Protokoll der Sitzung vom 23.10.2014

Wie viele Fortbildungen zum Salafismus hat es in der Vergangenheit für Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt gegeben, und wie viele haben daran teilgenommen?

Bitte, Herr Staatsrat!

Das ist eine Frage, die ich nicht in der Tiefe beantworten kann. Mir ist bekannt, dass es eine – Salafismus ist ja sozusagen ein neuer Begriff – Fortbildungsveranstaltung zum Thema Islamismus gegeben hat. Ich meine, es war im Jahr 2009 oder 2010, und Herr Hausschild von der Staatsanwaltschaft hat sie durchgeführt. Ich müsste genauer nachforschen und aufklären, welche weiteren Fortbildungsveranstaltungen es möglicherweise gegeben hat. Ihre Frage kann ich aus dem Stand nicht genau beantworten. Es hat Fortbildungen zu diesem Thema im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft gegeben, und es werden im Augenblick weitere vorbereitet.

Im Übrigen kann ich sagen, dass es ein ganz enges Zusammenwirken mit dem Verfassungsschutz gibt, um Dokumente einzuschätzen.

Frau Kollegin, haben Sie eine weitere Zusatzfrage? – Bitte sehr!

Gibt es Ausstiegsprogramme für Salafisten in der Justizvollzugsanstalt in Bremen?

Bitte, Herr Staatsrat!

Nein, es gibt keine speziellen Ausstiegsprograme für Salafisten. Wir haben bisher einen Salafisten in Haft. Er befindet sich im Strafvollzug, und wir hoffen, dass der Strafvollzug Wirkung entfaltet.

Eine weitere Zusatzfrage durch die Abgeordnete Frau Dogan. – Bitte sehr!

Herr Staatsrat Stauch, mich würde neben den Fortbildungsveranstaltungen interessieren, viele Häftlinge christlichen Glaubens haben die Möglichkeit zu einem Priester zu gehen, ob es nicht auch eine Möglichkeit sein kann, zum Beispiel vielen jungen Häftlingen, die muslimischen Glaubens sind, auch in der Justizvollzugsanstalt die Möglichkeit zu geben, zu Imamen, von denen man eine gute Einschätzung hat, zu gehen, damit eine Radikalisierung in der Justizvollzugsanstalt nicht stattfindet? Gibt es eine solche Zusammenarbeit, gibt es Imame, an die sich solche Häftlinge wenden können?

Bitte, Herr Staatsrat!

Wir haben mit dem Islam-Dachverband die Frage erörtert. Es ist der Zugang geöffnet worden. Es gibt Imame, die in die Justizvollzugsanstalt kommen und eine religiöse Betreuung leisten.

Weitere Zusatzfragen liegen nicht vor.

Meine Damen und Herren, mit Beantwortung dieser Anfrage ist die Fragestunde beendet.

Wirksames Präventionsnetzwerk gegen Radikalisierung junger Muslime

Antrag der Fraktion der CDU vom 17. Oktober 2014 (Drucksache 18/1588)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Mäurer.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Yazici.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ihnen vorliegende Antrag sieht die

Schaffung eines Präventionsnetzwerks vor, um die Radikalisierung junger Muslime in Bremen zu verhindern. Auch wenn der Verfassungsschutz nicht einmal von einem Prozent der etwa vier Millionen in Deutschland lebenden Muslimen als radikalextremistisch einstuft, müssen wir doch konstatieren, dass von dieser kleinen Gruppe seit einigen Jahren eine konstant hohe Terrorbedrohung ausgeht. Auch in nicht wenigen Internetvideos wurden bereits Anschläge auf deutschem Boden angedroht. Nicht wenige sind auch konvertierte deutsche Muslime. Das macht noch einmal deutlich, dass wir es hier nicht ausschließlich mit Muslimen zu tun haben, die einen Migrationshintergrund haben. Hier müssen die Sicherheitsbehörden sehr wachsam sein, und wir müssen hier vor allem eine deutliche Botschaft mit dem Inhalt an diese Extremisten senden, wer unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht respektiert und das friedliche Miteinander aller Religionen in Deutschland gefährdet, der wird auch die volle Härte unserer Gesetze zu spüren bekommen.

