Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

(Glocke)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beantragen bei unserem Entschließungsantrag getrennte Abstimmung, weil er drei unterschiedliche Punkte enthält, und wir sind einmal gespannt, ob sich dem eine Mehrheit in diesem Haus anschließen kann. – Danke!

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin Vogt, darf ich gleich fragen: Welche Absätze möchten Sie getrennt abstimmen? Jeden Absatz einzeln?

(Abg. Frau Vo g t [DIE LINKE]: Ja!)

Okay!

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Grotheer.

(Heiterkeit)

Entschuldigung! Die Abgeordnete Frau Grotheer!

(Zuruf des Abg. Ts c h ö p e [SPD])

Herr Präsident, ich denke, wir führen nach der Debatte einmal ein Gespräch darüber und machen uns noch einmal persönlich so bekannt, dass Sie mich nicht mehr mit meinem Mann verwechseln!

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wahrscheinlich geht es Ihnen wie mir: Sie kommen morgens ins Bad und schalten das Radio ein, spätestens in der Küche. Da hören Sie bei Radio Bremen die Wettermeldungen und Nachrichten. Ich achte besonders auf die Schulmeldungen, denn ich habe vier Kinder, die jeden Morgen auf eine Mitteilung hoffen, dass ihre Schule heute nicht stattfindet. Dann fahre ich zur Arbeit, dann sehe ich auf dem Handy einmal eben nach, was sich in der Welt getan hat. Im Anschluss schaue ich auch im Büro in der Pause einmal kurz, wie die Lage in der Welt ist, und abends schaue ich natürlich das „heute journal“ oder die „Tagesschau“, Sie wahrscheinlich auch. Man kann aber zwischen diesen ganzen Geräten nicht mehr unterscheiden. Jedes Gerät erfüllt denselben Zweck, es vermittelt Ihnen Informationen. Das war die Begründung, diesen Staatsvertrag zu ändern beziehungsweise zu formulieren und daraus einen Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zu machen.

Anknüpfungspunkt dabei – das ist hier schon angesprochen worden – ist die Wohnung, in der die Person wohnt, die diese Geräte nutzt, und nicht mehr die Frage, wie viele Bezieher von Einkommen in einer Wohnung wohnen und wer von ihnen über ein eigenes Gerät verfügt oder auch nicht, also weg von einer geräteabhängigen zu einer geräteunabhängigen Gebühr beziehungsweise einem Beitrag.

Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Die GEZKontrolleure müssen weder an die Tür noch müssen sie hinter die Wohnungstür. Im Bereich der Betriebsstätten werden je nach Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten Beiträge fällig. 90 Prozent der Betriebe fallen in die untersten beiden Beitragsstufen. Außerdem führt die Beitragsfreiheit für das erste Fahrzeug zu einer Entlastung in Kleinbetrieben und bei Selbstständigen.

In der Debatte habe ich keine Beiträge gehört, die sich dafür ausgesprochen haben, zukünftig ganz auf Gebühren oder Beiträge zu verzichten, sondern es scheinen sich alle einig zu sein, dass die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks durch Gebühren oder Beiträge erfolgen muss. Für Bezieher von staatlichen Leistungen bleibt die Beitragsfreiheit erhalten. Das ist bereits von Frau Vogt angesprochen worden, wir haben im Ausschuss länger darüber diskutiert. Es gibt in Bremen bereits eine Einigung darüber, dass die sogenannten Drittbescheinigungen – also die Bescheinigungen, aus denen lediglich der Anspruch auf eine Gebührenbefreiung hervorgeht, aber nicht die gesetzliche Grundlage für diese Gebührenbefreiung – ausgestellt werden. Dieses Verfahren wird von allen ausstellenden Behörden, Radio Bremen und der GEZ mitgetragen. Dieses Vorgehen wird

auf das neue Beitragsverfahren übertragen und ist damit auch für die Zukunft sicher. Damit ist Ziffer 3 des Antrags der LINKEN überflüssig.

