Protokoll der Sitzung vom 14.11.2013

(Zurufe)

wie ja auch schon vor einem Jahr. Es ist ja völlig beschämend, wenn ich mir überlege – wir können ein

mal das Brennglas darauf legen; das ist ja der Lackmustest dessen –, wie Sie die Armutsdebatte von heute Vormittag reflektiert haben.

Wenn wir über Qualität reden – und wir reden hier nicht darüber, dass wir einfach mal Geldsäcke verstreuen –, dann frage ich mich: Welche Programme haben wir im Herbst beschieden, und wo ist Qualität dahinter? Sie haben Programme für Beschäftigungsträger beschieden, zu denen man gleich sagen kann: Hier werden tatsächlich Beschäftigungsträger zum Teil erhalten. – Mir geht es hier um die Alleinerziehenden.

(Abg. W i l l m a n n [Bündnis 90/Die Grü- nen] meldet sich zu einer Zwischenfrage – Glocke)

Frau Kollegin Bernhard, lassen Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Willmann zu?

Ja, gerne!

Frau Kollegin Bernhard, eine Frage: Können Sie erstens zur Kenntnis nehmen, dass auch Männer Alleinerziehende sein können, und zweitens, dass zumindest ich mich für meinen Teil diskriminiert fühle durch Ihren Hinweis in der letzten Debatte, dass die Arbeitsdeputation überwiegend männlich konnotiert sei?

Ach! Erstens gibt es selbstverständlich unter den Alleinerziehenden auch Männer – das stimmt, aber zu einem deutlich geringeren Teil – und zweitens wir haben es mit einer Frauenarmut zu tun, die exorbitant ist. Ich muss sagen, dass mir der Anteil von Hartz-IV-Bezieherinnen unter den Alleinerziehenden schon Sorge macht. Wenn Sie sich da diskriminiert fühlen, kann ich Ihnen leider nicht helfen. Objektiv sehen die Zahlen anders aus. Es geht mir hier nicht um die Arbeitsdeputation oder um „Wirtschaft, Arbeit und Häfen“, sondern es geht mir hier um die Wortbeiträge, und die waren vor einem Jahr leider auch nicht sehr viel reflektierter als heute! So!

Mir geht es auch darum, dass man sich einmal dieses Programm und die Auswertung ansieht. Das Interessante ist ja, Herr Kastendiek – ich finde, dieses Programm war gut – –.

(Zuruf)

Das ist ja völlig klasse. In der Broschüre zu dem Projekt sind ja nicht Frau Merkel oder Frau von der Leyen, sondern da ist unser Senator drin. Das sind Bundesmittel gewesen. Das war ein gutes Programm. Ich bin dafür, dass wir sagen, was gut gelaufen ist und was nicht gut gelaufen ist.

Wir haben eigentlich den Anspruch an uns, dass wir ressortübergreifend denken. Vor dem Hintergrund finde ich diesen Arbeitsmarktbegriff sehr scheuklappig und eingeschränkt. Wir müssen an sozialpolitische Aspekte denken, an jugendpolitische, an frauenpolitische Aspekte. Da kann sich nicht das Arbeitsressort hinstellen und sagen: Nur das, was von heute auf morgen eine Überleitung in den ersten Arbeitsmarkt garantiert, ist für uns Arbeitsmarktpolitik. – So wird es nicht funktionieren, und so werden wir auch die Armut nicht in den Griff kriegen. Überhaupt eine Art von Sensibilität dafür zu schaffen, wäre eigentlich die große Aufgabe für die Perspektive und für 2014 bis 2020. Da mache ich mir Sorgen, wie das aussehen soll.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Sie erzäh- len ständig, was nicht geht!)

In der Perspektive Wiedereinstieg ist – –.

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Erzählen Sie es doch einmal!)

Was, die Perspektive?

(Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Sie kom- men doch ständig hier mit Worthülsen um die Ecke, mit Phrasen!)

Warum? Ich möchte, dass so etwas einbezogen wird! Sind die Stadtteilgremien entsprechend einbezogen worden? Wir haben bei den Frauen beispielsweise Teilzeitausbildungen.

(Zuruf des Abg. K a s t e n d i e k [CDU])

Das ist doch Blödsinn! Herr Kastendiek, Sie sind doch der Letzte, der dafür sorgen würde, dass die Wirtschaft und die Betriebe entsprechende Teilzeitausbildungen zur Verfügung stellen. Es gab eine Tagung dazu.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gab eine Tagung dazu. Wie viele Unternehmen standen dort? Zwei waren es, zwei! Wie viele hätten wir gebraucht? Das heißt, diese Zusammenarbeit brauchen wir doch an allen Ecken und Enden. Ich muss leider feststellen, dass das Arbeitsressort sehr scheuklappig damit umgeht. Ich möchte, dass wir diese Qualität letztendlich mit reflektieren – um nichts anderes geht es! –, damit wir – wir haben hier gute Programme im Jugendbereich, im Frauenbereich, überhaupt im sozialpolitischen Bereich, im Stadtteilbereich angefangen – diese Strukturen, die mühsam aufgebaut worden sind, nicht einfach wieder ruinieren. Wir fangen wieder von vorne an, je nachdem, ob jetzt gerade eine Förderperiode zu Ende ist und Geld übrig ist. Das ist eine vollkommen falsche Politik. Jawohl!

(Glocke)

Frau Bernhard, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Reinken zu?

Ja, das kann ich noch machen.

