooperationen, um die betreffenden Menschen zu erreichen.
Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein ernst gemeintes Bekenntnis dazu, dass auch wirklich die Bereitschaft vorhanden ist, im öffentlichen Dienst nicht nur Menschen weiterzubeschäftigen, die im Laufe ihres Lebens eine Schwerbehinderung bekommen, sondern eben auch die Einstellungsquote deutlich und zielsicher in Richtung fünf Prozent zu erhöhen, und das auch ohne Fördergelder, einfach weil es wichtig ist, den Menschen zu zeigen, dass man keinen Unterschied macht und jeder ein Recht auf angemessene Arbeit hat. Eine Schwerbehinderung ist für einen Menschen schon schlimm genug, die Folgen sind für ihn aber nicht immer nur gottgegeben, sondern sie werden den Betroffenen auch von der Gesellschaft auferlegt.
Mit Blick auf eine durchschnittlich immer älter werdende Gesamtbeschäftigtenzahl ist es auch dringend geboten, zu allen Einstellungsbemühungen mit Hochdruck weitere präventive Maßnahmen zu entwickeln und die gesundheitliche Situation der bisher Beschäftigten so zu unterstützen, dass es zu einer Verringerung gerade auch der berufsbedingten Neuanerkennung von Schwerbehinderungen kommt. – Danke!
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Grönert, ich hatte bei Ihren letzten Sätzen eben den Eindruck – anders als zu Beginn Ihrer Rede –, Sie würden dem Senat unterstellen, er würde hier nur Bekenntnisse abgeben und sich nicht für die Schwerbehinderten einsetzen. Das möchte ich erst einmal entschieden zurückweisen! ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.
Vielleicht habe ich es auch falsch verstanden. Meines Erachtens greifen Sie ein Thema auf, von dem wir denken, dass es in der Tat erörtert werden muss. Sie schreiben in Ihrem Antrag, auf den Sie aus zeitlichen Gründen nicht mehr eingehen konnten, dass der Bürgerschaft ein Konzept vorgelegt werden soll. Meines Erachtens sind damit aber zunächst einmal Fragen verbunden, die geklärt werden müssen und die für mich und für meine Fraktion noch nicht klar sind, nämlich die Fragen: Sprechen wir Schwerbehinderte eigentlich richtig an, damit sie sich im öffentlichen Dienst bewerben können? Haben Schwerbehinderte besondere Probleme, eingestellt zu werden? Haben wir genügend qualifizierte Bewerber, die sich auf eine Stelle im öffentlichen Dienst bewerben können? Sind eigentlich Quoten geeignet, über die Sie jetzt so ausführlich geredet haben, um zu einer höheren Anzahl von Einstellungen von Schwerbehinderten zu kommen, wenn wir gleichzeitig hier die Frage anonymisierter Verfahren diskutieren? Beißt sich das nicht eigentlich? Wie ist eigentlich der tatsächliche Umgang im Augenblick? Wir schlagen daher vor, dass wir uns dieses Thema und den Umgang damit noch einmal genauer im Haushalts- und Finanzausschuss ansehen und dann auch zu einer Bewertung kommen, ob wir tatsächlich ein Konzept brauchen. Deshalb wären wir froh, wenn Sie sich der Überweisung an den Haushaltsund Finanzausschuss zur Beratung und Berichterstattung anschließen, und dann würden wir hierüber noch einmal in einer zweiten Debatte im Parlament befinden. – Danke!
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU thematisiert die Beschäftigung von Schwerbehinderten im öffentlichen Dienst in Bremen, speziell von jungen Menschen, von Auszubildenden. Vielen Dank, dass Sie erwähnt haben, dass Bremen in der Tat nicht nur die gesetzliche, sondern auch die selbst gesteckte Quote von sechs Prozent weit überschreitet, das heißt, das ist wirklich keine Selbstverständlichkeit. Wir nehmen das nicht als lästige Pflicht, sondern als Aufgabe sehr ernst, anders als viele Bereiche in der privaten Wirtschaft, die sich freikaufen,
und es kann auch nicht umgekehrt sein, der öffentliche Dienst kann das auch nicht wieder einfach ausgleichen.
Wir erfüllen diese Aufgabe, obwohl sie zunehmend schwieriger wird – das muss man auch dazu sagen –, denn gerade im öffentlichen Dienst sind in den letzten Jahren sehr viele klassische, sage ich einmal, Arbeitsplätze mit Eignung gerade für Schwerbehinderte weggefallen, alle leichten Büroarbeiten und so weiter, ich muss das nicht ausführen, aber Sie wissen das alle. Umgekehrt sind die Anforderungen an die Qualifikation im öffentlichen Dienst insgesamt gestiegen.
Sie haben kritisiert, dass die Anzahl der unter Vierzigjährigen niedriger ist und die Quote bei der Übernahme der Auszubildenden direkt für den öffentlichen Dienst – vor allem bei den höheren Berufen – gering ist und leiten daraus die Forderung einer Quote von fünf Prozent ab. Herr Liess hat gesagt, wir wollen das im Ausschuss erörtern, das finden wir richtig. Es ist ein sensibles und wichtiges Thema, zu dem auch andere gehört werden sollten. Ich sage Ihnen aber auch, dass ich von der Forderung nicht überzeugt bin, und ich bin erst recht nicht davon überzeugt, nachdem ich mit der Schwerbehindertenvertretung darüber gesprochen habe, denn diese hat wirklich ganz klar erklärt, dass sie mit dieser Forderung ganz und gar nicht einverstanden ist und damit diesen Weg nicht gehen will.