(Beifall bei der SPD)

In einem wesentlichen Punkt allerdings kann und soll das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender verbessert werden, nämlich bei den barrierefreien Angeboten für Behinderte. In einer Protokollerklärung haben alle den Staatsvertrag unterzeichnenden Länder dies eindeutig formuliert. Deswegen kann meines Erachtens auch gerechtfertigt werden, dass zukünftig finanziell leistungsfähige Behinderte zu ermäßigten Beiträgen herangezogen werden.

Der Ausschuss für Wissenschaft, Medien, Datenschutz und Informationsfreiheit hat diesen Auftrag in Bezug auf die Barrierefreiheit nachhaltig unterstützt. Deswegen hat er bereits in seiner letzten Sitzung auf Vorschlag der SPD-Fraktion den langjährigen Vorsitzenden des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf als besonderen Kenner der Materie in den Rundfunkrat von Radio Bremen gewählt.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Meine Vorrednerinnen haben schon einen Punkt besonders angesprochen, die Frage, wie man eigentlich die zukünftigen Beitragszahler ermittelt. Im Blick steht dabei besonders die Befugnis der Rundfunkanstalten, Daten ohne Kenntnis der Betroffenen sowohl aus öffentlichen als auch aus nicht öffentlichen Quellen zu erheben, unter anderem auch durch den Ankauf von Adressdaten bei sogenannten Adresshändlern. Der vorliegende Gesetzentwurf hat dieses Problem gesehen. Den Rundfunkanstalten wird bis Ende 2014 untersagt, diese Adressdaten Privater zu kaufen. Das ist neu, das gab es bisher nicht, das absolute Verbot, die Daten anzukaufen.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Bis zu diesem Zeitpunkt soll eine Evaluation der neuen Regelungen durchgeführt und unter anderem untersucht werden, ob die Datenerhebungsbefugnisse im gesetzlich festgelegten Umfang erforderlich sind. Zusätzlich soll ein einmaliger bundesweiter Meldedatenabgleich zu einem festgelegten Stichtag erfolgen, damit ein Ankauf privater Daten gar nicht erst notwendig wird. Darüber hinaus – und das ist das, was man jetzt besonders betonen muss – haben die Rundfunkanstalten erst kürzlich ein Gespräch mit den Landesdatenschutzbeauftragten, unter anderem auch mit der Bremer Landesdatenschutzbeauftragten, Frau Dr. Imke Sommer, zu diesem Thema geführt.

Dessen Ergebnisse sind in das Papier – jetzt muss ich zitieren – „Eckpunkte für eine Konkretisierung der datenschutzrechtlichen Regelungen im Vollzug des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags“ eingeflossen. Dieses Papier haben Sie gestern in Ihren Postfächern vorgefunden, und wer es aufmerksam gelesen hat, sieht darin eindeutig, dass die Rundfunkanstalten ihren Willen bekräftigen, die Daten zunächst bei den Betroffenen zu erheben und erst nachrangig auf andere Möglichkeiten zurückzugreifen. Auch da sagen sie: erst die öffentlichen Stellen, und ganz zum Schluss die privaten! Damit haben die Rundfunkanstalten meines Erachtens eine Selbstverpflichtung für sich beschlossen, der wir unbedingt folgen können. Die Forderungen der LINKEN in dem von ihnen hier vorgelegten Antrag gehen auch aus diesem Grund ins Leere.

(Abg. Frau Vo g t [DIE LINKE]: Nein, wir wollen den Adresshandel ausschließen!)

