Protokoll der Sitzung vom 26.09.2013

Das Problem, auf das ich am Anfang aufmerksam gemacht habe, ist jetzt auch in der Parlamentarischen Kontrollkommission des Bundestags noch einmal virulent geworden, als es um die Aufklärung der NSUMorde ging. Wenn man Mitglied einer parlamentarischen Kommission ist, die auch geheim ist, dann ist ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

es natürlich einfach schwierig, bestimmte Täterverhalten auch noch zu überprüfen, solange sie unter diesem geheimen Vorbehalt stehen. Ich will das einmal an einem ganz konkreten Beispiel in Thüringen deutlich machen.

Über das Landesamt in Thüringen brauchen wir nicht zu reden, ich glaube, da sind wir uns hier alle einig, aber es wurde in den Medien darüber berichtet, dass Landtagsfraktionen dort nicht nur observiert worden sind, sondern dass das Landesamt dort auch versucht hat, V-Leute einzusetzen, und zwar nicht nur bei der LINKEN, interessanterweise auch bei der CDU, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

(Zuruf des Abg. D r. G ü l d n e r [Bünd- nis 90/Die Grünen])

Ich kann mich daran erinnern, weil es auch in den Medien berichtet wurde, dass es dann hieß, wir können in der Parlamentarischen Kontrollkommission einmal kurz die Klarnamen unserer V-Leute zeigen. Da saßen alle, weil sie natürlich interessiert daran waren, ob sie V-Leute als Mitarbeiter haben, dann gab es den großen Monitor – in dieser Größe, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, ich weiß nicht, es ist ein bisschen länger her, dass ich etwas darüber gelesen habe –, auf dem die Klarnamen aller V-Leute in einem atemberaubenden Tempo aufgezeigt wurden, und im Endeffekt war niemand schlauer.

Das sind alles praktische Beispiele, anhand derer ich sage, es ist schwierig, und ich finde, dieses Mittel der Parlamentarischen Kontrollkommission ist für mich nach wie vor nicht das, was wir eigentlich wollen, nämlich eine demokratisch strukturierte Behörde. Wir unterhalten uns ja noch in der Innendeputation darüber, aber anhand dieses Beispiels wollte ich noch einmal deutlich machen, wie kompliziert es dann in der Realität ist. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Güldner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte noch einige abschließende Bemerkungen machen. Ich fand es sehr gut, Frau Kollegin Vogt, Sie haben noch einmal darauf hingewiesen, dass eben die Übertragung dieser Befugnisse auf die Polizei keine Lösung ist und wir uns in diesem Punkt auch einig sind. Das umreißt in etwa das Problem, dass wir uns am Ende des Tages dann doch mit dieser Behörde auseinandersetzen müssen.

Zu dem eigenständigen Amt! Ja, ich bin vollkommen damit einverstanden, wenn es gelingen würde, ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

aber in der Innenministerkonferenz sieht es im Moment nach allem anderen aus, als dass ein eigenständiges bundesweites Amt geschaffen werden würde. Mein Einwand war nur, wenn wir das Problem der parlamentarischen Kontrolle lösen wollen und nun anfangen, einzelne Landesämter wie zum Beispiel Bremen und Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zusammenzulegen, dann, glaube ich, funktioniert das nicht. Wie soll es denn mit zwei Landesparlamenten funktionieren? Wenn wir auf Bundesebene nur noch ein Amt hätten, dann wäre ja der Bundestag zuständig und könnte das aus einem Guss regeln. Insofern geben wir ganz klar das Signal, dass wir uns das auch vorstellen könnten.

