Protokoll der Sitzung vom 20.06.2013

(Dagegen DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Bericht der Freien Hansestadt Bremen zur Umsetzung des Sanierungsprogramms 2012/2016

Mitteilung des Senats vom 30. April 2013 (Drucksache 18/885)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Bürgermeisterin Linnert.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Piontkowski.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich wundere mich ja, dass ich hier die erste Rednerin bin, aber das ist auch nicht so schlimm, dann hören alle noch gut zu!

Die Luft wird dünner um Frau Linnert. Die Steuereinnahmen Bremens werden für das Jahr 2014 um 27 Millionen Euro und für das Jahr 2015 um 17 Millionen Euro geringer ausfallen als noch im November 2012 prognostiziert, das ist das Ergebnis der Steuerschätzung vom Mai, die künftig für die weitere Sa

nierungsplanung zugrunde zu legen sein wird; nach unten korrigierte Einnahmeerwartungen bei der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer, Rückgänge bei der Erbschaftssteuer, für das laufende Haushaltsjahr kommen noch einmal 39 Millionen Euro hinzu. Wahrlich, das sind keine guten Nachrichten für Bremen! Damit wird auch der Weg zur Einhaltung des Sanierungspfades zunehmend steiniger. Wenn es nicht gelingt, den Sanierungspfad einzuhalten, dann werden wir auch die Sanierungsbeihilfen von 300 Millionen Euro jährlich gefährden.

Die CDU hat immer davor gewarnt, hier mit erhöhten und überzogenen Einnahmeerwartungen zu kalkulieren.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Aber mehr Geld sollen wir ausgeben, oder?)

Insofern befindet sich die CDU auch in guter Gesellschaft des Stabilitätsrats, der ebenfalls Bremens riskante Haushaltspolitik gerügt hat. So wird einfach kein seriöser Haushalt geführt!

Dass Bremen den Konsolidierungspfad bisher eingehalten hat, ist einzig und allein auf die gute bundesweite Konjunktur zurückzuführen, und ich habe hier schon mehrfach gesagt, das ist gerade nicht das Verdienst von Frau Bürgermeisterin Linnert.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt zitiere ich einmal aus einer aktuellen Rüge des Stabilitätsrats, die Sie vielleicht auch interessieren wird, Herr Dr. Kuhn, dort steht nämlich: „Trotz der günstigen gesamt- und finanzwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat Bremen seine Nettokreditaufnahme nur in begrenztem Umfang zurückgeführt.“ Sobald sich die Konjunktur abschwächt und die Einnahmen nicht den übertriebenen Erwartungen von Frau Linnert entsprechen, droht ihr Kartenhaus einzustürzen, und genau darauf steuern wir geradewegs zu.

Der Sicherheitsabstand zur zulässigen maximalen Neuverschuldung schrumpft dramatisch,

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie wollen doch immer mehr aus- geben!)

bis zum Jahr 2017 geht der Puffer zum maximal zulässigen strukturellen Defizit auf 75 Millionen Euro – darüber haben wir gerade im Haushalts- und Finanzausschuss gesprochen – von aktuell 267 Millionen Euro zurück. Darin sind schon die 16 Millionen Euro zusätzlicher Einnahmen aus dem Länderfinanzausgleich aufgrund der Ergebnisse des Zensus berücksichtigt.

Frau Linnert warnt selbst schon bei der Vorlage der Eckwerte, dass bei unveränderten Einnahme- und

Ausgabepositionen – ich zitiere – „die Vorgaben zum vollständigen Abbau der Neuverschuldung im Jahr 2020 rechnerisch/planerisch um rund sieben Millionen Euro überschritten werden“. Jetzt haben wir es aber mit geringeren Einnahmen als geplant zu tun, und jetzt warten wir auch auf eine Antwort von Ihnen, Frau Linnert, wie Sie mit der veränderten Lage umgehen wollen. Nicht nur wir, sondern auch der Stabilitätsrat weist darauf hin, dass die mittelfristige Verringerung des Sicherheitsabstands zur maximal zulässigen Nettokreditaufnahme in Verbindung mit den absehbaren zusätzlichen Ausgabenbelastungen eine Verstärkung des Konsolidierungskurses erforderlich macht, denn sonst droht Ihre auf Sand gebaute Finanzplanung vollends einzustürzen.

