Protokoll der Sitzung vom 27.03.2014

Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen?

(BIW)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) wählt entsprechend. Es wird frist- und formgerecht zur konstituierenden Sitzung dieses Ausschusses eingeladen.

EFRE-Programm 2014 bis 2020 sozialer gestalten! Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 19. März 2014 (Drucksache 18/1316)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Erlanson, Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich – das wollte ich einmal sagen – müsste ich jetzt hier vorn eine große Klingel haben. Es missfällt mir doch sehr, dass nun nach der durchaus großen Debatte ganz viele Parlamentarier und Parlamentarierinnen den Raum verlassen –

(Unruhe)

lassen Sie mich doch einmal ausreden! –, denn der Antrag, der hier vorliegt, ist natürlich die Probe aufs Exempel,

(Zurufe von der SPD und vom Bündnis 90/ Die Grünen)

denn im Antrag, der hier vorliegt, geht es genau darum, wie in dieser Stadt mit der Bekämpfung von Armut umgegangen wird.

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist billig! Das ist: Wir können auch billig!)

Das ist überhaupt nicht billig.

Worum geht es? Ich will kurz einmal versuchen zu umreißen, worum es geht. Es geht, wie die Überschrift schon gesagt hat, um das sogenannte EFREProgramm, also einen europäischen Strukturfonds für die regionalen Bereiche. Da gibt es verschiedene Förderungsperioden, und wir müssen feststellen, dass nun eine neue Förderungsperiode beginnt und der Senat sich festgelegt hat, welche sogenannten Zielachsen er in Zukunft durch das EFRE-Programm besonders fördern will.

Dabei gibt es im Grunde genommen vier generelle Ziele. Es geht einmal um die Stärkung von Forschung und technologischer Entwicklung, das ist das erste Ziel. Das zweite Ziel ist die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von mittleren und kleinen Unternehmen. Das dritte Ziel ist die Förderung der Bestrebungen zur Verringerung der CO2-Emissionen, und das vierte Ziel, was wir als LINKE natürlich sehr begrüßen, ist die Förderung der sozialen Eingliederung und die Bekämpfung der Armut. Das ist dadurch möglich geworden, weil es überhaupt Änderungen in den Zielachsen in diesem EFRE-Programm gegeben hat. Es gibt also Unterschiede gegenüber der vorangegangenen Periode 2007 bis 2013. Das finden wir insgesamt gut.

Der Grund, weshalb wir diesen Antrag gestellt haben, ist einfach die Feststellung, dass das vierte Ziel,

die Förderung der sozialen Eingliederung und die Bekämpfung der Armut, mit 10 Prozent gefördert wird.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: So heißt das aber gar nicht, das Ziel! – Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)

Es gibt verschiedene, ich sage einmal, Vorschriften und Regularien, mit wie viel Prozent die einzelnen Teilziele in der Förderung hinterlegt werden müssen. Zum Beispiel das durchaus wichtige Feld der Verringerung der CO2-Emissionen muss mit 20 Prozent angesetzt werden.

Wir, Die LINKE, meinen, das vierte Ziel, die Förderung der sozialen Eingliederung und die Bekämpfung von Armut, ist ein gutes Beispiel, bei dem man sagen kann, wir können hier in Bremen mehr konkrete Arbeit beginnen, um Armutsbekämpfung vorzunehmen. Unser Vorschlag ist dabei, dass dieser Teil der EFRE-Ziele, dieses vierte Ziel um 10 Prozent aufgewertet wird. Das würde bedeuten, dass das erste Ziel, die Stärkung von Forschung und technologischer Entwicklung und Innovation, was ohne Zweifel auch wichtig, aber mit 50 Prozent veranschlagt ist – –. Wir würden sagen, wenn wir in dem Fall 20 Prozent für die Armutsbekämpfung einsetzen und nur 40 Prozent für Innovation und Technik, dann ist das zu verschmerzen.

