Protokoll der Sitzung vom 20.11.2014

Zu Herrn Hinners möchte ich sagen: Wenn Sie wirklich ernsthaftes Interesse an Einbürgerungen haben, dann müssten endlich die Hindernisse, die teilweise von Herrn Tuncel benannt worden sind, beseitigt werden. Einige Hindernisse werde auch ich nennen. Es sind die Gebühren, die bundesrechtlich zu regeln sind. Es sind die Voraussetzungen, um eingebürgert werden zu können, der Einbürgerungstest, der Umfang der Sprachanforderungen, und es ist auch die vorhandene Einkommenshürde. Die sind alle bundesgesetzliche Regelungen. Wenn Sie ein ernsthaftes Interesse haben, dann müssen Sie sich dafür einsetzen, diese Hindernisse zu beseitigen, und das sage ich insbesondere in Richtung der CDU.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Die Annahme der Staatsbürgerschaft heißt für mich dazuzugehören – das ist ganz wichtig, die bürgerlichen Grundrechte ausüben zu können, sich zum Beispiel an den Wahlen beteiligen und politisch mitbestimmen zu können. Gerade gestern haben wir eine richtig hitzige Debatte zum Wahlrecht geführt, nachdem das Urteil des Staatsgerichts Anfang 2014 ergangen ist. Gerade für Nichtdeutsche ist es nicht möglich, sich politisch zu beteiligen, sodass der Erwerb der Staatsangehörigkeit weiterhin die einzige Chance bleibt, um mitzubestimmen. Deshalb müssen wir uns fragen: Warum machen Migrantinnen und Migranten von diesem Recht keinen Gebrauch? Woran liegt das?

Zu den bundesrechtlichen Fragen habe ich einiges gesagt, und auch Herr Tuncel ist darauf eingegangen, aber ich möchte ausdrücklich sagen, dass die Koalition aus Union und SPD im Bund ja auch leider entschieden hat, das Staatsangehörigkeitsrecht vieles beim Alten zu lassen. Es wurde viel diskutiert und wenig verändert, gerade die ältere Generation der Einwanderer – ich meine die Gastarbeitergeneration –, die ja eine generelle Akzeptanz der Mehr

staatigkeit erhofft hat, ist darüber bitter enttäuscht. Trotzdem reicht das alles nicht aus, um das Zögern der Migrantinnen und Migranten zu erklären, meine Damen und Herren.

Zur neuen Einbürgerungskampagne! Herr Hinners, wir haben, seitdem Rot-Grün regiert, zwei Kampagnen durchgeführt, das muss man erst einmal vormachen. Ich finde, ein Zeichen dafür, dass wir uns ernsthaft für die Einbürgerungskampagne einsetzen, ist, dass wir diese Kampagne finanzieren und dass wir einen Rahmen für Diskussionen schaffen, wie wir die Hindernisse abbauen können. Es gibt mehrere Erlasse, die man auf der Homepage der Innenbehörde nachlesen kann, durch die es zum Bespiel gut integrierten Jugendlichen erleichtert wird, sich einbürgern zu lassen. Das ist alles unter Rot-Grün passiert, aber nicht, als Sie damals an der Regierung beteiligt waren.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. H i n n e r s [CDU]: Da waren die Zahlen aber höher!)

Zu der Einbürgerungskampagne ist mir wichtig, vielleicht ein paar Aspekte zu nennen, die aus meiner Sicht kritikwürdig sind: Die Dauer der Kampagne auf zwei Wochen zu beschränken, das haben wir schon damals gesagt, ist zu kurz. Ich muss ehrlich sagen, ich musste suchen, um Plakate zu finden, denn sie waren nicht offensichtlich in der Stadt zu sehen.

Das Googlen nach der neuen Kampagne war auch nicht richtig ergiebig, nur wenn man die Internetadresse schon wusste, konnte man fündig werden. Ich möchte wirklich nicht kleinlich werden, aber das Motto „Ja, ich will“ stammt aus dem Jahr 2013 aus Nordrhein-Westfalen, und ich habe mich gefragt: Ist uns nichts Bremisches eingefallen? Wer wirbt hier um wen? Bremen will doch die Migrantinnen und Migranten, oder? Darum geht doch die ganze Werbung.

Ein Punkt ist mir wichtig zu sagen: Unter der Aufzählung, warum man Deutscher werden möchte, heißt es unter anderem: „mich wohlfühlen“. Kann man sich hier nur wohlfühlen, wenn man Deutscher ist? Was ist mit den Sympatieträgern aus der EU? Das sind die Kritikpunkte, die ich habe.

Einen letzten Punkt möchte ich noch zur Frage der Identifikationsfiguren sagen: Auf den Werbeplakaten könnte man ruhig alle Herkunftskontinente präsentieren. Ganz konkret meine ich, dass man auch ein afrikanisches Gesicht zeigen könnte.