Frau Kollegin Bernhard, sind Sie bereit zu akzeptieren, dass die Frage, ob ein Projekt erfolgreich ist, angesichts einer Zahl von 1 400 Beratungen und einem Ergebnis von etwa 100 Vermittlungen in Arbeit, von denen ein Drittel geringfügig beschäftigt, ein Drittel in Ausbildung und ein Drittel sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, völlig geschlechtsunabhängig zumindest einer kritischen Würdigung bedarf?

Dürfte ich mit einer Gegenfrage antworten?

(Abg. K a s t e n d i e k (CDU): Nein! )

Aber dann müssten Sie ja bereit sein zu akzeptieren, dass die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt nicht eins zu eins der Indikator sein kann; bei den unterschiedlichen Problemlagen wie beispielsweise ein nicht anerkannter Abschluss, wie beispielsweise ein abgebrochener Abschluss, wie beispielsweise die Kinderbetreuung. Ich kann mich sehr gut an den Staatsrat erinnern, der gesagt hat, das sei letztendlich nicht besonders erfolgreich gewesen. Wir haben immer diese Projektitis in den Stadtteilen, und dann haben wir tatsächlich auch personenabhängige Beziehungen, die entstehen. Das geht nicht von heute auf morgen. Wir brauchen Kontinuität und Nachhaltigkeit. Es darf aber nicht nach dem Motto gehen: Wir haben den 31. Dezember – zapp! –, es ist leider vorbei. Es ist nicht abgebrochen worden – das ist völlig richtig –, es ist ausgelaufen.

Und da stellen Sie im Grunde genommen so etwas wie eine Messuhr an nach dem Motto: Sind wir praktisch über einem gewissen Prozentsatz oder nicht? Im Prinzip werden Prämien dafür bezahlt, dass es in den ersten Arbeitsmarkt geht. Wenn eine Vermittlung in eine Qualifizierung geschafft wird, zählt das gar nicht. Das ist doch falsch! Das ist ein qualitativ falscher Indikator. – Vielen Dank!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Günthner.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe versucht zu verstehen, wie man den Versuch machen kann, so zu tun, als trage Beratung per se dazu bei, Armut zu bekämpfen. Mir ist es leider nicht gelungen, Frau Ab

geordnete Bernhard! Ich will Ihnen das an dieser Stelle auch so deutlich sagen. Der Kollege Reinken hat eben noch einmal auf die Zahlen hingewiesen. Wir haben darauf hingewiesen. Sehr ausgewogen, muss ich sagen – auch wenn es Männer waren, die hier geredet haben –, ist von den Herren Abgeordneten darauf hingewiesen worden, dass dieses Programm durchaus Licht und Schatten hat. Ich finde, das muss man zur Kenntnis nehmen.

Mir ist bei Ihren Ausführungen etwas besonders ins Auge gesprungen, nämlich dass wir die Strukturen erhalten müssen. Wenn man sich die Ergebnisse der von Ihnen beschriebenen Strukturen anschaut, dann muss man sich wirklich ernsthaft die Frage stellen, ob man der Meinung ist, dass diese Strukturen in Gänze erhalten werden müssen. Über das, was in den Strukturen gut funktioniert hat, haben wir gerade gesprochen. Wir haben davon gesprochen, zu übernehmen, davon zu lernen, das in Beratungen mit einzubeziehen. Aber natürlich besteht unser Interesse nicht darin, Menschen dahingehend zu beraten, dass sie in geringfügige Beschäftigung gehen können, womit sie eben nicht den Weg aus der Armutsspirale herausfinden, und darauf dann noch ein weiteres Beratungsprojekt zu setzen, in dem wir sie dann darüber beraten, wie sie möglicherweise irgendwann den Weg dort herausfinden könnten.

Wir sagen ganz deutlich: Wir wollen, dass es möglichst arbeitsmarktnah ausgerichtet wird. Wir wollen, dass es Effekte hat, die dann auch in der Perspektive für die Menschen zu spüren sind.

Das ist der Zielkonflikt – und deswegen habe ich das vorhin auch so deutlich angesprochen –, in dem wir uns in den kommenden Monaten befinden werden. Wollen wir alles, was an Strukturen in Bremen und Bremerhaven, auch an sozialräumlichen Strukturen, vorhanden ist, erhalten und weiterhin darüber schreiben: „Das ist Arbeitsmarktpolitik“? Ich finde, mit Arbeitsmarktpolitik hat vieles davon deutlich weniger zu tun, als Sie immer behaupten, sondern es sind Sozialstrukturen, die man damit schafft. Dann muss man aber auch die Ehrlichkeit und Offenheit besitzen zu sagen: „Bestimmte Teile davon wollen wir erhalten, weil sie sich in den Stadtteilen bewährt haben, weil sie in den Stadtteilen gut funktionieren.“ Bei anderen Teilen nehmen wir eine Orientierung insbesondere in Richtung des Arbeitsmarktes vor. Das hat dann auch etwas mit Ehrlichkeit und mit Aufrichtigkeit und mit einem ordentlichen Einsatz von knapper werdenden Mitteln zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 18/683 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür DIE LINKE)

Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und BIW)

Enthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht der staatlichen Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen, Drucksache 18/1012, Kenntnis.

Meine Damen und Herren, bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich ganz herzlich Studierende der Hochschule für öffentliche Verwaltung auf den Besucherrängen begrüßen. Seien Sie ganz herzlich willkommen!

(Beifall)