Es gibt natürlich Gegenargumente, man muss das sicherlich diskutieren. Eines der Gegenargumente bezieht sich immer darauf, dass gesagt wird, es gibt ja noch den Europäischen Sozialfonds, ESF, mit dem man eigentlich hauptsächlich Armutsbekämpfung betreiben müsste. Diesem Argument kann man auf der einen Seite folgen, aber auf der anderen Seite glaube ich, dass wir an dem, was teilweise von der Koalition hier in Bremen an Armutsbekämpfung, und zwar an struktureller Armutsbekämpfung in den Quartieren eingebracht wird, lernen können, dass es eben nicht nur um die rein finanzielle Alimentierung, wie zum Beispiel beim ESF geht, sondern dass es durchaus sinnvoll ist, strukturelle Änderungen vorzunehmen.

Wenn wir einmal in das bisher vom Senat festgelegte EFRE-Programm hineinschauen und uns die Teilziele anschauen, stehen gute Sätze darin, die unseren Antrag auch begründen. Darin steht zum Beispiel, ich zitiere: „Die Förderung konzentriert sich auf solche Quartiere, die besonders stark von Armut, Ausgrenzung und den Folgen der sozialräumlichen Polarisierung betroffen sind“. Es heißt an anderer Stelle, an der wiederum auch über die Stadtteile berichtet wird: „Um diesen sich selbst verstärkenden TradingDown-Prozess in benachteiligten Quartieren zu stoppen, sollen bauliche und stadtgestalterische Maßnahmen der Stadterneuerung an solchen Stellen im öffentlichen Raum gefördert werden, die als weiche Standortfaktoren eine Schlüsselfunktion für die lokale Wirtschaftsentwicklung innehaben.“ Lokale Wirt

schaftsentwicklung ist natürlich auch ein probates Mittel zur Armutsbekämpfung, das stellen wir als LINKE auch gar nicht in Abrede.

Daher unser dringender Appell an dieser Stelle: Erhöhen Sie, wenn Sie das mit der Bekämpfung der Armut ernst meinen, diesen einen Punkt des EFREProgramms für die Hansestadt Bremen um 10 Prozent, dann sind es 20 Prozent für die Armutsbekämpfung, und dann hat der Senat – das hat der Bürgermeister vorhin noch einmal wiederholt und ist auch in unserem Antrag als Zitat noch einmal nachzulesen – die Armutsbekämpfung noch stärker in den Mittelpunkt seiner Arbeit gerückt. Wir begrüßen das und finden, dass wir hier einen Punkt erreicht haben, an dem man das auch einmal deutlich unter Beweis stellen kann und von dem wir alle, glaube ich, in den Quartieren großen Nutzen haben werden. – Danke sehr!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Kuhn, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Erlanson, sollten Sie es mit der Probe aufs Exempel ernst gemeint haben, dann fürchte ich, dass Sie diese Probe jetzt nicht unbedingt bestanden haben.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich muss ein wenig weiter ausholen, um zu begründen, warum ich die Planung des Senats in dieser Frage für sinnvoll und angemessen halte und daher den Vorschlag der LINKEN nicht unterstütze.

Man wird in Diskussionen in diesen Wochen manchmal gefragt, wo denn in der Europäischen Union das Soziale sei. Der erste Punkt meiner Antwort ist dann stets, dass die Kohäsionspolitik der Europäischen Union, für die ja in den nächsten sieben Jahren mehr als 300 Milliarden Euro ausgegeben werden – das ist mehr als ein Drittel des gesamten Haushalts –, das Ziel hat, den wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Zusammenhalt in der Union zu fördern. Deswegen geht der größte Teil des Geldes in die weniger entwickelten Regionen der EU, in die Länder des Südens und des Ostens Europas. Ein kleinerer Teil des Geldes geht in die Übergangsregionen, in denen die Unterstützung der EU schon zu einer Besserung der Lage geführt hat, aber auch die entwickelten Regionen wie Bremen erhalten Geld zur Bewältigung spezifischer Probleme. Die Kohäsionspolitik ist ein Programm, das zwar für alle da ist, aber für diejenigen, die es mehr benötigen, auch mehr macht.

