Protokoll der Sitzung vom 26.09.2013

Ja, bitte!

Bitte, Herr Hinners!

Ich habe wirklich nur eine Frage, Herr Senator! Wie lange kennen Sie schon das Gutachten von Herrn Professor Dr. Feltes?

Ich habe es in den letzten Tagen gelesen.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Nur gele- sen?)

Herr Senator, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Abgeordneten Hinners?

Ja, bitte!

Bitte, Herr Hinners!

Dann muss ich genauer fragen, wenn Sie ausweichen! Seit wann liegt es Ihrer Behörde vor?

Das kann ich nicht sagen, es gab mehrere Versionen davon, und ich weiß nicht, wann diese Endfassung bei uns eingegangen ist, aber ich habe es, wie gesagt, in den letzten Tagen gelesen.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Nicht zufrieden- stellend! Aber das klären wir dann noch!)

Macht nichts!

Noch einmal: Wir haben es mit einem bundesweiten Problem zu tun, das wenig tröstlich ist, und in der Tat gibt es einen massiven Anstieg seit dem Jahr 2006. Möglicherweise gibt es da einen Zusammenhang mit der dramatisch zurückgehenden Zahl der Aufbrüche von Kraftfahrzeugen. Das sehen wir in Bremen und Bremerhaven, wir hatten einmal Zahlen, die lagen bei ungefähr 14 000 Aufbrüchen im Jahr. Die Zahlen haben sich nahezu halbiert, und das führt möglicherweise dazu, dass sich diese Tätergruppe stattdessen in erster Linie Wohnungen aussucht.

Über die Tätergruppe wissen wir relativ wenig, weil die Aufklärungsquote überall niedrig ist. Sie liegt überall nur bei circa 10 Prozent, weil die Mehrzahl der Delikte ohne nennenswerte Spuren verübt wird. Wenn man Täter findet, ist es in der Regel so, dass man sie noch am Tatort oder in der Umgebung antrifft. Es ist aber kaum möglich, durch einen verstärkten DNA-Einsatz oder andere kriminaltechnische Maßnahmen Spuren zu finden, weil diese Einbrüche nicht professionell vorbereitet werden. Es handelt sich meistens um Gelegenheitsdiebe, die mit einem Schraubenzieher vorbeikommen, das Fenster sehen, hineingehen und wieder verschwinden. Das macht die Arbeit auch so schwierig, und das erklärt auch, warum polizeiliche Maßnahmen in diesem Bereich an sehr harte Grenzen stoßen.

Dennoch tröstet das alles nur sehr wenig darüber hinweg, und wir haben daraus Konsequenzen gezogen und diese Schwierigkeiten kompensiert, indem wir sehr viel Personal eingesetzt haben, sogenannte Schwerpunktmaßnahmen wurden entwickelt, verstärkte Kontrollen zu allen Tages- und Nachtzeiten, es wurde die Bereitschaftspolizei hinzugezogen, um auch weitere Kontrollen vorzunehmen, und wir haben zusätzliche Ermittlungsgruppen gebildet. Alles dies zusammengenommen hat dazu geführt, dass wir es hier in der Tat geschafft haben, einen Teil dieser Straftaten zu verhindern, wobei man immer sagen muss: Über 40 Prozent dieser Straftaten, die ich hier erwähnt habe, also dieser 1 400 Straftaten für den Zeitraum von Januar bis August, sind noch Versuche. Das heißt, wir sehen auch, dass die Wahrscheinlichkeit, diese Hürden zu überwinden, äußerst gering ist, wenn man sichere Fenster und Türen hat. Deswegen ist es notwendig, dass wir weiterhin in Zusammenarbeit mit den Bürgerinnen und Bürgern schauen, wo sich Täter neue Objekte aussuchen könnten, und da haben wir in dieser Stadt schon einiges erreicht.

Fakt ist aber auch, wir sind weiterhin auf einem sehr hohen Niveau, daher wird es Sie nicht überraschen, dass die Vorbereitungen bei der Polizei bereits mit Hochdruck laufen. Wir werden auch in der sogenannten dunklen Jahreszeit wieder mit massiven Kräften diese Einsätze steuern, um zu verhindern, dass diese Entwicklung sich noch einmal so verändert, wie es im letzten Jahr der Fall gewesen ist.