Weitaus schlimmer ist jedoch, dass DIE LINKE in den Ziffern 1 und 2 des Antrags Forderungen stellt, die den Regelungen des Rundfunkänderungsstaatsvertrags explizit widersprechen. Eine Beschränkung allein auf die Meldedaten und darauf, den Datenaustausch zwischen den Rundfunkanstalten zu unterlassen, ist faktisch eine Ablehnung dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrags. Wir lehnen den Antrag der LINKEN deswegen ab.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Die SPD steht zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und zu Radio Bremen und wird deswegen dem Gesetz zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zustimmen. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Werner.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen uns von einem Feindbild verabschieden. Unter der GEZ habe ich auch als braver Gebührenzahler lange so ein bisschen obskur wirkende Männer verstanden, die plötzlich ungelegen im Hausflur standen und denen man dann erklären musste, warum man zwei Namen an der Klingel stehen hat, wer da welches Zimmer bewohnt, wem die Satellitenschüsseln oben rechts vom Balkon gehören und dass man auf dem Buchhaltungscomputer wirklich nicht fernsehen kann. Peinliche Situationen, oft die Intimsphäre und auch die Unantastbarkeit der Wohnung jedenfalls tangierend, und übrigens

oft genug auch ohne großen Erkenntniswert für die Diskussionspartner! Dafür wurde dann Lug und Trug Tür und Tor geöffnet, und man kam immer auf richtig gute Ideen, wie man doch darum herumkommen kann, diese Gebühr zu bezahlen.

Das soll jetzt vorbei sein, ein Feindbild soll verschwinden, ein Imagekiller für die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehangebote. Schluss mit der legendären Schnüffelei der GEZ, das finden wir Grüne gut, denn die GEZ tut etwas Gutes: Sie finanziert die hochwertigen journalistischen Angebote der ARD, des ZDF, des Deutschlandradios und auch die Bürgermedien.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Bisweilen hochwertig! Nur nicht übertreiben!)

Wir Grüne haben so einen Systemwechsel lange gefordert: Weg von der bisherigen Rundfunkgebühr, die nach Empfangsgeräten und ihren Inhabern erhoben und eingetrieben wurde, hin zu einem einheitlichen Beitrag, der für jeden Privathaushalt und jeden Betrieb anfällt! Egal, wie viele Geräte in der Wohnung stehen, wie viele Menschen darin wohnen, wie sie dort wohnen, und egal, ob die Kaffeemaschine oder das Bügeleisen nur blubbern oder wie bei Frau Grotheer auch Musik läuft, denn was ist heute nicht schon alles ein Empfangsgerät oder mit einem solchen vernetzt! Das ist kaum noch zu prüfen, und in Zukunft ist es auch egal, ob ich mit meinem Telefon nur telefoniere oder damit Nachrichten höre. Für Betriebe wird der Beitrag klar und durchsichtig nach der Zahl der Mitarbeiter und der Betriebsstätten bemessen, und für 90 Prozent der Betriebsstätten fällt nur ein Drittel oder maximal ein einziger ganzer Beitrag an, das sind dann alle diejenigen mit weniger als 20 Mitarbeitern.

Für diese Systemumstellung müssen die Rundfunkanstalten ihre Datenbanken komplett neu aufstellen. Dazu dürfen sie einmalig für einen bundesweit einheitlichen Stichtag Namen, Geburtstag, Familienstand, Anschriften und Einzugsdatum mit den Meldeämtern abgleichen, und dafür sind ja Meldeämter eigentlich auch da. Da wird auch, glaube ich und hoffen und glauben wir auch alle, keine Datenkrake geboren.

Der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag – den Begriff muss ich auch immer ablesen – sorgt übrigens auch dafür, dass wir uns bald daran gewöhnen dürfen, den Tatort ruhig einmal ohne Bier zu genießen. Sponsoring und Werbung – das hat hier heute noch gar keiner erwähnt – wird es im Abendprogramm der öffentlich-rechtlichen Sender nach 20.00 Uhr in Zukunft nicht mehr geben

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

mit einigen Ausnahmen beim Sport, die wir in den nächsten Jahren noch einmal genau ansehen sollten.

