Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Von uns aus, von mir aus drei Bemerkungen zur Debatte über den bremischen
Staatshaushalt; erstens, was die Zahlen angeht, zweitens die Erklärung dieses Phänomens und drittens die Frage der Krise und der Umkehr! Zu den Zahlen! Sie sehen grob gesehen aus wie folgt: Pro Jahr 3 Milliarden Euro Einnahmen, 4 Milliarden Euro Ausgaben, 20 Milliarden Euro Schulden, 650 Millionen Euro Zinsen, 300 Millionen Euro Zuwendungen aus Berlin und 170 Millionen Euro Zuwendungen aus Brüssel. Damit man sich das vorstellen kann als Arbeitnehmer, Rentner, Pensionär oder als einer, der sonst wie ein Einkommen bezieht, in einem zugegebenermaßen etwas schiefen Bild, aber immerhin ist es ein Bild: Ich habe 3 000 Euro im Monat und gebe 4 000 Euro aus, ich habe 20 000 Euro Schulden und bekomme noch ab und zu Zuwendungen von Tante Grete aus Brüssel und Onkel Heinz aus Berlin. Das Ergebnis ist, ich habe eine Privatinsolvenz anzumelden. Aussicht: Hoffen und Bangen. Bezogen auf Bremen: Ein Schicksal droht wie im Jahr 1989 der DDR und wie jetzt Griechenland, mit dem Unterschied, dass es Bremen gelungen ist, das Image des Sozialen zu bekommen. In dieses Bundesland zu investieren oder Hilfe dorthin zu geben, das lohne sich, da es ein soziales Land ist. In Wirklichkeit war das Anhäufen von Schulden unsozial. Der Staat ist bewegungsunfähig geworden, er kann nicht mehr helfen. Zweitens: Wie war das alles möglich? War das, um da anzuknüpfen, Herr Dr. Kuhn, Teufelswerk, oder waren es böse Dritte, oder waren es wir selbst, gibt es ein Eingeständnis von Schuld? Seit Jahren gehe ich dieser Frage nach, ich frage diesen und jenen, ich frage Wissenschaftler, ich frage Psychologen.
Wie war das möglich? Es ist ja nicht nur in Bremen passiert, es ist nicht nur in Deutschland passiert, es ist in ganz Europa passiert, in Japan, in den USA, um nur diese Länder zu nennen. Ich habe auf diese Frage keine Antwort, mir bleibt allein Nietzsche: Die Geschichte zeigt, dass der Irrsinn unter Gruppen, Völkern und Parteien verbreiteter ist als bei Einzelnen. Es war ein Irrsinn, diese Verschuldung. Drittens: Bemerkungen über das, was Herr Kuhn als Offenheit, Transparenz und Klarheit bezeichnet hat und wozu Herr Rupp, aus meiner Sicht völlig zu Recht, entgegnete: Nebel, Vernebelung findet statt! Worüber reden wir eigentlich? Wo kann ich als Bürger, als Abgeordneter den bremischen Haushalt so lesen, dass ich ihn verstehe? Sieben Kilo Papier – unlesbar! –, Gott sei Dank im Internet als PDF-Datei erhältlich! Kann ich diese Datei lesen? Nein, sie ist in der Tat nebulös, ich blicke nicht durch. Vielleicht liegt das an meinem beschränkten Verstand.
Das wäre die erste Möglichkeit. Die Lösung allerdings ist klar, und um diese Lösung habe ich unsere Finanzsenatorin und Bürgermeisterin vor sieben Jahren beim Neujahrsempfang gebeten, nämlich ob ich den bremischen Haushalt als Excel-Datei bekommen könnte.
(Abg. R ö w e k a m p [CDU]: Um ihn zu ändern! – Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Dann hätten Sie es verstan- den!)
