Protokoll der Sitzung vom 22.01.2014

(Dagegen CDU, DIE LINKE und BIW)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.53 Uhr)

Vizepräsidentin Schön eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung der Bremischen Bürgerschaft ist wiedereröffnet.

Bevor wir die Tagesordnung fortsetzen, möchte ich Ihnen mitteilen, dass inzwischen nachträglich interfraktionell vereinbart wurde, den Tagesordnungspunkt 6, Einflussmöglichkeiten auf Intensivtierhaltung nutzen und vorantreiben, für die Januar-Sitzung auszusetzen und bei den miteinander verbundenen Tagesordnungspunkten 26 und 27, „Budget für Arbeit“ in Bremen einführen, auf eine Aussprache zu verzichten.

Wir setzen die Tagesordnung fort.

Bremisches Gesetz über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen (BremABQG)

Mitteilung des Senats vom 11. Juni 2013 (Drucksache 18/947) 2. Lesung

Wir verbinden hiermit:

Bremisches Gesetz über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen

Bericht und Antrag der staatlichen Deputation für Bildung vom 6. Januar 2014 (Drucksache 18/1223) 2. Lesung

Die Bürgerschaft (Landtag) hat den Gesetzentwurf des Senats in ihrer 44. Sitzung am 20. Juni 2013 in erster Lesung beschlossen und zur Beratung und Berichterstattung an die staatliche Deputation für Bil

dung, federführend, die staatliche Deputation für Wirtschaft, Arbeit und Häfen und den Ausschuss für Integration, Bundes- und Europaangelegenheiten, internationale Kontakte und Entwicklungszusammenarbeit überwiesen. Die staatliche Deputation für Bildung legt mit der Drucksachen-Nummer 18/1223 ihren Bericht und Antrag dazu vor.

Dazu als Vertreterin des Senats Frau Senatorin Professor Dr. Quante-Brandt.

Wir kommen zur zweiten Lesung.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als Erste hat das Wort Frau Kollegin Tuchel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man konnte es den Presseberichten der vergangenen Woche entnehmen: Deutschland ist als Einwanderungsland so gefragt wie seit Langem nicht. Im vergangenen Jahr sind ungefähr 400 000 Menschen mehr eingewandert als ausgewandert. Die Zahlen der Arbeitsagentur zeigen, dass diese Zuwanderungen vom Arbeitsmarkt gut aufgenommen werden und ausgebildete Fachkräfte nach wie vor gefragt sind.

Wir in Bremen und Bremerhaven wissen dieses seit Langem, und an dieser Stelle möchte ich mich für die engagierte und erfolgreiche Arbeit der Beraterinnen der Wohlfahrtsverbände und der Kammern – Arbeitnehmerkammer, Handelskammer, Handwerkskammer, Ingenieurkammer, Architektenkammer, IQ Netzwerk und dem Bremer Rat für Integration – bedanken.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Mit dem sogenannten Anerkennungsgesetz machen wir heute einen weiteren entscheidenden Schritt zur besseren Vergleichbarkeit und zur Deckung des Fachkräftebedarfs insbesondere in sozialen Berufen. Wir nehmen mit dem Gesetzentwurf zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen und zur Anerkennung eine entschiedene Weichenstellung für die Arbeitswelt von heute und morgen vor, denn es geht um nicht mehr und nicht weniger als gute Rahmenbedingungen im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe, und es geht um die fleißigsten Hände.

Der Gesetzentwurf besteht aus drei Teilen. Der erste Teil betrifft das bremische Berufsqualifikationsgesetz. Zum 1. April 2012 ist das Bundesgesetz in Kraft getreten. Für landesrechtlich geregelte Berufe müssen die Bundesländer eigene Regelungen schaffen. Das haben wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf getan.