Dieses Geld wird nicht als Blankoscheck an die Region gegeben, sondern die Organe der Europäischen Union haben sich darauf verständigt, dass sich die Verwendung an den großen gemeinsamen Zielen der EU-2020-Strategie ausrichten muss. Diese Ziele sind im Querschnitt als wirtschaftlich, ökologisch und sozial definiert, also in allen diesen Zielen gelten diese Querschnittsbestimmungen. Die Strategie ist in vier große Fonds aufgeteilt, den Kohäsionsfonds für allgemeine Infrastruktur und Umwelt für die weniger entwickelten Regionen – deswegen ist Bremen nicht dabei –, den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, EFRE, über den wir heute auf Antrag der LINKEN reden, den Europäischen Sozialfonds, ESF, und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds, der jetzt hier keine Rolle spielt.

Es ist von entscheidender Bedeutung, deswegen diese etwas längere Einführung, die beiden Fonds, EFRE und ESF, werden gemeinsam betrachtet, weil sie eben zusammengehören und auch zusammen aufgebaut sind. Es wäre sinnvoll, wenn wir diese Debatte deswegen noch einmal vertiefen, wenn der Senat auch das Programm für den Europäischen Sozialfonds beschlossen hat. Die EU hat beschlossen, dass die Mitgliedstaaten die Mittel zwischen den beiden Fonds im Verhältnis 50 zu 50 aufteilen müssen, um zu verhindern, dass die Maßnahmen, die unmittelbar auf den Zusammenhalt der Menschen und auf die Förderung von Menschen zielen, nicht unter die Räder von reinen Infrastrukturmaßnahmen kommen, wie es das schon manchmal in Ländern gegeben hat.

Der Fonds für regionale Entwicklung fördert Investitionen, auch das ist wichtig festzuhalten. Der Europäische Sozialfonds gibt eher direkte Hilfen und Unterstützungen für die Menschen. Das ist vielleicht eine ganz grobe Unterscheidung.

Das Programm für den regionalen Fonds in Bremen soll nun zu 50 Prozent für die Stärkung eines spezialisierten, unternehmensorientierten Innovationssystems, zu 20 Prozent für die Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen und Gründungsaktivitäten – also auch sehr kleinteilig, sehr in die Breite gehend –, zu 20 Prozent zur Förderung von CO2Einsparungen in der Stadt und der Wirtschaft und zu 10 Prozent zur Stabilisierung benachteiligter Stadtteile durch spezifische Förderungen von wirtschaftlicher und sozialer Stadtentwicklung ausgegeben werden. Sie haben das immer falsch zitiert, das ist nicht die Säule „Programm zur Armutsbekämpfung“, was ja etwas ganz anderes wäre, sondern es ist eine Säule in dem Investitionsprogramm, das sich auf benachteiligte Stadtteile bezieht.

Der ESF, die zweite Säule, sieht nach den bisherigen, vorläufigen Planungen – das ist uns ja in der letzten Woche ausführlich noch einmal in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses erläutert worden – 25 Prozent für die Förderung des Zugangs zur existenzsichernden Beschäftigung, mehr als 30 Prozent für die Steigerung der Qualifikationen der Men

schen, das ist ein Bereich, der jetzt auch auf Bildung ausgedehnt wird, und 40 Prozent für aktive Eingliederung vor. Wenn man dann einen Titel in dem Programm als aktive Armutsbekämpfung zusammenfassen könnte, dann wäre es diese Säule von 40 Prozent in dem Programm. In dieser Säule ist jetzt eine sehr breite Verwendung, zum Beispiel für die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit, die Verbesserung der sozialen Teilhaben allgemein, ausdrücklich auch für Maßnahmen für Flüchtlinge und Asylsuchende oder auch für besondere Zuwanderungsgruppen, möglich und vorgesehen. Wir haben uns im Europäischen Parlament mit Erfolg dafür eingesetzt, dass es in dieser Säule eine breite Palette gibt, die ja immerhin in den nächsten sieben Jahren auch für Bremen mit 76 Millionen Euro ausgestattet sein wird. Das ist dann auch nicht wenig Geld.

DIE LINKE möchte diese vierte Säule, das ist eben vorgetragen worden, im Europäischem Fonds der regionalen Entwicklung vergrößern. Das Wirtschaftsressort hat wiederum in der Sitzung des Haushaltsund Finanzausschusses darauf hingewiesen, dass Bremen diese Säule schon stärker als der Durchschnitt der anderen Länder ausstattet. Ich bin zusammenfassend der Auffassung, dass die Schwerpunktsetzung in Bremen, nimmt man die Gesamtheit beider Fonds, angemessen und ausgewogen ist.

