(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Merkwürdige Position! – Zuruf der Abg. Frau V o g t [DIE LINKE])
Das ist weder nach dem Bundeskriminalamtsgesetz noch nach dem hier in Bremen geltenden Polizeigesetz möglich. Denn die Polizei darf nicht im Vorfeld krimineller Handlungen, sondern nur dann tätig werden, wenn nachvollziehbar konkrete Tatsachen vorliegen und dies durch entsprechende Gerichtsbeschlüsse bestätigt wird.
(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Nicht an- lassunabhängig! Das ist eine grundlegend andere Position, Herr Hinners!)
Der Verfassungsschutz allerdings, Frau Vogt, darf im Vorfeld dieser kriminellen Handlung Aufklärung betreiben. Das entspricht genau dem Trennungsgebot nach dem Grundgesetz.
(Abg. Frau V o g t [DIE LINKE]: Ich will ja auch keine anlassunabhängige Kontrolle durch das BKA oder das LKA haben! – Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Wir sind hier nicht im Zwiegespräch!)
Aus dem Gesetz ergibt sich eine engere Anbindung des Landesamtes für Verfassungsschutz an den Senator für Inneres. Das begrüßen wir, weil wir darin ers
tens eine bessere Kontrollmöglichkeit sehen und weil zweitens auch die Verantwortung durch den Senator besser darzustellen ist. Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat in der ersten Lesung kritisiert, dass laut Paragraf 7 des Gesetzes die besonderen Befugnisse nicht auch auf die Bekämpfung des gewaltorientierten Linksextremismus Anwendung finden sollen. Nach Diskussionen hier in der Bürgerschaft und in der Innendeputation sind laut nunmehr vorliegendem Gesetzentwurf die besonderen Befugnisse nach Paragraf 7 – dazu gehören die Aufklärung von Geldströmen und Kontobewegungen sowie Auskünfte aus den Telekommunikationsunternehmen – auch auf den gewaltorientierten Linksextremismus anzuwenden. Damit sind die Bedenken der CDU-Fraktion gegen den ersten Entwurf ausgeräumt worden, sodass wir heute zustimmen werden. Den vorliegenden Antrag der LINKEN lehnen wir ab; denn wie eingangs schon erwähnt, für uns steht die Existenz des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht zur Disposition. – Vielen herzlichen Dank!
Ich will im Rahmen der Kurzintervention sagen: DIE LINKE hat immer zwischen zwei möglichen Varianten geschwankt. Nach der einen Variante soll aufgelöst und abgewickelt werden. Die andere Variante, die in dem Antrag zum Ausdruck kommt, lautet: Wir belassen das Landesamt so, wie es ist, streichen aber alle Paragrafen, die mögliche Aufgaben und Befugnisse des Landesamtes regeln. Das ist ein Vorgehen, das ich politisch in keiner Weise für seriös halte. Dem Rest der Republik würde quasi vorgegaukelt, wir hätten noch ein Landesamt; tatsächlich wären alle einschlägigen Paragrafen gestrichen, sodass in diesem Landesamt nichts mehr gemacht werden könnte. Ich würde mich freuen, wenn das klargestellt würde. Mit solchen Taschenspielertricks – so würde ich das fast bezeichnen – sollten wir hier nicht operieren.
Herr Dr. Güldner, wenn Sie unseren Antrag gelesen hätten, wüssten Sie, dass darin nirgendwo steht, dass wir das Landesamt erhalten wollen. Wir wollen stattdessen eine Anstalt öffentlichen Rechts gründen, die sich wissenschaftlich mit Fragen von Antisemitismus, Neonazis, gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Rassismus beschäftigt. Das hat mit einem Landesamt überhaupt nichts zu tun. Wir wollen vielmehr wissenschaftlich erfassen, welche gefährlichen Entwicklungen es in
dieser Gesellschaft gibt und wie man dagegen aktiv werden beziehungsweise diese verhindern kann. Das wäre mitnichten eine irgendwie geartete Fortsetzung des Landesamtes für Verfassungsschutz ohne nachrichtendienstliche Befugnisse. In unserem Antrag steht klar und deutlich, was wir wollen. Sie sagen, wir wollten etwas suggerieren. Ich stelle fest: Sie wollten mit Ihrer Kurzintervention etwas suggerieren.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein langer Prozess findet heute seinen Abschluss. Wir haben uns sehr viel Zeit genommen. Ich glaube, es ist auch notwendig gewesen, dass wir dieses sehr sensible Thema in dieser Ausführlichkeit diskutiert und beraten haben. Es ist die zweite Beratung in der Bürgerschaft. Wir haben in zwei ausführlichen Sitzungen der Innendeputation die Dinge herauf und herunter diskutiert. Ich freue mich, dass ich es erreicht habe, dass heute die große Mehrheit der Bürgerschaft diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung erteilen wird. Ich finde es sehr gut, dass diese Debatte stattgefunden hat. Dass der Entwurf dabei Veränderungen erfahren würde, war wohl von Anfang an zu erwarten. Entscheidend ist das Ergebnis. Wir haben es erreicht, viele in die Diskussion einzubinden, und