Protokoll der Sitzung vom 23.01.2014

(Dafür CDU und BIW)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Jetzt lasse ich über den Antrag der staatlichen Deputation für Soziales, Kinder und Jugend abstimmen.

Absatz 2 des Antrags hat sich durch die Ablehnung des CDU-Antrags mit der Drucksachen-Nummer 18/569 erledigt.

Wer dem Absatz 1 des Antrags der staatlichen Deputation für Soziales, Kinder und Jugend mit der Drucksachen-Nummer 18/1120 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Absatz 1 des Antrags zu.

(Einstimmig)

Im Übrigen nimmt die Bürgerschaft (Landtag) von dem Bericht der staatlichen Deputation für Soziales, Kinder und Jugend, Drucksache 18/1120, Kenntnis.

Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 12.48 Uhr)

Vizepräsidentin Schön eröffnet die Sitzung wieder um 14.30 Uhr.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung der Bürgerschaft interjection: (Landtag) ist wieder eröffnet.

Keine Bremer Unterstützung für die Abschottung der europäischen Außengrenzen – Frontex-bezogene Wirtschaftsförderung stoppen

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 29. Oktober 2013 (Drucksache 18/1110)

Dazu als Vertreter des Senats Dr. Heseler, der noch nicht da ist.

(Senatorin S t a h m a n n: Wir machen das zu dritt!)

Gut!

Die Beratung ist eröffnet.

Als Erste hat das Wort Frau Kollegin Vogt, Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Zuruf des Abg. R ö w e k a m p [CDU])

Okay! Könnt ihr euch mit der Senatsbank einigen?

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Nein, da werden wir uns nicht einigen! – Heiterkeit – Zurufe)

Gut. Es geht jetzt aber nicht von der Redezeit ab, bitte!

(Zuruf: Doch!) Nein!

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Europas Außengrenzen werden abgeschottet. Gerade das Mittelmeer wird immer stärker kontrolliert und mit Hochtechnologie überwacht. Das Ziel ist, möglichst keine Flüchtlinge aus Afrika oder Syrien oder anderen Ländern nach Europa zu lassen. Dafür werden Milliarden in Forschung und Entwicklung investiert. Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex koordiniert diese Projekte und organisiert den Einsatz von Grenzschützern auf dem Mittelmeer. Frontex ist keine Seenotrettungsmission, sondern mit einem eindeutigen Auftrag ausgestattet, die Grenzen dicht zu machen. Dazu gehören unter anderem die rechtlich höchst umstrittenen Rückschiebungen, die Pushbacks von Flüchtlingen auf hoher See, ohne dass sie überhaupt die Chance hätten, einen Asylantrag zu stellen. Es ist viel diskutiert worden: Frontex verstößt damit gegen die UN-Flüchtlingskonvention und gegen grundlegende Menschenrechte. Es ist völlig klar, dass mit der massiven Grenzüberwachung und den Frontex-Einsätzen die Flüchtlinge gezwungen werden, immer neuere und immer gefährlichere Seerouten nach Europa zu wählen. Die Festung Europa produziert deswegen an den Außengrenzen auch immer neue Todesopfer.

Bremen ist als international aufgestellter Luft- und Raumfahrtstandort direkt an der Hightech-Flüchtlingsbekämpfung beteiligt. In Bremen produzieren vier große Firmen Technologien, die in den Grenzüberwachungsverbund integriert sind. Ich will hier exemplarisch zwei von ihnen kurz benennen.

Ich nenne zum Beispiel OHB. Die luxemburgische Tochterfirma LuxSpace, eine hundertprozentige Tochterfirma von OHB, vermietet im Rahmen des EUForschungsprogramms PERSEUS zwei Satelliten an Frontex. Das EU-Projekt PERSEUS dient explizit – ich zitiere – „der intelligenten Überwachung der Meeresgrenzen“.

Das nächste Beispiel: EADS Astrium. Astrium ist den vielen Bremerinnen meistens vor allen Dingen wegen der auffälligen Werbung an den BSAG-Bah

nen bekannt. Astrium baut ebenfalls hochauflösende Überwachungssatelliten, die fast in Echtzeit Bilder liefern können. Zurzeit ist Astrium an verschiedenen Forschungsprojekten beteiligt, wobei klar und unmissverständlich gesagt wird, dass sie der Grenzschutzagentur Frontex dienen, zum Beispiel beim EUProjekt SAGRES, woran EADS direkt im Forschungsprogramm mit dem Ziel der Entwicklung von Intelligence Drive Maritime Survivance beteiligt ist, und SAGRES ist im Rahmen von Eurosur in Frontex implementiert.