Meine Damen und Herren, trotz all dieser Fragen glaube ich, dass wir im Kern einig sind, dass die Einbürgerungsfrage eine zentrale Frage der Integration ist. Ich glaube, dass wir bei dieser Frage in Bremen einiges machen, aber wir haben immer noch viel zu tun. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Tuncel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuerst zu Herrn Hinners! Herr Hinners, ich habe nicht gesagt, grundsätzlich gebe es keinen Doppelpass. Ich selber habe einen Doppelpass, weil ich mich nicht einbürgern konnte.

Zu Frau Mohammadzadeh und ihrer Aussage, dass die Einbürgerung schneller gehe und nur noch sechs Monate dauere: Ich bin in meiner Rede auf die Antworten des Senats eingegangen.

(Abg. Frau D r. M o h a m m a d z a d e h [Bündnis 90/Die Grünen]: Das ist so! Ja, das ist so!)

Das freut mich. Es ist schön, wenn das jetzt schneller geht.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Also Lob von der LINKEN!)

Auf jeden Fall, wenn das wirklich so sein sollte. Danke schön!

Wenn man es wirklich ernst meint damit, die Zahl der Einbürgerungen zu erhöhen, kann sich eine Kampagne nicht nur darauf beschränken, für eine Einbürgerung unter den bestehenden Bedingungen zu werben. Es muss auch darum gehen, die Bedingungen zu verbessern. Sie als Koalition können das machen, wenn Sie wollen.

Vor zwei Jahren haben wir über die Erleichterung der Einbürgerung für Kinder diskutiert. Sie können sich bestimmt noch erinnern.

(Abg. F e c k e r [Bündnis 90/Die Grünen]: Ja!)

Unser Deputierter Rolf Gössner hat ausführlich juristisch geprüft und Vorschläge gemacht, wie das geschehen könnte. Danach hätten Kinder, deren Eltern eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis haben, hier nach drei Jahren eingebürgert werden können. Stattdessen haben der Innensenator und die rot-grüne Deputierten ohne Not ein Mindestalter von zwölf Jahren festgelegt. Die gute Regelung ist nur noch halb so gut, wenn sie auf die Altersgruppe von 12 bis 27 Jahren beschränkt ist, meine Damen und Herren von der Koalition. Sie wollen die vermeintlich gute Integration testen. Damit liegt wieder einmal ein Riesendruck auf diesen Jugendlichen, wenn die Aufenthaltsverfestigung der ganzen Familie von ihnen abhängt. Wir hätten uns gewünscht, dass Sie im Sinne von Verstetigung und Verfestigung des Aufenthalts und im Sinne einer gerechten Teilhabe entschieden und die bestehenden Spielräume ausgeschöpft hätten. Im

Rahmen der Einbürgerungskampagne besteht jetzt die Chance, noch einmal darüber nachzudenken. Ich fordere Sie dazu auf: Schaffen Sie unnötige Hürden für eine Einbürgerung ab, meine Damen und Herren! Machen Sie die Einbürgerung kostenlos! Machen Sie auch den unseligen Einbürgerungstest kostenlos! Sie wollen ihn doch auch nicht. Dann lassen Sie sich doch wenigstens nicht auch noch dafür bezahlen! Ermöglichen Sie Kindern die schnellstmögliche Einbürgerung ab dem dritten Lebensjahr und verzichten Sie auf unnötige Altersgrenzen! Das kann helfen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Als Nächster hat das Wort Herr Senator Mäurer.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte nicht so viel Kritik erwartet, als wir in diesem Jahr gemeinsam, das heißt mit der Bürgermeisterin und dem Präsidenten des Senats, diese Kampagne ins Leben gerufen haben. Wir haben Hunderte von Plakaten ausgestellt, große, kleine. Wir haben Tausende von Flyern verteilt. Das Stadtamt begleitet diese Aktion mit Beratungsangeboten. Das heißt, es ist nicht nur eine abstrakte Werbemaßnahme, sondern sie ist mit konkreten Veranstaltungen verbunden, in denen die Mitarbeiter der Behörde dem interessierten Publikum erklären, wie das alles abläuft und was man machen muss.

Ich wusste aber auch nicht, dass das: „Ja; ich will“ aus Nordrhein-Westfalen kommt. Es heißt ja: „Ja, ich will wählen, mitbestimmen, Berufsfreiheit, Reisefreiheit, mich wohlfühlen, Deutscher sein.“ Das gilt richtigerweise genauso in Bremen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben uns im Senat auch darüber unterhalten, ob es Sinn macht, eine Kampagne loszutreten, wenn es Rückstände bei der Bearbeitung gibt. Die Antwort war. Nein, wir werden mit dieser Kampagne im Herbst erst dann beginnen, wenn der Rückstau in der Bearbeitung beseitigt ist. So haben wir gehandelt. An dieser Stelle vielen Dank an die Finanzsenatorin, die uns personell geholfen hat. Das war die Voraussetzung dafür, dass wir mit dieser Kampagne überhaupt begonnen haben. Wie gesagt: Es ist vermutlich nicht die letzte.