(Beifall bei der CDU)

Im Bereich der Repressionen wurden auch schon richtige Schritte eingeleitet. Sie haben das in der Presse verfolgt, Bundesjustizminister Maas möchte bis Ende des Jahres weitere Änderungen unter anderem im Strafgesetzbuch einführen. Mit der Stärkung der Sicherheitsbehörden und mit dem Strafrecht allein werden wir das Problem nicht lösen können. Wir brauchen daneben ein ganzheitliches Konzept, um überhaupt zu verhindern, dass weitere junge Menschen in diese radikale Szene abdriften. Deswegen gilt es, diese Szene zu isolieren, indem wir die jungen Menschen, die bisher nur lose Verbindungen haben, die sich in einer Entscheidungsphase befinden, abfangen, bevor sie in diese Szene kommen und eine Bedrohung für die innere Sicherheit darstellen.

(Beifall bei der CDU)

Meines Erachtens erreichen wir das am besten, indem wir unsere Vertragspartner, die Islamischen Religionsgemeinschaften im Lande Bremen in eine konzeptionelle Erarbeitung eines Präventionsprogramms einbinden, um diese jungen Menschen an dem Abdriften in Radikalität zu hindern. Ich möchte an dieser Stelle die Sache auch nicht noch spannender machen, als sie ist. Wir haben im Vorfeld einige Gespräche geführt. Wir freuen uns, dass dieser Antrag auf ein sehr positives Echo gestoßen ist. Wir hätten uns noch mehr gefreut, wenn Sie dem Antrag zugestimmt hätten. Wir werden Ihren Antrag auf Überweisung in die Deputation für Inneres und Soziales zustimmen und uns an der weiteren Feinjustierung unseres Antrags beteiligen.

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal eine Sache erwähnen, die mir dann doch Bauchschmerzen

bereiten würde, und sie betrifft eine mögliche Federführung durch die Deputation für Inneres. Wir wissen aus der Erfahrung, dass gerade junge Menschen eine hohe Hemmschwelle haben, wenn es darum geht, sich präventiven Netzwerken zu öffnen. Wir kennen hier auch die Empfindlichkeiten der Islamischen Religionsgemeinschaften. Ich denke, wir würden hier unnötig in eine Erklärungssituation kommen und uns noch mehr um Vertrauen bemühen müssen, wenn wir hier die Federführung an das Ressort für Inneres/Verfassungsschutz abgeben.

Ich denke auch, dass es dafür keine zwingenden inhaltlichen Gründe gibt, weil es hier ein, ohne dem Bericht der Sozialdeputation vorgreifen zu wollen, ganz klar präventiver Antrag ist.

Wenn es um das Aussteigerprogramm gehen sollte, können wir auch in den folgenden Gesprächen darüber sprechen. Der Kreis, der dafür infrage kommt, ist in Bremen ohnehin gering.

Ich denke, hier würde Bremen auch eine Vorreiterrolle in Deutschland einnehmen, denn die entsprechenden Präventionsnetzwerke in Hessen, NordrheinWestfalen und Hamburg haben auch aus diesen besagten Gründen und auf Anraten anderer Experten hier ganz klar die Federführung an das Sozialressort abgegeben. Das, denke ich, wäre auch hier, und das möchte ich schon jetzt im Vorfeld ausdrücken, der richtige Schritt.

Ich denke aber, dass wir auch an dieser Stelle eine der Sache dienlichen Lösung in diesem Punkt finden, und ich freue mich auf die weitere Debatte. – Danke! (Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Senkal.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! 13 Menschen aus Bremen haben sich dazu entschlossen, nach Syrien auszureisen. 13 Menschen aus Bremen, darunter auch Kinder, sind in ein Land ausgereist, in dem Krieg und teils fürchterliche Lebens- oder Überlebensbedingungen herrschen. Allein die Bilder, die man dazu entwickelt, lassen deutlich werden, mit welcher festen Überzeugung die Menschen handeln müssen, in welchem Wahn sie sich womöglich befinden.

Die Frage, die man sich automatisch stellt, ist die nach dem Warum. Warum möchte jemand dorthin ausreisen, wo Millionen anderer Menschen nur herauskommen möchten? Wer möchte in Gebiete auswandern, aus denen uns jeden Tag so viele Flüchtlinge erreichen? Was bringt die Menschen dazu, Bremen oder andere deutsche Städte zu verlassen, ihr Zuhause, ihre Eltern, Geschwister und Freunde zurückzulassen, um in den Krieg zu ziehen?

Menschen, die sich zu diesem Schritt entscheiden, haben oftmals einen ähnlichen Weg hinter sich. Da

bei spielt es jedoch selten eine Rolle, ob die betreffenden Personen, die meist jung und männlich sind, mit dem Islam aufgewachsen sind.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Für den gewaltbereiten, kampfbereiten Salafismus werden Menschen aus jeder Schicht, jeder Herkunft rekrutiert. Das sind Urbremer, Deutsche aus Russland, muslimisch geprägte Jugendliche oder Menschen aus einem ganz anderen Umfeld. Diese Personen werden von Freunden und Bekannten angesprochen, hören von Kundgebungen mit charismatischen Rednern und entdecken ihr Interesse dafür.