Wir haben dieses Gutachten in Auftrag gegeben, um viele Dinge einmal zu erfragen. Wir wollten zum

Beispiel einmal wissen: Wie ist es vor Ort? Was empfindet unsere Bevölkerung, wenn sie Opfer einer Straftat wird? Gehen die Polizeibeamten sensibel genug mit den Opfern um? Das war eine Frage, die wir beantwortet haben wollten. Wir wollten auch wissen: Was macht die Polizei, lässt sie die Akten liegen, oder werden sie zügig vorbereitet? Was macht die Staatsanwaltschaft? Was machen die Gerichte? Diese Studie zeigt uns, dass wir in der Tat die Ergebnisse nicht zu scheuen brauchen. Wir haben eine Polizei, eine Staatsanwaltschaft und eine Justiz, die zusammenarbeiten, aber diese drei Instanzen können nichts daran ändern, dass wir es hier mit einem sozialen Problem zu tun haben.

Bei der Frage, woher diese Kriminalität kommt, sagt uns auch diese Studie sehr deutlich, wo man die Täter findet, in welchen Stadtteilen, in welchen Straßenzügen, und was sie miteinander verbindet. Sie sind in der Regel männlich, unter 21 Jahre alt, sie sind bildungsfern, sie haben keinen Schulabschluss, sie haben keine Ausbildung, sie kommen in der Regel nicht aus Elternhäusern, in denen Vater und Mutter vorhanden waren und so weiter. Deswegen ist auch die klare Ansage gewesen: Wir brauchen da einen übergreifenden Ansatz, wir müssen uns um die Quartiere kümmern, weil es in der Tat auch ein Unterschichtendelikt ist, über das wir diskutieren. Es ist ja nicht so, dass die arme Bevölkerung nun die reiche plündert, sondern die Mehrzahl der Opfer sind Arme. Das heißt, in diesen Stadtteilen plündert der eine den anderen Nachbarn, und deswegen müssen wir auch mit anderen Maßnahmen versuchen, diese Dinge zu verändern, also mit mehr Bildung, mehr Qualität in diesen Wohnbezirken und vielem anderen mehr. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Mitteilung des Senats, Drucksache 18/967, Kenntnis.

Brandschutzregeln beim behindertengerechten Bauen überprüfen

Große Anfrage der Fraktion der SPD vom 20. Juni 2013 (Drucksache 18/976)

D a z u

Mitteilung des Senats vom 13. August 2013

(Drucksache 18/1013)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Dr. Lohse.

Gemäß Paragraf 29 unserer Geschäftsordnung hat der Senat die Möglichkeit, die Antwort, Drucksache 18/1013, auf die Große Anfrage in der Bürgerschaft mündlich zu wiederholen.

Ich gehe davon aus, Herr Senator Dr. Lohse, dass Sie die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion der SPD nicht mündlich wiederholen möchten.

Auf die Antwort des Senats auf Große Anfragen folgt eine Aussprache, wenn dies Mitglieder der Bürgerschaft in Fraktionsstärke verlangen.

Ich frage, ob in eine Aussprache eingetreten werden soll. – Das ist der Fall.

Die Aussprache ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Schmidtke.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die UNBehindertenrechtskonvention, die auch von uns ratifiziert wurde, fordert, dass Menschen mit Beeinträchtigung gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können müssen. Der Staat, die Länder und die Kommunen sind verpflichtet, Barrieren zu beseitigen und Richtlinien entsprechend anzupassen. Bremen hat sich hier auf einen guten Weg gemacht: Die Schulgesetzgebung hat die Inklusion als festen Bestandteil aufgenommen und sich damit zum Auftrag gemacht, alle Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam zu unterrichten. Es wäre unredlich zu behaupten, das Ziel sei erreicht, aber wir haben uns hier deutlich auf den Weg gemacht, und wir werden weiter an der Umsetzung arbeiten.

