Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und BIW)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Bremische Häfen abrüsten: Waffen- und Munitionsumschlag landesrechtlich verhindern

Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 18. März 2014 (Drucksache 18/1315)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Günthner.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Rupp, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beantragen mit diesem Antrag eigentlich zwei Dinge: Im Kern wollen wir erreichen, dass Waffen- und Munitionstransporte über bremische Häfen besser dokumentiert werden. Wir können heute nur sagen, wie viel Gefahrgut und wie viel Munition über bremische Häfen transportiert werden.

Wir wissen aus unseren Anfragen, dass in den letzten drei Jahren ungefähr 39 000 Tonnen Munition unterschiedlichster Art über bremische Häfen in alle Welt geschickt worden sind. Ein großer Teil davon ist Munition für Handfeuerwaffen. Ich habe einmal versucht, mir eine Idee davon zu verschaffen, wie viel Schuss das eigentlich sind. Nach Kalkulation von Geschossgewicht und Gesamtgewicht verschiedener Geschosse und nach Abzug der Verpackung schätze ich einmal, dass wir am Tag zwischen 2 und 3 Millionen Schuss Munition in die Welt schicken. Ich finde, das ist viel, und ich finde, als Allererstes sollte dokumentiert werden, wer die Waffen bekommt und wie viele davon über bremische Häfen verschickt werden, weil Waffen nicht erfasst werden.

Zweitens beantragen wir zu prüfen, ob es möglich ist, den Umschlag von Munition und Waffen über bremische Häfen einzuschränken oder abzustellen, ähnlich wie wir es mit den Kernbrennstoffen gemacht haben. Wir haben es damals aus gutem Grund gemacht, weil es gefährlich ist und wir gemeinsam den politischen Willen hatten, auch zu dokumentieren, dass wir eine atomwaffenfreie beziehungsweise eine atomkraftfreie Zukunft für Bremen wollen. Deswegen bitten wir zu prüfen, welchen rechtlichen Spielraum und welche rechtlichen Möglichkeiten es diesbezüglich gibt. Wir wissen selbstverständlich aus der vergangenen Debatte, dass das schwierig ist, man aufpassen muss und es möglicherweise auch überhaupt nicht geht, aber ich möchte gern wissen, welche Möglichkeiten wir da haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will noch einmal ins Gedächtnis rufen, was uns eigentlich dazu bewegt, eine solche Überlegung haben zu wollen. Die CDU hat gesagt, ein solcher Antrag wäre ein politisch motivierter Eingriff in den freien Handel. Ja, es ist ein politisch motivierter Eingriff in den freien Handel aus einem einfachen Grund: Ich möchte Rüstungsexporte eindämmen und langfristig verbieten, und ich sehe mich da in guter Gemeinschaft mit unserem aktuellen Wirtschaftsminister, der auch gesagt hat, auf diese Form von Rüstungstransporten müsse man noch einmal richtig schauen.

(Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der CDU)

Ja, ich weiß, irgendwann kommt der Tag, da wird Ihnen das Feixen im Halse stecken bleiben, spätestens dann, wenn so etwas passiert wie in Hamburg, wenn ein Containerschiff, das mehrere Tonnen Munition und gleichzeitig mehrere Tonnen Uranhexafluorid, also radioaktives Material, und Treibstoff transportiert, in Bremerhaven in Brand gerät! Wenn wir dann Pech haben, schaffen es die Einsatzkräfte möglicherweise einmal nicht, den Brand rechtzeitig zu bändigen. Das ist eine der größten Gefahrenquellen.

Wenn man einmal schaut, wie viele Containerschiffe in den letzten 24 Monaten allein in norddeutschen Gewässern, auf der Elbe oder in der Nordsee, havariert sind – die MSC Flaminia war ein zweites Beispiel, auf der es einfach unten im Schiff begonnen hat zu brennen, weil etwas unsachgemäß gelagert war und sich selbst entzündete –, und wenn in diesen Schiffen Waffen, Munition und möglicherweise Uranhexafluorid transportiert werden, dann ist das ein Grund, aus dem es sich aus unserer Sicht lohnt, sich damit auseinanderzusetzten, ob es eigentlich eine gute Idee ist, Munition in Containerschiffen in alle Welt zu schicken, einfach auch aus Sicherheitsgründen für unsere eigenen Häfen und für die eigene Bevölkerung.

Viel wichtiger ist aber – und das ist eigentlich die Hauptmotivation, darüber nachzudenken –, die Bundesrepublik Deutschland steht immer noch auf Platz 3 der waffenexportierenden Länder. Es ist nicht etwa so, dass wir nur eng befreundete Nationen mit unseren Rüstungsgütern beliefern, also beispielsweise die USA oder innerhalb Europas, vielmehr stehen ziemlich weit oben auf der Liste der Länder, die von uns Waffen bekommen, Länder wie Saudi-Arabien, Bahrein, Türkei und andere. Es sind also Länder, in denen einerseits Menschenrechte nicht ganz oben auf der Prioritätenliste stehen, sondern im Gegenteil, von denen wir wissen, dass dort die Menschenrechte mit Füßen getreten werden, und von denen wir andererseits auch wissen, dass dort die Möglichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung mit wem auch immer, sei es mit Teilen der eigenen Bevölkerung oder mit anderen, ausgesprochen groß ist. Es gibt dort auch ein riesiges Interesse an deutschen Rüstungsgütern. Es gibt ja eine Messe in Saudi-Arabien, die IDEX, dort bieten dann 69 deutsche Unternehmen alles an, vom Sturmgewehr bis zum Panzer, und da können sich, ich sage einmal, diktatorische Regimes gut bedienen.

(Glocke)

Ich will damit erst einmal Schluss machen. Ich komme dann noch ein zweites Mal zum Rednerpult, weil wir ein ganz besonderes Augenmerk auf die Frage richten sollten, wie wir eigentlich den Export von Kleinwaffen eindämmen, aber dazu sage ich gleich noch etwas. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Willmann, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident, meine sehr geehrte Damen und Herren! In den letzten Wochen und Monaten ist das Thema Rüstungsexporte ja wieder ein durchaus bekanntes geworden, es war mehrfach in den Medien. Verschiedene Bundesregierungen in den letzten 10, 15 Jahren haben sich an diesem Thema abgearbeitet, und es ist aus unserer Sicht auch in Zeiten der rot-grünen Bundesregierung nicht zu einer Lobeshymne gekommen bezüglich der Rüstungskontrolle und der Rüstungsexportpolitik.

Ich muss deutlich sagen, wenn ich Ihren Antrag lese, vermitteln Sie schon im ersten Satz den Eindruck, die bremischen Häfen seien eine Drehscheibe für den weltweiten Waffenhandel geworden. Meine Damen und Herren, diese Aussage in diesem Satz ist schon falsch, denn Bremen ist nicht eine Drehscheibe für weltweiten Waffenhandel. Wenn Sie geschrieben hätten, Bremen sei eine Drehscheibe für den weltweiten Waffenexport, an dieser Stelle hätte ich Ihnen zu

gestimmt, aber für den weltweiten Waffenhandel ist Bremen mit Sicherheit keine Drehscheibe und auch kein Standort.

Alle über Bremen und die bremischen Häfen laufenden Rüstungsexporte sind im Bundestag beziehungsweise vom Bundessicherheitsrat genehmigt worden.

(Abg. R u p p [DIE LINKE]: Das ist kein Waffenhandel, oder was?)

Es sind genehmigte Transporte, der Handel mit den Waffen ist an anderer Stelle beschlossen worden, in Bremen ist letztendlich die logistische Leistung vollzogen worden. Das heißt nicht, dass wir das als befriedigend ansehen.

Zurück zum Antrag! Sie versuchen mit Ihrem Antrag, wie ich finde, hier an der falschen Stelle Rüstungsexportpolitik zu betreiben. Bremen kann keine Regelungen für eine Rüstungsexportpolitik finden, und Bremen kann an dieser Stelle bei genehmigten und nachgewiesenen Transporten und bei den vorliegenden Meldepflichten nicht über das hinaus für Transparenz sorgen, was der Bundessicherheitsrat dem Bundestag und damit dem Volk berichtet. Diesen Eindruck zu erwecken, meine Damen und Herren, finde ich an dieser Stelle falsch.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Auf Druck der grünen Bundestagsfraktion wurden schon im Jahr 2000 die politischen Grundsätze der Bundesregierung für Rüstungsexporte deutlich verschärft. Heute müssen wir aber erkennen, auch wir Grünen, dass diese politischen Grundsätze keine ausreichende Bindekraft entfaltet haben. Offensichtlich funktioniert die Selbstbindung der Regierung über Grundsätze nicht, entgegen der eigenen Grundsätze setzen sich im Verfahren leider viel zu oft wirtschafts- und industriepolitische Interessen und nicht menschenrechtliche Kriterien durch, meine Damen und Herren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Warum dies so ausführlich? Weil ich das auch noch weiter so ausführlich machen werde, weil deutlich zu machen ist, dass die Entscheidungen über den Transport und über die Mengen – Sie haben sie eben in Schuss Munition umgerechnet, auf die Idee würde ich nie kommen, weil ich so kleinteilig an der Stelle nie arbeiten würde – nicht in Bremen, nicht in den bremischen Häfen getroffen werden, sondern im Bundessicherheitsrat!

Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist hier zu besonders empörenden Entscheidungen gekommen – wir wissen das alle aus der letzten Legislaturperiode, wenn man von Kampfpanzern nach Saudi-Ara

bien spricht oder sonstigen Rüstungsexporten –, aber auch unter der Großen Koalition, selbst unter RotGrün, ich habe das schon erwähnt, haben die jeweiligen Regierungen den Entscheidungsspielraum, der ihnen gegeben ist, den die Grundsätze dort zulassen, gegen eine restriktive Rüstungsexportpolitik genutzt.

Angesichts der Reduzierung der Streitkräfte, auch in der Bundesrepublik Deutschland, sinkender Verteidigungshaushalte und abgeschotteter westlicher Märkte wächst seit Jahren die Tendenz und die Bereitschaft, der Rüstungsindustrie neue Märkte zu eröffnen. Statt europäische und transatlantische Überkapazitäten durch eine verstärkte Zusammenarbeit abzubauen, konkurrieren die Bündnispartner weltweit um neue Kunden, die ihrerseits eine autarke Rüstungsindustrie aufbauen, und die erschreckenden Bilder und die erschreckenden Reportagen kennen Sie alle. Unter Schwarz-Gelb und der Federführung von Westerwelle und Rösler, die an dieser Stelle, Gott sei Dank, muss ich sagen, nicht mehr da sind, wurde die Exportoffensive weiter ausgebaut, und die letzten Ergebnisse, die wir gehört haben, sind leider nicht beruhigend.

Der Rüstungsindustrie steht dauerhaft, das muss man deutlich sehen, kein dauerhafter Abnehmer in der Bundesrepublik Deutschland zur Verfügung. Die Bundeswehr ist auf einem Abbaupfad, sodass sich der Exportdruck weiter erhöhen wird. Bereits jetzt sind 70 Prozent der Produkte der deutschen Rüstungsindustrie für den Export bestimmt, und das wirkt auf die bremischen Häfen. Die Vereinigten Arabischen Emirate, Brasilien und Indien sind die zahlungskräftigsten Abnehmer deutscher Rüstungsgüter.

