Protokoll der Sitzung vom 12.12.2013

(Beifall)

Ganztagsschulentwicklung in Bremen und Bremerhaven bedarfsorientiert und zeitgleich gestalten

Antrag der Fraktion der CDU vom 29. November 2013 (Drucksache 18/1179)

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt.

Meine Damen und Herren, die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat die Abgeordnete Salomon, Fraktion der CDU, das Wort. Bitte, Frau Kollegin!

(Zuruf)

Nein, ohne Debatte wollen wir das nicht beschließen! – Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bildungssituation im Land Bremen ist schon seit Jahren Gegenstand unserer Debatten im Parlament. Leider müssen wir immer wieder gemeinsam konstatieren, dass Bremen in sämtlichen Vergleichsstudien die letzten Plätze belegt. Noch gut in Erinnerung sind die im Oktober vorgelegten Ergebnisse der IQB-Studie. Wir alle wissen doch, dass Armut, Bildungsferne der Eltern und Migrationshintergrund nicht unerhebliche Ursachen sind.

Es ist richtig, dass auf der Grundlage des 2009 gemeinsam verabschiedeten Bildungskonsenses schon viele Maßnahmen ergriffen wurden, um die Situation zu verbessern. Ein ganz wesentlicher Bestandteil dieser Strategie sind die Ganztagsschulen. Der Stopp der Ganztagsschulen beziehungsweise des Ausbaus der Ganztagsschulen, den die rot-grüne Koalition Ende letzten Jahres beschlossen hat, ist nach unserer Ansicht ein Fehler gewesen. Es ist gut, dass dieser Fehler jetzt korrigiert werden soll.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kollegen von Rot-Grün, vermutlich nehme ich Ihnen etwas vorweg, wenn ich sage: Ja, auch ich hatte mir ein anderes Ergebnis der Koalitionsverhandlungen im Bund erhofft und erwartet. Aber wir sind als Abgeordnete hier dem Land Bremen verpflichtet. (Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)

Wir sind angetreten, um uns hier um eine ordentliche Bildungspolitik zu kümmern. Es würde keinem

Kind in Bremen oder Bremerhaven nützen, wenn wir uns gegenseitig für bundespolitische Entscheidungen kritisierten. Dieses Schwarzer-Peter-Spiel würden wir auf dem Rücken der Kinder austragen.

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie mir noch den Hinweis: Man kann nicht immer nur Geld vom Bund einfordern, sich aber dann nicht hineinreden lassen wollen. Insoweit kann ich dem Deutschen Lehrerverband nur zustimmen. Die schwachen Bundesländer sollten sich auch in diesem Punkt an den Starken orientieren; leider gehören wir nicht zu den Letztgenannten.

(Beifall bei der CDU)

Aktueller Anlass für unseren Antrag ist das Vorhaben von Rot-Grün, 4,4 Millionen Euro für den Ausbau der Ganztagsschulen in der Stadt Bremen einzusetzen. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich betonen: Es geht weder mir noch meiner Fraktion darum, der Stadt Bremen etwas wegzunehmen, aber es kann nicht angehen, dass Bremerhaven völlig übergangen wird.

(Beifall bei der CDU)

Ausgerechnet Bremerhaven, wo besonders viele Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen leben, wo es besonders viele Menschen mit Migrationshintergrund gibt, wo die sozialen Verhältnisse noch verschärfter als in Bremen sind! Es muss nicht nur das Interesse der Landespolitik sein, dass die Kommune mit den eindeutig schwierigeren Bedingungen nicht vernachlässigt wird, es ist auch unsere in der Landesverfassung verankerte Aufgabe und Verpflichtung, als Vertreter der gesamten bremischen Bevölkerung für gleichwertige Lebensverhältnisse in Bremen und in Bremerhaven zu sorgen. Insoweit hat Frau Böschen recht. Ich finde auch, wenn Bremerhaven beim Ausbau der Ganztagsschulen außen vor gelassen wird, macht RotGrün genau das Gegenteil.

(Beifall bei der CDU)

Sehr geehrte Frau Böschen und auch sehr geehrte Frau Dogan, ja, es ist fatal und bedauerlich, dass diese 4,4 Millionen Euro nicht in ein Landesprogramm fließen, aber Krokodils – –.

(Abg. G ü n g ö r [SPD] meldet sich zu ei- ner Zwischenfrage. – Glocke)

Frau Kollegin Salomon, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zuzulassen?

Das würde ich gerne, aber die Zeit ist so knapp, dass es leider nicht geht.

