Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

u n d

Gesetz zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag

Mitteilung des Senats vom 30. August 2011 (Drucksache 18/40) 2. Lesung

s o w i e

Bericht und Antrag des Ausschusses für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfrei- heit zum Entwurf des 15. Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Fünf- zehnter Rundfunkänderungsstaatsvertrag – 15. RfÄndStV), Mitteilung des Senats vom 9. November 2010 (Drs. 17/1523), sowie zum Entwurf eines Gesetzes zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Mitteilung des Senats vom 30. August 2011 (Drs. 18/40) vom 3. November 2011

(Drucksache 18/101)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Meine Damen und Herren, der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Drucksache 17/1523, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 78. Sitzung der 17. Wahlperiode am 9. Dezember 2010 zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Informations- und Kommunikationstechnologie und Medienangelegenheiten überwiesen worden. Das Gesetz zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, Drucksache 18/40, ist von der Bürgerschaft (Landtag) in ihrer 5. Sitzung am 28. September 2011 in erster Lesung

beschlossen und zur Beratung und Berichterstattung an den Ausschuss für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit überwiesen worden. Dieser Ausschuss legt mit der Drucksachen-Nummer 18/101 seinen Bericht und Antrag dazu vor.

Wir kommen zur zweiten Lesung der Gesetzesvorlage.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Berichterstatterin, Frau Schön.

Herr Präsi

dent, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerschaft hat den Entwurf des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags in ihrer Sitzung am 9. Dezember 2010 und den Gesetzentwurf dazu in der Sitzung am 28. September 2011 an den Ausschuss für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit zur Beratung und Berichterstattung überwiesen. Der Ausschuss hat den Staatsvertrag mehrfach, zuletzt in seiner Sitzung am 5. Oktober 2011, beraten.

Im 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag wird der Wechsel von einer geräteabhängigen Rundfunkgebühr hin zu einem geräteunabhängigen Rundfunkbeitrag vollzogen, das heißt, der Rundfunkbeitrag wird künftig unabhängig von der Anzahl der Geräte für jeden Haushalt und jede Betriebsstätte erhoben, pro Wohnung beziehungsweise gestaffelt nach der Anzahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter pro Betrieb. Damit wird die von vielen Bürgerinnen und Bürgern als unzumutbar empfundene Kontrolle hinter der Wohnungstür durch Beauftragte der GEZ künftig entfallen. Bei dem Modellwechsel geht man von Beitragsstabilität aus und von der Erwartung, dass die Existenz Radio Bremens dauerhaft gesichert bleibt.

Der Ausschuss hat intensiv über das Thema unter intensiver Mitwirkung der Datenschutzbeauftragten und Radio Bremens beraten. Der entsprechende Bericht liegt Ihnen vor. Besonderen Beratungsbedarf gab es zum Thema Datenschutz, und hier über die Frage der Adressdatenbeschaffung über Dritte. In dem vorgelegten Gesetzentwurf wird versucht, dieses Spannungsverhältnis aufzulösen. Den Rundfunkanstalten wird bis zum 31. Dezember 2014 untersagt, Adressdaten privater Personen zu kaufen. Eine Evaluation der neuen Regelung soll dann bis Ende 2014 klären, ob die umfangreichen Datenerhebungsbefugnisse tatsächlich erforderlich sind.

Ein weiterer Beratungspunkt war die Beitragsbefreiung. Künftig werden leistungsfähige behinderte Personen zur Zahlung eines Drittels des Rundfunkbeitrags herangezogen. Man verspricht sich davon, dass die Rundfunkanstalten die Barrierefreiheit ihrer Programme ausbauen werden. Wie bisher wird es weiter die Möglichkeit geben, sich beim Bezug ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

bestimmter staatlicher Sozialleistungen von der Rundfunkbeitragspflicht befreien zu lassen.

Im Ergebnis der Beratungen empfiehlt der Ausschuss der Bürgerschaft mehrheitlich mit den Stimmen der Mitglieder der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und der CDU, den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu ratifizieren und dem Gesetz zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zuzustimmen. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD, beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Motschmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte hier kurz fünf Punkte ansprechen: Erstens, die CDUFraktion stimmt dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu. Ich benutze dieses Wort kein einziges Mal mehr, weil ich finde, es ist ein Wortungetüm. Dieser Vertrag ist bereits im Dezember 2010 von allen Regierungschefinnen und -chefs der Länder unterzeichnet worden, und wir vollziehen jetzt die Zustimmung.