Die Fakten und Argumente sind kurz gefasst so: Bei den Auszubildenden in der Ausbildungsgesellschaft, die wir nicht für den öffentlichen Dienst ausbilden, liegen wir höher – das sind diese sieben Prozent –, das heißt, wir unternehmen große Anstrengungen, junge Leute trotz der Behinderung, trotz ihrer Lage mit sehr großzügigen Angeboten, auch der Überschreitung der Möglichkeiten und mit Hilfestellungen, dort hineinzubekommen. Das machen wir bereits, das sieht man an diesen Zahlen.
Anders sieht die Zahl bei den Ausbildungsgängen aus, die wir für den eigenen Bedarf ausbilden, und da ist in der Tat auch die Voraussetzung der Hochschulausbildung wichtig. Dort fehlt es nach einhelliger Meinung überhaupt nicht an der Bereitschaft und der Bereitwilligkeit der Behörden, da etwas zu machen, sondern es fehlt wesentlich an geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern. Das sagt mir nicht die Senatorin für Finanzen, sondern das sagt mir der Vertreter der Schwerbehinderten im Land Bremen als seine feste Überzeugung, und er sagt auch, dass es für die Dienststellen und vor allem für die jungen Menschen kein Gewinn, sondern eine Katastrophe wäre, wenn man Abstriche an den Qualifikationsanforderungen machen und sie trotzdem einstellen würde, denn das würde in die Sackgasse eines unglücklichen Lebens führen.
Sie sagen umgekehrt, dass der Weg der Inklusion, den wir mit viel Einsatz gegenwärtig gehen, richtig ist und dass wir dadurch hoffen können, dass wir mehr jungen Menschen mit Behinderung dann die Tür zu einem selbstbestimmten Leben in qualifizierten Berufen auch weiter öffnen können. Das geht aber nicht sehr schnell mit einer Quote, sondern dafür braucht man einen langen Atem.
Sie haben auch den zunehmenden Anteil der Schwerbehinderten bei den älter werdenden Beschäftigten angesprochen, also je älter die Beschäftigen werden, desto mehr Schwerbehinderte gibt es. Das ist ja nun keine Überraschung, da ist der öffentliche Dienst auch keine Ausnahme. Man kann es so sagen, da sie auf lange Dauer im öffentlichen Dienst tätig sind, ja, im öffentlichen Dienst produzieren wir die Schwerbehinderten selbst, aber es ist natürlich nicht so, dass wir sie produzieren. Es gibt viele Faktoren, die vom Arbeitgeber überhaupt nicht zu beeinflussen sind, aber es gibt auch die Verantwortung des Dienstherrn zur Vermeidung von Arbeitsbedingungen, die krank machen, da haben Sie vollkommen recht. Das haben wir auch in unserer Anfrage zur alternsgerechten Beschäftigung vor einigen Monaten thematisiert, aber da muss ich sagen, da sind wir doch über die abstrakte Forderung von der, wie Sie sagen – Zitat –, „Entwicklung präventiver Maßnahmen“ weiß Gott schon weit hinaus.
Seit dem Jahr 2009 ist die Dienstvereinbarung zum Gesundheitsmanagement in Kraft und wird von allen Seiten gelobt. Ob die Umsetzung dann auch das Lob verdient, ist sicher einer Überprüfung wert, und das werden wir uns sicher im Haushalts- und Finanzaausschuss auch vortragen lassen, aber das muss dann konkret geschehen und nicht durch solche allgemeinen Floskeln.
Ich komme zum Schluss, und nach meiner eigenen Rede, sage ich einmal, bin ich zu meiner Überraschung trotzdem für die Überweisung des Antrags. Ich bin eher skeptisch, aber ich sage es noch einmal: Es ist ein sensibles Thema, ich würde dazu auch gern viele Beteiligte hören, und deswegen beantragen wir – der Abgeordnete Liess hat es gesagt –, dass wir über das Thema in der Sache heute noch nicht abstimmen, sondern es im Haushalts- und Finanzausschuss noch einmal beraten. – Herzlichen Dank!
Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort gebe, möchte ich auf der Besuchertribüne ganz herzlich Mitglieder der Loge „Zum rechtweisenden Compaß“ aus Bremerhaven begrüßen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Viele denken bei der Einstellung von Schwerbehinderten immer noch, es handele sich um eine relativ kleine Randgruppe. Das ist faktisch nicht der Fall, eine von zwölf Personen – in Bremen sogar eine von elf – ist im Sinne des Arbeitsrechts schwerbehindert. Der Anteil nimmt – das ist nicht weiter verwunderlich – mit zunehmendem Alter zu, das wurde hier auch schon erwähnt, das heißt, in der Altersgruppe ab 55 Jahren ist jede sechste bis siebte Person schwerbehindert.
Die Mehrzahl der Schwerbehinderten ist in ihrer Arbeitsfähigkeit nicht wirklich eingeschränkt, sondern man muss das durchaus differenzieren, denn wenn der Arbeitsplatz entsprechend darauf eingestellt wird, dann ist es schon möglich, sie entsprechend adäquat auch mit einer Beschäftigung zu betrauen. Menschen mit Sehbehinderungen zum Beispiel können im Büro völlig normal arbeiten, wenn ihr Arbeitsplatz genau diese Voraussetzungen erfüllt.
Schwerbehindert sind aber zum Beispiel auch Menschen nach schweren Operationen, also es gibt dort durchaus eine Bandbreite von Schwerbehinderungen. Das muss man, finde ich, auch mit reflektieren, denn das sind dann durchaus auch leistungsfähige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich möchte es niemandem wünschen, aber ich meine, eine Schwerbehinderung zu erlangen und sich damit auseinandersetzen zu müssen, kann letztendlich jedem passieren, das ist nichts Unrealistisches oder Seltenes.