Sie haben alles Mögliche ausprobiert, und natürlich ist es so, dass ein Jugendlicher, der zum ersten Mal mit Mitschülern Alkohol trinkt, nach Hause kommt und dem schlecht ist, weniger Angst hat, zu Hause zuzugeben, dass er getrunken hat, als zuzugeben, dass er illegale Drogen probiert hat. Gerade weil aber der THC-Gehalt bei Cannabis mittlerweile acht- bis zehnmal so hoch ist wie noch vor 30 Jahren, gibt es natürlich auch gesundheitliche Probleme. Ich weiß nicht, ob jeder Jugendlicher unter den bestehenden Voraussetzungen zu Hause ehrlich sagen würde: Mama oder Papa, ich habe gekifft, mir ging es damit total schlecht, und wie kann ich denn das bewerten?
Das ist genau das Problem bei einer Illegalisierung dieser Drogen, es wird eben tatsächlich verhindert,
dass Jugendliche offen darüber sprechen. Dies ist doch auch genau der Grund, dass sie weder mit ihren Eltern noch mit anderen Vertrauenspersonen – das kann ja auch ein Lehrer sein, ein Betreuer im Jugendfreizeitheim oder wer auch immer – darüber sprechen. Dies wiederum ist doch aber auch einer der Gründe, weshalb Jugendliche so anfällig sind für einen missbräuchlichen Konsum und dann tatsächlich gesundheitliche oder auch psychische Schwierigkeiten haben und behandelt werden müssen. Genau das möchte ich verhindern, deswegen sage ich auch, dass ich zum Beispiel kein Modell will wie in den Niederlanden, wo es einfach um Privatisierung von Gewinnen geht, wo jeder in den Coffeeshops verkauft, was er will, wo überhaupt nicht kontrolliert wird, was eigentlich darin ist.
Natürlich hat man bei einer Legalisierung nicht das Problem gelöst, dass sich auch Jugendliche unter 18 Jahren irgendwelche Substanzen besorgen oder von älteren Menschen besorgen lassen, aber man hat eine gesellschaftliche Stigmatisierung herausgenommen und vielleicht ein Klima geschaffen, in dem Jugendliche eher öffentlich damit umgehen, wenn sie mit etwas nicht zurechtkommen und ein Problem darin sehen. Das gibt es unter den bestehenden Bedingungen nicht, und deswegen ist der Drogenkonsum, der Konsum von Cannabis gerade für Jugendliche oft das Problematische. Ich kenne kaum Erwachsene, von denen ich höre, dass sie einen problematischen Cannabiskonsum haben. Es geht insofern tatsächlich um Jugendschutz.
Außerdem möchte ich noch einmal erwähnen: Die Verbotspolitik und der Schwarzmarkt, der damit entstanden ist, fördern auf der anderen Seite auch kriminelle Lebenswege und ermöglichen der organisierten Kriminalität Milliardenumsätze, und das möchte ich, ehrlich gesagt, auch nicht!
Insgesamt bin ich trotzdem ganz positiv gestimmt, ich finde es sehr gut, dass der Antrag jetzt überwiesen wird, und ich bin auch sehr froh, dass wir die Anfrage gestellt haben, weil ich Sie zum Beispiel bei der Diskussion nach Ihrer Veranstaltung
insgesamt als Fraktion noch deutlich ambivalenter erlebt habe als heute. Deswegen denke ich, es ist der richtige Weg, und irgendwann lösen wir das Problem auch einmal in der Bundesrepublik. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich denke, die Argumente in Bezug auf den Antrag der LINKEN sind ausgetauscht. Ich möchte noch ganz kurz Stellung zum Antrag der Grünen nehmen, nur ganz kurz!
Wir als CDU-Fraktion machen einen Unterschied zwischen Cannabis als Genussmittel und Cannabis als Medizin. Wenn es schwerstkranke Schmerzpatienten gibt, die austherapiert sind und bei denen kein anderes Mittel mehr hilft, um ihre Schmerzen zu lindern, als cannabishaltige Fertigarzneimittel, dann ist es eine Pflicht des Staates, diesen Menschen auch solche Arzneimittel zur Verfügung zu stellen, damit die Schmerzen dieser Menschen gelindert werden. Das ist unsere Überzeugung.
Das einzige Problem, das wir damit haben – und das hatte das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln ja in die Wege geleitet –, ist, wenn es dazu führt, dass dieses Medikament zu Hause angebaut wird. Das würde schließlich auch dem zuwiderlaufen, was wir uns alle wünschen, nämlich der Kontrolle des Marktes: Wenn Menschen privat bei sich auf dem Balkon Cannabis anbauen würden, hätten wir die Kontrolle verloren. Die Lösung, die Sie in Ihrem Antrag vorgeschlagen haben – da ist es sehr ausführlich dargestellt, darauf möchte ich nicht weiter eingehen –, dass die Medikamente in die Regelleistungen der Krankenkasse aufgenommen werden, halten wir für eine vernünftige Lösung, und vor dem Hintergrund der etwa 270 bis 280 Patienten, die momentan beim Bundesinstitut gemeldet sind, sind die Kosten noch überschaubar, sodass wir das den Krankenkassen auch sehr gut zumuten könnten. Insofern möchten wir Ihrem Antrag auch zustimmen. – Danke schön!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt politische Themenfelder, die sind durch starke Meinungen besetzt, Cannabis gehört zu diesen Themenfeldern. Das macht eine relativ entspannte Diskussion zu diesem Thema natürlich nicht gerade einfach.
