Protokoll der Sitzung vom 18.06.2014

Das alles habe ich verstanden, ich brauche auch nur auf meine Fraktion zu schauen.

Wir sind uns doch alle darin einig, dass die Bedingungen, unter denen Prostitution stattfindet, in ganz

vielen Fällen menschenunwürdig sind und wir alles tun sollten, das zu verändern.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. Frau N e u m e y e r [CDU]: Das ist ein Rückschritt!)

Wie der Weg dahin ist, glaube ich, haben wir mit unserem eigenen Gesetzesantrag, den wir im letzten Jahr eingebracht haben, sehr deutlich gemacht. Es gilt, die Bedingungen, unter denen Prostitution stattfindet, zu verändern. Es gilt, Zugänge zu schaffen, die eine Kontrolle dieser Bedingungen ermöglichen, denn es kann doch nicht sein, dass solch ein Bereich nicht kontrolliert wird. Dafür bedarf es keiner Änderung des Polizeigesetzes, denn in den Fällen, in denen der Verdacht auf Menschenhandel, auf Zwangsprostitution besteht, gibt es sehr wohl Möglichkeiten, dann auch in die Wohnung oder in die Lokalität einzutreten.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Eine Kondompflicht, bei der dann gegebenenfalls sogar die Frauen unter Strafe gestellt werden, wenn sie das Kondom nicht benutzen, ist für mich völlig absurd.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Frau Hoch hat es gesagt: Wie wollen Sie das kontrollieren? Wollen wir hier jetzt tatsächlich wieder die Prostituierten kriminalisieren? Das wäre wirklich ein deutlicher Schritt zurück. Im Vergleich zu dem, das sage ich ganz ehrlich, sollte man schauen, ob man nicht den Erwerb sexueller Dienstleistungen unter Strafe stellt. Ich wüsste gern Ihre Meinung darüber.

Wir haben in Schweden auch gesehen, man entscheidet nicht einfach, das oder jenes ist verboten, ohne dass dies eine Vielzahl Änderungen nach sich zieht. Selbstverständlich geht damit eine relativ starke Kontrolldichte und – das ist hier jetzt von allen meinen Vorrednerinnen gesagt worden – unser Anspruch an vernünftige Versorgung derjenigen einher, die in dieser Situation sind, sowohl der einheimischen Prostituierten als auch derer, die jetzt aus anderen Ländern hierher kommen und als Zeuginnen eben deshalb nicht auftreten können, weil ihre Situation derartig unsicher ist und sie unter Druck stehen. Hier muss entsprechend dafür Sorge getragen werden, dass die Zeuginnen auch über das Strafverfahren hinaus ein Aufenthaltsrecht bekommen, der Zuzug ihrer Kinder ermöglicht wird, sie Unterstützungen wie Dolmetscherdienstleistungen – das sowieso! –, aber auch finanzielle und psychische Unterstützung erhalten, damit wir diejenigen dingfest machen können, die in diesem ganzen Zusammenhang zur Verantwortung gezogen werden müssen.

Daher, Frau Häsler, kann ich nur sagen, ewig grüßt das Murmeltier, wir werden dem Antrag, das Polizeigesetz zu verändern, in keiner Weise nachkommen. Die Kondompflicht halte ich, ehrlich gesagt, auch für eine hohle Hupe.

(Heiterkeit)

Ich bin aber guten Mutes, dass mit den Veränderungen, die durch die Große Koalition – das ist hier auch schon gesagt worden – auf den Weg gebracht werden, endlich auch eine Verbesserung in dem Bereich stattfinden kann. – Danke!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Häsler, CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, an genauso eine hohle Hupe erinnert Ihre Argumentation, Frau Böschen, und die von Frau Hoch.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss sagen, dass ich sehr enttäuscht bin, wie schwach hier zum Teil argumentiert und Dinge gesagt wurden, denen ich überhaupt nicht widersprochen habe, die ich sogar in meiner Rede erwähnt habe. Es tut mir sehr leid, dass Sie mir nicht richtig zugehört haben. Sie können das im Plenarprotokoll dann am besten noch einmal nachlesen.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es auch ganz fürchterlich, wie Sie die Verhältnisse und die Situation gerade von all den Frauen, die eben von sexueller Ausbeutung und all diesen schrecklichen Dingen betroffen sind, hier relativieren.