In dieser Stadt sind viele Dinge gemacht worden, die dazu beitragen, dass das keine bürokratische Angelegenheit geblieben ist. Die Veranstaltungen im Rathaus, die ich von meinem Vorgänger übernommen habe, sind in diesem Rahmen sehr anspruchsvolle Begegnungen. Sie sind würdig. Sie sind keine bürokratische Abfertigung, sondern mit sehr viel Gefühl verbunden. Ich glaube, dass Bremen da durchaus vorbildlich ist.

Wenn ich mir die Zahlen für dieses Jahr ansehe, bin ich ganz optimistisch. Mit Stand 31. Oktober haben wir 1 349 Einbürgerungen vollzogen. Im selben Zeitraum wurden bereits 695 Zusicherungen erteilt. Das heißt, die Statistik wird sich in den nächsten Monaten deutlich nach oben verändern. Das ist schön so.

Ich lasse einmal Revue passieren, was wir in den letzten Jahrzehnten hier in Bremen so alles gemacht haben. Das Problem ist immer gewesen: Einbürgerung fällt nicht vom Himmel. Das ist der letzte Akt in einer meistens sehr langen Biografie. Es beginnt mit der Einreise. Es sind Flüchtlinge. Sie sind nachher teilweise im Status der Duldung. Von der Duldung führt der Weg, wenn es gutgeht, in den Aufenthaltstitel. Danach kommt irgendwann die Einbürgerung. Zwischen diesen Phasen ist in dieser Bundesrepublik sehr viel reglementiert. Es sind immer lange Zeiten zu überbrücken, bevor man von der ersten in die zweite Stufe kommt. Wir haben auf Landesebene durch eine ganze Anzahl von Erlassen alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, die diese Zeiträume immer kleiner zu machen, weil wir der Überzeugung sind, dass eine vernünftige Integration nur dann beendet ist, wenn auch die Staatsbürgerschaft dazukommt.

Wir haben das auch auf Bundesebene nicht untätig betrachtet. Ich erinnere mich daran, dass wir in den letzten Jahren zahlreiche Bundesratsinitiativen mit dem Briefkopf von Bremen eingebracht haben. Sie haben es gesagt: Diese Uraltregelung, das Verbot der Mehrstaatlichkeit ist weiterhin die entscheidende Hürde.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich habe mit vielen Menschen gesprochen, die mir sagten: Wenn ich nicht das Problem mit meiner Verwandtschaft, dem Erben, allem, was damit zusammenhängt, hätte, wäre ich schon längst zu euch gekommen. Aber nein, es gibt hier immer noch eine Gruppe, die meint, davon hängt das Schicksal der Bundesrepublik ab.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)

Verräterisch ist ja, dass Herr Hinners inzwischen einräumt, dass bundesweit nahezu 50 Prozent derjenigen, die eingebürgert worden sind, mehrere Staatsangehörigkeiten haben. Das hängt einfach mit Folgendem zusammen: Es gibt Ausnahmeregeln. Manchmal ist die Verwaltung besser als die Politik, die erkennt, wenn jemand nicht aus seiner alten Staatsbürgerschaft entlassen wird, weil die Länder nicht kooperieren oder die Preise so hoch sind, dass das niemand bezahlen kann. Das muss man auch sagen. Dann bringen sie die Sache irgendwie zu Ende und ermöglichen den Erwerb der deutschen Staats

bürgerschaft, ohne dass die alte aufgegeben worden ist.

Man sieht: Mit dieser Situation ist keine Gefährdung der Bundesrepublik verbunden. Ich bin froh, dass wir nun den ersten Schritt getan haben, dass all diejenigen Kinder, die in der Bundesrepublik geboren worden sind, diese Entscheidung nicht mehr zu treffen haben. Sie können die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern behalten, müssen sich mit 18 Jahren nicht entscheiden. Das ist ein erster Schritt. Herr Hinners, ich glaube, wenn diese Koalition noch ein bisschen länger arbeitet, werden sie irgendwann selber sagen: Diese alte Regelung ist überlebt. Sie muss irgendwann fallen. Daran arbeiten wir. Aber – wie gesagt – diese Entscheidung können wir leider nicht hier in Bremen treffen. Sonst hätten wir das schon längst getan.

Deswegen also mein Fazit: Man kann alles noch besser machen. Es wird auch nicht die letzte Kampagne sein. Wir sollten uns in einem Punkt einig sein, nämlich dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, der richtige ist, und die Große Koalition dieses Hauses das trägt. – Danke sehr!

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Aussprache ist geschlossen.

Die Bürgerschaft nimmt von der Antwort des Senats, Drucksache 18/1522, auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Kenntnis.

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Halten von Hunden

Antrag der Fraktion der CDU vom 18. November 2014 (Drucksache 18/1631) 1. Lesung

Wir verbinden hiermit:

Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Halten von Hunden

Mitteilung des Senats vom 18. November 2014

(Drucksache 18/1637)