Noch einmal etwas zu dem wirklich heiklen Problem der V-Leute! Es ist ja gerade dieser Gesetzentwurf, der zum ersten Mal, und zwar auch weiter gehend, als es überall sonst gemacht wird, ganz klare verbindliche und gesetzliche Regeln für den Einsatz von V-Leuten festlegt. Ich meine, der Gesetzentwurf ist doch gerade der Versuch, ein ganzes Stück weiterzukommen, das nicht in die Hände dieses Amtes zu legen und zu sagen, nun macht einmal, wir haben dort ein paar Leute sitzen – Sie haben es ja zu Recht gesagt –, die wie in Thüringen komplett nicht recht bei Verstand sind, dann gibt es eine Katastrophe, und wenn wir vernünftige Leute haben, dann klappt das schon. Nein, es kann nicht auf diese Weise geschehen, und wir wollten es dem Amt auch nicht überlassen, sondern wir schreiben in das Gesetz bis ins Detail sehr ausführliche Regelungen für den Einsatz von V-Leuten, wie die G-10-Kommission und wie die PKK einbezogen werden, was sie tun dürfen, was sie nicht tun dürfen, wer sie sein können und wie das Führen von V-Männern vonstattengehen soll.

Es ist ja gerade der Versuch, dieses V-Mann-Unwesen, wie man es ja zutreffend auch beschreiben muss, mit politischen Mitteln, nämlich einer gesetzlichen Regelung, gesetzlich ganz klar zu regeln. Es wird immer noch ein Restbestand an Zweifel bleiben. Wir wiederum müssen dann in der entsprechenden Kontrolle dafür sorgen, dass es im Einzelfall dann so eingehalten wird.

Ich bin davon ausgegangen – und das war ja die Initiative, die wir gemeinsam eingebracht haben –, dass Sie auch als eine Fraktion, die rein rechnerisch an der parlamentarischen Kontrolle nicht beteiligt wird, dort jetzt hineingekommen sind und dann auch dort die entsprechenden Rechte wahrnehmen können. Wir werden es noch einmal prüfen. Ich bin immer davon ausgegangen, dass Sie es können und auch tun. Sollte das nicht der Fall sein, dann können wir das auch gern noch nachbessern, denn ich finde, ein Parlament lebt natürlich davon, dass alle wirklich in eine solche Behörde hineinschauen und sich ein ganz klares Bild davon machen können, was dort gemacht und nicht gemacht wird. Dafür haben Sie eine klare Zusage.

Aus diesem Grund glaube ich, dass wir in puncto Verfassungsschutz nicht am Ende des Weges sind, sondern wir noch eine ganze Menge zu tun haben. Ich glaube auch, dass dieser Gesetzentwurf schon geeignet ist, ein ganzes Stück in dem am Anfang beschriebenen Versuch weiterzukommen, ihn zu einer demokratisch kontrollierten Behörde zu machen. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit großem Interesse die Diskussion verfolgt. Sie zeigt mir im Ergebnis, dass in diesem Hause ein breiter Konsens besteht, dieser Gesetzentwurf in wesentlichen Teilen brauchbar ist und er die Grundlage für die weiteren Beratungen ist. Wir werden, wenn Sie diesem Entwurf in erster Lesung zustimmen, das Thema dann vertieft in der Innendeputation beraten und abschließend in zweiter Lesung hier einbringen.

Wir haben diesen Gesetzentwurf bewusst erst nach dem Bericht des Deutschen Bundestags zum NSUKomplex vorgelegt. Wir sind damit eines der ersten Bundesländer, das die Konsequenzen aus diesem katastrophalen Scheitern der Verfassungsschutzämter der Länder und des Bundes zieht. Das ist der eine Hintergrund. Ich denke, wir sind in diesem Bereich auch Vorbild, weil wir vieles, was zurzeit in Expertenkommissionen diskutiert wird, in Bremen vorweggenommen haben. Wir haben es vorweggenommen aufgrund von bestimmten Umständen, die nicht sehr erfreulich waren. Sie haben ja sehr deutlich geschildert, wie die Lage hier im Jahr 2008 war. Ich denke, dass wir auch weiterhin gut beraten sein werden, den Verfassungsschutz kritisch zu begleiten.

Es wird Sie vielleicht überraschen, dass ich das als Innensenator sage, aber ich spreche dabei auch aus der eigenen Erfahrung heraus. Ich muss sagen, mein Verhältnis hat sich gewandelt. Vor zehn Jahren hätte ich das so gesehen, wie Sie alle das hier sehen, dass Sie gesagt haben, dieses Amt gehört aufgelöst nach diesen Skandalen und diesen Peinlichkeiten, die man uns hier angetan hat. Ich gehe aber noch weiter zurück.