Menschen, die fest in ihrem Glauben verankert sind, sind dabei selten Zielgruppe derer, die radikalisieren. Von Interesse bei der Missionierung sind Jugendliche. Junge Erwachsene sind empfänglich für radikale Botschaften – insbesondere wenn ein hehres Ziel definiert ist. Außerdem ist nicht nur politisch interessierten Menschen bewusst, dass die Differenzierung zwischen Gut und Böse nicht immer einfach ist. Das zeigen weltweite Konflikte, aber auch kleinere Auseinandersetzungen im Alltag.

Wir leben in einer Welt, in der es gar nicht so einfach ist zu entscheiden, welcher Weg der richtige, welche Entscheidung die beste ist. Generell fällt die Beurteilung von Gut und Böse nicht mehr leicht. Viele junge Menschen sehnen sich aber nach einfachen Kategorisierungen von Gutem und Bösem. Im Salafismus finden sie genau das. Sie finden klare Strukturen und werden als einzelnes Mitglied der Gemeinschaft wahr- und ernstgenommen. Es wird relativ schnell deutlich gemacht, wie auch der einzelne einen wertvollen Beitrag zur Erreichung des Ziels leisten kann.

Dabei ist natürlich auch zu erwähnen, dass eine Radikalisierung nicht immer in einer Ausreise ins Kriegsgebiet münden muss. Die Radikalisierung kann per se auch nicht mit Gewaltbereitschaft oder gewalttätigem Einschreiten gleichgesetzt werden. Trotzdem liegt auch in der Radikalisierung ohne Gewalt eine Gefahr – ähnlich wie bei Sekten oder anderen fundamentalistischen Strömungen innerhalb anderer Religionen.

Nicht erst nach meinen Ausführungen wird deutlich, dass man diesem Prozess nicht einfach freien Lauf lassen kann. Die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen wären zu groß. Außerdem dürfen auch die sekundär involvierten Personen, das heißt Familienmitglieder, Freunde, Lehrer und andere, nicht einfach auf sich allein gestellt sein. Es ist unheimlich wichtig, diese Entwicklung genau im Auge zu behalten und aktiv zu informieren, zu begleiten und vor allem gegen Radikalisierung zu wirken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich befürworte ein Präventionsnetzwerk, wie es in dem vor

liegenden Antrag der CDU-Bürgerschaftsfraktion gefordert wird. Im Übrigen möchte ich ein solches nicht auf die Radikalisierung muslimischer Jugendlicher beschränken, sondern auf Jugendliche jeglichen religiösen Hintergrundes ausweiten.

(Beifall bei der SPD)

Wie ich bereits erwähnt habe, werden Jugendliche aus allen möglichen Bereichen radikalisiert. Oft geht die Radikalisierung mit der Konvertierung einher, sodass die betroffenen Personen nicht unbedingt erst Moslem sind, bevor sie fundamentalistisch werden.

Als gesamtgesellschaftliches Problem finde ich es auch richtig, ressortübergreifende Zusammenarbeit bei diesem Projekt zu gewährleisten. Neben dem Innenressort und dem Sozialressort möchte ich außerdem gerade im Hinblick auf Aufklärungsarbeit in den Schulen und anderen Bildungseinrichtungen das Bildungsressort einbeziehen. Pädagogisches Wissen ist hier unabkömmlich.

Ich habe eingangs schon erwähnt, dass die Zielgruppe der gewaltbereiten Salafisten aus jungen Menschen besteht, Personen zwischen 14 und 25, die zu einem nicht unerheblichen Anteil noch Schulen besuchen. Außerdem sehen sich Lehrer zunehmend mit Fragen oder beiläufigen Kommentaren konfrontiert. Darauf muss genauso reagiert werden können wir auf Diskriminierung oder gar Mobbing andersdenkender Schüler. Ob dafür Leitlinien zur Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen erforderlich sind, wie sie in dem Antrag beschrieben sind, bin ich mir nicht sicher. Wichtig ist, dass alle Betroffenen erreicht werden und es ausreichend Fortbildungsmöglichkeiten gibt.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aufsuchende Arbeit ist gerade dann wichtig, wenn man Menschen erreichen will, die skeptisch gegenüber staatlichen Einrichtungen sind oder sich aus anderen Gründen nicht einfach in eine Behörde trauen. Gleiches gilt für ein mehrsprachiges Angebot oder, sofern es Verständigungsschwierigkeiten gibt, die Möglichkeit –

(Glocke)