Damit da kein Missverständnis besteht – und bei diesem Thema ist es immer wichtig, dass man vorweg seine Grundsatzposition zum Ausdruck bringt –, möchte ich meine Position auch hier an den Anfang stellen: Ich bin mit Herrn Yazici der Meinung, dass alle Suchtstoffe möglichst nicht konsumiert werden sollten.
Ich mache allerdings einen Unterschied. Herr Yazici hatte das nur auf die illegalen Suchtstoffe bezogen, ich beziehe das ausdrücklich auf alle, die illegalen und die legalen Suchstoffe, und deshalb war es natürlich auch richtig, dass dieses Parlament zum Beispiel ein Nichtraucherschutzgesetz erlassen hat, dessen Regulierungen ich mir durchaus auch noch stärker vorstellen könnte.
Es ist natürlich auch richtig, dass wir die Abgabe von alkoholischen Getränken an Jugendliche durch Stichproben in den jeweiligen Ausgabestellen immer wieder kontrollieren. Alle diese Maßnahmen sind richtige Maßnahmen.
Nun ist im Laufe der Diskussion eine These aufgestellt worden, die die Sonderbehandlung von Cannabis begründete, nämlich die der unterschiedlichen kulturellen Traditionen. Alkohol haben wir schon sehr lange in unserer europäischen Kultur, Tabak, wie sich wahrscheinlich die meisten erinnern, bei weitem noch nicht so lange, denn Tabak ist erst nach der Eroberung Lateinamerikas nach Europa gekommen, also erst im 16./17. Jahrhundert.
Auch schon eine ganz schön lange Zeit! Ich sage das deshalb, weil es dann vielleicht einfacher wird zu verstehen, dass das Argument der kulturellen Tradition im Fall von Cannabis wenig stichhaltig ist, und zwar: Cannabis ist tatsächlich schon, auch im medizinischen Gebrauch, aber nicht nur, seit vielen Jahrtausenden Teil der Menschheitsgeschichte. Bereits vor 4 700 Jahren hat ein altes chinesisches Lehrbuch über Botanik und Heilkunst Cannabis als eines der zentralen Arzneimittel aufgeführt,
Cannabis wurde in die europäische Volksmedizin mit dem Ersten Kreuzzug Ende des elften Jahrhunderts eingeführt, also weit vor der Eroberung Lateinamerikas und des Imports von Tabak. Wer sich mit der Geschichte der europäischen Medizin auskennt, der weiß, dass bis Ende des 19. Jahrhunderts mehr als die Hälfte aller Schmerzmittel, die in Europa konsumiert wurden, cannabishaltige Schmerzmittel waren. Das hat sich erst geändert, nachdem 1898 die Firma Bayer ein neues Schmerzmittel auf den Markt brachte, das auch heute noch sehr populär ist, nämlich Aspirin. Aspirin und andere Schmerzmittel ha
ben dann in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die cannabishaltigen Schmerzmittel aus dem Markt verdrängt. So viel zur kulturellen Geschichte von Cannabis! Ich möchte damit nur sagen, der Rückgriff auf die Kultur ist nicht sehr stichhaltig, man braucht also andere Argumente.
Eine zweite interessante Fragestellung, die sich in diesem Zusammenhang ergibt, ist die Frage, wann und wie es denn überhaupt zum Verbot von Cannabis kam.
Denn nachdem es immerhin über die Hälfte des Konsums aller Schmerzmittel ausmachte, muss dann irgendetwas passiert sein. Nun auch diese Frage kann man aufklären, denn am 19. Februar 1925 fand die Zweite Opiumkonferenz in Genf statt. Damals ist ein Abkommen über den Handel mit Drogen abgeschlossen worden. Dieses Abkommen, auf das hat sich auch Frau Vogt bezogen, ist nicht in den Dreißigerjahren in Kraft gesetzt worden, sondern am 25. September 1928. Man kann also die geltende betäubungsmittelrechtliche Vorschrift nicht den Nationalsozialisten anlasten.
Ich habe Dreißigerjahre verstanden, gut! Aber das stimmt dann eben nicht, es war zwei Jahre vorher, aber das ist ja egal!