Was im Sanierungsbericht auch nicht zum Ausdruck kommt und was wir hier in den letzten Tagen auch hinreichend diskutiert haben, sind die gewaltigen Risiken, denen sich der Haushalt gegenübersieht. Ich nenne nur die kommunalen Kliniken, für die jetzt einmal 200 Euro hergegeben wurden,

(Zurufe: 200 Millionen Euro!)

200 Millionen Euro, natürlich! Man verliert schon den Überblick bei all den Zahlen, mit denen man es zu tun hat!

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Nicht erst heute!)

Dann die Bädersanierung mit 3,3 Millionen Euro vornehmlich für das Unibad! Man hat erst einmal 45 000 Euro für ein Bädergutachten ausgegeben, um die Empfehlungen, die darin stehen, dann doch unbeachtet zu lassen. Ob diese 3,3 Millionen Euro am Ende reichen werden, ist auch wieder fraglich.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Waren Sie gestern bei der Beam- tendebatte anwesend?)

Ich habe von vorn bis hinten zugehört, Herr Dr. Güldner!

Nehmen Sie den Sanierungsstau bei den öffentlichen Gebäuden und Straßen! Mit Erschrecken habe ich in der Zeitung von einer Liste mit 1 200 Bedarfsanmeldungen gelesen, von defekten Toilettenspülungen bis zu maroden Dächern. Eine Schule scheint sogar vom Einsturz bedroht zu sein. Inklusive der Kosten für die laufende Unterhaltung der Straßen wird der Finanzbedarf für die nächsten zehn Jahre auf sage und schreibe 240 Millionen Euro bemessen. Das Geld fehlt, teure Projekte werden aufgeschoben. In der Tat, der Spielraum ist nicht mehr allzu groß, im Jahr 2012 sind knapp ein Fünftel der bremischen Investitionsausgaben Tilgungen für bereits abgeschlossene Vorhaben.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Es wird ja langsam weniger!)

Nun geht es aber weiter: Auch bei der teilweisen Übernahme der Tarifergebnisse haben Sie wirklich mit den falschen Zahlen kalkuliert. 0,9 Prozent haben Sie eingestellt, wir haben immer kritisiert, dass dies unrealistisch ist. Jetzt hat Sie die Wirklichkeit eingeholt. Ich brauche nur Ihren Bericht zu lesen, in dem steht, dass mit weiteren Ausgabenzuwächsen im Rahmen des SGB XII zu rechnen ist. Ich zitiere wiederum: „Eine Überschreitung der vorgesehenen Ausgabenbegrenzung im Sozialhilfebereich ist nicht auszuschließen.“

Erneut versuchen Sie, uns durch den Verweis auf das 50 Millionen Euro schwere UVI-Programm – das haben wir hier auch schon mehrfach behandelt – weiszumachen, dass in der Zukunft alles besser wird. So ist es aber nicht, denn wir haben den Zwischenbericht darüber im Haushalts- und Finanzausschuss zur Kenntnis genommen. Darin steht, dass bei 42 der 57 darin beschriebenen Projekte noch keine oder keine konkreten Einspareffekte beschrieben werden konnten. Woher nehmen Sie also den Optimismus, dass bis zum Jahr 2019 zumindest die Ausgaben wieder hereingeholt werden? Wir werden zu gegebener Zeit danach fragen.

(Beifall bei der CDU)

Wir meinen, dass wir dringend eine neue Bewertung der Finanzsituation benötigen. Dies erwarten wir von Ihnen, Frau Bürgermeisterin Linnert! Setzen Sie nicht auf Experimentierklauseln, wie bereits angekündigt, sondern auf eine seriöse Haushaltspolitik! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Liess.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich reden wir über den Bericht an den Stabilitätsrat, inwieweit die Freie Hansestadt Bremen im Jahr 2012 die in der Sanierungsvereinbarung festgelegten Ziele erreicht hat oder nicht. Als Erstes ist festzustellen, die Ziele sind erreicht worden, sie sind in einem höheren Maße erreicht worden als ursprünglich mitgeteilt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Das liegt daran, dass im Jahr 2012 die Personal- und Sozialleistungsausgaben im Plan waren, wir eine Verbesserung von 22 Millionen Euro bei den Drittmitteln, höhere Steuereinnahmen durch die Gewerbe––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

steuer und Zinsminderausgaben in Höhe von 28 Millionen Euro hatten. Soweit das Jahr 2012!