Auch im Bereich des Ressorts Bau und Verkehr ist der Auftrag angekommen. Gerade in jüngster Zeit sind etliche Wohnungen entstanden, die ausdrücklich als geeignet für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, unter anderem also Rollstuhlfahrer, konzipiert und errichtet wurden. Diese Wohnungen weisen größere Türen auf, explizit auf Rollstuhlfahrer ausgerichtete Badezimmer, in den Fluren der mehrgeschossigen Häuser gehören Fahrstühle zur selbstverständlichen Ausstattung. Selbst auf sehr individuelle Bedarfe kann eingegangen werden. Dies alles ist vorbildlich und wird von der SPD-Fraktion ausdrücklich sehr begrüßt.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Behindertenverbände sehen hier eine langjährige Forderung endlich erfüllt. Dies alles ist kein Luxus, sondern eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wenn ich die UN-Behindertenrechtskonvention ernst nehme, und auch hier sind wir noch nicht am Ziel der Inklusion angekommen, aber auf einem guten Weg.

Diese Wohnungen, ausdrücklich erstellt und eingerichtet für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, sind ein großer Fortschritt, bieten den notwen

digen Komfort, abgestimmt auf die jeweiligen Bedarfe und Notwendigkeiten, um auch diesen Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Teilhabe zu ermöglichen, solange keine Notlagen, wie zum Beispiel ein Feuer, vorliegen.

Eine solche Ausnahmesituation, die lebensbedrohlich sein kann und immer so empfunden wird, ist bei der Konzeption dieser ausdrücklich behindertengerechten Wohnungen nicht vorgesehen. Es gibt für den Fall einer Katastrophe keine Fluchtwege, die auf die Notwendigkeiten dieser Bewohnerinnen und Bewohner abgestellt sind, Fluchtwege, die das Leben der Menschen in bedrohlichen Situationen retten könnten, die es entweder den Menschen mit Mobilitätseinschränkungen selbst ermöglichen, sich zu retten, oder es wenigstens den Rettern ermöglichen, die Bewohner aus ihrer Notlage zu befreien.

Alle regulären Bauvorhaben werden erst dann genehmigt, wenn entsprechende, in der Richtlinie vorgesehene Sicherheitsmaßnahmen eingehalten wurden. So wurden auf einer Nordseeinsel vor Kurzem Ferienwohnungen geschlossen, weil die Fenster nicht die notwendige Größe aufwiesen und dadurch im Katastrophenfall nicht als Fluchtweg nutzbar wären. Häuser, die seit über 30 Jahren bewohnt, genutzt und damals auch genehmigt wurden, mussten den veränderten Richtlinien angepasst werden, bevor sie weiterhin als Ferienwohnungen genutzt werden konnten.

Meine Forderung und die Forderung der SPD ist, die jetzt errichteten Wohnhäuser, die die Bezeichnung Wohnung für mobilitätseingeschränkte Menschen tragen dürfen, zwingend auch für den Katastrophenfall, zum Beispiel für den Brandfall, auszustatten,

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

denn Behinderungen begleiten uns nicht nur im Alltag, sondern auch und vielleicht auch besonders in solchen Ausnahmesituationen.

Dass wir bei den bereits bestehenden Wohnungen auch Einrichtungen nicht außer Acht lassen dürfen, liegt auf der Hand und ist selbstverständlich. Auch hier erwarten und fordern wir, dass bei Sanierungen größeren Umfangs die Nachrüstung der Fluchtwege immer Bestandteil der Planung sein muss.

Die in der dankenswerterweise sehr ausführlichen Antwort des Senats angekündigte Überarbeitung der Baurichtlinie macht uns große Hoffnung, dass die Forderungen der SPD-Fraktion aufgenommen werden. Auch uns, der SPD-Fraktion, ist bewusst, dass niemals alle Risiken auszuschalten sind, dass ein Restrisiko immer bleibt, wir sind aber auch überzeugt davon, dass erkannte, aber nicht beseitigte Risiken im Ernstfall unverzeihlich sind.

Meine Damen und Herren, wer uns nun sagt, die Richtlinien geben alle diese Erwartungen und unverzichtbaren Überlegungen zur Sicherheit der beeinträchtigten Menschen nicht her, dem kann ich nur sagen, es ist sicher leichter, die Richtlinien zu ändern, als nach einem Unglück zu argumentieren, wir haben richtliniengetreu gebaut. Richtlinien können geändert und den bekannten Bedarfen angepasst werden, dagegen ist ein verlorenes Menschenleben unwiederbringlich verloren. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Werner.