Wir werden praktisch, Herr Güldner – ob das überhaupt möglich ist, das bezweifeln Sie, aber es ist ganz einfach –: Wenn Sie sich den bremischen Haushalt im Kulturbereich anschauen, dann ist er in einer ExcelDatei so formuliert, dass ich ihn verstehe. Damit kann ich spielen,
und erst dann, wenn ich mit einem Haushalt spielen kann, dann habe ich etwas begriffen. Das ist beim Kulturhaushalt der Fall, aber nicht beim bremischen Staatshaushalt. Solange das nicht der Fall ist, weiß ich überhaupt nicht, worüber wir reden. Wenn Sie das endlich als erste Schwäche eingestehen würden, dann wäre auch die Möglichkeit zur Umkehr gegeben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es tut mir leid, wenn ich das Thema durch meinen Zwischenruf auf theologische Bahnen gelenkt haben sollte.
Herr Kollege Korol, ganz im Ernst, das Unbehagen darüber, dass man dieses große Zahlenwerk nicht ver
steht und sich damit nicht zurechtfindet, verstehe ich völlig, deswegen möchte ich auch ernsthaft darauf antworten. Erstens, es gibt Rohdaten in Open Data, und zweitens, es gab und gibt ein sogenanntes Haushaltsportrait, worin die Hauptdaten und -aussagen in Zahlen und Diagrammen und Ähnlichem auf wenigen Seiten zusammengefasst sind. Es gibt Hilfen, auch die Grundzüge zu verstehen, das meine ich ernst, weil es in Tat nicht einfach ist, sich zurechtzufinden, und wenn man dann nicht im Haushaltsausschuss sitzt, sondern hier einmal eine Sonntagsrede hält, dann wird es auch schwierig.
Ich möchte eine Bemerkung machen, weil ich den Streit mit Ihnen, Herr Rupp, am Ende nicht mehr führen möchte. Die Aussage, dass wir jetzt irgendetwas mit der BSAG vorhätten und verheimlichen, dass das auf den Schultern der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgetragen würde, ist wirklich eine Unverschämtheit!
Wir haben in den letzten zehn Jahren die Verhandlungen über die Umwandlung und die Neustrukturierung bei der BSAG in sehr großem Einvernehmen, natürlich auch in harten, aber sehr guten und einvernehmlichen Verhandlungen mit den Belegschaftsvertretern bei der BSAG geführt. So sind auch die Gespräche über die Vorbereitung dieser großen Investitionen schon geführt worden. Diese Vorbereitungen gibt es auch schon, es ist nicht so, dass dieser Senat es dem nächsten einfach vor die Füße wirft und sagt, nun macht einmal, sondern es ist vorbereitet, nur die Entscheidung, in welcher Form es umgesetzt wird, wird in der neuen Legislaturperiode einer neuen Bürgerschaft, einem neuen Senat überlassen. Was Sie vermutet haben, dass es auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen wird, wird aber überhaupt nicht passieren, das ist schon klar beschlossen und erkennbar.
Ich möchte noch über ein Risiko sprechen, darüber hat Herr Kastendiek jetzt nicht geredet. Es gibt noch ein sehr großes Risiko, und das trägt den Namen Horst Seehofer und inzwischen auch den Namen Angela Merkel. Ich weiß nicht, ob Herr Schäuble auch dazugehört, da bin ich nicht ganz sicher. Es gibt nämlich die Aussage, dass diese Damen und Herren ab dem Jahr 2020 Stück für Stück und sukzessive auf den Solidaritätsbeitrag verzichten wollen, und das würde unseren Bemühungen, die Finanzen der Länder – aller Länder, auch Bremens – und der Kommunen auf eine solide Grundlage zu stellen, materiell massiv den Boden entziehen. Das ist ein wirkliches Risiko, wenn diese Damen und Herren damit durchkommen würden! – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern – –.