Abschließend, da sind wir natürlich dann gleich wieder in der allgemeinen Debatte, die wir eben geführt haben – wäre es jedenfalls unsinnig zu behaupten, dass die Förderung von Innovationskraft einer Stadt, die Unterstützung von Existenzgründung – –.

(Glocke)

Ich bitte um einen letzten Satz, Herr Präsident! Es ist ja richtig, dass Sie klingeln, wenn ich das einmal sagen darf. Das ist ja nicht immer der Fall, ich begrüße das ja. (Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Wie, bei dem Präsidenten oder bei Ihnen?)

Bei mir!

Ich finde es unsinnig zu behaupten, dass die Förderung von Innovationskraft, die Unterstützung von Existenzgründungen und eine CO2-arme Stadtentwicklung im Gegensatz zum sozialen Zusammenhalt stehen würden. Wir müssen darauf achten, dass sich diese Querschnittsaufgabe des sozialen Zusammenhalts in diesen Programmen auch wiederfindet, und das werden wir auch machen. Deswegen unterstützen wir die Position, den Vorschlag, den der Senat gemacht hat. – Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Kastendiek, CDU-Fraktion.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann es eigentlich relativ kurz machen, weil das, was Herr Dr. Kuhn gesagt hat, von der Sache her, insbesondere auf die Programmatik der einzelnen Programme bezogen, vollkommen richtig ist. Klar kann man sich nachher, am Ende des Tages streiten, wo in den einzelnen Bereichen welche Schwerpunkte gesetzt werden, aber jetzt hier den Eindruck zu vermitteln – es geht ja primär um die investiven Mittel und auch in der Abgrenzung zwischen EFRE und ESF, wo ja ein ganz anderer Anteil, auf den Sie Bezug nehmen, vorgeschrieben ist, da werden ja die 20 Prozent festgeschrieben –, da muss ich sagen, kommen wir als CDUFraktion auch nur zu dem Ergebnis, dass wir Ihren Antrag ablehnen.

Wie absurd zum Teil Ihre Vorstellung von Wirtschaftsförderung und Wirtschaftspolitik ist, merkt man daran, dass Sie gerade im Bereich der Innovation einsparen wollen, weil das Thema Innovation eine besondere Hebelwirkung besitzt, was die Schaffung von Arbeitsplätzen angeht. Das ist auch erwiesen, alle Regionen, die dort einen besonderen Schwerpunkt setzen, haben ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum beziehungsweise in der Regel ein höheres Wachstum an Arbeitsplätzen, Arbeitslosigkeit wird abgebaut.

Wenn Sie sich selbst mit Ihren eigenen Worten, Ihre Klassenkampfrede zum Tagesordnungspunkt zuvor einmal ernst nehmen und wirklich den Menschen eine Perspektive geben wollen und nicht nur in irgendwelche Parteitagsreden verfallen, dann müssten Sie selbstkritisch einmal Ihren Antrag hier hinterfragen und überlegen, ob es nicht klug ist, ihn einfach zurückzuziehen, weil es einfach eine Sackgasse ist, in der Sie sich hier befinden.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es mag sein, dass Sie jetzt mit dem Kopf – –. Vielleicht macht es Ihnen ja auch Spaß, in einer Sackgasse zu sitzen, weil ansonsten das Weltbild, was man ja hat und vor sich herträgt, irgendwie nicht mehr funktioniert und dann irgendwie die Aufgabe und die politische Daseinsberechtigung wegfällt. Gut, wenn Sie das meinen und wollen, dann können Sie es doppelt unterstreichen, es ist noch ein Grund mehr für uns, diesen Antrag abzulehnen.

Ich glaube, dass bei allen unterschiedlichen Auffassungen zu den einzelnen Themenstellungen das, was der Senat beim EFRE vorgelegt hat, als Programmrahmen vernünftiger ist, den kann man unterstützen. Wie gesagt, man kann an der einen oder anderen Stelle sicherlich hier und da etwas anderes fördern, dann wird man nachher bei der Beantragung der einzelnen Projekte – da spielt ja die Musik, da ist ja letztendlich der Kern der Sache – auch in die Diskussion eintreten, aber so pauschal, wie Sie das