Zweitens, die CDU-Fraktion begrüßt den Wechsel von einer geräteabhängigen Rundfunkgebühr hin zu einem geräteunabhängigen Beitragsmodell. Das ist ein großer Fortschritt, auch im Hinblick auf den Datenschutz, ich werde das gleich noch einmal ausführen.

Drittens, wir hoffen oder erwarten, dass dieser Wechsel aufkommensneutral erfolgt und es keine Erhöhung der Gebühr von 17,98 Euro geben wird. Keiner weiß ganz genau – das müssen wir hier deutlich sagen –, was der Wechsel am Ende an Rundfunkgebühren einbringen wird, ob es ungefähr das Gleiche ist, was gehofft wird, oder ob es da auch Verschiebungen gibt. Egal, was dabei herauskommt, wir erwarten, dass die Gebühr nicht erhöht wird.

Viertens, mögliche Einnahmeverschiebungen, die es durchaus geben kann, dürfen bitte nicht zulasten von Radio Bremen gehen. Wir wollen die Existenz unseres Senders gesichert sehen, auch mit dem neuen Beitragsmodell, und insofern sage ich noch einmal ausdrücklich: Radio Bremen muss bleiben, auch wenn es vielleicht weniger Einnahmen gibt.

Fünftens, nun komme ich zum Datenschutz, hier gibt es ja den Antrag der LINKEN. Im Hinblick auf den Datenschutz ist zumindest Nachdenklichkeit angesagt. Sowohl unsere eigene Landesdatenschutzbeauftragte als auch andere Landesdatenschutzbeauftragte anderer Länder haben hier Bedenken erhoben. Ich habe vor zwei Tagen auch noch einmal mit dem Landesdatenschutzbeauftragen von ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Sachsen-Anhalt gesprochen. Die Bedenken ähneln sich, es ist ja auch im Bericht schon angeklungen. Das betrifft insbesondere die Tatsache, wie man an die Daten und Adressen herankommt, ob man auch Private hinzuziehen kann, sprich Adresshändler. DIE LINKE sieht das sehr kritisch, ich bin da auch, sage ich einmal vorsichtig, kritisch, aber wir haben Zeit zur Modifizierung, das haben wir soeben gehört, und bis 2014 werden diese privaten Adresshändler und andere Möglichkeiten nicht herangezogen.

Es gibt auch noch einmal, angeregt von den Intendanten, eine juristische Beurteilung dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrags durch den Justiziar des Südwestrundfunks. Auch er sagt, das kann man so machen, aber man kann es an der Stelle, was den Datenschutz und die Gewinnung von Adressen angeht, noch modifizieren und konkretisieren. Das kann in den nächsten beiden Jahren geschehen, sodass wir zwar den Antrag der LINKEN ablehnen, aber trotzdem sagen, hier muss vielleicht noch im Detail nachjustiert und auch evaluiert werden, und es muss geschaut werden, was geht und was nicht. Dafür haben wir Zeit, und insofern können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen, aber Nachdenklichkeit ist da angesagt.

Der letzte Punkt: Die Befreiungstatbestände für Menschen, die das nicht bezahlen können, sind niemals befriedigend, auch für uns als CDU-Fraktion nicht. Trotzdem ist es sehr schwer, eine Gerechtigkeit hinzubekommen, und der Aufwand muss immer auch in einem Verhältnis stehen. Es gibt sicherlich Personengruppen, bei denen ich sage, die hätten die Befreiung auch verdient, aber sie bekommen sie nicht. Der BAföG-Empfänger, Student, bekommt die Befreiung, derjenige, der vielleicht schlechter von seinen Eltern unterstützt werden kann, bekommt sie nicht, aber trotzdem muss man sagen, die absolute Gerechtigkeit lässt sich nicht herstellen.