Verschiedene Einlassungen haben mich noch einmal bewogen, hier zu sprechen. Erstens, meine Kenntnisse des Haushalts und meine Einschätzungen habe ich aus dem Haus des Reichs, also aus dem Haus der Finanzsenatorin, von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und ich denke, dass ich in der Lage bin, das auf meine Art zu kritisieren und hier laut zu sagen, was ich darüber denke, und laut zu sagen, dass ich das Ganze für eine strategische Sackgasse halte. Die Möglichkeit, das zu tun, ist durch die Finanzbehörde gegeben, dafür verdienen die Finanzsenatorin und die Kollegen im Haus des Reichs Respekt. Das ist eine Form von Transparenz, die die Demokratie braucht, um über neue Lösungen zu streiten, das möchte ich an dieser Stelle noch einmal sagen, nach dem Abschluss von vier Legislaturperioden habe ich die Erfahrung gemacht. Sicherlich kann man da noch mehr tun, aber die Bremerinnen und Bremer haben schon die Möglichkeit, tief in den Haushalt hineinzuschauen. Ich empfehle das auch, denn je mehr Menschen das tun, desto mehr Menschen verstehen – da bin ich mir relativ sicher –, warum ich viele Dinge als strategischen Fehler bezeichne und warum wir andere Wege vorgeschlagen haben. Herr Dr. Kuhn, ich schäme mich nicht dafür – ich bin also unverschämt –, meine bisherige Erfahrung ist, dass es in aller Regel die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der unterschiedlichen Bereiche gespürt haben, und zwar sehr deutlich, wenn es darum ging, den Haushalt über die PEP-Quote und andere Maßnahmen zu sanieren. Wir wissen, dass die Feuerwehr und die Polizei Überstunden vor sich herschieben. Ich schaue mir den Umweltbetrieb Bremen an, und ich weiß, mit welchem Personal dort gearbeitet werden muss. Dort ist Haushaltkonsolidierung bezahlt worden mit Leistungsverdichtung, mit zu wenig Personal, mit der Tatsache, dass acht bis neun Personen die Arbeit von zehn Arbeitnehmern machen müssen und der Tatsache, dass es viel zu wenige junge Kollegen gibt. Davor können Sie die Augen nicht verschließen, deswegen ist meine Frage, wie Sie das mit der BSAG machen wollen, ganz davon abgesehen, dass ich die unterschiedlichen Stufen der Sanierungskonzepte vom Klinikum Mitte der GeNo auch kenne. Da ging es schon fast so weit, dass bestimmte Operationssäle geschlossen werden mussten, weil nicht mehr genug Personal vorhanden war, da sind also Grenzen erreicht.
Wenn jetzt jemand sagt, vor der Wahl möchten wir gern ziemlich genau wissen, wie die 300 bis 400 Millionen Euro für neue Straßenbahnen der BSAG finanziert werden sollen, finde ich es nicht unverschämt zu sagen, sagt es vorher genau, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher sind, dass sie es nicht bezahlen müssen!
Es gibt zwei weitere Risiken. Es ist noch nicht so lange her, da gab es auch in diesem Haus einen ziemlich großen Konsens, dass ein Altschuldenfonds eine Möglichkeit ist, Bremen zu sanieren und wieder auf gute Füße zu stellen, von den Zinszahlungen zu befreien, um dann auf eine Weise zu wirtschaften, die möglicherweise deutlich in die Zukunft gerichtet ist. Das hat die Bundesregierung nicht mitgetragen. Diese Form von Risiko für den bremischen Haushalt liegt in der Verantwortung der Christlich Demokratischen Union in Deutschland, die davor die Augen verschließt, die das nicht gewollt hat, die nicht in der Lage ist, einen solchen Altschuldenfonds zu finanzieren. Wir haben vorgeschlagen, das aus einer Vermögensabgabe zu realisieren, das wollen Sie nicht, weil Sie ihre Klientel schützen wollen, deswegen machen Sie es lieber so, dass Sie den Ländern noch mehr Sparanstrengungen aufbürden.
Das zweite Risiko ist der Länderfinanzausgleich, darüber diskutieren wir noch in diesem Jahr. Ich bin einmal gespannt, wie die Bündnisparteien auftreten, wenn es darum geht zu sagen, Bremen ist an einem Punkt angelangt, wo man vernünftigerweise bei den konsumtiven und den investiven Ausgaben nicht mehr kürzen kann, es sei denn, es geht auf Kosten von noch mehr sozialen Schulden. Ich bin auf die Position der CDU gespannt, wie sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen auf Bundesebene für einen Länderfinanzausgleich streitet, der gleichförmige Lebensbedingungen in allen Bundesländern, also auch hier in Bremen, garantiert.