Die Regelungen im bremischen Anerkennungsgesetz entsprechen im Wesentlichen denen im Bundesgesetz. Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir zunächst einmal Transparenz für die Antragssteller schaffen,

das heißt möglichst gleiche Verfahren bei bundesund landesrechtlich geregelten Berufen. Antragsteller und Antragstellerinnen sollen bereits nach drei Monaten eine Entscheidung erhalten. Ganz konkret, also für die Inhaberinnen und Inhaber ausländischer Berufsqualifikationen, ist in Bremen und Bremerhaven ein Beratungsanspruch gesichert, das bedeutet, wir prüfen, ob der vorgelegte ausländische Abschluss keine wesentlichen Unterschiede zum vergleichbaren deutschen Abschluss aufweist. Ist dies der Fall, dann hat der Antragsteller mit dem Bescheid ein Dokument in der Hand, das auf dem bremischen Arbeitsmarkt entscheidend weiterhelfen kann. Er beziehungsweise sie kann dann nämlich adäquat beschäftigt und entlohnt werden.

Das bremische Gesetz gilt insbesondere für soziale Berufe wie Erzieherinnen und Erzieher, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Berufe also, in denen wir dringend Fachkräfte benötigen. Das ist ein ganz wichtiger Schritt für noch mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die Befugnis, die Berufsbezeichnung zu führen, belegt die Eignung und hat damit natürlich auch eine Auswirkung auf die Qualität und die tarifliche Entlohnung in diesen Berufen. Wir regeln mit diesem neuen Gesetz ebenso das Verfahren zur Bewertung und Anerkennung erworbener Berufsqualifikationen. Die bestehenden Regeln zur Anerkennung ausländischer beruflicher Qualifikation der EU-Berufsanerkennungsrichtlinien werden im Grundsatz auf Personen aus Drittstaaten übertragen beziehungsweise auf in Drittstaaten erworbene Qualifikationen ausgeweitet, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt waren.

Nachdem wir hier im Sommer letzten Jahres das erste Mal debattiert haben, hat es verschiedenen Ausschuss- und Deputationsberatungen gegeben. Vom Grundsatz her hat es an diesem Gesetz von keiner Seite Kritik gegeben, was ich sehr begrüße und was in diesem Hause ja auch nicht immer selbstverständlich ist. Bei einigen Punkten, etwa der Frage, ob auch die Ingenieurkammer oder Architekten einbezogen werden sollen, hat es unterschiedliche Meinungen gegeben. Auch über die konkrete Ausgestaltung der Beratung wurde gestritten.

Dieses Gesetz ist für uns, für die Verwaltung und für die anderen damit befassten Institutionen in Bremen Neuland. Was wir heute beschließen, ist ja zum Glück auch nicht in Stein gemeißelt. In zwei Jahren werden wir uns das Gesetz wieder vornehmen und schauen, an welchen Stellen es hakt, um dann gegebenenfalls nachbessern zu können.

Ich bitte um die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf, und ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als Nächste hat das Wort Frau Kollegin Dr. Mohammadzadeh.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eine Willkommenskultur macht ein Land als Standort attraktiv, eine Willkommenskultur braucht Wertschätzung und Offenheit, und eine Willkommenskultur braucht nicht zuletzt Anerkennung,