(Abg. Frau B ö s c h e n [SPD]: Das hat nie- mand getan! Dann haben Sie nicht zugehört, Frau Häsler!)

Doch, das haben Sie massiv getan! Sie relativieren hier ohne Ende, Sie weisen auf das Dunkelfeld hin, aber sehen nicht wirklich ein, wie brenzlig die Verhältnisse hier mittlerweile sind, und das haben Sie in der Debatte zu Ihrem Dringlichkeitsantrag im Jahr 2013 auch selbst gesagt. Ich finde das wirklich sehr schrecklich und kann das absolut nicht nachvollziehen. (Beifall bei der CDU)

Ich muss Ihnen auch sagen, dass ich überhaupt nicht die Intention hatte, hier den ersten schwarz-gelben

Entwurf der letzten Bundesregierung zu rechtfertigen. Deswegen habe ich gar nicht verstanden, warum Sie sich so aufregen, Frau Hoch, ich habe diesen Entwurf überhaupt nicht angesprochen. Ich halte ihn auch nicht für die beste Lösung oder den besten Entwurf.

Ich bin froh, dass dieses Verfahren jetzt noch einmal aufgenommen wird und die aktuelle Bundesregierung jetzt dazu etwas ausarbeitet. Ich habe eine sehr hohe Erwartung daran und bin auch zuversichtlich, dass gute Lösungen gefunden werden. Der Schritt, den das Saarland gemacht hat, war wirklich ein erster ganz wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Noch einmal zur Kontrolle: Natürlich ist es schwierig, das umzusetzen und zu kontrollieren. Hätten wir hier ein vernünftiges Ordnungsamt und Ordnungsbeamte, die vielleicht ein bisschen besser ausgestattet wären, wäre das vielleicht nicht so ein Problem, aber das ist hier politisch auch nicht gewollt.

Die Vereine, die hier in Bremen arbeiten, zum Beispiel Nitribitt, und die Streetworker werden von Ihnen überhaupt nicht einbezogen. Die Streetworker verteilen sowieso schon Kondome in den Bordellen. Sie sind da so pessimistisch, dass man einfach merkt, Sie verstecken sich hinter Ihrem Nichtwollen und geben dem keine Chance. Das finde ich sehr traurig.

Ich finde es auch traurig, damit zu argumentieren, dass die Infektionen nicht gestiegen sind und man deswegen keine Komdompflicht braucht. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich finde, jede Erkrankung ist eine zu viel,

(Beifall bei der CDU)

und ich wäre über jede Diagnose froh, die keine Erkrankung feststellen würde. Daher muss ich sagen, ich bin wirklich enttäuscht, und ich denke, dass nicht ich heute rückwärtsgewandt argumentiert habe, sondern Sie. Ich hoffe, Sie nehmen sich an der SPD auf Bundesebene ein Beispiel. – Ich bedanke mich!

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau N e u - m e y e r [CDU]: Da hat sie vollkommen recht!)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße es, dass alle Fraktionen dieses Hauses inzwischen erkannt haben, hier besteht ein Handlungsbedarf. Das Thema Zwangsprostitution und Menschenhandel ist ein Thema, das die Bundesrepublik stark beschäftigt.