Damals gab es ein Abkommen, und in diesem Abkommen wurde eine neue Liste, die der Kontrolle des Handels unterlag, in Kraft gesetzt, und sie enthielt zwei Stoffe, die zum damaligen Zeitpunkt von zwei großen deutschen Pharmafirmen hergestellt wurden, nämlich Heroin und Kokain. Dann ist etwas ganz Interessantes passiert, Ägypten hat darauf gedrängt, dass in diese Liste auch Cannabis aufgenommen wurde. Diesem Drängen haben sich mehrere Länder, unter anderem auch Deutschland, widersetzt. Erst nachdem Ägypten dann androhte, den Import von Kokain und Heroin aus deutscher Produktion zu verbieten, hat sich die Weimarer Regierung, auf Drängen der beiden Pharmafirmen entschlossen, der Aufnahme von Cannabis in die Verbotsliste zuzustimmen. Seitdem befindet sich Cannabis in der Verbotsliste. Solche kleinen Geschichten, glaube ich, sind ganz interessant zu wissen, wenn man die Bedeutung des Streits um Cannabis wirklich einschätzen will.
Natürlich ist doch klar, und deshalb habe ich meinen Grundsatz an den Anfang gestellt, jeder Konsum von Suchtstoffen, egal, ob legal oder illegal, sollte
Die Frage allerdings, ob ein Verbot diesen Konsum erschwert, ist berechtigt. Mit dieser Frage will ich mich jetzt gar nicht im Detail auseinandersetzen, weil es eine sehr umfangreiche Frage ist, ich möchte Ihnen aber eine Lesehilfe geben. Der Bundestag hat am 5. November 2014, also noch gar nicht lange her, etwas mehr als vor vier Wochen, eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Gesundheit durchgeführt. Die Vorträge, die dort gehalten worden sind, kann man im Internet nachlesen. Eine Stellungnahme eines Gutachters ist besonders lesenswert. Es handelt sich nämlich um die Stellungnahme von Herrn Dr. Harald Hans Körner. Ich kenne ihn seit 20 Jahren. Diese Debatte, damals war ich noch Gesundheitsdezernent in München, verfolgt mich seit 20 Jahren. Damals hatte Herr Dr. Körner noch als aktiver Oberstaatsanwalt und Leiter der hessischen Zentralstelle zur Bekämpfung der Betäubungsmittelkriminalität zu diesem Thema bereits seine staatsanwaltschaftlichen und empirisch gestützten Grundüberzeugungen zum Ausdruck gebracht. Er hat die Thematik jetzt auch als Stellungnahme aufgegriffen. Ich will sie jetzt gar nicht zitieren, ich will mich damit gar nicht weiter auseinandersetzen. Rufen Sie sie auf, lesen Sie sie nach! Sie haben dort viele gute Hinweise, warum die strafrechtliche Verfolgung des Cannabiskonsums – ich rede jetzt vom Konsum, nicht vom Drogenhandel – durchaus ihre problematischen Seiten hat.
Meine Damen und Herren, die Verfahrensweise wird nicht in Bremen entschieden, sondern auf der Bundesebene. Deshalb ist es durchaus vernünftig abzuwarten. Die drei genannten Modellversuche sind auch noch gar nicht angelaufen, und ob sie anlaufen werden, kann zu diesem Zeitpunkt niemand sagen. Die Modellversuche können nur dann anlaufen, wenn sie das Bundesinstitut für Arzneimittel als Bundesbehörde genehmigt. Der Antrag liegt dort, ob sie genehmigt werden, muss man abwarten. Sollten Sie genehmigt werden, dann ist es in jedem Fall angezeigt, das Ergebnis dieser Modellversuche abzuwarten, um dann auf Bundesebene und auch hier in diesem Parlament gegebenenfalls die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Lassen Sie mich noch in einem einzigen, letzten Kommentar zu der Frage der medizinischen Indikation Stellung nehmen. Die Voraussetzung dafür, dass eine Arzneimitteltherapie eine Kassenleistung sein kann, ist die arzneimittelrechtliche Zulassung einer Darreichungsform, Tablette, Kapsel, was auch immer. Es gibt eine solche im deutschen Markt, es gibt eine arzneimittelrechtliche Zulassung, allerdings nur mit
einer einzigen Indikation, und das ist die Anwendung bei der multiplen Sklerose, nicht bei Krebs. Wer also die Anwendung dieses Arzneimittels auf weitere Indikationen wünscht, der muss den Antrag stellen, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel die Erkenntnislage zum Nutzen und zu Risiken dieser Darreichungsform bei anderen Indikationen als der multiplen Sklerose prüft und dann gegebenenfalls auch die Zulassung erteilt. Wenn diese Zulassung erteilt ist, dann steht einer Übernahme der Behandlungskosten mit diesem Arzneimittel durch die gesetzliche Krankenversicherung nichts mehr im Weg.
Um das zu resümieren: Das Thema ist ein wichtiges Thema, das Thema ist ein stark bemeintes Thema. Es lohnt sich der weiteren Diskussion zu folgen. Wir werden es hier in Bremen mit Sicherheit nicht entscheiden, aber wir werden uns in unserer allgemeinen staatsbürgerlichen Pflicht an dieser Debatte beteiligen und unseren Anteil dazugeben. – Danke schön!