Überhaupt müssen wir in den nächsten Jahren – das haben meine Vorrednerinnen schon gesagt – den Rundfunkänderungsstaatsvertrag immer weiter genau beobachten. Unter anderem gilt es zu überprüfen, wie sich die Gesamteinnahmen für die Sender entwickeln. Es wäre doch auch schön, wenn für Radio Bremen am Ende etwas übrig bleibt oder sogar überhaupt. In den Jahren 2014/2015 wird der Vertrag evaluiert, dann sollten wir auch noch einmal ein waches Auge auf den Datenschutz haben. Wir sind aber froh, dass wir als Bremer Grüne – meine Vorgängerin als medienpolitische Sprecherin Anja Stahmann allen voran – in den Verhandlungen über den neuen Beitrag viel mehr Datenschutz durchsetzen konnten, als dort ursprünglich vorgesehen war.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Bis zu dieser Evaluation des Vertrags im Jahr 2015 ist ein Adressankauf – das haben die Kolleginnen auch schon gesagt – nicht mehr erlaubt. Bisher ist er das, wir werden sehen, ob man diesen denn überhaupt noch braucht. Wir Grüne hoffen und wollen, dass das nicht der Fall ist. Nun beantragt DIE LINKE, das jetzt schon auszuschließen. Ja, dann könnten Sie dem Vertrag auch zustimmen, und lassen Sie uns doch im Jahr 2015 dann gern noch einmal über Ihren Antrag hier beraten! Sie sind da so ein bisschen hellseherisch unterwegs, andererseits beantragen Sie heute etwas, das es ganz einfach schon überwiegend gibt.

Seit dem Jahr 2005 hat Bremen mit den Leistungsbehörden, Radio Bremen und den Datenschutzbeauftragten an einem runden Tisch als Vorreiter für die anderen Bundesländer und die anderen ARDAnstalten die Ausstellung von Drittbescheinigungen zur Gebührenbefreiung erarbeitet. Wo das noch nicht funktioniert, sollten wir es einfordern, da sind wir ganz bei Ihnen. Das ist aber keine Aufgabe der GEZ und der Radiosender, sondern der Sozialbehörden.

Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Worte zu dem bunten Strauß an Unterstellungen und inszenierten Missverständnissen sagen, zum Beispiel zu der Frage der „begründenden Lebensumstände“ für eine Abmeldung von der Beitragspflicht! Die muss man mit Wohnungsauflösung, Tod oder Auswanderung begründen. Wenn Journalistenkollegen behaupten, da würde nach Eheproblemen oder Einrichtungsgeschmack oder Tapetenmustern gefragt, dann vermischen sie da Interessen ihrer Sender und Verleger mit Berichterstattung über eine neue Abgabe. Gehen wir aber bitte nicht denen auf den Leim, die unter einem überraschenden Engagement für Datenschutz und einem erstaunlichen Misstrauen gegen pragmatische Verfahren ihr Interesse an nur nicht zu starken öffentlich-rechtlichen Sendern

und Konkurrenten verstecken und letztlich an einer Schwächung unseres dualen Rundfunksystems!

Der innenpolitische Sprecher der Bremer FDP, Herr Scheidtweiler – er kann das heute hier nicht erläutern, deswegen wiederhole ich es gern noch einmal –, hat ganz direkt gesagt, er halte die Praxis, für Rundfunk und Fernsehen Geld zu verlangen, für alt und überholt. Wir Grüne sehen das nicht so. Wir wollen das duale System stärken und schärfen, und dazu gehört auch eine duale Finanzierung auf ausdrücklich verschiedenen Finanzierungswegen.

16 Bundesländer haben sich gemeinsam auf ein Regelwerk geeinigt. Wir begrüßen, dass das gelungen ist, und stimmen dem Gesetz zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu. Er schützt die Privatsphäre besser als bisher, er ist technologie- und zukunftsoffen, er sichert eine gerechte und praktikable Handhabe der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender, und wir glauben nicht, dass da eine schlimme und böse Datenkrake entsteht. – Vielen Dank!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort Herr Bürgermeister Böhrnsen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich mich in der Frage des Datenschutzes so unzweideutig und ohne Vorbehalte einem Redner der Grünen anschließen kann. Das mache ich an dieser Stelle!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)