Nun verstehe ich ja, wenn man über die Vergangenheit redet, dass man auch gleich den Ausblick auf die Zukunft nehmen will, das ist völlig klar. Dies wird im Sanierungsbericht ja auch schon getan, und es gehört auch zu den Verpflichtungen zu sagen, wie es in Zukunft eigentlich weitergeht.

Jeder kann zitieren, was er am schönsten findet, und ich zitiere auch einmal, was ich am schönsten finde. Im Bericht wird eindeutig gesagt, dass eine Verschärfung des Konsolidierungskurses nicht notwendigerweise durch Mehrausgaben kompensiert werden kann. Das heißt nichts anderes, als dass wir den Sicherheitsabstand, den wir so lange in dieser Höhe gehalten haben, zum Teil in Anspruch nehmen müssen, weil wir dringende Probleme haben. Einige davon wurden genannt, zum Beispiel die Krankenhausfinanzierung, die Tarifentwicklung, die Inklusion oder die Sozialleistungen. Daher hat sich der Senat schon darauf eingestellt, dies zu tun, die bisherige Beschlusslage zum Doppelhaushalt macht dies auch deutlich.

Ich finde, es ist ein wenig despektierlich, wenn einfach nicht zur Kenntnis genommen wird, dass die Eigenanstrengungen der Freien Hansestadt Bremen bei den strukturellen Einsparungen im Jahr 2012 63 Millionen Euro ausmachten. In einem Jahr! Dies addiert sich zu einer Summe von 195 Millionen Euro am Ende des Jahres 2016. Selbstverständlich müssen bei den Investitionen noch 20 Prozent über den Bremer Kapitaldienst finanziert werden, das ist die Bezahlung der Investitionen, die wir geleistet haben. Diese Zahl ist im Übrigen mittlerweile dramatisch rückläufig.

Zum UVI-Programm lassen Sie mich Folgendes sagen: Ich weiß, dass die CDU von Anfang an dagegen gewesen ist, und über die Gründe dafür kann man sehr streiten. Ich finde, man kann aber nach einer Laufzeit von noch nicht einmal einem Jahr nicht erwarten, strukturell wirkende Ergebnisse nachweisen zu können, und das für das Jahr 2012. Wir berichten über das Jahr 2012, nicht über das Jahr 2013!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Diese Daten sind ja – insofern ist die Debatte ein bisschen merkwürdig für mich – etwas veraltet. Frau Piontkowski hat selbst darauf hingewiesen, dass wir schon eine neue Steuerschätzung vom Mai haben, die noch einmal verdeutlicht, dass sich der Sicherheitsabstand, den wir haben, noch einmal reduziert. Wir haben in diesen Bericht noch nicht die Auswirkungen des Zensus aufnehmen können, wonach wir voraussichtlich 16 Millionen Euro mehr in die Kassen bekommen werden.

Im Haushalts- und Finanzausschuss ist uns aber als Ergebnis vorgelegt worden, dass der ursprünglich geplante Sicherheitsabstand von 95 Millionen Euro

um 20 Millionen Euro auf 75 Millionen Euro sinkt. Das bedeutet, dass man mit diesem Sicherheitsabstand nicht so umgehen kann, jetzt daraus einfach einmal alles zu finanzieren, und zwar auch aus folgendem Grund: Wenn man sich das Jahr 2012 und die daraus ableitbare mittelfristige Finanzplanung anschaut, dann können Sie den vorgelegten Unterlagen entnehmen, dass wir insgesamt 100 Millionen Euro vom Sicherheitsabstand verloren haben, weil wir eine andere Entwicklung hatten. Das bedeutet, aus einem ursprünglichen Abstand von über 200 Millionen Euro sind knapp über 100 Millionen Euro geworden. Dies macht auch deutlich, dass man nicht allen Wünschen, den Sicherheitsabstand einfach zu nutzen, nachgeben kann und darf, sondern der Sicherheitsabstand ist auch dazu da, um die schwierigen Situationen, die wir insbesondere bei den Steuereinnahmen haben, abfedern zu können. Das gehört mit zu den Sicherheitsmaßnahmen des Senats. Was der Senat hier vorgelegt hat und die rot-grüne Koalition hier geleistet hat, ist den Anforderungen, die andere an uns gestellt haben, über die Maßen gerecht geworden, und es wird aufgezeigt, wie der Weg weitergegangen wird. Wie wir dies im Doppelhaushalt demnächst machen, werden wir an anderer Stelle dann noch einmal diskutieren. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn.