Protokoll der Sitzung vom 22.05.2014

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen, bei der SPD und bei der LINKEN)

Das war eine Frage, die ich Ihnen gern noch in den Abend mitgeben will. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Mahnke, Fraktion der SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich vielen Teilen gleich meinen Vorrednern anschließen und brauche das alles daher auch nicht zu wiederholen. Wie Herr Hinners bereits ausführte, ist der Salafismus als eine ultrakonservative Strömung innerhalb des Islams anzusehen, der eine geistige Rückbesinnung auf seine Vorfahren anstrebt. Immer wieder haben sich Bewegungen herausgebildet, deren Verständnis des Islams sich an der Frühzeit der Religion orientiert und daher von ihren Anhängern als unverfälscht angesehen wird. Diese radikalen Strömungen hatten verschiedene Forderungen. Gemeinsam ist ihnen jedoch ein Fundamentalismus im Wortsinn, der die theologische Entwicklung von Jahrhunderten ignoriert und direkt zu den Quellen des Korans und der Sunna zurückgeht, und ihre Anhänger bezeichnen wir eben heute allgemein als Salafisten.

Nach Angaben des Referatsleiters der Forschungsgruppe „Islamischer Extremismus und Terrorismus“ des baden-württembergischen Verfassungsschutzes gibt es 3 000 bis 5 000 Salafisten in Deutschland, von denen ungefähr 360 Personen in Bremen leben, Herr Hinners hat es vorhin schon gesagt. Die Versuche einiger Salafistengruppen, durch Propaganda und Missionierung politischen und gesellschaftlichen Einfluss auf ihre extremistische Ideologie zu gewinnen, und die Verbindung einzelner Salafisten zu islamischen Terrororganisationen sorgen immer wieder für öffentliche Diskussionen.

Der Salafismus in Deutschland ist laut Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und einiger Landesbehörden für Verfassungsschutz die gegenwärtig dynamischste islamistische Bewegung in Deutschland. Salafistische Organisationen stehen unter Beobachtung der Verfassungsschutzbehörden, demzufolge haben eben beinahe alle bekannten islamistischen terroristischen Strukturen und Personen in Deutschland salafistische Strömungen. In Bremen werden 360 Personen dieser Szene zugeordnet. Wir werden darüber dann auch durch unsere Gremien in vertraulichen Sitzungen und nicht hier im Parlament unterrichtet.

Wie jedoch festgestellt werden konnte, gab es in Bremen in zwei Moscheen, die dem Salafismus zuzurechnen sind und die hier auch schon benannt wurden, in den letzten Jahren keine direkten Hasspredigten oder Aufrufe zur Gewalt, aber es gab zwei Seminare zum Islam, was auch schon kritisch zu bewerten ist. Fünf Personen aus diesem Kreis sind nach Syrien ausgereist, das wurde vorhin auch schon erwähnt. Im letzten Jahr gab es eine Aktion, die bei den Bürgerinnen und Bürgern sicher für mehr Aufsehen gesorgt hat – das war die kostenlose Verteilung der Korane –, die dann auch vielleicht sehr komisch aufgenommen wurde. In Bremen gibt es keine Kenntnisse darüber, dass gezielt Werbung an Schulen oder sonst wo stattfin

det, aber es wurde auch schon gesagt, das Internet spielt hier heute eine wesentlich größere Rolle.

Wir müssen den Salafismus in Bremen und in ganz Deutschland genau beobachten, da hier einfach der Nährboden für religiöse politische Straftaten vorhanden ist. Zudem besteht die Gefahr, dass Personen, die eine Terrorausbildung erhalten haben und zurückgekehrt sind, ihr Wissen für Terroranschläge nutzen, und dies kann überall sein, auch bei uns. So brauchen wir uns nur daran zu erinnern, dass alle Terroristen des 11. September Salafisten waren, darunter auch die drei Selbstmordattentäter der Hamburger Zelle.

Wie sagte bereits der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen im Juni 2013: „Der Salafismus ist die Durchgangsstation zum Terrorismus.“ Ich möchte hier aber betonen, dass unsere Behörden dies genau beobachten werden und die zuständigen Gremien jederzeit unterrichten. Zudem bin ich davon überzeugt, dass das Innen- und auch das Justizressort und alle anderen Beteiligten immer ein Auge auf diese Szene haben werden und auch die notwendigen Schritte unternehmen, um die Bürgerinnen und Bürger Bremens und Bremerhavens vor diesen Leuten zu schützen. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt, Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorredner haben ja schon sehr ausführlich zu den Hintergründen der salafistischen Szene und der Entstehung dieser religiösen Ausrichtung des Islams vorgetragen, das werde ich jetzt nicht noch einmal machen. Ich möchte noch einmal näher auf die Handlungsfelder in Bremen eingehen.

Wir haben, auch das ist hier erwähnt worden, zwei dem Salafismus nahestehende Einrichtungen in Bremen. Hier werden auch polizeiliche Maßnahmen angewandt, es gibt regelmäßig Hausdurchsuchungen und andere polizeiliche Maßnahmen. Es gab auch jüngst in den Medien die Debatte über mehrere junge Menschen, die aus Bremen vermutlich nach Syrien gereist sind, um in islamistischen Terrorgruppen zu kämpfen.

Beim zweiten Fall wird es aber schon etwas unübersichtlicher, er ging auch durch die Medien. Es ist ein etwas unübersichtlicher Fall an einer Waller Schule, der diskutiert wurde. Es gab dort wohl Versuche, andere Jugendliche, Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer einzuschüchtern und dort islamistische und salafistische Inhalte zu verbreiten. Die Diskussion verlief sehr kontrovers, einige Schülerinnen und Schüler haben das zurückgewiesen, an

dere haben gesagt, sie seien unter Druck gesetzt worden. Das zeigt aber auch schon, in welchem Problemfeld man sich dann tatsächlich in den Stadtteilen bewegt, in denen salafistische Jugendliche aktiv sind.

Auch an dieser Stelle möchte ich meinem Kollegen Dr. Güldner recht geben, es muss noch einmal festgehalten werden, Salafisten in Bremen sind keineswegs nur Menschen aus dem Nahen Osten oder Nordafrika. Wer einmal in die Nähe der hinlänglich bekannten salafistischen Moscheen kommt, wird feststellen, dass in dem Umfeld viele deutsche Konvertiten unterwegs sind, die sich dem Salafismus angeschlossen haben. Wer eigene Kinder an Schulen im Bremer Westen hat, der weiß, dass es sehr viele Jugendliche gibt, die dazu neigen, dem Salafismus nahezustehen, und zum Teil auch konvertieren.

An dieser Stelle muss man sich dann einfach einmal die grundsätzliche Frage stellen, was in unserer Gesellschaft eigentlich falsch läuft, wenn ausgerechnet diejenigen, die unsere Gesellschaftsordnung total krass negieren, einen religiösen Gottesstaat einrichten wollen, der ultrarechts und ultrapatriarchal ist, der Homosexuelle und Intersexuelle ablehnt und der eine ganz klar patriarchale Geschlechterwertigkeit hat, die in einer modernen Gesellschaft wirklich nichts mehr zu suchen hat. Man muss sich wirklich fragen, was bei uns falsch läuft, dass ausgerechnet Jugendliche sich einer Bewegung anschließen, die unsere Gesellschaftsordnung negiert und dann aber trotzdem offenbar so attraktiv wird, dass genau diese Jugendlichen sich dem anschließen.

(Beifall)

Ich finde, die Politik ist an dieser Stelle stärker gefordert.

Außerdem stellt sich die Frage, wie die Gesellschaft überhaupt versucht, mit den Menschen erst wieder in einen Kontakt und in einen Austausch zu treten, die die Gesellschaft eigentlich radikal durch etwas viel Schlimmeres ersetzen wollen. Auch diese Frage müssen wir hier näher beleuchten.

Ich mache es einmal konkret: Wir sollten uns fragen, ob die Betreuungsangebote ausreichen, die es speziell für diese Szene gibt. Ich mache es auch noch an einem anderen Punkt konkret: Wie können und sollen Lehrerinnen und Lehrer und Erzieherinnen und Erzieher mit Kindern und Jugendlichen umgehen, die aus einem salafistischen Umfeld kommen? Die nächste konkrete Frage lautet: Wie stärken wir islamische Verbände und Organisationen, die sich aktiv gegen den Salafismus zur Wehr setzen?

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Der Salafismus ist ein Problem. Wie aber vermeiden wir einen rassistischen Generalverdacht, der Islamo

phobie schürt, und bekämpfen trotzdem mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln den Salafismus?

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind hier aufgefordert herauszufinden, wie wir die nötigen Differenzierungen, die wir brauchen, mit dem konsequenten Vorgehen, das wir brauchen, verbinden. Das alles müssen wir in der Zukunft noch näher klären. Das sind schwierige Fragen, das gebe ich zu. Es gibt auch verdammt wenig praktische Erfahrungswerte, was die Sache für uns auch noch schwieriger macht. Ich glaube aber, wir müssen uns dieser Aufgaben auch vonseiten der Politik stellen.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe abschließend aber auch noch einmal eine Frage an die CDU wie der Kollege Dr. Güldner, obwohl ich sie vielleicht eher Frau Motschmann stellen müsste. Herr Dr. Güldner hat schon auf die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, die auch jetzt wieder durch den Bundessicherheitsrat genehmigt worden sind und die noch von der Vorgängerregierung kommen, hingewiesen. Wir wissen, dass salafistische Strukturen und Geldströme einfach häufig ihren Ausgang in Saudi-Arabien nehmen, und ich kann nicht nachvollziehen, warum zum Beispiel der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Herr Mißfelder, den islamistischen Diktatorenclan in Riad als wichtigen Partner bezeichnet. Ich finde, das muss man auf dieser Ebene auch kritisieren.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner erhält das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Blick in die jährlichen Berichte des Landesamtes für Verfassungsschutz zeigt uns, dass wir es heute mit einem Thema zu tun haben, das uns schon seit vielen Jahren begleitet. Der Hintergrund ist bekannt, die Massivität und die Konzentration von Salafisten in unserer Stadt ist ein massives Problem. Wenn man 6 000 Salafisten bundesweit hat, dann macht die Zahl von 360 Personen in Bremen sehr deutlich, dass wir es hier mit einem richtigen Zentrum zu tun haben. Die Begriffe Kultur- und Familienverein und Islamisches Kulturzentrum muss ich Ihnen heute nicht mehr erläutern.

Wir haben eine neue Qualität erreicht. Wir verfolgen bundesweit diese Entwicklung, seitdem von dort aus Personen, insbesondere junge Menschen, über die Türkei sehr wahrscheinlich nach Syrien ausge

reist sind mit der Perspektive, an dem dortigen Bürgerkrieg teilzunehmen. Es sind inzwischen einige Hundert Menschen in Syrien. Wie viele davon noch leben, wissen wir nicht. Wir haben in Bremen mindestens fünf Personen, bei denen wir es nachweisen können. Ich glaube, aktuelle Entwicklungen werden dazu führen, dass sich diese Zahl noch weiter erhöht, und wir kennen einen Rückkehrer.

Damit ist die Frage verbunden, was wir tun. Wir haben reagiert. Dort, wo wir Hinweise darauf haben, dass weitere Personen ausreisen werden, haben wir einen Riegel vorgeschoben, indem wir ihnen die Pässe entzogen und ihre Wohnungen durchsucht haben und vieles mehr. Das ist ein Beitrag, der natürlich voraussetzt zu wissen, wer ausreisen will. Das ist nicht ganz einfach, weil sich das Ganze in der Tat sehr konspirativ entwickelt. Die Kommunikation findet heute in den Medien statt, nicht mehr in öffentlichen Veranstaltungen, deswegen ist es auch ganz schwer, die Dinge zu erkennen, wir sind aber darauf vorbereitet.

Wir sind darauf vorbereitet, dass Personen zurückkommen, die möglicherweise traumatisiert sind, die Menschen getötet haben und im terroristischen Kampf ausgebildet worden sind. Ihnen gilt, sage ich einmal, unsere besondere Aufmerksamkeit. Wir werden sie nicht aus den Augen lassen, weil wir genau wissen, das ist ein Potenzial, das man nicht unterschätzen darf. Wir wissen nicht, wo der Sprung oder der Schritt erfolgt vom Bekenntnis zum religiösen Fanatismus zur konkreten Handlung und zu Anschlägen. Dies alles sind Maßnahmen, die wir in enger Kooperation und Information mit den Gremien des Parlaments vollziehen. Ich bitte deswegen um Nachsicht, dass ich hier heute nicht von laufenden Ermittlungsverfahren oder über Aktionen, die wir vorbereiten, berichten werde.

Herr Hinners, ich kann Ihnen versichern, wir werden auch im Fall Pierre Vogel alle rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen, die wir zur Verfügung haben, um diesen Auftritt zu verhindern.

(Beifall)

Wie gesagt, es sind die rechtlichen Möglichkeiten, und das Versammlungsrecht gilt auch in Bremen.

Wir werden, glaube ich, morgen früh wieder in der Parlamentarischen Kontrollkommission zusammensitzen und dieses Thema weiter beraten.

(Zuruf: Das ist geheim!)

Das ist aber nicht so geheim, denn es ist ständiges Thema in dieser Kommission. Insofern schweige ich für heute. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/1357, auf die Große Anfrage der Fraktion der CDU Kenntnis.

Meine Damen und Herren, ich rufe jetzt noch die Tagesordnungspunkte im Landtag auf, die ohne Debatte vereinbart worden sind.

Bericht der Freien Hansestadt Bremen zur Umsetzung des Sanierungsprogramms 2012/2016

Mitteilung des Senats vom 29. April 2014 (Drucksache 18/1365)

Die Beratung ist eröffnet. – Wortmeldungen liegen nicht vor. – Die Beratung ist geschlossen.