das Ergebnis ist, so glaube ich, sehenswert. Wir haben es mit einem sensiblen Thema zu tun, bei dem es um die Frage geht, ob das, was wir gemacht haben, richtig ist und ob wir eine Chance haben, ein Landesamt zu reformieren. Diese Fragen wird man im Zweifel immer erst im Nachhinein beantworten können, ich bin aber überzeugt davon, dass wir es machen müssen. Wir haben darüber diskutiert, ob andere Länder bereit sind, mit uns zu fusionieren, zusammenzugehen. Wir haben eine sehr deutliche Antwort bekommen: Nein, weder Hamburg noch Niedersachsen ist gegenwärtig bereit, mit uns ein gemeinsames Landesamt zu errichten. Das muss man akzeptieren. Aber oft im Leben sieht man sich später wieder. Diese Debatte hat also ein vorläufiges Ergebnis gefunden. Für uns war von zentraler Bedeutung, dass wir die Rechte des Parlaments erweitern. Ich glaube, das ist uns gelungen. Es war uns wichtig, das leidige Thema V-Leute ganz anders zu definieren, ganz anders einzuschränken, weil viele Skandale in der Vergangenheit hier ihren Anfang genommen haben. Insofern betreten wir Neuland. Ich glaube, dass wir mit einem gewissen Stolz sagen können, dass wir eines der ersten Gesetze haben, welche Konsequenzen aus dem NSU-Komplex, aus diesem Terror, ziehen. Wir verbinden damit die Erwartung, dass Bremen auf eine solche Situation künftig besser vorbereitet ist. Wir haben mit der LINKEN eine Debatte über die Abschaffung geführt. Ich sage es etwas polemisch:
Die Alternative wäre eine Unterabteilung der Landeszentrale für politische Bildung. Das ist das, was eigentlich von der LINKEN gefordert wird: eine rein pädagogische Anstalt, die aber meines Erachtens keineswegs in der Lage ist, sich mit dem Komplex Salafismus ernsthaft zu beschäftigen. Es ist eine reale Bedrohungssituation, die wir in der Bundesrepublik und gerade auch in Bremen haben, wenn man sieht, wie viele sich dieser Bewegung angeschlossen haben.
Ich glaube auch, dass die Einschätzung der LINKEN insgesamt etwas zu kurz greift. Das wird schon daran deutlich, dass Sie, Frau Vogt, gesagt haben, der Verfassungsschutz sei 1945 gegründet worden
nach 1945 –, weil die Mehrheit der Bevölkerung damals noch nicht demokratisch gewesen sei, und das habe sich heute – –.
(Abg. Frau Vo g t [DIE LINKE]: Das war die Begründung! Das ist die Begründung gewe- sen, Herr Mäurer!)
Diese Begründung ist das eine, aber die Realität ist doch eine ganz andere gewesen. Dieser Verfassungsschutz hatte eine ganz klare Funktion in der Phase des Kalten Krieges, und es passt doch beides zusammen. Die Bereitschaftspolizei des Landes hat den Häuserkampf gelernt.
(Abg. Frau Vo g t [DIE LINKE]: Das strei- te ich doch gar nicht ab, Herr Mäurer! Ich ha- be etwas zur Begründung gesagt!)
Primär ging es darum, die kommunistischen Bewegungen in der Bundesrepublik zu bekämpfen; das war die zentrale Aufgabe.
Wir haben die Vorstellung, dass sich diese Institution heute, unter veränderten demokratischen Bedingungen, auch verändern muss, und ich glaube, wir haben dafür wesentliche Weichen gestellt.
Lassen Sie mich zum Abschluss noch eines sagen: Eine weitere Reform besteht nun darin, dass wir das Landesamt in seiner alten Selbstständigkeit aufgeben; es wird ab dem 1. Januar 2014 integraler Bestandteil der senatorischen Behörde sein. Damit ist kein Umzug verbunden. Viele haben mich gefragt, ob ich mit dieser Entscheidung klug beraten bin, weil diese Nähe auch mit einer größeren Gefahr verbunden ist. Wenn etwas schiefgeht, bin ich der Erste, der die Pappnase auf hat.
Den Schlapphut, ja! Ich bin aber überzeugt davon, dass das ein richtiger Schritt ist, weil ich in sechs Jahren die Erfahrung gemacht habe, dass ich mich auf diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen kann. Ich bin überzeugt davon, dass sie uns nicht enttäuschen werden.
Da der Gesetzesantrag des Senats durch die Drucksachen-Nummer 18/1180 erledigt ist, lasse ich jetzt über den Gesetzesantrag der staatlichen Deputation für Inneres und Sport in zweiter Lesung abstimmen.
Wer das Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Bremen und zur Änderung des Bremischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, Drucksache 18/1180, in zweiter Lesung beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE mit der Drucksachen-Nummer 18/1195 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!
Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht der staatlichen Deputation für Inneres und Sport, Drucksache 18/1180, Kenntnis.
Bevor ich nun den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, begrüße ich auf dem Besucherrang eine Berufsschulklasse, Kaufleute für Versicherungen und Finanzen, die sich im dritten Ausbildungsjahr befinden, ganz herzlich.