Astrium hat auch schon Satelliten im All, die Daten im Rahmen der Grenzabschottung sammeln. Ihr Satellit TerraSAR-X, der angeblich eine Auflösung von einem Meter hat, auch nachts und vor allen Dingen bei dichter Bewölkung funktioniert, wird zum Beispiel über der Meerenge von Gibraltar eingesetzt, um afrikanische Gewässer automatisiert zu beobachten.

An dieser Stelle möchte ich kurz einwerfen, dass wir die Debatte hier schon vor zwei Jahren hatten und damals der Senator, Herr Günthner, gesagt hat, das alles wäre eine Fantasie von uns. Dass diese Radarsatelliten im Rahmen von Frontex und Eurosur eingesetzt werden, ist beileibe keine Fantasie von uns. Ich verweise hierzu auf einen Artikel in der „Zeit“ vom 20. Dezember letzten Jahres, also relativ aktuell, der genau darauf hinweist und auch unmissverständlich klarstellt, dass die Umweltsatelliten dazu da sind, Jagd auf Flüchtlinge im Mittelmeer zu machen.

(Abg. Frau G r o b i e n [CDU]: Jagd auf Flüchtlinge?)

Das ist die Überschrift des „Zeit“-Artikels: „Umweltsatelliten der ESA helfen bei Jagd auf Flüchtlinge im Mittelmeer“.

Es gibt auch noch eine ganze Reihe weiterer expliziter Beweise dafür, dass die Raumfahrtindustrie und die Rüstungskonzerne aus Bremen an Frontex beteiligt sind. Die Belege finden sich in unserem Antrag; ich werde sie hier nicht wiederholen.

Die Firmen selbst – und das ist das Interessante – leugnen das auch überhaupt nicht, ganz im Gegenteil: Sie werben sogar mit diesem Frontex-Bezug für sich.

Sie werden jetzt an dieser Stelle wahrscheinlich wieder sagen: So ist das halt mit der Privatwirtschaft. Auf dem freien Markt gibt es nun mal auch manchmal zweifelhafte Geschäftspartner. Da kann man als Senat nichts machen. – Die Diskussion hatten wir hier. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist aber absolut falsch!

Der Draht vom Bremer Wirtschaftsressort, vom Senator, zu Rüstung und Raumfahrtindustrie in Bremen ist äußerst kurz. Die staatliche Wirtschaftsförderung Bremen, WFB, betreibt mit Bremer Steuergeldern

einen Innovationscluster Maritime Sicherheit, kurz: MARISSA. Die öffentliche Hand – da wird es interessant, und darauf bezieht sich unser Antrag unmittelbar! – stellt hier eine Koordinierungs- und Subventionsplattform für OHB, Astrium, Rheinmetall Defence und andere bereit. Der Staat übernimmt eine Aufgabe als Makler. Er übernimmt die Aufgabe, diesen Unternehmen die Markterschließung zu erleichtern. Die Wirtschaftsförderung unterstützt die Firmen außerdem bei der Beantragung von EU-Forschungsgeldern und will ihnen bei der Kooperation mit Hochschulen und Instituten im Land helfen.

In einer bis heute einsehbaren offiziellen Präsentation über den Innovationscluster MARISSA aus dem Jahr 2012 findet sich die Passage, dass auch zur – Zitat – „maritimen Grenzsicherung gearbeitet wird“. Das ist angesichts der hier genannten Mitglieder dieses Clusters auch nicht weiter verwunderlich. Die LINKE sagt an dieser Stelle klipp und klar – wir haben in dieser Bürgerschaft oft genug Bekenntnisse gehört, dass wir die Jagd auf Flüchtlinge und die Abschottung der Außengrenzen ablehnen; insbesondere die Koalitionsfraktionen haben das oft genug betont –, dass wir humanitäre Korridore und eine andere europäische Asyl- und Aufenthaltsrechtspolitik haben wollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sagen wir aber auch ganz eindeutig, dass die öffentliche Unterstützung des Bremer Senats für Firmen, die daran beteiligt sind, an dieser Stelle gestoppt werden muss.

(Beifall bei der LINKEN)

Das beantragen wir heute, und ich werde Ihnen das in der nächsten Runde noch genauer erläutern.

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Dr. Kuhn, Bündnis 90/Die Grünen.