Wir stimmen diesem Vertrag zu und sehen optimistisch in die Zukunft, dass es dadurch doch eine deutliche Verbesserung für uns alle gibt, vor allen Dingen auch im Zusammenspiel mit der GEZ, die nun nicht mehr überraschend nach Hause kommen kann, um Geräte zu zählen. Ich glaube, das ist uns allen sehr recht. Ich habe bei mir allerdings noch nie jemanden empfangen und erlebt, was nicht heißt, dass dies jetzt kommen muss, aber trotzdem ist das ein großer Fortschritt für die Zukunft. – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Vogt.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wir begrüßen ausdrücklich die Systemumstellung hin zur ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.

Haushaltspauschale. Die gerätebezogenen, gebundenen Beiträge sind schlichtweg von der technischen Entwicklung überholt worden und überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Von der Pauschale erwarten wir auch für die Bevölkerung eine Planungssicherheit im Sinne von Beitragsstabilität und auch für die Rundfunkanstalten und vor allen Dingen natürlich auch für Radio Bremen, obwohl wir alle wissen, dass damit auch noch mehr verbunden ist. Mit diesem vorliegenden Staatsvertrag ist beides zu schaffen, und das begrüßen wir ausdrücklich.

Wir – und damit sind wir allerdings nicht allein – erwarten von einer zeitgemäßen Reform der Beitragserhebung aber noch einiges mehr. Die Reform ist nämlich nicht zu vermitteln, wenn die GEZ zur Umsetzung massiv Personal aufstocken muss, denn da wird nichts vereinfacht, sondern es wird noch mehr Bürokratie geschaffen. Dadurch wird ein noch größerer Anteil des Gebührenaufkommens in Deutschlands ungeliebtester Behörde, der GEZ, versickern, und das müssen Sie den Leuten damit auch einmal erklären: Es ist so, dass diese Doppelung, die in diesem Rundfunkstaatsvertrag entsteht, mehr Bürokratie und mehr Personalkosten schafft.

Die Reform steht rechtlich für uns auch auf tönernen Füßen, wenn Grundrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht seltener, sondern zukünftig eher noch viel häufiger eingeschränkt werden. Die Verpflichtung Dritter, bei der Gebühreneintreibung als Inkassohandlanger der GEZ aufzutreten, ist da ein Beispiel. Das ist für alle Beteiligten ein unhaltbarer Zustand. Ob sich die Konstruktion, die sich da im Staatsvertrag im Fall einer Klage ergibt, sagen wir einmal zum Beispiel von Haus & Grund, überhaupt aufrechterhalten lässt, ist aus unserer Sicht zweifelhaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu einer zukunftsweisenden Reform gehören zwingend hohe Datenschutzstandards, und hier mutet der Staatsvertrag leider an, als käme er aus den Achtzigerjahren des letzten Jahrtausends. Das Gesetz strotzt vor Ungereimtheiten, handwerklichen Fehlern und klarer Missachtung verbriefter Bürgerrechte. Deshalb haben wir den Entwurf im Ausschuss abgelehnt und auch in der ersten Lesung, und wir haben deswegen auch den Entschließungsantrag eingereicht.

Wir wollen so schnell wie möglich Nachbesserungen bei den dringendsten Problemen erreichen, denn die Diskussion im Ausschuss hat eines ergeben: Über die Satzung der Rundfunkanstalten kann Radio Bremen hier in Bremen allein nichts ausrichten, da sind ihnen die Hände gebunden. Das läuft nur über die ARD als Gesamtrundfunkanstalt, und die wird es nicht machen.

(Abg. S c h i l d t [SPD]: Welche Satzung?)

Es gibt die Möglichkeit, per Satzung den Datenschutz zu regeln, ich glaube, das war in Paragraf 9 im Rundfunkstaatsvertrag geregelt. Herr Metzger hat da aber ziemlich eindeutig klargemacht: Radio Bremen kann da als kleine Anstalt der ARD überhaupt nichts machen, das muss die ARD als gesamte Rundfunkanstalt machen.