Ich bitte um eine Aussage, wie Sie dann auftreten werden! Wir werden Sie prüfen, da reicht es nicht, immer nur zu sagen, wir müssen auf der einen Seite mehr von diesem und jenem haben, und auf der anderen Seite müssen wir mehr kürzen, das funktioniert so nicht, das glaubt Ihnen auch in Bremen niemand. Deswegen fordere ich Sie noch einmal auf: Sagen Sie einmal, welche Position werden Sie denn bei diesen Fragen einnehmen? Ich bin gespannt, ob Sie dann zum Risiko oder zum Freund für Bremen werden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Aktuellen Stunde wirft die CDU dem Senat vor, dass er Risiken ignoriert, sich verrechnet, verschleiert oder Nebelkerzen zündet. Ich habe Behauptungen gehört, die wir – respektive ich – gesagt oder nicht gesagt haben sollen. Die Behauptungen wurden nicht belegt, und dann wurde sich daran abgearbeitet.
Sie sind weder auf die vom Senat vorgelegten Erklärungen und Vorlagen eingegangen, kennen sie auch nicht, noch haben Sie belegen können, welche Kalendersprüche ich angeblich gesagt haben soll. Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben Probleme mit der Wahrhaftigkeit. Ich glaube schon, dass man genug Punkte finden kann, die man hier vor der Wahl, nach der Wahl oder während der laufenden Legislaturperiode kritisieren kann, aber die Technik, hier einfach irgendetwas zu erzählen und etwas zu unterstellen und sich dann daran abzuarbeiten, trägt doch einfach nicht!
In der dem Haushaltausschuss vorgelegten Senatsvorlage vom 13. März 2015 – das ist noch gar nicht so lange her – ist in der Anlage „Budgetrisiken“ aufgeführt, welche Budgetrisiken dem Senat bekannt sind, und es wird ein Vorschlag gemacht, wie wir damit umgehen wollen. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten in der Aktuellen Stunde, da heißt es unter dem Punkt „Weitere Risiken“: „Weitere Fälle aus dem Vorbelastungskataster (Mehrausgaben für Wahlen, Projekt E-Justice, konsumtive Bedarfe Kindertages- betreuung, Kindertagesbetreuung (Beitragsausfall, Planungsmittel), ESPQ-Transfer, Ausbildungsplanung: 18,2 Millionen Euro insgesamt für Stadt und Land. Aktuell gemeldete Ressortrisiken für das zweite Halbjahr (Bedarfe im PPL 07 Inneres, zusätzlicher Perso- nalbedarf im PPL 11 Justiz, Restbedarf Assistenz in Schulen, Privatschulzuschüsse, Tarifsteigerungen TVöD 2014 und TV-L 2015 (noch nicht bezifferbar), Mindereinnahmen Werberechte und Gewinne aus Beteiligungen (BLB) sowie KTH-Ausbau (noch nicht enthalten): insgesamt 36,3 Millionen Euro.“
Herr Kastendiek, ich weiß nicht: Reden Sie und Herr Kau nicht miteinander? Wie können Sie so eine Aktuelle Stunde hier vor dem Hintergrund dessen einbringen, was ich hier vorgelesen habe?
Eine Vorlage steht für alle Bürgerinnen und Bürger auch erkennbar im Netz, da können Sie es sehen. Wie können Sie auf solch einer Basis behaupten, wir würden Risiken ignorieren? Mir ist das schleierhaft!
Was ich richtig infam finde – Sie haben dann eine Reihe von Dingen aufgeführt, die wir hier angeblich
Es reicht mir jetzt wirklich bald einmal! Dass Sie glauben, bei den Wählerinnen und Wählern Punkte machen zu können, indem Sie mich hier verleumden, ist die eine Sache, dafür müssen Sie selbst einstehen, aber dass Sie damit in einer Art und Weise einer Bank schaden, die 33 Milliarden Euro Bilanzsumme hat und über 1 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, finde ich einfach inakzeptabel!