Wenn ich mich nicht falsch erinnere, ist der Werdegang dieser Debatte sehr skurril. Wir haben dieses Thema mindestens seit sechs, sieben Jahren auf der Agenda. Ich kann mich daran erinnern, ich bin im

Jahr 2009, ich glaube, bei der ersten Innenministerkonferenz damit angetreten, mit dem Ergebnis, dass mich alle etwas belächelt haben. Nach drei Konferenzen waren wir vorangekommen. Ich muss auch zum Schutz der CDU-Fraktion sagen, damals bestand gemeinsamer Konsens darüber, jawohl, wir müssen handeln, die Verhältnisse, so wie sie sind, können wir nicht weiter hinnehmen. Es war dann die alte Bundesregierung mit dieser legendären Bundesjustizministerin, die kategorisch gesagt hat: Nein, das machen wir nicht! Wir haben vor diesem Hintergrund in Bremen überlegt, was wir tun können, weil wir nicht sicher sein konnten, was nach der Bundestagswahl geschieht. Deswegen haben wir uns an die Arbeit gemacht, eine bremische Initiative, einen eigenen Gesetzentwurf zu entwickeln. Das Ergebnis der Bundestagswahl hat dann dazu geführt, dass wir in den Koalitionsvereinbarungen Wert darauf gelegt haben, dass dieses Thema aufgegriffen und positiv beantwortet wird. Wir haben zwischenzeitlich durch eine Initiative der meisten Länder im Bundesrat eine sehr eindeutige Beschlussempfehlung eingebracht und angenommen. Jetzt liegt der Ball im Bereich der Bundesregierung, und unsere Erwartungen sind hoch, dass dieses Problem bundesweit angegangen wird. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, hat es mich schon etwas überrascht, wir haben jetzt erstmals die Chance, dieses Thema bundesweit adäquat zu bearbeiten, und jetzt kommen Sie mit einer Initiative, über Änderungen im Polizeigesetz das Betretungsrecht isoliert einzuführen, ohne dass überhaupt der Rahmen klar ist. Wir müssen doch jetzt einmal abwarten, was der Deutsche Bundestag in den nächsten Monaten beschließen wird, und dann können wir möglicherweise immer noch feststellen, dass wir einen Ergänzungsbedarf haben. Das setzt aber auch voraus, dass wir gesetzlich noch in der Lage sind, weiter gehende Dinge auf Landesebene zu regeln. Jetzt aber auf die Schnelle zwei Themen herauszugreifen, die in sich hochproblematisch sind! Es geht gar nicht um das Thema Betretungsrechte. Es ist völlig klar, wenn man kontrollieren will, muss man die Objekte auch betreten, aber es ist schon ein gravierender Unterschied, ob ich ein Bordell kontrolliere oder ob ich die Vorstellung habe, die ich nicht teile, dass man auch Privatwohnungen kontrollieren kann. Die Frage der Kondompflicht ist, das muss ich in aller Deutlichkeit sagen, ein Nebenthema, über das man diskutieren kann. Ich teile aber eher die Einschätzung derjenigen, die sagen, so etwas kann man überhaupt nicht kontrollieren, und Dinge, wovon man sehenden Auges weiß, sie bringen in der Praxis nichts, sollte man auch nicht fordern.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Deswegen ist meine Bitte, diesen Antrag zum Anlass zu nehmen, im Bund darauf hinzuwirken, dass wir ei

nen Partner haben, der in der Großen Koalition bereit ist, das alles aufzugreifen, was die Bürgerschaft längst beschlossen hat. Wir haben zahlreiche Debatten geführt, und wenn es uns gelingt, nur 60 Prozent der Dinge im Bund umzusetzen, die wir hier gefordert haben, sind wir deutlich weiter.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe keinen Zweifel daran, dass ich dafür auch künftig, wie bisher, die Unterstützung der grünen Fraktion bekommen werde, aber ich habe auch die Hoffnung, dass Sie auf Bundesebene Ihre Möglichkeiten ausnutzen, den Koalitionspartner dazu zu bewegen, weiter zu gehen, und wenn das entschieden ist, bin ich gern bereit, über bremische Änderungen zu diskutieren. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Antrag der Fraktion der CDU mit der Drucksachen-Nummer 18/1431, Neufassung der Drucksache 18/1341, seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür CDU und BIW)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und DIE LINKE)

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

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