Die erste Frage ist: Woher kommen die Meldedaten? Da führt der Entwurf gleich ein ganzes Bündel an Mitteln und Wegen ins Feld. Meldedaten können von den Betroffenen direkt kommen, das ist sinnvoll und erwünscht. Sie können von den Meldebehörden kommen, die ja dank der Meldegesetze auf dem neuesten Stand sind, es sei denn, man setzt sanktionierte Rechtsverstöße und Meldevergehen als gegeben voraus, was wir erst einmal nicht tun. Dann kommen noch Meldedaten von Vermietern und Verpächtern, die gegenüber der GEZ auskunftspflichtig werden, und falls das alles noch nicht reicht, wird der Adresshandel – und das ist unserer Meinung nach eine rechtliche Grauzone – herangezogen.

Das Bemerkenswerte an diesem ganzen Bündel ist aber, dass im Gesetzestext explizit keine Rangfolge der Maßnahmen formuliert wird. Die steht, und das wundert uns, warum auch immer, später im Begründungstext und ist damit rechtlich nicht bindend. Das spricht bei diesem ganzen Staatsvertrag für eine starke Verhandlungsmacht der GEZ und der Rundfunkanstalten, die sich natürlich alle Türen offenhalten wollen. Dass die Staatskanzleien diesen Passus dennoch unterzeichnet haben, spricht unsererseits nicht gerade für ein Problembewusstsein und auch für ein merkwürdiges Rechtsverständnis.

Einen Staatsvertrag, der derartige Grauzonen aufweist, werden wir nicht mit unterzeichnen. Das ist handwerklich schlecht gemacht und dient einzig und allein der Sammelwut der GEZ, die sich anschickt, eine Super-Meldebehörde zu werden, wie auch der sächsische Landesdatenschützer richtigerweise meint.

Nun zu unserem Entschließungsantrag! Wir haben diese Diskussion im Ausschuss geführt, wir waren auch sehr für diese Diskussion und hatten uns ein bisschen erhofft, dass Bremen sich eine Art Selbstverpflichtung auferlegen kann, aber wir haben festgestellt, über den Ausschuss geht es nicht. Wir wollen die Meldedatenerhebung sparsam, transparent und im Sinne der Datenvermeidung gestalten, ohne Adresshandel und ohne Handlangerdienste Dritter. Da die Meldebehörden ohnehin im ständigen Austausch stehen, braucht man auch keinen Adressaustausch zwischen den Rundfunkanstalten. Der ist überflüssig und schafft nur eine riesige Adressdatenbank, die dann auch noch doppelt vorliegt, und doppelt vorliegende Adressdatenbanken sind auch für kriminellen Missbrauch anfällig. Beispiele aus anderen Ländern zeigen, wie schnell das gehen kann: In Israel gab es zum Beispiel vor drei Wochen den Download der gesammelten Datenbanken der Einwohnermeldeämter, und das ist ein Risiko, das

man mit dieser doppelten Datensammlung nicht eingehen sollte.

Außerdem wollen wir hier im Parlament festhalten, dass die Drittbescheinigungen bei Sozialleistungsbezug in Bremen ausreichend und für die Datenerhebung durchaus genügend sind. Wir wissen, dass das in Bremen so gehandhabt wird, zumindest vom Jobcenter. Wir wollen aber auch eine Verpflichtung, dass in Zukunft Sozialleistungsempfänger nicht ihren ganzen Leistungsbescheid vorlegen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Abschluss möchte ich noch einmal etwas auf eine Frage von Frau Motschmann antworten! Es fiel vorhin noch einmal das geflügelte Wort der Evaluierung, die für den Staatsvertrag vorgesehen ist. Diese ist vermutlich schwer durchzusetzen – das wird von den Datenschützern der Länder auch selbst gesagt –, und praktisch wird dann ja ein weiterer Änderungsstaatsvertrag folgen müssen. Dessen sind wir uns bewusst, und deswegen wollen wir uns auch hier ein klares Votum von der Bürgerschaft holen, was die Belange des Datenschutzes angeht.

Ich möchte hier noch einmal darauf hinweisen, haben andere Landtage ähnliche Entschließungen verabschiedet – wir würden damit nicht allein stehen – und senden damit ein Signal, dass dieses Verhandlungsergebnis in dieser Form keine behördliche Praxis werden darf.

(Glocke)