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

und ich meine dabei nicht nur die Anerkennung unterschiedlicher Bedürfnisse, Werte, Sprachen und Lebensstile, sondern ganz konkret auch die Anerkennung des bereits Geleisteten von Menschen, die hier leben oder ins Land kommen und das mitbringen. Dazu gehört die Anerkennung von im Ausland erworbener Abschlüsse und Qualifikationen. Ihre Anerkennung ist nicht nur die Voraussetzung, sondern auch unersetzlicher Bestandteil der Integration und damit Teilhabe und Partizipation. Das ist auf den Punkt gebracht die Quintessenz des Gesetzes, das wir heute in zweiter Lesung beschließen. Genau so, wie es auch in der Einleitung zum Bericht steht, ist dieses Gesetz für Menschen mit Migrationshintergrund ein klares Signal, dass sie hier in unserem Bundesland willkommen sind.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Dieses Signal, das verspreche ich Ihnen, wird von vielen gehört werden. Dieses Signal wird nicht nur von dem berühmten Taxifahrer, der in Wirklichkeit Ingenieur oder Lehrer ist und seit Jahren seinen Lebensunterhalt damit verdient, Taxi zu fahren, gehört, nein, es wird auch über die Landesgrenzen gehört werden, von den Menschen, die noch unschlüssig sind, ob es eine gute Idee ist, die Einwanderung in dieses Land zu wagen beziehungsweise Bremen als ihren Lebensmittelpunkt zu wählen. Auch ich kam einst als junge Grundschullehrerin in dieses Land und musste ganz von vorn anfangen. Damals gab es noch keinerlei Regelungen, und gerade deshalb freue ich mich nach 36 Jahren in Deutschland und in Bremen, dass ein solches Gesetz, das ein zentrales Problem angeht, auf dem besten Weg ist, heute verabschiedet zu werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ja, das Signal sagt uns heute, dass Deutschland sich verändert hat. Nur noch wenige halten an der exklusiven Haltung – ja, Entschuldigung: arroganten Haltung – fest, dass nur in Deutschland Gelerntes solide sein kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Anerkennungsgesetz ist besonders zu loben, weil es unabhängig von der Staatsangehörigkeit und dem Aufenthaltstitel für alle zugänglich ist. Das ist eines der wichtigsten Merkmale der gesetzlichen Neuregelung: Es trifft auf eine Situation, meine Damen und Herren, in der wir viele Flüchtlinge haben, die ins Land kommen, nach Bremen kommen und selbstbestimmt leben und arbeiten wollen. Es trifft auf eine Situation, in der nach und nach das Arbeitsverbot für Flüchtlinge – das hoffe ich – gelockert wird. Da ergeben sich Möglichkeiten, von denen alle etwas haben; eine klassische Win-win-Situation. Das bremische Landesgesetz ist ein gutes, weil Bremen bewusst entschieden hat – die Kollegin Tuchel hat das schon erwähnt –, Berufe wie Lehrer und Erzieherinnen und Pädagoginnen in dieses Gesetz einzubeziehen, weil gerade diese Menschen mit Migrationshintergrund in diesen Berufen als Brückenbauer und Vorbilder von großer Bedeutung sind. Ihr Anteil im öffentlichen Dienst soll ja sowieso erhöht werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Das Gesetz wurde zwischen erster und zweiter Lesung überarbeitet, und dafür danke ich insbesondere der Verwaltung. Der Beratungsanspruch wurde angesprochen. Damit haben wir die Wirksamkeit des Gesetzes gesichert, weil meiner Meinung nach gute Beratung halbe Integration ist. Wir wollen die Evaluation nach zwei Jahren und nicht, wie im Bundesgesetz, nach vier Jahren, denn wir wollen frühzeitig nachsteuern und gegebenenfalls an der einen oder anderen Stelle nachbessern. Außerdem gibt es ein faires Verfahren, in dem Transparenz großschrieben wird. Wir Grüne hätten auch gerne die Architekten und Ingenieure einbezogen. Da war eine Einigung noch nicht möglich. Hier geben uns die zwei Jahre bis zur Evaluation Zeit, die Möglichkeit, genauer hinzuschauen und vielleicht belastbare Fakten zu sammeln. Eines darf man nicht übersehen: Dieses Gesetz kann nicht alles leisten, was noch fehlt. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und Anpassungsqualifikationen bei Teilanerkennungen und beruflichem Deutsch bleiben für uns trotz der erleichterten Anerkennung eine Herausforderung. Meine Damen und Herren, es ist so weit: Gehen wir an die Arbeit, bringen wir das Gesetz auf den Weg und entwickeln sein volles Potenzial in der nachhaltigen Umsetzung und Praxis!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Am Ende möchte ich sagen: Bekanntlich ist ein Gesetz nur immer so gut wie seine Umsetzung. Das dürfen wir nicht vergessen. – Herzlichen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort der Herr Kollege Dr. vom Bruch.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Mohammadzadeh hat ja zu Recht darauf hingewiesen, dass es hier in unserem Land gelegentlich eine verbesserungsfähige und verbesserungsbedürftige Willkommenskultur gibt. Gelegentlich war mir in der Vergangenheit ein bisschen unklar, was damit eigentlich konkret gemeint ist.