Erleichtert hat an dieser Stelle den laxen Umgang mit den eigenen Grundsätzen schließlich die mangelnde Transparenz und die fehlende parlamentarische Kontrolle bei den Rüstungsexporten. Die Entscheidungen werden hier nämlich hinter verschlossenen Türen getroffen. Meine Damen und Herren, der entscheidende Punkt sind die verschlossenen Türen, sodass es wichtig ist, Kriterien für Rüstungsexportentscheidungen gesetzlich zu verankern. Der zentrale Mangel der bisherigen Rüstungsexportpolitik ist, dass die politischen Grundsätze keine gesetzliche Bindungskraft in Deutschland entwickelt haben. Wir benötigen deshalb für Deutschland ein Rüstungskontrollgesetz, um den Menschenrechtskriterien und der Gefahr von inneren Repressionen mehr Gewicht zu verleihen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deshalb müssen diese Kriterien in das Außenwirtschaftsgesetz und in das Kriegswaffenkontrollgesetz integriert werden, um ihnen damit Gesetzesrang zu verschaffen.

In Deutschland beruht das Erscheinen des jährlichen Rüstungsexportberichts lediglich auf einem Satz

in der Rüstungsexportrichtlinie, und das Erscheinen ist dann eher etwas wie das Warten auf den SanktNimmerleins-Tag, Eine Vorlagefrist existiert nämlich nicht. Die Bundesregierung lässt sich in der Regel Zeit bis zum Ende des im Berichtszeitraum zulässigen Kalenderjahres.

(Glocke)

Herr Präsident, ich habe es gehört!

(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Das reicht nicht! – Abg. K a s t e n d i e k [CDU]: Es hat ihn aber nicht besonders beeindruckt!)

Ich will noch einen Satz sagen! In Spanien gibt es beispielsweise eine halbjährliche Berichterstattung, in Großbritannien und Rumänien quartalsweise, und andere Länder wie Italien und die Slowakei haben gesetzliche Fristen. Meine Damen und Herren, dies muss dringend kommen! – Vielen Dank!

Meine Damen und Herren, auf unserer Rednerliste steht jetzt der Abgeordnete Röwekamp, Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mich hätte schon vor meinem Debattenbeitrag interessiert, wie sich die sozialdemokratische Fraktion zu diesem Thema verhält, weil ein neuer Wettbewerb ausgebrochen zu sein scheint. Unter den linken Fraktionen, könnte man sagen, hat die Linkspartei wieder den ersten Stein geworfen, um wiederum einen Eingriff in das Universalhafenprinzip vorzunehmen; beim letzten Mal waren es die Kernbrennelemente, auch hier war es zuerst DIE LINKE, dann hat es ein bisschen gedauert, aber irgendwann sind die Sozialdemokraten und die Grünen hinterhergehoppelt. Ich wage die Prognose, dass das auch in diesem Fall wieder so sein wird. Das heißt, sehr geehrter Herr Rupp, Sie werden sicherlich heute hier keine Mehrheit für Ihren Antrag im Parlament bekommen, aber dass Sie sich mit Ihrem Anliegen zum Schaden Bremens am Ende nicht durchsetzen werden, sehe ich im Übrigen noch nicht.

Wer sich nämlich einmal wie die rot-grüne Mehrheit hier im Hause entschieden hat, das Universalhafenprinzip aufzugeben und durch politische Einflussnahme selbst entscheiden zu wollen, welche Waren und Güter in unseren Häfen umgeschlagen werden und welche nicht, der kommt natürlich immer in den Interessenkonflikt, definieren zu müssen, was sind denn jetzt politisch korrekte und politisch nicht korrekte Waren.

(Beifall bei der CDU)

Wir als CDU-Fraktion, meine Damen und Herren, haben von Anfang an vorhergesagt, dass es diese De

batte geben wird. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir nicht nur über Kernbrennelemente reden werden, sondern dass die Linken in diesem Hause in den Wettbewerb darüber eintreten werden, welche Waffen und welche Waren denn eigentlich schlimmer sind als andere. Deswegen bleibe ich dabei, das von der rot-grünen Mehrheit verantwortete Aufgeben des Universalhafenprinzips ist ein schwerer politischer Fehler gewesen, meine sehr verehrten Damen und Herren.