(Abg. S e n k a l [SPD]: Doch, das geht immer!) Nein. (Zurufe)

Ja, das ging mir gestern auch so. – Wie gesagt, Krokodilstränen in der Öffentlichkeit zu vergießen, reicht nicht aus. Wir wollen handeln. Deshalb fordern wir in unserem Antrag ein Programm für eine zeitgleiche und bedarfsorientierte Ausstattung beider Stadtgemeinden mit Ganztagsschulen. Im Mai 2013 hatte die SPD-Fraktion einen Entwurf vorgelegt, in dem der weitere quantitative und qualitative Ausbau der Ganztagsschulen mit einem sozialraumorientiertem Fokus gefordert wurde. Leider hat dieser nie das Licht dieses Plenarsaals erblickt. Wahrscheinlich konnten Sie damals den Koalitionspartner nicht überzeugen; uns hätten Sie an Ihrer Seite gehabt. (Beifall bei der CDU)

Es ist unstrittig, dass das keine einfache Aufgabe für das Land Bremen ist. Unsere gestrige ganztägige Debatte drehte sich um diese Problematik. Zudem ist das leider nicht unsere einzige Baustelle in diesem Bereich. Unterrichtsausfall, Inklusion, Lehrermangel sind nur einige Stichworte. Deshalb ist es aus unserer Sicht nicht ausreichend, wenn Bremerhaven jetzt aufgrund des öffentlichen Drucks bei der Vertretungsreserve beteiligt wird. „Prioritäten“ lautete gestern das Schlagwort. Wir wollen den Menschen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Das heißt für uns: zuerst eine gute Bildung und dann eine gute Arbeit. Darin wollen wir investieren. (Beifall bei der CDU)

Mit den angekündigten Entlastungen der Länder und Kommunen durch den Bund in Höhe von 6 Milliarden Euro in den Bereichen Krippen, Kitas, Schulen und Hochschulen erhalten wir hoffentlich Spielräume, auch wenn natürlich nicht nur Bremen Ansprüche anmeldet. Hier sollten wir gemeinsam an einem Strang ziehen oder, wie Kollege Dr. Güldner gestern sagte, wie ein Staubsauger das Geld nach Bremen holen. – Gestern war ja ein Tag der Bilder. Der Überweisung in die Bildungsdeputation stimmen wir zu. Ich gebe aber zu, dass ich mir eine Beschlussfassung hier im Parlament gewünscht hätte. Gestern ist uns vorgeworfen worden, wir legten keine Anträge vor; heute wollen Sie nicht einmal über einen abstimmen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Ja, was denn nun?)

Auch heute haben wir immer wieder gehört, alles brauche seine Zeit. Ich kann Ihnen versprechen: Wir werden unseren Antrag nicht aus dem Blick verlieren.

(Abg. S e n k a l [SPD]: Wir auch nicht!)

Denn so viel Zeit haben die Kinder nicht. Wir werden darauf achten, dass hier zeitnah eine Lösung gefunden wird. Ich hoffe, dass wir sie gemeinsam finden können. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Nächste Rednerin: Frau Kollegin Vogt, Fraktion DIE LINKE!

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu dem Antrag der CDUFraktion ist die Überweisung in die Deputation beantragt. Dem stimmen wir natürlich zu. Wir haben aber auch inhaltlich einige Sympathien für diesen Antrag. Wer gestern in der bildungspolitischen Debatte genau zugehört hat, weiß, dass ich kritisiert habe, dass Bremerhaven in einigen Punkten nicht mit bedacht worden ist. Wir hatten auch bei anderer Gelegenheit schon die Möglichkeit, hierüber zu diskutieren, sei es im Hinblick auf die Sprachförderung für Flüchtlinge, die auch nach Bremerhaven kommen, sei es im Hinblick auf die Lehrerinnen- und Lehrerversorgung, sei es im Hinblick auf die Unterrichtsversorgung, sei es im Hinblick auf die Aufgaben der Inklusion, sei es im Hinblick auf den Ganztagsausbau.

Es ist völlig klar – auch dieser Hinweis ist gestern gegeben worden –, dass es den Kommunalausgleich gibt, mit dem Bremerhaven bedacht wird. Ab einer bestimmten Stelle ist auch klar gewesen, dass die Schulreform mit der Inklusion und dem Aufwachsen der Oberschule auch im Zusammenhang mit dem Kommunalausgleich steht. Es gab Schwierigkeiten, das entsprechend zu finanzieren. Die Debatte, die wir hier ein Jahr früher geführt hatten – es ging um nicht ausfinanzierte Lehrer- und Lehrerinnenstellen –, hat letzten Sommer auch Bremerhaven ereilt. Von daher haben wir hier und in der Deputation schon mehrfach gefordert: Für bestimmte Vorhaben brauchen wir ein Landesprogramm.

Wir haben insbesondere vorgeschlagen, die Lehrerinnen- und Lehrerausbildung zu einer Landessache zu machen. Es kann nicht angehen, dass es bei der unglücklichen Reduzierung der Anzahl der Referendare im Zulassungsdienst auf 450 bleibt; damit wird man den Anforderungen hier nicht gerecht. Es kann auch nicht sein, dass eine Stadtgemeinde mit den Mitteln, die sie in der Kasse hat, diese Aufgaben nicht erfüllen kann.