Wenn ich auf die Zeit der unseligen Berufsverbote in den Siebzigerjahren zurückblicke – ich hatte auch damals Kontakt zum Verfassungsschutz –, dann waren es immer diese Informationen, die das Landesamt sammelte und die ausreichten, um den Menschen dann den Zugang in den öffentlichen Dienst nur aufgrund ihrer politischen Gesinnung zu verwehren. Die ganzen Verfahren auf Entlassung aus dem öffentlichen Dienst sind auch nur möglich gewesen, weil die

ser Verfassungsschutz mitgespielt und diese Informationen beigesteuert hat.

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der LINKEN)

Daraus folgt für mich eine Lehre: Man sollte sehr genau hinschauen, wem man diese Ämter anvertraut. Gerade das Beispiel Niedersachsen zeigt ja auch, dass das Thema nach wie vor aktuell ist.

Es ist noch nicht so lange her – das war eine meiner ersten Aktionen –, dass ich gesagt habe, für die Observation der LINKEN gibt es keine Rechtsgrundlage. Das zeigt einfach auch, dass dieses Metier gefahrgeneigt ist. Man kann in der Tat dazu beitragen, unsere demokratische Grundordnung damit zu verteidigen, aber wenn man diese Instrumente in die falschen Hände gibt, dann ist es mit großen Gefahren verbunden. Deswegen darf diese Kontrolle des Parlaments nicht abgebaut werden, sondern sie muss gestärkt werden, und wir haben dies mit diesem Entwurf getan.

Ich glaube, es sind wenige Länder bereit, sind, so weit zu gehen, gerade in den zentralen Elementen; dabei geht es um die sogenannten Vertrauenspersonen, VP, oder sogenannte verdeckte Ermittler. Das ist ein höchst sensibler Bereich. Wir sagen sehr eindeutig, in Bremen wird es zukünftig so ablaufen, dass der Leiter des Amtes entscheiden muss, was er macht und welche Maßnahmen er vorschlägt, er muss diese begründen. Diese Entscheidung muss ich letztlich selbst verantworten und treffen. Bevor dann diese Maßnahme umgesetzt wird, gehen wir in die G-10Kommission und fragen, ob sie es uns genehmigt. Das ist das Verfahren, das dazu beiträgt, Transparenz zu schaffen und die Sachlage nachvollziehbar zu machen.

Wir haben in diesem Gesetzentwurf auch sehr deutlich gesagt, wir müssen dafür sorgen, dass sich diese Problematik der V-Leute anders entwickelt. Wir haben im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens erlebt, welche Möglichkeiten bestanden haben: dass hier finanziert wurde und dass selbst Chefideologen beim Verfassungsschutz dann organisiert waren. All das wollen wir verhindern, indem wir klar und deutlich sagen, es darf zukünftig niemand als VP eingesetzt werden, der als Straftäter operiert. Er darf keine Straftaten im Rahmen dieses Auftrags begehen, er darf keinen politischen Einfluss auf die politische Gruppierung ausüben, in der er agiert, und vieles andere mehr. Das sind so Kernbereiche, die wir in diesem Gesetz formuliert haben. Ich denke, dass unser Amt einfach aufgrund der Entwicklung der letzten Jahre mit seinem Leiter so viel Vertrauen auch im parlamentarischen Bereich gewonnen hat, dass wir in der Tat glauben, wir können diesen Weg weitergehen, aber wir dürfen dabei auch nicht leichtsinnig werden.

Wir haben darüber hinaus – Sie haben es angesprochen – in diesem Gesetzentwurf die Ermittlungskompetenzen erweitert. Das alte Gesetz ist dadurch gekennzeichnet gewesen, dass es vor dem Hintergrund des internationalen Terrorismus entwickelt wurde. Es war die Frage gewesen, was ich tun kann, wenn vom Ausland aus Anschläge auf die Bundesrepublik vorbereitet werden. Es sind damals drei Maßnahmen eingeführt worden: Man kann Auskünfte von Banken einziehen, man kann die Fluggesellschaften befragen, wer von wo geflogen ist, und man kann natürlich auch bei den Telefonanbietern fragen, wer unter welcher Nummer erreichbar ist. Es war aber immer dieser Aspekt, dass diese Anschläge von außen auf die Bundesrepublik wirken.

Wir erweitern diese Kompetenzen, weil wir sagen, es kann nicht das Problem sein, ob von außen oder von innen, sondern wir müssen genau die gleichen Möglichkeiten haben, wenn gewaltorientierte Extremisten vom Boden der Bundesrepublik aus operieren. Auch dann müssen diese Maßnahmen genauso ergriffen werden können.

Herr Hinners, ich habe das nicht ganz verstanden, manchmal habe ich auch das Gefühl, dass Sie automatisch immer diese Links-rechts-Sache hier hochfahren, obwohl niemand von uns auf die Idee kommen würde.

(Abg. H i n n e r s [CDU]: Nein, Sie machen das! – Präsident W e b e r übernimmt wie- der den Vorsitz.)

Wenn es eine RAF-Nachfolgerorganisation gibt, die sich hier gründet, würde natürlich dieses Gesetz voll darauf Anwendung finden, denn der Paragraf 7 besagt nichts anderes. Es geht darum, dass wir gegen jede Form eines gewaltorientierten Extremismus vorgehen können. Es steht doch nicht darin, dass da nur der Rechtsextremismus erwähnt wird, und der Linksextremismus bleibt außen vor. Das ist eine Erfindung Ihrer Lesart, aber wir haben noch eine Deputationssitzung, in der wir das alles aufklären können.

Wir haben dann den Vorschlag gemacht, dass wir dieses Landesamt in die senatorische Behörde integrieren, dafür gibt es mehrere Gründe. Auf der einen Seite haben wir auch im Verbund in Norddeutschland versucht, das alles zu organisieren, weil wir natürlich gesehen haben, dass solch ein kleines Landesamt seine Probleme hat. Die Ansage der anderen Kollegen war aber: Wir wollen die Verantwortung für unseren Bereich selbst behalten. Insofern blieb nicht sehr viel Spielraum.

Wir haben uns auf der anderen Seite gefragt, was wir machen können. Es gibt Schnittpunkte im Bereich Haushalt, Personal und Organisation. Wir haben uns das angeschaut und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass wir da in der Tat auch Personal reduzieren können. Wenn wir dieses Amt in die senatorische

Behörde integrieren, das macht auch die Mehrzahl der anderen Bundesländer, dann ist das keine Bremensie mehr.

Ich sage noch einmal eindeutig, das hat nichts damit zu tun, dass wir den Amtsleiter nun irgendwie an die Kandare nehmen müssen, sondern es hängt damit zusammen, dass wir in dessen Arbeit ein solches Vertrauen entwickelt haben, dass ich es auch riskiere, ein Amt auflösen zu können, weil diese Nähe natürlich auch mehr Verantwortung bedeutet. Ich sage aber, in dieser Konstellation bin ich bereit, diese Verantwortung gern zu übernehmen. Ich glaube, wir haben einfach auch aufgrund der sehr konstruktiven Arbeit der letzten Jahre gezeigt, dass es funktionieren kann, insofern rundet dieses Programm das Gesamte ab. Ich hoffe, dass wir dann auch so zügig wie bisher die Diskussion in den Deputationen fortsetzen können, sodass wir dann im November dieses Gesetz abschließend beraten können. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer das Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen und zur Änderung des Bremischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, Drucksache 18/1047, in erster Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen CDU, DIE LINKE, Abg. D r. K o - r o l [parteilos] und Abg. T i m k e [BIW])

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) beschließt das Gesetz in erster Lesung.

Es ist vereinbart worden, den Gesetzesantrag nach der ersten Lesung zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Inneres und Sport zu überweisen.

Ich lasse jetzt über die Überweisung abstimmen.

Wer der Überweisung des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Lande Bremen und zur Änderung des Bremischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Inneres und Sport seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?