Das Gleiche – von daher haben wir Sympathie für den CDU-Antrag – sehen wir beim Ganztagsausbau, der ein Schlüssel zu mehr Bildungsbeteiligung und Bildungsdurchlässigkeit ist. Auch insoweit denke ich, dass dies nichts ist, was beiden Stadtgemeinden überlassen werden darf.

Wer unsere Änderungsanträge zum Haushalt gelesen hat, der wird bemerkt haben, dass wir genau das in dem Haushalt, der gestern im Landtag verabschiedet worden ist, berücksichtigt haben wollten, zumindest bezogen auf die Mittel für eine weitere gebundene Ganztagsschule in Bremerhaven für die nächsten beiden Haushaltsjahre. Wir haben deswegen anderthalb Millionen Euro mehr beantragt.

Die Diskussion um ein Landesprogramm für die entscheidenden Aufgaben – ich habe die beiden Punkte genannt: Ganztag und Lehrerausbildung – halte ich für dringend nötig. Ich hoffe, dass die Diskussion in der Deputation nicht einfach nur als Schlagabtausch zwischen Regierungsfraktionen und Opposition abläuft; denn sie hat wirklich etwas Charmantes und könnte tatsächlich dafür sorgen, dass wir in den entscheidenden Fragen, die uns bildungspolitisch bevorstehen, weiterkommen.

(Abg. G ü n g ö r [SPD] meldet sich zu ei- ner Zwischenfrage. – Glocke)

Frau Kollegin Vogt, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage zuzulassen?

In einer Fünf-Minuten-Debatte nicht, tut mir leid!

Ich möchte, was den Ganztag angeht, auf einen weiteren Punkt aufmerksam machen – auch das war Bestandteil eines unserer gestrigen Änderungsanträge –: Ganztagsausbau bedeutet nicht nur, investive Mittel in die Hand zu nehmen, um Ganztagsschulen einzurichten und Mensen zu bauen. Wenn wir Ganztag nicht nur als Betreuungs-, sondern tatsächlich auch als pädagogisches Angebot ansehen, brauchen wir einen rhythmisierten Unterricht, sodass die Lehrerstundenausstattung erhöht werden muss. In den Debatten der letzten zwei Jahren über den unterfinanzierten Bildungshaushalt sind wir auf Probleme gestoßen, die ich gestern gerne aufgerollt hätte; aber das ist aufgrund der eingeschränkten Redezeit für uns als kleinste Fraktion in der Haushaltsdebatte nicht möglich gewesen.

Die zusätzlichen Lehrerwochenstunden für den gebundenen Ganztag sollten eigentlich im Laufe der Legislatur sukzessive aufgestockt und an die Lehrerwochenstundenausstattung für den offenen Ganztag angeglichen werden. Aufgrund der knappen Kassen haben wir im Mai das Gegenteil erlebt. Es ist eine Ganztagsschulverordnung in Kraft getreten, mit der die Zahl der zusätzlichen Lehrerwochenstunden auf zwei reduziert worden ist, und zwar sowohl für den offenen als auch – verbindlich – für den gebundenen Ganztag. Das halten wir für nicht ausreichend; denn wenn es uns nur um Betreuung ginge, könnten wir auch sagen: Halbtagsschulen plus Hort.

Wir wollen tatsächlich eine pädagogische Verbesserung in den Schulen erreichen. Da geht es um rhythmisierten Unterricht, einen Unterricht, der auch nach

mittags stattfindet. Von daher sind – auch das haben wir gestern beantragt – zumindest die zusätzlichen Lehrerwochenstunden pro Klassenverband für die Ganztagsschulen auf vier zu erhöhen. Das ist immer noch weit unter dem Anspruch, mit dem die Koalition hier vor zweieinhalb Jahren antrat. Sie wollten acht! Ich denke, vier Stunden mehr sind das Mindeste, mit dem Ganztagsschulen ausgestattet werden müssen. Auch diese Diskussion muss in der Bildungsdeputation nochmals geführt werden.

Einschränkend möchte ich zu dem Antrag der CDUFraktion anmerken: Sie schreiben von Geldströmen, die nach Bremen kommen. Ich finde, das ist schwierig. Wir wissen, dass es, wenn es gut läuft, 15 Millionen Euro jährlich sein werden. Diese Mittel stehen aber für Kita-Ausbau, U3, Schulen, Hochschulen und Universität insgesamt zur Verfügung. Das sind also äußerst wenige Mittel. Ich glaube nicht, dass wir mit den Mitteln, wenn sie denn überhaupt fließen und nicht an Zusatzprogramme beziehungsweise zusätzliche Aufgaben gebunden sind, quasi eine Kuh melken können, sodass wir qualitativ weiterkommen. Da wird sich das Land noch etwas anderes einfallen lassen müssen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächste rufe ich Frau Kollegin Dogan auf.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren! Ich möchte zunächst auf den Antrag eingehen.